Kein schöner Land
Kein schöner Land von HeribertPrantl
LESEPROBEVorwort
Zehn Jahre lang hatdie Politik Deutschland zum bloßen Standort kleingeredet. Die »deutsche Leitkultur«bestand in der Ökonomisierung aller Lebensbereiche sowie im Um- und Abbau des Sozialstaats.Die Wertedebatte beschränkte sich darauf, den Wert von niedrigeren Steuern undsinkenden Lohnnebenkosten zu beschwören. Als neues Grundrecht etablierte sicheines auf ungestörte Investitionsausübung. Und während die Steuern sanken,kroch in den Schulen und Kindergärten der Schimmel die Wände hoch. Bildung wurdezum Fremdwort, Integration blieb ein Fremdwort, und die dritteAusländergeneration in Deutschland fand ihre Heimat nicht hier, sondern ineinem Niemandsland.
Dann auf einmal,nach der PISA-Studie und nach dem Mord an dem Filmemacher Theo van Gogh in denNiederlanden, entdeckte die deutsche Politik, daß man den Dax nicht streichelnund einen kalten Standort nicht lieben kann. CDU/CSU wie SPD unternehmenseither allerlei gespreizte Versuche, einen neuen Patriotismus auszurufen unddamit die Defizite vieler Jahre auszugleichen. Aber so einfach ist das nicht.Parteien, die ihre eigenen Mitglieder und Wähler nicht mehr zusammenhalten können,tun sich schwer, darüber zu reden, was die Gesellschaft zusammenhält. Werseinen Anhängern keine Heimat mehr bieten kann, ist nicht recht glaubwürdig,wenn er über den Wert
von Heimat redet.Auch Parteien könnten - wie Familie, Schule, Gemeinde, Arbeitswelt - zu demgehören, was Heimat schafft; das Land, das Vaterland, ist ja nur der äußereRing vieler Lebenskreise.
Es gibt Politiker,die sagen, daß Ausländer, die die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, einen »Eid«auf das Grundgesetz ablegen sollen. Dagegen ist gar nicht unbedingt etwas zusagen. Das setzt aber voraus, daß sich derjenige, der den Ausländern das Grundgesetzhinhält, selber daran hält. Er darf also nicht vergessen, daß dasSozialstaatsprinzip zu den Grundprinzipien des Grundgesetzes gehört. Er darf nicht verdrängen, daß im Grundgesetzder Satz »Eigentum verpflichtet« steht. Er muß daran denken, daß MassenarbeitslosigkeitMassenwürdelosigkeit ist. Er muß darauf achten, daß Demokratie eineGemeinschaft ist, die ihre Zukunft miteinander gestaltet - miteinander! Dasverträgt sich nicht damit, daß immer mehr Menschen ausgegrenzt werden - sozialSchwache, Neubürger, Arbeitslose. Demokratie und Sozialstaat gehören zusammen.Die Bürger in einer Demokratie brauchen Ausbildung und Auskommen, sie brauchen
eine leidlichgesicherte Existenz, sie müssen frei sein von Angst um ihre eigenen Lebensverhältnisse. Ein Patriot ist der, derdafür sorgt, daß Deutschland Heimat bleibt für alle Altbürger und Heimat wirdfür alle Neubürger. Das nennt man Integration, und es ist das Gegenteil vonAusgrenzung. Integration ist, auch für den Standort, gewinnbringender als einAbbau des Kündigungsschutzes.
© DroemerKnaur
- Autor: Heribert Prantl
- 2005, 208 Seiten, Maße: 12,5 x 21 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: DROEMER KNAUR
- ISBN-10: 3426273632
- ISBN-13: 9783426273630
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