Junger Mann zum Mitreisen gesucht
Charmante Geschichten von der Liebe, von Aufbruch und Trennung, von neuen Männern und dem Glück, das man immer dann findet, wenn man es nicht sucht.
Erzählt von:
...
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Buch
12.99 €
Produktdetails
Produktinformationen zu „Junger Mann zum Mitreisen gesucht “
Charmante Geschichten von der Liebe, von Aufbruch und Trennung, von neuen Männern und dem Glück, das man immer dann findet, wenn man es nicht sucht.
Erzählt von:
- Anne Hertz
- KerstinGier
- Eva Lohmann
- Wiebke Lorenz
- Frauke Scheunemann
- Tanja Heitmann
- Constanze Behrends
- Volker Klüpfl & Michael Kobr
- u.a.
Klappentext zu „Junger Mann zum Mitreisen gesucht “
Eigentlich wollte Hanna mit ihrer besten Freundin ein Bier trinken gehen - doch dann taucht ein Polizist auf. Ein sehr attraktiver Polizist. Und auf einmal nimmt der Abend eine ganz und gar unerwartete Wendung ...Julia ist begeistert: Sie hat einen Traummann kennengelernt, der sie spontan auf einen Trip in die Südsee einlädt. Das klingt zu gut, um wahr zu sein ... und ist es auch. Noch ahnt Julia nicht, dass Andreas die dänische Südsee meinte - und sie dort die Fahrradtour des Grauens erwartet!
Tim ist der schönste Mann der Welt. Das bewahrt ihn allerdings nicht davor, von einer Flaschenpost am Kopf getroffen zu werden - und nach dem Aufwachen Herta zu sehen, eine Naturgewalt aus dem Allgäu, die möglicherweise seine ganz große Liebe ist. Möglichweise aber auch nicht ...
Wer träumt nicht vom Sommer, wenn es draußen regnet? Wieso kann sich ein schnarchender Mann nicht einfach in ein attraktiveres und geräuschärmeres Exemplar verwandeln? Was passiert, wenn ein Dackel Beziehungsratschläge erteilt? Die schönsten Geschichten über Liebe und Aufbruch, neue Männer, kleine Fluchten und das Glück, das man nur dann findet, wenn man gerade nicht danach sucht - erzählt von Anne Hertz und Kerstin Gier, Jana Voosen, Tanja Heitmann, Miriam Kaefert, Janine Binder, Eva Lohmann, Silke Schütze, Michaela Möller, Kirsten Rick, Constanze Behrends, Tatjana Kruse, Esther Hell, Anette Göttlicher, Anna Kosckka, Wiebke Lorenz, Frauke Scheunemann und als special guest stars Volker Klüpfel & Michael Kobr.
Lese-Probe zu „Junger Mann zum Mitreisen gesucht “
Junger Mann zum Mitreisen gesucht von Anne Hertz an FriendsUnser Vorwort:
Wenn das Leben eine Kirmes wäre!
... mehr
Junger Mann zum Mitreisen gesucht! Erinnern Sie sich noch daran? An diese handgemalten großen Schilder, die Buchstaben oft liebevoll mit nostalgischen Schnörkeln gepinselt, wie sie früher - und heute leider kaum noch - an vielen, vielen Jahrmarktsbuden hingen? Die die Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuer weckten, ein Leben fernab von allen spießigen gesellschaftlichen Konventionen versprachen - oder auch nur eine sichere Zuflucht vor der Steuerfahndung?
Ja, das waren noch Zeiten, als junge Männer ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und sich auf den Weg machen konnten, heute hier und morgen dort, in jeder Stadt eine andere Frau oder wenigstens ein Mädchen, das sie glühend verehrte. Und diese Mädchen, das waren wir, liebe Leserinnen. Oder, wenn Sie ein Leser sind, waren Sie derjenige, der diese Rummelplatz-Romeos heimlich beneidete: um die Lässigkeit, mit der sie auf dem bereits gestarteten Fahrgeschäft herumturnten, um unter Einsatz ihres Lebens die Chips der Gäste einzusammeln oder Sicherheitsbügel zu schließen. Um ihre verwegenen Tätowierungen auf den muskulösen Oberarmen, um die Zigarette, die cool aus dem rechten oder linken Mundwinkel hing. Erinnern Sie sich daran?
Manchmal denken wir beide, Frauke und Wiebke, an diese Zeiten zurück, in denen alles möglich war, inklusive der ganz großen, ganz echten, ganz wahren Liebe, an die man als Teenager noch glaubt (und als Erwachsene sicher auch, aber ein bisschen ... anders): Wir standen auf der Kirmes in Büttgen 1 wie so viele andere Mädchen, am Calypso oder dem Breakdancer, in der Hand eine Zuckerwatte oder einen Liebesapfel, hier und da ein knutschendes Pärchen in Sicht, das gleichzeitig zum Beat von »You're my heart, you're my soul« von Modern Talking wippte. Oder an der Raupe, mit der wir nur aus einem einzigen Grund fuhren: für den einen kurzen Augenblick, wenn sich das Verdeck schloss und wir mit unserem jeweiligen Schwarm ein paar verstohlene Küsse tauschen konnten. Rammten uns beim Autoscooter mit irgendwelchen Jungs, um mit ihnen zu flirten, trafen uns hinterm Festzelt zu heimlichen Fummeleien (es sei denn, da lag gerade eine Bierleiche herum) und ließen uns einlullen von den bunten Lichtern und vom ewigen »Das macht Laune, das macht Spaaaaß, und schon beginnt die nächste Faaaaahrt!«, das monoton aus den Lautsprechern den gesamten Platz beschallte; vermischt mit den Rufen der Losverkäufer, die für nur wenige Pfennige den Hauptgewinn versprachen und jedes Mal mit einer Glocke bimmelten, wenn wieder ein Glückspilz die Freie Auswahl gezogen hatte. Jahrmarktsromantik, ja, das war das Gefühl, was diese Schilder mit der Aufschrift Junger Mann zum Mitreisen gesucht in uns Jahr für Jahr weckten, wenn die fahrenden Leute mit ihren Trecks wieder in unser Dorf kamen. Von dieser Romantik handelt dieses Buch - nicht.
Nein, es handelt vom wahren, vom echten Leben, in dem die jungen Männer zum Mitreisen oft nichts anderes als unterbelichtete Karussellbremser mit schlechten Zähnen sind. In dem die Freie Auswahl nur die Entscheidung zwischen verschiedenen Nieten bedeutet und die bunten Lichter lediglich dazu da sind, uns den klaren Blick auf die Realität zu verschleiern. Aber trotzdem: Jede und jeder von uns greift doch wieder und wieder in die große Lostrommel der Liebe und des Lebens, in der Hoffnung, dass auf dem nächsten Zettel etwas anderes steht als Leider verloren.
Also haben wir unsere Freundinnen - Kerstin Gier und Jana Voosen, Tanja Heitmann, Anette Göttlicher, Kirsten Rick, Silke Schütze und viele mehr - gebeten, uns Geschichten zu erzählen: Von jungen Männern zum Mitreisen und von solchen, die man lieber gleich zu Hause lässt, weil sie maximal für eine Geisterbahnfahrt zu gebrauchen sind; darüber, wie sich die Suche nach dem anfühlt, was man sich wirklich wünscht, selbst wenn manchmal nicht ganz klar ist, was das sein könnte. Mal romantisch, mal witzig, mal böse, mal melancholisch. Geschichten also, die so sind wie das Leben: immer anders, als man es erwartet.
Wir wünschen gute Unterhaltung!
PS: Wir freuen uns sehr, dass wir für dieses Buch sogar zwei echte »junge Männer zum Mitreisen« gewinnen konnten: Volker Klüpfel und Michael Kobr, die ihre ganz eigene Vorstellung von Romantik haben. Also: Anschnallen und festhalten, die Herren kommen ab Seite 261 vorbei und sammeln Ihre Chips ein. Aber Vorsicht: Bei dieser Fahrt werden Sie garantiert nicht in Zuckerwatte gepackt ...
Anne Hertz
Abschlepper gesucht
Also dass du dir immer wieder so einen Mist kaufst - die reine Geldverschwendung.« Mit spitzen Fingern greift
Tanja nach der neuen Dörte und wedelt mir mit dem Heft vor der Nase herum. »Da steht doch ständig das Gleiche drin. Hier, echt unglaublich: Fünf Kilo in zehn Tagen - die neue Bikini-Diät, Top-Volumen trotz feiner Haare - modische Frisurentrends genau erklärt und, natürlich, Das große Liebeshoroskop plus Special: Die neuen Tarot-Karten, exklusiv in Dörte.«
»Na ja«, versuche ich, mich zu verteidigen, »ich fahre doch morgen mit dem Zug, und da dachte ich ...«
Tanja unterbricht mich mit einem empörten Schnauben. »Quatsch! Du hast dieses Blättchen wahrscheinlich sogar im Abo. Kannste ruhig zugeben.«
Die Leute vom Nachbartisch gucken schon. Ich merke, wie mir deutlich wärmer wird. Wir sitzen im Mandala, einer sehr gemütlichen Kneipe mit einem sehr überschaubaren Gastraum. Man kriegt hier eigentlich immer ganz gut mit, was am Nachbartisch gesprochen wird, was ich nicht selten spannend oder lustig finde. Heute ist mir das allerdings nicht so recht, denn schließlich geht es um mich.
Ich greife über den Tisch und nehme Tanja die Zeitschrift weg. »Na und?«, zische ich sie dann an, »was wäre schon dabei? Ich interessiere mich eben für solche Themen.«
Tanja rollt mit den Augen. »Hanna, du bist eine intelligente junge Frau. Du hast sogar mal studiert. Nicht übermäßig lang und erfolgreich, aber immerhin. Was also willst du mit Zeitschriften, die uns Frauen weismachen wollen, unser Glück hinge von der richtigen Konfektionsgröße oder der perfekten Frisur ab? Das ist doch Blödsinn! Genau wie die Dauerrubrik Die Wahrheit über Männer in all ihren Variationen. Wenn da nur ein Funken Wahrheit drin wäre, müsstest du deinen Traummann längst gefunden haben.«
Tanja kann so verdammt rechthaberisch sein. Leider kann sie aber auch verdammt recht haben - tatsächlich ist die Sache mit dem Traummann seit der Pleite mit Tobias wieder mal in ganz weite Ferne gerückt. Offen gestanden, war das auch ein Grund, die aktuelle Dörte zu kaufen. Liebeshoroskop und neues Tarot - das klang sehr vielversprechend. Aber wenn ich das jetzt zugebe, bin ich geliefert. Ob ich behaupte, ich sei an den Trendfrisuren für feines Haar interessiert? Wenig wahrscheinlich bei meiner sehr starken Naturkrause.
Ich sage also erst einmal nichts dazu und bestelle uns stattdessen noch zwei Bier. Tanja zieht das Heft wieder zu sich hinüber und schlägt es auf. Ein kleines Tütchen aus Zellophanfolie fällt heraus, in ihm ein Stapel mit bunten Kärtchen. Bevor ich selbst zugreifen kann, hat Tanja das Tütchen schon genommen und reißt es auf.
»So, das ist also das neue Tarot. Was ist denn daran neu?« Sie breitet die Karten auf dem Tisch aus. »Sieh dir mal die Bilder an, ich finde, die sehen genauso aus, wie man sie kennt. Das ist doch ein ganz alter Hut.«
»Natürlich sehen die so aus. Aber wenn du dir mal die Mühe machen würdest, den dazugehörigen Text im Heft zu lesen, würdest du schnell feststellen, dass es hier um eine neue Deutungsmöglichkeit der Karten geht. Eine neue Legetechnik eben.« Von meinem entschiedenen Vortrag gänzlich unbeeindruckt, prustet Tanja los.
»Neue Legetechnik? Technik? Also, Hanna, mal ehrlich - hier geht es nicht um Atomphysik. Das ist totaler EsoQuatsch. Falls du Hilfestellung bei der Frage brauchst, woran es bei dir und den Männern hapert, frag doch einfach mal mich, deine beste Freundin. Ich hätte dir gleich sagen können, dass dieser Tobias ...«
»Jetzt reicht es mir aber!«, fahre ich ihr über den Mund. »Wenn du wirklich eine gute Freundin wärst, würdest du einfach mal mitspielen, um mich von meinem Liebesfrust abzulenken, anstatt hier ständig den Oberlehrer zu geben. Es kann schließlich nicht jede ihre große Liebe schon in der Oberstufe kennenlernen und dann glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende mit ihr zusammen sein. Oder zumindest bis zum dreißigsten Geburtstag.«
Tanja schaut mich erstaunt an. »He, Süße, mal halblang, ich wollte dich doch nicht ärgern. Also, das tut mir jetzt leid. Und wenn es dich tatsächlich aufmuntert, dann spielen wir sofort dein neues Liebestarot. Also, gib mal die Dörte, ich lese vor, und du legst. Einverstanden?«
Ich nicke und schiebe ihr die Zeitschrift rüber.
»Also«, sagt sie und blättert, »Seite 105. Mal sehen. Aha. Das neue Liebestarot. Legen Sie den Liebesdialog. Ob Sie den Mann Ihres Herzens schon kennen oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Ist er Ihnen noch unbekannt, richten Sie Ihre Frage an die universelle männliche Energie.«
Tanja zieht die Brauen hoch, sagt aber nichts. Hmpf. Ich muss zugeben, dass das so laut vorgelesen schon ein bisschen gaga klingt. Tanja liest weiter.
»Die Karte, die Sie als Ihre Frage ziehen, zeigt Ihr tieferes Anliegen an Ihr Gegenüber auf. Die erhaltene Antwort hilft Ihnen, sein Anliegen und Verhalten besser zu verstehen. Na, das werden wir sehen. Die Texte zu allen Karten finden Sie auf den nachfolgenden Seiten. Okay, misch mal die Karten.«
Ich tue, wie mir geheißen, und verteile dann die Karten mit der Rückseite nach oben auf dem Tisch. Tanja stupst mich auffordernd an.
»So, und jetzt ziehst du die Frage- und danach die Antwortkarte und legst sie nebeneinander.«
Mittlerweile starren diverse andere Gäste mehr oder minder unauffällig zu uns herüber, und ich würde das Spiel gerne abbrechen, aber wenn Tanja nun schon brav mitmacht, kann ich wohl kaum schwächeln. Also ziehe ich aus der Reihe die erste Karte und lege sie vor mich hin. Sie zeigt eine Hand, die aus einer Wolke ragt und eine Goldmünze hält. Das Ass der Münzen. Tanja guckt wieder in das Heft und liest laut vor.
»Jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Ich bin bereit, ihn zu gehen, wohin er mich auch führen mag. Ich weiß, dass ich die Herausforderung annehmen kann, wenn ich ihr begegne. Und ich weiß, dass ich den besonderen Menschen erkenne, wenn ich ihm begegne. Auch wenn ich nicht alles auf einmal erreiche, werde ich meinem Ziel sicher näher kommen. Ich werde die Hand heben, wenn sich die Chance bietet.«
Auweia, was für ein inhaltloses Geschwurbel! Ich traue mich gar nicht, Tanja anzugucken. Die lacht sich innerlich bestimmt schon schlapp. Aber da muss ich jetzt durch - auf zur zweiten Karte! Unschlüssig lasse ich meine Hand über der Reihe kreisen, entschließe mich dann für die dritte Karte von links und drehe sie um. Aha. Eine Art Papst in rotem Gewand und einer goldenen Mütze. Der Hierophant.
»Du sagst, was du willst, nennst das Kind beim Namen, auch wenn es für andere unangenehm wird. Du bist ein weiser Führer, die Liebe wird dir folgen. Du stehst für Wissen und Recht ein, die Wahrheit wird am Ende siegen.«
»Sehr kryptisch«, gebe ich zu. »Und das soll mir den Weg zur männlichen Energie weisen? Ist da irgendwo noch genauer erklärt, was ein Hierophant ist? Klingt irgendwie nach ... nach einer australischen Rüsseltiergattung.«
Tanja prustet laut. »Tja, meine Liebe, du musst das hier schon ein bisschen ernster nehmen, wenn es dich wirklich weiterbringen soll. Mal gucken, ob die Karten noch besser erklärt werden.« Sie blättert weiter. »Ah, hier: der Hierophant. Diese Karte symbolisiert generell Verbundenheit und Treue, Wissen und Freundschaft. Und - klingelt da was bei dir?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein, leider nicht. Wobei, Tobias war ein echter Besserwisser und Klugscheißer, vielleicht ist er damit gemeint?«
Der Blick von Tanja ist mehr als skeptisch. »Aber Verbundenheit und Treue? Bei einem notorischen Fremdgänger? Nee, damit muss ein anderer Mann gemeint sein. Wer weiß - vielleicht spaziert hier gleich einer durch die Tür? Immerhin wirst du den besonderen Menschen erkennen, wenn du ihm begegnest. Du brauchst dann nur die Hand zu heben. Sagen die Karten.« Sie kichert.
»Ha, ha. Sehr komisch. Ich werde daran denken, wenn er gleich einfach zu uns ins Mandala spaziert. Bevor es aber so weit ist, trinke ich noch ein Bier.«
»Das ist eine gute Idee. Ich auch!«
Ich will gerade der Bedienung zuwinken, als direkt hinter mir eine sehr melodische, tiefe und vor allem sehr laute Stimme losdröhnt. »Guten Abend, meine Herrschaften!«
Oh, ein Straßenkünstler? Mitten im Mandala? Neugierig drehe ich mich um.
»Ich würde hier gerne einen Abschleppvorgang verkürzen. Befindet sich unter Ihnen der Halter des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen HH-AH 2156?«
Kein Straßenkünstler. Ein Polizist. Und was für einer! Er sieht umwerfend aus. Ich bin zwar etwas kurzsichtig, aber selbst auf fünf Meter Entfernung kann ich erkennen, dass er strahlend blaue Augen hat. Die blonden, vollen Haare fallen ihm in die Stirn, was ihm etwas Verwegenes gibt, und obwohl er hier eine knochentrockene Ansage macht, verrät ein Grübchen in seiner Wange, dass er eigentlich grinst. Wow, wow, WOW!
Tanja beugt sich zu mir rüber. »Sieht der nicht toll aus? Los, heb die Hand!«
»Spinnst du? Das ist doch gar nicht mein Auto!«
»Na und? Denk an die Karten! Da ist er, der weise Führer! Melde dich!«
»Nein, das ist doch total peinlich, wenn sich hier zwei Leute melden.«
»Wieso? Bisher hat noch niemand gesagt, dass ihm das Auto gehört. Du wolltest doch die Karten legen! Dann musst du jetzt auch mal machen, was sie dir raten.«
Der Polizist räuspert sich. »HH-AH 2156? Ist hier irgendwo der Halter? Ich muss sonst den Abschlepper rufen, Sie blockieren eine Einfahrt.«
»Na also: Er nennt die unangenehme Wahrheit beim Namen«, erkennt Tanja. »Da isser, dein Hierophant. Nun mach schon, melde dich. Heb einfach die Hand!«
Ich weiß nicht, ob es am Bier liegt oder an der Tatsache, dass ich mich offenbar in einer allgemeinen Lebenskrise befinde - ehe ich selbst begreife, was ich da mache, hebe ich tatsächlich die Hand. Prompt steuert der Polizist auf mich zu.
»'n Abend! Polizeiobermeister Fichtner. Sie stehen da aber wirklich ganz ungünstig, gnädige Frau.«
»Ich ... äh ... tut mir leid.«
Er mustert mich prüfend. »Können Sie überhaupt noch fahren?«
Mir wird heiß und kalt. Warum zum Geier habe ich mich gemeldet? Ich muss verrückt geworden sein! Aus den Augenwinkeln kann ich sehen, dass Tanja auf ihrem Stuhl vergnügt hin und her rutscht. Na super.
»Ja, also, ich glaube schon. Ich habe eigentlich nur ein Bier... also vielleicht auch zwei ... aber ... äh ...« Mein Gestammel ist grauenhaft. Der Typ muss glauben, ich hätte eine Vollmeise und einen Blutalkohol von mindestens zwei Promille.
Polizeiobermeister Fichtner schüttelt tadelnd den Kopf, entscheidet sich dann aber für eine weniger strenge Herangehensweise. »Also, ich schlage vor, Sie geben mir den Schlüssel und ich parke für Sie um. Und wenn Sie morgen wieder nüch... also wenn Sie morgen ausgeschlafen haben, dann holen Sie Ihren Wagen hier ab. Einverstanden?«
Ich nicke und stehe auf. Ein Superplan. So wird's gemacht.
Als ich draußen mit POM Fichtner vor einem mir völlig unbekannten, uralten Opel Kadett stehe, fällt mir auf, dass der Plan nur einen kleinen, aber entscheidenden Haken hat:
Ich habe keinen Autoschlüssel. Mist, was sage ich jetzt nur?
POM Fichtner schaut mich erwartungsfroh an, ich wühle hektisch in meiner Handtasche.
»Tut mir leid«, murmle ich schließlich. »Ich glaube, ich habe meinen Autoschlüssel verloren.«
Fichtner schüttelt missbilligend den Kopf. »Frau Thiele, der Wagen kann hier nicht stehenbleiben! Sonst bleibt mir nichts anderes übrig, als ihn abschleppen zu lassen.«
Ich nicke schuldbewusst. Der Wagen parkt auch echt blöd. Gleichzeitig frage ich mich, wie Fichtner auf die Idee kommt, dass ich Thiele heiße. Tue ich nämlich nicht, mein Name ist Kotlarski.
»Dreihundert Euro kommen da auf Sie zu, das ist Ihnen hoffentlich klar!«, ermahnt mich Fichtner mit strenger Stimme.
»Ja, aber ich finde den Schlüssel wirklich nicht. Ich muss ihn irgendwie verloren haben«, verteidige ich mich kleinlaut.
Fichtner mustert erst mich, dann das Auto. Auf einmal hellt sich seine finstere Miene etwas auf. Anscheinend hat er eine Idee. »Also, es gehört zwar eigentlich nicht zu meinen Aufgaben - aber wenn ein Bürger in Not ist, will ich mal nicht so sein. Ihr Auto ist ja ein ziemlich altes Modell. Ich werde es kurzschließen und Sie dann nach Hause fahren. Dort haben Sie bestimmt einen Ersatzschlüssel, oder?«
»Ich ... äh ... ja, aber das ist doch gar nicht nötig, also, ich meine ...«
»Frau Thiele, die Alternative ist das Abschleppen. Also, wenn Sie dreihundert Euro übrig haben, dann macht das ja nichts. Frage mich allerdings, ob Ihr Autochen hier überhaupt noch so viel wert ist.« Er grinst.
Scheiße! Wie komme ich aus der Nummer bloß wieder raus? Ich denke fieberhaft nach. Währenddessen geht mein Freund und Helfer zu seinem Streifenwagen und bespricht etwas mit seinem Kollegen, der das Trauerspiel geduldig beobachtet hat. Jetzt steigt auch er aus und geht zum Kofferraum, um Fichtner irgendetwas zu geben. Genau kann ich es nicht erkennen, aber es sieht aus wie ein Kleiderbügel. Fichtner kommt zurück.
»Heute haben Sie aber Glück im Unglück. Mein Kollege hat gerade eine Uniform aus der Reinigung geholt.«
Aha. Ich verstehe rein gar nix. »Ja und? Wieso habe ich da Glück?«
»Na, wir haben jetzt einen Drahtbügel. Ich kann also das Fenster und somit den ganzen Wagen öffnen. Dann schließe ich ihn kurz, und wir fahren los, mein Kollege folgt uns und nimmt mich später wieder mit zurück. Genau so machen wir es jetzt.«
Ehe ich noch etwas sagen kann, macht er sich am Fenster des Opels zu schaffen. O mein Gott, ich lasse einen Bullen ein fremdes Auto klauen! Ob ich dafür in den Knast gehen kann? Und wie mag dieses schöne Delikt im Juristendeutsch heißen? Hätte ich mehr als die drei Semester Rechtswissenschaften absolviert, die ich tatsächlich geschafft habe, wüsste ich es vielleicht.
Ein Klack, dann schwingt die Wagentür auf. Fichtner setzt sich rein und öffnet mir die Beifahrertür.
»Also, Moment mal!«, protestiere ich. »Ich habe noch gar nicht bezahlt und bin mit einer Freundin hier.«
»Ist das die Dame, die dort drüben steht und uns zuschaut?«
Ich blicke über die Schulter. Tatsächlich, da steht Tanja. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hat sie gerade den Spaß ihres Lebens.
»Hallo«, ruft Fichtner ihr zu, »ich fahre Ihre Freundin eben nach Hause. Sie hat ihren Autoschlüssel verloren.«
Tanja nickt und ruft zurück: »Ja, kein Problem. Danke schön!«
Spinnt die? Die kann mich doch jetzt nicht hängen lassen!
»Nun steigen Sie schon ein«, fordert mich der Polizist auf. Ich zögere noch einen Augenblick, dann setze ich mich neben ihn. Vielleicht komme ich so am einfachsten aus der Nummer raus - ich lasse mich um die nächste Ecke fahren und absetzen, Fichtner weiß ja zum Glück nicht, wer ich wirklich bin. Wenn dann der wahre Halter seinen Wagen vermisst meldet, soll das nicht mein Problem sein.
Fichtner hat unter dem Lenkrad zwei Drähte hervorgefummelt, der Wagen startet wirklich. Okay, das beeindruckt mich. Ansatzweise.
»Ich bastle in meiner Freizeit gerne an alten Autos rum«, erklärt Fichtner seine eher ungewöhnlichen Fähigkeiten. »Aha. Na, dann fahren Sie mich mal nach ...«
»Moorfleet, in den Eichbaumer Elbdeich.«
»Bitte?«
»Na, ich weiß doch, wo Sie wohnen. Wir haben natürlich schon eine Halterabfrage gemacht. Deswegen wusste ich auch, dass Sie Frau Thiele sind.« Er fährt los.
Moorfleet? Elbdeich? Das ist am Ende der Welt und klingt nicht gut. Gar nicht gut.
© der Zusammenstellung 2012 Knaur Verlag
Junger Mann zum Mitreisen gesucht! Erinnern Sie sich noch daran? An diese handgemalten großen Schilder, die Buchstaben oft liebevoll mit nostalgischen Schnörkeln gepinselt, wie sie früher - und heute leider kaum noch - an vielen, vielen Jahrmarktsbuden hingen? Die die Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuer weckten, ein Leben fernab von allen spießigen gesellschaftlichen Konventionen versprachen - oder auch nur eine sichere Zuflucht vor der Steuerfahndung?
Ja, das waren noch Zeiten, als junge Männer ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und sich auf den Weg machen konnten, heute hier und morgen dort, in jeder Stadt eine andere Frau oder wenigstens ein Mädchen, das sie glühend verehrte. Und diese Mädchen, das waren wir, liebe Leserinnen. Oder, wenn Sie ein Leser sind, waren Sie derjenige, der diese Rummelplatz-Romeos heimlich beneidete: um die Lässigkeit, mit der sie auf dem bereits gestarteten Fahrgeschäft herumturnten, um unter Einsatz ihres Lebens die Chips der Gäste einzusammeln oder Sicherheitsbügel zu schließen. Um ihre verwegenen Tätowierungen auf den muskulösen Oberarmen, um die Zigarette, die cool aus dem rechten oder linken Mundwinkel hing. Erinnern Sie sich daran?
Manchmal denken wir beide, Frauke und Wiebke, an diese Zeiten zurück, in denen alles möglich war, inklusive der ganz großen, ganz echten, ganz wahren Liebe, an die man als Teenager noch glaubt (und als Erwachsene sicher auch, aber ein bisschen ... anders): Wir standen auf der Kirmes in Büttgen 1 wie so viele andere Mädchen, am Calypso oder dem Breakdancer, in der Hand eine Zuckerwatte oder einen Liebesapfel, hier und da ein knutschendes Pärchen in Sicht, das gleichzeitig zum Beat von »You're my heart, you're my soul« von Modern Talking wippte. Oder an der Raupe, mit der wir nur aus einem einzigen Grund fuhren: für den einen kurzen Augenblick, wenn sich das Verdeck schloss und wir mit unserem jeweiligen Schwarm ein paar verstohlene Küsse tauschen konnten. Rammten uns beim Autoscooter mit irgendwelchen Jungs, um mit ihnen zu flirten, trafen uns hinterm Festzelt zu heimlichen Fummeleien (es sei denn, da lag gerade eine Bierleiche herum) und ließen uns einlullen von den bunten Lichtern und vom ewigen »Das macht Laune, das macht Spaaaaß, und schon beginnt die nächste Faaaaahrt!«, das monoton aus den Lautsprechern den gesamten Platz beschallte; vermischt mit den Rufen der Losverkäufer, die für nur wenige Pfennige den Hauptgewinn versprachen und jedes Mal mit einer Glocke bimmelten, wenn wieder ein Glückspilz die Freie Auswahl gezogen hatte. Jahrmarktsromantik, ja, das war das Gefühl, was diese Schilder mit der Aufschrift Junger Mann zum Mitreisen gesucht in uns Jahr für Jahr weckten, wenn die fahrenden Leute mit ihren Trecks wieder in unser Dorf kamen. Von dieser Romantik handelt dieses Buch - nicht.
Nein, es handelt vom wahren, vom echten Leben, in dem die jungen Männer zum Mitreisen oft nichts anderes als unterbelichtete Karussellbremser mit schlechten Zähnen sind. In dem die Freie Auswahl nur die Entscheidung zwischen verschiedenen Nieten bedeutet und die bunten Lichter lediglich dazu da sind, uns den klaren Blick auf die Realität zu verschleiern. Aber trotzdem: Jede und jeder von uns greift doch wieder und wieder in die große Lostrommel der Liebe und des Lebens, in der Hoffnung, dass auf dem nächsten Zettel etwas anderes steht als Leider verloren.
Also haben wir unsere Freundinnen - Kerstin Gier und Jana Voosen, Tanja Heitmann, Anette Göttlicher, Kirsten Rick, Silke Schütze und viele mehr - gebeten, uns Geschichten zu erzählen: Von jungen Männern zum Mitreisen und von solchen, die man lieber gleich zu Hause lässt, weil sie maximal für eine Geisterbahnfahrt zu gebrauchen sind; darüber, wie sich die Suche nach dem anfühlt, was man sich wirklich wünscht, selbst wenn manchmal nicht ganz klar ist, was das sein könnte. Mal romantisch, mal witzig, mal böse, mal melancholisch. Geschichten also, die so sind wie das Leben: immer anders, als man es erwartet.
Wir wünschen gute Unterhaltung!
PS: Wir freuen uns sehr, dass wir für dieses Buch sogar zwei echte »junge Männer zum Mitreisen« gewinnen konnten: Volker Klüpfel und Michael Kobr, die ihre ganz eigene Vorstellung von Romantik haben. Also: Anschnallen und festhalten, die Herren kommen ab Seite 261 vorbei und sammeln Ihre Chips ein. Aber Vorsicht: Bei dieser Fahrt werden Sie garantiert nicht in Zuckerwatte gepackt ...
Anne Hertz
Abschlepper gesucht
Also dass du dir immer wieder so einen Mist kaufst - die reine Geldverschwendung.« Mit spitzen Fingern greift
Tanja nach der neuen Dörte und wedelt mir mit dem Heft vor der Nase herum. »Da steht doch ständig das Gleiche drin. Hier, echt unglaublich: Fünf Kilo in zehn Tagen - die neue Bikini-Diät, Top-Volumen trotz feiner Haare - modische Frisurentrends genau erklärt und, natürlich, Das große Liebeshoroskop plus Special: Die neuen Tarot-Karten, exklusiv in Dörte.«
»Na ja«, versuche ich, mich zu verteidigen, »ich fahre doch morgen mit dem Zug, und da dachte ich ...«
Tanja unterbricht mich mit einem empörten Schnauben. »Quatsch! Du hast dieses Blättchen wahrscheinlich sogar im Abo. Kannste ruhig zugeben.«
Die Leute vom Nachbartisch gucken schon. Ich merke, wie mir deutlich wärmer wird. Wir sitzen im Mandala, einer sehr gemütlichen Kneipe mit einem sehr überschaubaren Gastraum. Man kriegt hier eigentlich immer ganz gut mit, was am Nachbartisch gesprochen wird, was ich nicht selten spannend oder lustig finde. Heute ist mir das allerdings nicht so recht, denn schließlich geht es um mich.
Ich greife über den Tisch und nehme Tanja die Zeitschrift weg. »Na und?«, zische ich sie dann an, »was wäre schon dabei? Ich interessiere mich eben für solche Themen.«
Tanja rollt mit den Augen. »Hanna, du bist eine intelligente junge Frau. Du hast sogar mal studiert. Nicht übermäßig lang und erfolgreich, aber immerhin. Was also willst du mit Zeitschriften, die uns Frauen weismachen wollen, unser Glück hinge von der richtigen Konfektionsgröße oder der perfekten Frisur ab? Das ist doch Blödsinn! Genau wie die Dauerrubrik Die Wahrheit über Männer in all ihren Variationen. Wenn da nur ein Funken Wahrheit drin wäre, müsstest du deinen Traummann längst gefunden haben.«
Tanja kann so verdammt rechthaberisch sein. Leider kann sie aber auch verdammt recht haben - tatsächlich ist die Sache mit dem Traummann seit der Pleite mit Tobias wieder mal in ganz weite Ferne gerückt. Offen gestanden, war das auch ein Grund, die aktuelle Dörte zu kaufen. Liebeshoroskop und neues Tarot - das klang sehr vielversprechend. Aber wenn ich das jetzt zugebe, bin ich geliefert. Ob ich behaupte, ich sei an den Trendfrisuren für feines Haar interessiert? Wenig wahrscheinlich bei meiner sehr starken Naturkrause.
Ich sage also erst einmal nichts dazu und bestelle uns stattdessen noch zwei Bier. Tanja zieht das Heft wieder zu sich hinüber und schlägt es auf. Ein kleines Tütchen aus Zellophanfolie fällt heraus, in ihm ein Stapel mit bunten Kärtchen. Bevor ich selbst zugreifen kann, hat Tanja das Tütchen schon genommen und reißt es auf.
»So, das ist also das neue Tarot. Was ist denn daran neu?« Sie breitet die Karten auf dem Tisch aus. »Sieh dir mal die Bilder an, ich finde, die sehen genauso aus, wie man sie kennt. Das ist doch ein ganz alter Hut.«
»Natürlich sehen die so aus. Aber wenn du dir mal die Mühe machen würdest, den dazugehörigen Text im Heft zu lesen, würdest du schnell feststellen, dass es hier um eine neue Deutungsmöglichkeit der Karten geht. Eine neue Legetechnik eben.« Von meinem entschiedenen Vortrag gänzlich unbeeindruckt, prustet Tanja los.
»Neue Legetechnik? Technik? Also, Hanna, mal ehrlich - hier geht es nicht um Atomphysik. Das ist totaler EsoQuatsch. Falls du Hilfestellung bei der Frage brauchst, woran es bei dir und den Männern hapert, frag doch einfach mal mich, deine beste Freundin. Ich hätte dir gleich sagen können, dass dieser Tobias ...«
»Jetzt reicht es mir aber!«, fahre ich ihr über den Mund. »Wenn du wirklich eine gute Freundin wärst, würdest du einfach mal mitspielen, um mich von meinem Liebesfrust abzulenken, anstatt hier ständig den Oberlehrer zu geben. Es kann schließlich nicht jede ihre große Liebe schon in der Oberstufe kennenlernen und dann glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende mit ihr zusammen sein. Oder zumindest bis zum dreißigsten Geburtstag.«
Tanja schaut mich erstaunt an. »He, Süße, mal halblang, ich wollte dich doch nicht ärgern. Also, das tut mir jetzt leid. Und wenn es dich tatsächlich aufmuntert, dann spielen wir sofort dein neues Liebestarot. Also, gib mal die Dörte, ich lese vor, und du legst. Einverstanden?«
Ich nicke und schiebe ihr die Zeitschrift rüber.
»Also«, sagt sie und blättert, »Seite 105. Mal sehen. Aha. Das neue Liebestarot. Legen Sie den Liebesdialog. Ob Sie den Mann Ihres Herzens schon kennen oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Ist er Ihnen noch unbekannt, richten Sie Ihre Frage an die universelle männliche Energie.«
Tanja zieht die Brauen hoch, sagt aber nichts. Hmpf. Ich muss zugeben, dass das so laut vorgelesen schon ein bisschen gaga klingt. Tanja liest weiter.
»Die Karte, die Sie als Ihre Frage ziehen, zeigt Ihr tieferes Anliegen an Ihr Gegenüber auf. Die erhaltene Antwort hilft Ihnen, sein Anliegen und Verhalten besser zu verstehen. Na, das werden wir sehen. Die Texte zu allen Karten finden Sie auf den nachfolgenden Seiten. Okay, misch mal die Karten.«
Ich tue, wie mir geheißen, und verteile dann die Karten mit der Rückseite nach oben auf dem Tisch. Tanja stupst mich auffordernd an.
»So, und jetzt ziehst du die Frage- und danach die Antwortkarte und legst sie nebeneinander.«
Mittlerweile starren diverse andere Gäste mehr oder minder unauffällig zu uns herüber, und ich würde das Spiel gerne abbrechen, aber wenn Tanja nun schon brav mitmacht, kann ich wohl kaum schwächeln. Also ziehe ich aus der Reihe die erste Karte und lege sie vor mich hin. Sie zeigt eine Hand, die aus einer Wolke ragt und eine Goldmünze hält. Das Ass der Münzen. Tanja guckt wieder in das Heft und liest laut vor.
»Jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Ich bin bereit, ihn zu gehen, wohin er mich auch führen mag. Ich weiß, dass ich die Herausforderung annehmen kann, wenn ich ihr begegne. Und ich weiß, dass ich den besonderen Menschen erkenne, wenn ich ihm begegne. Auch wenn ich nicht alles auf einmal erreiche, werde ich meinem Ziel sicher näher kommen. Ich werde die Hand heben, wenn sich die Chance bietet.«
Auweia, was für ein inhaltloses Geschwurbel! Ich traue mich gar nicht, Tanja anzugucken. Die lacht sich innerlich bestimmt schon schlapp. Aber da muss ich jetzt durch - auf zur zweiten Karte! Unschlüssig lasse ich meine Hand über der Reihe kreisen, entschließe mich dann für die dritte Karte von links und drehe sie um. Aha. Eine Art Papst in rotem Gewand und einer goldenen Mütze. Der Hierophant.
»Du sagst, was du willst, nennst das Kind beim Namen, auch wenn es für andere unangenehm wird. Du bist ein weiser Führer, die Liebe wird dir folgen. Du stehst für Wissen und Recht ein, die Wahrheit wird am Ende siegen.«
»Sehr kryptisch«, gebe ich zu. »Und das soll mir den Weg zur männlichen Energie weisen? Ist da irgendwo noch genauer erklärt, was ein Hierophant ist? Klingt irgendwie nach ... nach einer australischen Rüsseltiergattung.«
Tanja prustet laut. »Tja, meine Liebe, du musst das hier schon ein bisschen ernster nehmen, wenn es dich wirklich weiterbringen soll. Mal gucken, ob die Karten noch besser erklärt werden.« Sie blättert weiter. »Ah, hier: der Hierophant. Diese Karte symbolisiert generell Verbundenheit und Treue, Wissen und Freundschaft. Und - klingelt da was bei dir?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein, leider nicht. Wobei, Tobias war ein echter Besserwisser und Klugscheißer, vielleicht ist er damit gemeint?«
Der Blick von Tanja ist mehr als skeptisch. »Aber Verbundenheit und Treue? Bei einem notorischen Fremdgänger? Nee, damit muss ein anderer Mann gemeint sein. Wer weiß - vielleicht spaziert hier gleich einer durch die Tür? Immerhin wirst du den besonderen Menschen erkennen, wenn du ihm begegnest. Du brauchst dann nur die Hand zu heben. Sagen die Karten.« Sie kichert.
»Ha, ha. Sehr komisch. Ich werde daran denken, wenn er gleich einfach zu uns ins Mandala spaziert. Bevor es aber so weit ist, trinke ich noch ein Bier.«
»Das ist eine gute Idee. Ich auch!«
Ich will gerade der Bedienung zuwinken, als direkt hinter mir eine sehr melodische, tiefe und vor allem sehr laute Stimme losdröhnt. »Guten Abend, meine Herrschaften!«
Oh, ein Straßenkünstler? Mitten im Mandala? Neugierig drehe ich mich um.
»Ich würde hier gerne einen Abschleppvorgang verkürzen. Befindet sich unter Ihnen der Halter des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen HH-AH 2156?«
Kein Straßenkünstler. Ein Polizist. Und was für einer! Er sieht umwerfend aus. Ich bin zwar etwas kurzsichtig, aber selbst auf fünf Meter Entfernung kann ich erkennen, dass er strahlend blaue Augen hat. Die blonden, vollen Haare fallen ihm in die Stirn, was ihm etwas Verwegenes gibt, und obwohl er hier eine knochentrockene Ansage macht, verrät ein Grübchen in seiner Wange, dass er eigentlich grinst. Wow, wow, WOW!
Tanja beugt sich zu mir rüber. »Sieht der nicht toll aus? Los, heb die Hand!«
»Spinnst du? Das ist doch gar nicht mein Auto!«
»Na und? Denk an die Karten! Da ist er, der weise Führer! Melde dich!«
»Nein, das ist doch total peinlich, wenn sich hier zwei Leute melden.«
»Wieso? Bisher hat noch niemand gesagt, dass ihm das Auto gehört. Du wolltest doch die Karten legen! Dann musst du jetzt auch mal machen, was sie dir raten.«
Der Polizist räuspert sich. »HH-AH 2156? Ist hier irgendwo der Halter? Ich muss sonst den Abschlepper rufen, Sie blockieren eine Einfahrt.«
»Na also: Er nennt die unangenehme Wahrheit beim Namen«, erkennt Tanja. »Da isser, dein Hierophant. Nun mach schon, melde dich. Heb einfach die Hand!«
Ich weiß nicht, ob es am Bier liegt oder an der Tatsache, dass ich mich offenbar in einer allgemeinen Lebenskrise befinde - ehe ich selbst begreife, was ich da mache, hebe ich tatsächlich die Hand. Prompt steuert der Polizist auf mich zu.
»'n Abend! Polizeiobermeister Fichtner. Sie stehen da aber wirklich ganz ungünstig, gnädige Frau.«
»Ich ... äh ... tut mir leid.«
Er mustert mich prüfend. »Können Sie überhaupt noch fahren?«
Mir wird heiß und kalt. Warum zum Geier habe ich mich gemeldet? Ich muss verrückt geworden sein! Aus den Augenwinkeln kann ich sehen, dass Tanja auf ihrem Stuhl vergnügt hin und her rutscht. Na super.
»Ja, also, ich glaube schon. Ich habe eigentlich nur ein Bier... also vielleicht auch zwei ... aber ... äh ...« Mein Gestammel ist grauenhaft. Der Typ muss glauben, ich hätte eine Vollmeise und einen Blutalkohol von mindestens zwei Promille.
Polizeiobermeister Fichtner schüttelt tadelnd den Kopf, entscheidet sich dann aber für eine weniger strenge Herangehensweise. »Also, ich schlage vor, Sie geben mir den Schlüssel und ich parke für Sie um. Und wenn Sie morgen wieder nüch... also wenn Sie morgen ausgeschlafen haben, dann holen Sie Ihren Wagen hier ab. Einverstanden?«
Ich nicke und stehe auf. Ein Superplan. So wird's gemacht.
Als ich draußen mit POM Fichtner vor einem mir völlig unbekannten, uralten Opel Kadett stehe, fällt mir auf, dass der Plan nur einen kleinen, aber entscheidenden Haken hat:
Ich habe keinen Autoschlüssel. Mist, was sage ich jetzt nur?
POM Fichtner schaut mich erwartungsfroh an, ich wühle hektisch in meiner Handtasche.
»Tut mir leid«, murmle ich schließlich. »Ich glaube, ich habe meinen Autoschlüssel verloren.«
Fichtner schüttelt missbilligend den Kopf. »Frau Thiele, der Wagen kann hier nicht stehenbleiben! Sonst bleibt mir nichts anderes übrig, als ihn abschleppen zu lassen.«
Ich nicke schuldbewusst. Der Wagen parkt auch echt blöd. Gleichzeitig frage ich mich, wie Fichtner auf die Idee kommt, dass ich Thiele heiße. Tue ich nämlich nicht, mein Name ist Kotlarski.
»Dreihundert Euro kommen da auf Sie zu, das ist Ihnen hoffentlich klar!«, ermahnt mich Fichtner mit strenger Stimme.
»Ja, aber ich finde den Schlüssel wirklich nicht. Ich muss ihn irgendwie verloren haben«, verteidige ich mich kleinlaut.
Fichtner mustert erst mich, dann das Auto. Auf einmal hellt sich seine finstere Miene etwas auf. Anscheinend hat er eine Idee. »Also, es gehört zwar eigentlich nicht zu meinen Aufgaben - aber wenn ein Bürger in Not ist, will ich mal nicht so sein. Ihr Auto ist ja ein ziemlich altes Modell. Ich werde es kurzschließen und Sie dann nach Hause fahren. Dort haben Sie bestimmt einen Ersatzschlüssel, oder?«
»Ich ... äh ... ja, aber das ist doch gar nicht nötig, also, ich meine ...«
»Frau Thiele, die Alternative ist das Abschleppen. Also, wenn Sie dreihundert Euro übrig haben, dann macht das ja nichts. Frage mich allerdings, ob Ihr Autochen hier überhaupt noch so viel wert ist.« Er grinst.
Scheiße! Wie komme ich aus der Nummer bloß wieder raus? Ich denke fieberhaft nach. Währenddessen geht mein Freund und Helfer zu seinem Streifenwagen und bespricht etwas mit seinem Kollegen, der das Trauerspiel geduldig beobachtet hat. Jetzt steigt auch er aus und geht zum Kofferraum, um Fichtner irgendetwas zu geben. Genau kann ich es nicht erkennen, aber es sieht aus wie ein Kleiderbügel. Fichtner kommt zurück.
»Heute haben Sie aber Glück im Unglück. Mein Kollege hat gerade eine Uniform aus der Reinigung geholt.«
Aha. Ich verstehe rein gar nix. »Ja und? Wieso habe ich da Glück?«
»Na, wir haben jetzt einen Drahtbügel. Ich kann also das Fenster und somit den ganzen Wagen öffnen. Dann schließe ich ihn kurz, und wir fahren los, mein Kollege folgt uns und nimmt mich später wieder mit zurück. Genau so machen wir es jetzt.«
Ehe ich noch etwas sagen kann, macht er sich am Fenster des Opels zu schaffen. O mein Gott, ich lasse einen Bullen ein fremdes Auto klauen! Ob ich dafür in den Knast gehen kann? Und wie mag dieses schöne Delikt im Juristendeutsch heißen? Hätte ich mehr als die drei Semester Rechtswissenschaften absolviert, die ich tatsächlich geschafft habe, wüsste ich es vielleicht.
Ein Klack, dann schwingt die Wagentür auf. Fichtner setzt sich rein und öffnet mir die Beifahrertür.
»Also, Moment mal!«, protestiere ich. »Ich habe noch gar nicht bezahlt und bin mit einer Freundin hier.«
»Ist das die Dame, die dort drüben steht und uns zuschaut?«
Ich blicke über die Schulter. Tatsächlich, da steht Tanja. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hat sie gerade den Spaß ihres Lebens.
»Hallo«, ruft Fichtner ihr zu, »ich fahre Ihre Freundin eben nach Hause. Sie hat ihren Autoschlüssel verloren.«
Tanja nickt und ruft zurück: »Ja, kein Problem. Danke schön!«
Spinnt die? Die kann mich doch jetzt nicht hängen lassen!
»Nun steigen Sie schon ein«, fordert mich der Polizist auf. Ich zögere noch einen Augenblick, dann setze ich mich neben ihn. Vielleicht komme ich so am einfachsten aus der Nummer raus - ich lasse mich um die nächste Ecke fahren und absetzen, Fichtner weiß ja zum Glück nicht, wer ich wirklich bin. Wenn dann der wahre Halter seinen Wagen vermisst meldet, soll das nicht mein Problem sein.
Fichtner hat unter dem Lenkrad zwei Drähte hervorgefummelt, der Wagen startet wirklich. Okay, das beeindruckt mich. Ansatzweise.
»Ich bastle in meiner Freizeit gerne an alten Autos rum«, erklärt Fichtner seine eher ungewöhnlichen Fähigkeiten. »Aha. Na, dann fahren Sie mich mal nach ...«
»Moorfleet, in den Eichbaumer Elbdeich.«
»Bitte?«
»Na, ich weiß doch, wo Sie wohnen. Wir haben natürlich schon eine Halterabfrage gemacht. Deswegen wusste ich auch, dass Sie Frau Thiele sind.« Er fährt los.
Moorfleet? Elbdeich? Das ist am Ende der Welt und klingt nicht gut. Gar nicht gut.
© der Zusammenstellung 2012 Knaur Verlag
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Autoren-Porträt von Anne Hertz, Friends
Hertz, AnneAnne Hertz ist das Pseudonym der Hamburger Autorinnen Frauke Scheunemann und Wiebke Lorenz, die nicht nur gemeinsam schreiben, sondern als Schwestern auch einen Großteil ihres Lebens miteinander verbringen. Bevor Anne Hertz 2006 in Hamburg zur Welt kam, wurde sie 1969 und 1972 in Düsseldorf geboren. 50 Prozent von ihr studierten Jura, während die andere Hälfte sich der Anglistik widmete. Anschließend arbeiteten 100 Prozent als Journalistin. Anne Hertz hat im Schnitt 2,5 Kinder und mindestens 0,5 Männer. Mehr Informationen unter: www.anne-hertz.de
Friends,
Die "Friends" von Anne Hertz: Kerstin Gier, Jana Voosen, Tanja Heitmann, Miriam Kaefert, Janine Binder, Eva Lohmann, Silke Schütze, Michaela Möller, Kirsten Rick, Constanze Behrends, Tatjana Kruse, Esther Hell, Anette Göttlicher, Anna Kosckka, Wiebke Lorenz, Frauke Scheunemann und als "special guest stars" Volker Klüpfel & Michael Kobr.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Anne Hertz , Friends
- 352 Seiten, 7 Schwarz-Weiß-Abbildungen, Maße: 13,6 x 21 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Knaur
- ISBN-10: 3426652919
- ISBN-13: 9783426652916
- Erscheinungsdatum: 01.03.2012
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