"Kenne alle, will nur eine" und "Tausche mich, nehme Dich"
Kenne alle, will nur eine: Wutschnaubend liest Reid Buchanan den Artikel, den eine "Ex" über ihn geschrieben hat. Da taucht er lieber bei seiner Mutter unter. Vielleicht könnte ihm auch Krankenschwester Lori zur Seite stehen?...
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Produktinformationen zu „"Kenne alle, will nur eine" und "Tausche mich, nehme Dich" “
Kenne alle, will nur eine: Wutschnaubend liest Reid Buchanan den Artikel, den eine "Ex" über ihn geschrieben hat. Da taucht er lieber bei seiner Mutter unter. Vielleicht könnte ihm auch Krankenschwester Lori zur Seite stehen? Aber die wäscht ihm den Kopf!
Tausche mich, nehme Dich: Ein Jahr - drei gescheiterte Beziehungen - da muß ein neuer Anfang her!
Lese-Probe zu „"Kenne alle, will nur eine" und "Tausche mich, nehme Dich" “
Kenne alle, will nur eine von Susan Mallery1. KAPITEL
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Bis zu jenem Donnerstag um Viertel vor sieben konnte sich Reid Buchanan seiner Beliebtheit in der Damenwelt mehr als sicher sein.
Er war einer von denen, die kleine Zettel von den Mädchen zugesteckt bekamen, als er sich dieser Ehre selbst noch gar nicht bewusst war. In Reids zweitem Jahr auf der Highschool zeigte sich dann aber auch bei ihm die große Kraft der Hormone - und das nicht ohne Folgen. Während der Frühjahrsferien verführte ihn Misty O'Connell aus der Oberstufe. Es passierte an einem verregneten Nachmittag bei ihr zu Hause, während auf MTV „The Real World" lief.
Seitdem war Reid verrückt nach Frauen und die Frauen verrückt nach ihm. Bis zu diesem Morgen, als er die Zeitung aufschlug und ihm sein Bild ins Auge sprang. Und gleich danach der dazugehörige Artikel mit dem Titel: „Berühmt? Und wie! Reich? Garantiert! Gut im Bett? Fehlanzeige!"
Reid verschluckte sich fast an seinem Kaffee. Er sprang auf und starrte die Zeitung an, rieb sich die Augen und las die Überschrift ein zweites Mal.
„Gut im Bett? Fehlanzeige!" Fehlanzeige?
„Die hat sie wohl nicht mehr alle!" Er las den Namen der Journalistin: Vielleicht hatte er vor Kurzem mit ihr Schluss gemacht und das war ihre billige Retourkutsche? Sie stellte ihn in der Öffentlichkeit bloß. Und warum? Weil er gut im Bett war. Besser als gut.
Er brachte jede Frau zum Äußersten. Die Frauen hinterließen in schöner Regelmäßigkeit tiefe Kratzspuren auf seinem Rücken - die Narben konnte er allen zeigen. Wenn er in einer anderen Stadt unterwegs war, verfolgten ihn die Frauen bis in sein Hotelzimmer und flehten ihn an, mit ihnen zu schlafen. Und hier in Seattle belagerten sie sein Haus und versprachen
ihm, alles für ihn zu tun, wenn er nur noch einmal mit ihnen ins Bett ginge.
Nein, er war nicht bloß gut im Bett. Er war ein Sexgott!
Und jetzt war er bis aufs Blut blamiert - wegen dieses dämlichen Artikels, in dem die Autorin von einem Abend mit ihm berichtete. Ihre Unterhaltung beschrieb sie als »beinah charmant". Er habe »halbwegs witzige" Anekdoten aus seiner Vergangenheit zum Besten gegeben, und sie hätten ein paar Stunden im Bett verbracht, die „so lala" waren. Sie krönte ihren Beitrag mit ironischen Spitzen wie „das ist natürlich nur meine individuelle Meinung" oder »bitte verklag mich nicht gleich, vielleicht liegt es ja auch an mir".
Außerdem behauptete sie, er ließe regelmäßig seine Teilnahme an Benefizveranstaltungen platzen, was ebenfalls nicht stimmte. An solchen Events nahm er grundsätzlich nicht teil. Sein Prinzip lautete: kein persönliches Engagement, auch nicht für wohltätige Zwecke.
Der Name der Reporterin sagte ihm allerdings gar nichts. Er versuchte sich zu erinnern, aber es war zwecklos. Also schnappte er sich sein Laptop und gab die Website der Zeitung ein. Auf der „Über uns"-Seite fand er ein Bild von ihr.
Sie war eine Durchschnittsfrau mit brünetten Haaren. Langsam dämmerte es ihm. Ja, er hatte mit ihr geschlafen. Aber die Tatsache, dass er sich nicht daran erinnern konnte, bedeutete nicht, dass es schlecht gewesen war.
Und dann fiel ihm ein, dass er während der Play-offs mit ihr ausgegangen war, als sein ehemaliges Team um die Teilnahme an der World Series kämpfte. Es war sein erstes Jahr als Exprofi, und er war wieder zurück in Seattle. Er war enttäuscht und sauer gewesen, weil er nicht mehr dabei war, und vermutlich war er auch betrunken.
»Wahrscheinlich habe ich eher an Baseball gedacht als an sie", murmelte Reid und las den Artikel ein zweites Mal.
Ein Gefühl der Verlegenheit machte sich in ihm breit. Hätte es nicht gereicht, wenn die blöde Kuh ihn in ihrem Freundeskreis als miesen Typen dargestellt hätte? Musste sie ihn gleich öffentlich blamieren? Wie sollte er sich dagegen wehren? Etwa vor Gericht? Selbst wenn, wie konnte man so einen Fall gewinnen? Sollte er womöglich sämtliche Frauen aufmarschieren lassen, die schon nach einem Kuss zu allem bereit gewesen waren?
Irgendwie gefiel ihm diese Idee, aber ihm war klar, dass das alles nichts brachte. Er war ein berühmter Exbaseballprofi, und die Leute sahen es nun mal gern, wenn Helden stürzten.
Aber auch seine Freunde und seine Familie würden den Artikel lesen. Alle, die er in Seattle kannte, würden den Artikel lesen. Er konnte sich schon vorstellen, was passieren würde, wenn er nachher in die „Downtown Sports Bar" zur Arbeit gehen würde.
Wenigstens hat sie sich auf die Lokalausgabe beschränkt, dachte er. So musste er sich zum Glück nicht auch noch die dummen Kommentare seiner Exbaseballkollegen anhören.
Da klingelte das Telefon. Er nahm ab.
„Hallo?"
„Ist da Reid Buchanan? Hallo. Ich bin Producerin bei ,Access Hollywood' und wollte fragen, ob Sie ein kurzes Statement zu dem Artikel von heute Morgen abgeben wollen. Der, in dem Sie ..."
„Danke, ich weiß schon", fauchte Reid.
„Gut." Die junge Frau am anderen Ende der Leitung kicherte. „Würden Sie uns für ein Interview zur Verfügung stehen? Ich kann noch heute Morgen ein Team vorbeischicken. Sie wollen doch sicher dazu Stellung nehmen?"
Fluchend legte Reid auf. Access Hollywood? Das ging wirklich schnell.
Das Telefon klingelte wieder. Er zog den Stecker raus. Am
liebsten hätte er das Ding an die Wand geworfen!
Jetzt klingelte sein Handy. Reid zögerte einen Moment, bevor er das Gespräch annahm. Er kannte die Nummer auf dem Display, ein Freund aus Atlanta. Diesen Anruf konnte er bedenkenlos annehmen.
„Hey, Tommy. Alles klar?"
„Reid, alter Junge. Was hört man denn da? Dieser Artikel ist ja ein echter Hammer! Und um es mal so zu sagen: eindeutig zu viele Details, oder?"
Würde Lori Johnston an Wiedergeburt glauben, wäre sie der Überzeugung, dass sie in einem ihrer früheren Leben ein General oder ein anderer Taktikexperte gewesen war. Denn eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen war es, Dinge, die nichts miteinander zu tun hatten, zusammenzuwürfeln und daraufhin perfekte Problemlösungen zu präsentieren, die niemand erwartet hatte.
An diesem Morgen beschäftigte sie sich zum Beispiel mit einem Krankenbett, das einen Tag später als versprochen geliefert wurde, und einem Catering-Service, bei dem jede einzelne Vorspeise falsch war. In ihrer freien Zeit würde sie ihre neue Patientin abholen und sicher nach Hause bringen müssen, vorausgesetzt, der Krankentransport verspätete sich nicht. Was bei anderen Menschen zu lauten Flüchen und wüsten Verwünschungen führte, sorgte bei Lori für einen Energieschub. Sie würde auch diese Herausforderung erfolgreich meistern.
Endlich hatte der Mann von der Spedition das Krankenhausbett aufgebaut. Sie schritt zur Inspektion und untersuchte die Matratze auf mögliche Unebenheiten. Was für einen gesunden Menschen nicht mehr als ein Ärgernis war, konnte bei jemandem mit einer gebrochenen Hüfte für gravierende gesundheitliche Schäden sorgen.
Die Matratze hielt ihrer sorgfältigen Überprüfung stand. Als Nächstes waren die Bedienelemente an der Reihe.
„Wenn ich das Kopfteil aufstelle, quietscht es", bemängelte sie. „Können Sie das abstellen?"
Der Mann sah sie verärgert an, aber das war ihr egal. Es war schon schlimm genug, eine bequeme Lage zu finden, wenn man Schmerzen hatte. Da musste nicht auch noch ein lästiges Quietschen dazukommen.
Danach untersuchte sie das Nachttischchen, das mit Rädern versehen und in Ordnung war. Auch am Rollstuhl und an der Gehhilfe gab es nichts auszusetzen.
Während sich der Arbeiter mit der quietschenden Kopfstütze befasste, eilte Lori in die Küche. Dort bereitete das Catering-Team die Mahlzeiten vor.
„Das Chili?", fragte eine Frau in weißer Uniform.
„Geht nicht." Lori deutete auf eine Liste, die sie am Kühlschrank befestigt hatte. „Die Frau ist über siebzig. Sie hat einen Herzinfarkt und eine schwere Hüft-OP hinter sich, und sie nimmt Medikamente. Sie soll schmackhaftes, aber kein scharfes Essen bekommen, das ihr eventuell auf den Magen schlägt. Wir wollen ja ganz sicher nicht, dass sie ihren Appetit verliert, im Gegenteil. Gesunde, aber appetitliche Gerichte sind gefragt. Kein Chili, kein Sushi, nichts Ausgefallenes."
Das Ganze hatte ich auch schon mal am Telefon gesagt, dachte Lori leicht gereizt.
Aber wenn dieses ganze Hin und Her hinter ihr lag, würde sie bei „Dilettante Chocolates" vorbeifahren und sich eine Belohnung gönnen. Schokolade versüßte ihr immer den Tag, und die Vorfreude darauf machte es schon jetzt leichter.
„Sie könnten es mit Prügel versuchen. Dann würden sie vielleicht auf Sie hören."
Diese Stimme! Lori musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, wer in der Küchentür stand. Sie waren sich schon einmal begegnet, bei ihrem Vorstellungsgespräch. In diesen zwanzig Minuten hatte sie lernen müssen, dass man sich sehr wohl sexuell zu jemandem hingezogen fühlen konnte, den man ansonsten verabscheute. Das Gespräch hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt - und der Klang seiner Stimme auch. Einen Moment lang dachte sie daran, sich diese Erinnerung operativ entfernen zu lassen. Wie nannte man das noch? Lobotomie oder so ähnlich.
Sie musste sich zusammenreißen. Diese dunklen, wissenden Augen, sein beinah zu hübsches Gesicht und seine krumme Haltung, gegen die er eigentlich etwas tun sollte -und trotzdem war sie kurz davor, dahinzuschmelzen wie eine Zwölfjährige auf einem Popkonzert.
Reid Buchanan verkörperte alles, was sie an einem Mann abstoßend fand. Er hatte es immer leicht gehabt im Leben. Die Frauen warfen sich ihm an den Hals. Er war offensichtlich mal ein erfolgreicher Baseballspieler gewesen, aber sie interessierte sich nicht für Sport und beschäftigte sich auch nicht damit. Und er hatte sich in seinem ganzen Leben wahrscheinlich noch nie für eine Frau wie sie interessiert - viel zu durchschnittlich.
„Haben Sie nichts Besseres zu tun, als hier aufzutauchen und mir auf den Wecker zu fallen?", fragte sie und drehte sich zu ihm um.
Seine Anwesenheit veränderte ihr gesamtes Körpergefühl. Sie glaubte, keine Luft mehr zu bekommen, und konnte kaum einen klaren Gedanken fassen.
„Wie erfreulich, dass ich Ihnen auf den Wecker falle", sagte er, ‚Aber darum bin ich eigentlich nicht hier. Der Grund dafür ist, dass meine Großmutter heute nach Hause kommt."
„Was Sie nicht sagen. Das habe ich in die Wege geleitet." „Ich dachte, ich fahre mal vorbei und besuche sie."
„Sie freut sich sicher sehr darüber, dass Sie hier sind, vier Stunden, bevor sie selbst hier ist. Da wird ihre Genesung bestimmt doppelt so schnell gehen."
Und damit drängelte sie sich an ihm vorbei und bemühte sich, das Gefühl, das sie spürte, als sie seinen Arm streifte, zu ignorieren. Wie peinlich! Sie kam sich wie ein Teenager vor. Aber auch das würde sie erfolgreich in den Griff bekommen.
„Sie kommt erst heute Nachmittag?", fragte er und folgte ihr ins Arbeitszimmer.
„Genau so ist es. Es war großartig, Sie zu sehen. Aber jetzt müssen Sie leider wieder gehen."
Er lehnte sich an den Türrahmen. Das tat er häufig, bemerkte sie. Wahrscheinlich wusste er, dass es unwiderstehlich aussah, dachte Lori. Bestimmt hatte er es vor dem Spiegel einstudiert.
Sie fand Reid primitiv und egoistisch und wusste, dass er nur auf Frauen stand, die so perfekt waren wie er selbst. Also warum fand sie ihn anziehend? Sie war eine intelligente Frau, sie sollte es besser wissen. Aber gegen ihre Empfindungen hatte ihre Vernunft einfach keine Chance.
Sie war das Klischee einer kleinen Durchschnittsfrau, die sich nach dem Unerreichbaren sehnte. Wahrscheinlich waren die Regale in den Buchläden voll mit Ratgebern zu diesem Thema. Vielleicht sollte sie mal einen Blick in so ein Buch werfen, dann wäre sie möglicherweise geheilt.
Aber fürs Erste war sie machtlos.
„Wollten Sie nicht gehen?", fragte sie.
„Doch, aber ich komme noch mal wieder."
»Ich werde die Minuten zählen."
»Viel Spaß." Er bewegte sich keinen Millimeter.
»Ist noch was?", fragte sie. „Worauf warten Sie?"
Er verzog den Mund zu einem feinen sexy Lächeln, das ihr Herz schneller schlagen ließ. Die nächste Blamage vor sich selbst.
»Sie lesen wohl keine Zeitung, wie?", wollte er wissen.
„Nein. Ich gehe morgens joggen und höre Musik dabei." Sein Lächeln wurde breiter. »Schön. Dann bis später." »Kommen Sie doch vorbei, wenn die Nachtschwester da ist. Was halten Sie davon?"
„Dann wäre Ihr Tag doch nur halb so schön: Sie hätten niemanden, zu dem Sie unfreundlich sein könnten. Auf Wiedersehen, Lori."
Und weg war er.
Tausche mich, nehme dich von Susan Mallery
1. KAPITEL
Es ist ganz einfach", sagte der Mann im teuren Designeranzug zu Dani Buchanan, »Sie werden keine Gelegenheit haben, den Senator zu sprechen, bevor Sie mir
nicht verraten haben, warum Sie hier sind."
»Leider vereinfacht dieser Hinweis rein gar nichts", murmelte Dani in sich hinein. Sie war gleichermaßen eingeschüchtert wie aufgeregt und hatte ein äußerst flaues Gefühl im Magen. Ihr Anliegen hatte sie bereits einer Empfangssekretärin und zwei Assistentinnen mitgeteilt, und nun, da sie die Tür von Mark Canfields Büro am Ende des langen Korridors immerhin schon sehen konnte, hatte sich ihr dieser große Kerl mit dem entschlossenen Blick in den Weg gestellt.
Sie überlegte, ob sie sich einfach an ihm vorbeidrängeln sollte, aber er war ziemlich groß - was auf sie selbst so gar nicht zutraf. Ganz zu schweigen von dem Umstand, dass sie heute ein Kleid und Schuhe mit ziemlich hohen Absätzen trug, was beides höchst ungewöhnlich für sie war. Das Kleid wäre nicht das Problem gewesen, aber diese Schuhe brachten sie fast um. Die Schmerzen in den Fußballen wären noch auszuhalten gewesen, aber wie sollte ein Mensch es schaffen, sich auf diesen Dingern im Gleichgewicht zu halten? Wenn sie versuchte, sich auf ihnen auch nur geringfügig schneller fortzubewegen, würde sie sich höchstwahrscheinlich einen Knöchel brechen.
»Bei mir ist Ihr Anliegen in guten Händen. Sie können mir vertrauen", sagte der Mann. „Ich bin Anwalt." Er hatte es tatsächlich geschafft, bei seiner Aussage keine Miene zu verziehen.
Dani lachte. »Seit wann gilt das als ein vertrauenerweckender Beruf?"
Um seinen Mund zuckte es, als müsste er sich ein Lächeln verkneifen. Ein gutes Zeichen, dachte Dani. Vielleicht ließ sich mit weiblichem Charme an diesem Typen vorbeikommen. Besonders gut war sie zwar nie darin gewesen, mit Charme bei Männern etwas zu erreichen, doch viele andere Möglichkeiten hatte sie im Moment nicht. Sie würde also so tun müssen, als sei sie charmant.
Dani holte tief Luft und warf den Kopf in den Nacken. Doch da sie ihr Haar kurz trug, fiel es ihr leider nicht effektvoll aus dem Gesicht und über die Schulter. Was bedeutete, dass der alte Trick, Männer auf diese Weise mit kokettem Charme zu bezaubern, bei ihr schon mal nicht klappte. Gut, dass sie sich geschworen hatte, keinen Mann mehr wirklich an sich heranzulassen.
»Betrachten Sie mich als den Drachen, der das Tor bewacht", sagte der Mann. »Sie kommen nicht an mir vorbei, wenn Sie mir nicht den Grund Ihres Besuchs verraten."
»Hat Ihnen niemand gesagt, dass Drachen ausgestorben sind?"
Nun lächelte er doch. »Ich bin der lebende Beweis, dass sich diese Gattung bester Gesundheit erfreut."
Na fein, dachte sie. Dieser Typ war offenbar eine harte Nuss. Er hatte ein nettes, attraktives Gesicht, sodass man bei seinem Anblick nicht sofort vor Schreck erstarrte. Doch so schön, dass er es nicht nötig hatte, an seinem Charakter zu arbeiten, war er nun auch wieder nicht. Aber er hatte mörderisch blaue Augen. Und ein ausgeprägtes Kinn, das auf Starrköpfigkeit schließen ließ.
»Ich bin in einer Privatangelegenheit hier", sagte sie und war sich gleichzeitig bewusst, dass ihm das als Erklärung nicht reichen würde. Aber sie musste es zumindest versuchen. Was sollte sie sonst sagen? Dass sie vor Kurzem entdeckt hatte, dass sie doch nicht der Mensch war, der sie immer gedacht hatte zu sein, und dass die Antworten auf ihre Fragen hier in diesem Gebäude zu finden waren?
Das Gesicht des Drachenmanns nahm energische Züge an, und er verschränkte die Arme vor der Brust. Dani hatte sofort das Gefühl, als mustere er sie abschätzig. Seine Geste war eindeutig eine Zurückweisung.
„Das glaube ich nicht", erwiderte ihr Gegenüber scharf. „Diese Art von Spielchen spielt der Senator nicht. Sie verschwenden nur Ihre Zeit. Verschwinden Sie."
Dani starrte ihn entgeistert an. „Wie bitte?" Was dachte sich dieser Typ eigentlich? Oh! „Sie glauben, ich meine, dass der Senator und ich ..." Sie verzog angewidert das Gesicht. „Nein, um Gottes willen ..." Rasch wich sie einen Schritt zurück, was in Anbetracht ihrer Schuhe ein gefährliches Unterfangen war - doch sie hatte keine andere Wahl. Sie musste sich distanzieren. „Dieser Gedanke ist zu abwegig, um ihn auszusprechen."
»Warum?"
Sie seufzte. »Weil ich möglicherweise seine Tochter bin." Nicht nur möglicherweise, sonst hätte sie kein so flaues Gefühl im Magen gehabt.
Mister Designer verzog keine Miene. »Sie wären besser beraten, wenn Sie behaupteten, Sie hätten mit ihm geschlafen. Das würde ich Ihnen eher abnehmen."
»Wer sind Sie eigentlich, dass Sie sich ein Urteil darüber erlauben, was Mark Canfield vor 28 Jahren gemacht hat und was nicht?"
»Ich bin sein Sohn."
Dani horchte auf. Sie wusste alles über die große Familie des Senators. »Dann nehme ich an, Sie sind Alex?"
Der Drachenmann nickte.
Interessant. Nicht dass sie und der älteste Sohn des Senators blutsverwandt gewesen wären. Mark Canfield und seine Frau hatten alle ihre Kinder - inklusive Alex - adoptiert. Doch sie selbst und Alex gehörten eben möglicherweise trotzdem zur selben Familie.
Dani war nicht sicher, was sie empfinden sollte. Das Verhältnis zu ihrer eigenen Familie, in der sie aufgewachsen war, gestaltete sich schon schwierig genug. Wollte sie sich wirklich noch mehr komplizierte Familienangelegenheiten aufhalsen?
Anscheinend schon, dachte sie. Sonst wäre sie wohl nicht hierhergekommen.
Der brennende Wunsch zu wissen, wohin sie gehörte, wer ihr leiblicher Vater war, war am Ende stärker gewesen. Falls Mark Canfield wirklich ihr Vater war, wollte sie ihn kennenlernen, und niemand würde sich ihr dabei in den Weg stellen. Nicht einmal sein Adoptivsohn.
»Ich war bereits sehr geduldig mit der Sekretärin und den beiden Assistentinnen. Wenn schon sonst nichts zählt, bestehe ich auf das Recht als Bürgerin und Wählerin, meinen Senator zu sprechen. Also machen Sie mir bitte den Weg frei, bevor ich hier einen Aufstand machen muss."
»Wollen Sie mir drohen?", fragte Alex. Er klang beinahe amüsiert.
»Hätte ich Erfolg damit?"
Er musterte sie langsam von oben bis unten. In den letzten sechs Monaten hatte Dani gelernt, dass es für sie nichts Gutes bedeutete, wenn ein Mann sie interessiert ansah. Es endete unweigerlich in einer Katastrophe. Doch obwohl sie den Männern abgeschworen hatte, spürte sie deutlich, dass sein Blick auf ihrem Körper sie nicht ganz kaltließ.
»Nein, aber es könnte durchaus noch amüsant werden", erwiderte er.
»So eine Antwort können nur Männer geben."
»Warum? Sind Männer etwas Negatives?"
»Haben Sie eine Ahnung! Also, Drachenjunge, geh mir aus dem Weg. Ich möchte Mr. Canfield sprechen." »Drachenjunge?"
Diese belustigte Frage kam nicht aus dem Mund des Mannes vor ihr. Dani drehte sich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war, und sah genau den Mann in einer der Türen stehen, den sie noch nie getroffen hatte, der ihr aber durchaus vertraut war.
Sie kannte Senator Canfield aus dem Fernsehen. Und sie hatte ihn sogar gewählt. Doch er war nie mehr als ein Politiker für sie gewesen. Nun allerdings stand er nur ein paar Schritte entfernt vor ihr, und darüber hinaus war es sehr gut möglich, dass er ihr Vater war.
Sie klappte den Mund auf und wieder zu. Sie fand keine Worte, und ihr Kopf war wie leer gefegt.
Der Senator trat zu ihnen. „Bist du der Drachenjunge, Alex?", fragte er.
Alex zuckte die Achseln. Er schien sich leicht unbehaglich zu fühlen. „Ich habe ihr gesagt, dass ich der Drache bin, der das Tor bewacht."
„Du machst deine Sache wirklich gut." Der Senator legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Und diese junge Dame macht also Probleme?" Er wandte sich an Dani und lächelte. „Sie sehen nicht sonderlich bedrohlich aus."
„Das bin ich auch nicht", schaffte Dani zu erwidern. „Sei dir dessen nicht so sicher, Dad", sagte Alex.
Dani warf ihm einen wütenden Blick zu. „Sie sind gerade ein bisschen vorschnell in Ihrem Urteil. Wir kennen uns noch nicht besonders gut."
„Sie wollen mit Ihren lächerlichen Behauptungen doch nur Unruhe stiften."
„Warum lächerlich? Das wissen Sie doch gar nicht so genau."
„Wissen Sie es denn genau?"
Der Senator sah beide an. „Soll ich vielleicht später wiederkommen? Würde euch das besser passen?"
Dani ließ Alex links liegen und wandte sich dem Senator
zu. „Es tut mir leid, dass ich hier so hereinplatze. Ich habe mehrmals versucht, einen Termin bei Ihnen zu bekommen, aber alle fragen mich immer nach dem Grund, und den kann ich niemandem sagen. Ich ..."
Das Ausmaß dessen, was sie gerade im Begriff war zu tun, wurde ihr plötzlich so richtig bewusst. Unmöglich, einfach so mit etwas herauszuplatzen, das sie selbst erst kürzlich erfahren hatte. Dass er nämlich vor 28 Jahren eine Affäre mit ihrer Mutter gehabt hatte und sie selbst das Ergebnis davon war. Er würde ihr niemals glauben. Warum sollte er?
Mark Canfield sah sie an. „Sie kommen mir bekannt vor", sagte er stirnrunzelnd. „Haben wir uns schon einmal irgendwo getroffen?"
„Passen Sie auf, was Sie jetzt sagen", warnte Alex Dani. „Legen Sie sich nicht mit mir an."
Sie beachtete ihn nicht. „Das haben wir nicht, Senator, aber sie kannten meine Mutter - Marsha Buchanan. Ich sehe ihr ein bisschen ähnlich. Na ja, ich bin ihre Tochter. Und vielleicht auch Ihre, wenn ich dem glauben kann, was man mir erzählt hat."
Mark Canfield verzog keine Miene. Das musste wohl an all diesen Politikertrainings liegen, vermutete Dani. Was sie selbst gerade empfand, konnte sie gar nicht sagen. Hoffnung? Panik? Das Gefühl, als stünde sie gerade am Rand eines Abgrunds und wüsste nicht, ob sie springen sollte?
Innerlich machte sie sich auf eine Zurückweisung gefasst. Es war verrückt zu glauben, dass der Senator einfach akzeptieren würde, was sie ihm gerade eröffnet hatte.
Schließlich lächelte Mark Canfield. „Ich erinnere mich sehr gut an Ihre Mutter. Sie war ..." Er brach ab. „Wir sollten uns unterhalten. Kommen Sie in mein Büro."
Ehe Dani auch nur einen Schritt tun konnte, hatte sich Alex vor ihr aufgebaut. „Das kannst du nicht machen", sagte er an den Senator gewandt. „Du kannst nicht einfach unter vier Augen mit ihr reden. Woher willst du wissen, dass sie nichts mit der Presse zu tun hat? Oder mit der Opposition? Die ganze Sache könnte eine Falle sein."
Mark sah erst Alex an, dann Dani. »Ist es eine Falle?", fragte er sie.
„Nein. Ich habe einen Ausweis bei mir, Sie können mich gern überprüfen lassen, wenn Sie wollen." Die letzte Bemerkung war für Alex bestimmt.
„Das werde ich", sagte er kühl und streckte seine Hand aus.
»Sie erwarten von mir, dass ich Ihnen meinen Ausweis jetzt gleich gebe?", fragte sie unsicher, weil sie nicht recht wusste, ob sie beeindruckt von seiner Professionalität sein oder ihn lieber mit ihren spitzen Schuhen ans Schienbein treten sollte.
„Sie möchten mit dem Senator sprechen. Sehen Sie es einfach als Sicherheitsmaßnahme."
„Ich glaube nicht, dass das nötig ist", sagte Mark ruhig. Doch er machte keine Anstalten, Alex abzuhalten.
Dani kramte in ihrer Handtasche nach ihrem Portemonnaie und zog ihren Führerschein heraus.
„Sie haben nicht zufällig Ihren Reisepass dabei?", fragte Alex.
„Nein, aber vielleicht möchten Sie meine Fingerabdrücke nehmen?"
»Das mache ich später."
Dani hatte den Eindruck, dass er es nicht ironisch meinte. Mark schaute langsam von einem zum anderen und fragte dann: „Seid ihr beiden nun fertig?"
Dani zuckte die Achseln. „Fragen Sie den Drachenjungen."
Alex nickte. »Ich stoße dann zu euch, sobald ich einem der IT-Leute das hier gegeben habe." Er wedelte mit Danis Führerschein hin und her.
„IT-Leute?", fragte Dani, während sie dem Senator in sein Büro folgte.
„Informationstechnologie. Sie würden staunen, was die Jungs mit einem Computer alles machen können." Er lächelte und schloss die Tür hinter ihr. „Oder vielleicht nicht. Sie kennen sich wahrscheinlich selbst mit Computern sehr gut aus. Ich wünschte, ich könnte das auch von mir sagen, aber ich weiß gerade so viel, wie ich wissen muss, um arbeiten zu können. Und ich muss gelegentlich immer noch Alex zu Hilfe holen, damit er mir aus der Klemme hilft."
Er ging zu einer Besprechungsecke im hinteren Teil des Büros. Dort standen zwei nicht mehr ganz neue Sofas, ein paar Stühle und ein Couchtisch, der so aussah, als hätte er in einem Studentenwohnheim schon gute Dienste geleistet.
„Nehmen Sie bitte Platz", sagte Mark Canfield.
Sie setzte sich auf die Kante eines der Sofas und sah sich um.
Der Raum war groß und hatte hohe Wände, aber keine Fenster. Kein Wunder, denn die gesamten Räumlichkeiten für die Wahlkampagne waren in einem Gebäude untergebracht, das aus ehemaligen Lagerhallen bestand. Alles, was sie bisher gesehen hatte, deutete darauf hin, dass der Senator nicht viel Geld für Äußerlichkeiten verschwendete. Der Schreibtisch war alt und zerkratzt, und die einzigen Farbtupfer an den Wänden waren großformatige Landkarten von den verschiedenen Regionen des Staates.
»Kandidieren Sie wirklich für das Amt des Präsidenten?", fragte sie. Dass jemand, den sie eben erst kennengelernt hatte, so etwas tatsächlich tun könnte, kam ihr mehr als nur erstaunlich vor. Es war vollkommen bizarr.
„Wir sondieren noch die Möglichkeiten", erklärte er, während er in einem Stuhl ihr gegenüber Platz nahm. »Hier haben wir uns jedenfalls nicht auf Dauer eingerichtet. Wenn meine Kampagne sich als vielversprechend erweist, werden wir in andere Räumlichkeiten umziehen - aber warum sollten wir jetzt für solche Dinge viel Geld ausgeben, wenn es nicht unbedingt sein muss?"
»Guter Punkt."
Er beugte sich vor und stützte sich mit den Unterarmen auf seine Knie. »Ich kann es nicht fassen, dass Sie Marshas Tochter sind. Wie lange ist das her? 30 Jahre?"
„28", sagte Dani und spürte, wie sie errötete. „Obwohl es für Sie eher vor 29 Jahren war."
Er nickte langsam. „Ich erinnere mich gut daran, als ich Marsha das letzte Mal gesehen habe. Wir waren zum Essen in der Stadt verabredet, und ich weiß noch genau, wie sie ausgesehen hat. Wunderschön."
Seine Augen waren nun ganz dunkel. So als wäre er tief in genau der Vergangenheit versunken, zu der Dani so viele Fragen hatte. Aber nun verließ sie der Mut, ihm diese Fragen tatsächlich zu stellen.
Mark war damals nicht verheiratet gewesen, ihre Mutter hingegen schon. Dani konnte sich kaum an ihre Eltern erinnern. Von dem Mann, den sie immer für ihren Vater gehalten hatte - zumindest bis zu jenem Zeitpunkt, als sie herausgefunden hatte, dass es nicht so war -, hatte sie nur noch ein verschwommenes Bild.
Dennoch dachte sie oft über ihn nach und fragte sich, wann ihre Mutter aufgehört hatte, ihn zu lieben, und ob Mark Canfield dabei eine entscheidende Rolle gespielt hatte.
»Ich habe nie erfahren, warum sie damals Schluss gemacht hat", sagte Mark leise. „Ein paar Tage nach diesem gemeinsamen Essen hat sie mich angerufen und mir mitgeteilt, dass sie mich nicht mehr treffen kann. Sie wollte mir nicht sagen, warum. Ich habe danach versucht, sie zu erreichen, aber sie hatte ihre Jungs genommen und ist weggezogen. In einem Brief hat
sie mir später geschrieben, dass unsere Beziehung für sie endgültig zu Ende sei. Sie wollte, dass ich mein Leben weiterlebe und jemanden finde, mit dem ich eine ernsthafte Beziehung aufbauen kann."
„Sie ist weggezogen, weil sie mit mir schwanger war", sagte Dani.
Die ganze Situation hatte etwas Surreales an sich, dachte sie. Sie hatte sich oft gefragt, wie die erste Begegnung mit Mark verlaufen würde, doch jetzt, da es so weit war, kam es ihr beinahe unwirklich vor.
„Das hatte ich vermutet", sagte er.
»Heißt das also, dass Sie tatsächlich mein leiblicher Vater sind?"
Ehe Mark antworten konnte, ging die Tür zu seinem Büro auf und eine Frau trat ein. Sie sah Dani kurz an und wandte sich dann an Mark.
„Mr. Wilson ist am Telefon, Senator. Er sagt, es wäre dringend und Sie wüssten schon, worum es sich handelt."
Mark schüttelte den Kopf. „Seine Definition von ‚dringend' ist nicht dieselbe wie meine, Heidi. Sagen Sie ihm bitte, ich rufe später zurück."
Heidi, eine attraktive Frau Anfang vierzig, nickte und verließ das Büro.
Mark wandte sich wieder an Dani. „Ich denke, es ist sehr wahrscheinlich, dass ich Ihr richtiger Vater bin."
Die Unterbrechung wegen des Telefonats hatte Dani aus dem Konzept gebracht. Sie brauchte einen Moment, um ihre aufgewühlten Gefühle zu sortieren. Der Senator allerdings schien die Angelegenheit sehr gelassen zu nehmen.
„Sie haben also gar nichts von meiner Existenz gewusst?", fragte sie.
„Ihre Mutter hat mir nichts gesagt, und ich habe einfach nicht sicher gewusst, dass sie schwanger ist."
Und wenn er es gewusst hätte? Doch bevor Dani ihm diese Frage stellen konnte, ging die Tür auf und Alex kam herein.
„Ich habe anhand des Führerscheins das Strafregister prüfen lassen", sagte er, während er näher kam. Dann blieb er direkt vor Dani stehen und sah auf sie hinunter. »Keine Vorstrafen."
»Sie wollen sagen, dass meine Verurteilung wegen des Banküberfalls letzte Woche noch nicht aktenkundig ist? Was ist die Regierung derzeit aber auch langsam ..."
»Ich finde die Situation nicht besonders witzig", entgegnete Alex.
Dani stand auf. Trotz der gefährlich hohen Absätze war sie immer noch gute 15 Zentimeter kleiner als er. »Glauben Sie etwa, dass ich dies hier witzig finde? Ich habe mein ganzes Leben lang gedacht, ich sei die, die ich bin, und plötzlich stellt sich heraus, dass ich vielleicht jemand ganz anderes bin. Haben Sie eine Vorstellung davon, wie man sich dabei fühlt? Entschuldigen Sie bitte, dass ich mit der Suche nach meinem Vater Ihren Terminplan durcheinanderbringe."
Sie war wütend. Alex sah das Funkeln in ihren Augen. Außerdem hatte sie Angst. Sie versuchte zwar, es zu verbergen, doch es war deutlich zu erkennen - zumindest für ihn. Als er selbst noch sehr jung gewesen war, hatte er erfahren, wie es sich anfühlte, in ständiger Angst zu leben. Die Fähigkeit, dieses Gefühl auch bei anderen wahrzunehmen, hatte er nie verloren.
Aber war sie wirklich diejenige, die sie behauptete zu sein? Der Zeitpunkt, den sie für ihr Auftauchen gewählt hatte, machte ihn noch misstrauischer, als er ohnehin schon war. Und er war von Natur aus und aus Erfahrung ein misstrauischer Mensch. Wenn jemand sein Vertrauen gewinnen wollte, musste er es sich verdienen, und wenn jemand es missbrauchte, dann gab es keine zweite Chance. Alex bezweifelte,
dass es irgendetwas gab, was Dani Buchanan tun konnte, damit er ihr vertraute.
Er betrachtete sie, um zu sehen, ob sie dem Senator ähnlich war. Ja, es gab Ähnlichkeiten - die Art, wie sie lächelte etwa, oder die Form ihres Kinns. Aber wie viele einander absolut fremde Menschen sahen einander ähnlich? Vielleicht hatte sie irgendwo von der Affäre des Senators mit Marsha Buchanan gehört und beschlossen, diese Information zu ihrem Vorteil zu nutzen.
„Wir müssen einen DNA-Test machen", sagte er.
„Das sehe ich auch so", stimmte Dani zu und sah ihn selbstbewusst an. „Ich möchte Gewissheit haben."
„Ich bin mir sicher", sagte Mark und erhob sich. „Aber der Test wird es uns in jedem Fall bestätigen. In der Zwischenzeit möchte ich, dass wir uns besser kennenlernen, Dani."
Danis Lächeln war gleichzeitig erwartungsvoll und ein wenig verzagt. „Das möchte ich auch. Wir könnten vielleicht gemeinsam zu Mittag essen."
„Keine Treffen in der Öffentlichkeit", sagte Alex.
Mark nickte. »Er hat recht. Ich bin eine Person von öffentlichem Interesse. Wenn ich mich mit einer jungen, hübschen Frau träfe, würden die Leute zu reden anfangen. Das wollen wir nicht." Er dachte kurz nach. „Warum kommen Sie nicht heute Abend zum Essen zu uns? Dann können Sie meine Familie kennenlernen."
Dani wich zurück. „Lieber nicht", murmelte sie. „Darauf bin ich nicht vorbereitet. Ihre Frau weiß doch gar nichts von meiner Existenz und ..."
„Unsinn. Katherine ist eine bemerkenswerte Frau. Sie wird es verstehen und Sie gerne in der Familie willkommen heißen. Alex und Julie wohnen nicht mehr zu Hause, aber da sind immer noch sechs Canfield-Kinder, die Sie kennenlernen müssen." Er runzelte die Stirn. „Sie sind natürlich nicht Ihre leiblichen Geschwister. Katherine und ich haben alle unsere Kinder adoptiert, aber das wissen Sie ja vermutlich."
„Ich habe mich ein bisschen über die Familie informiert", gab Dani zu.
Und herausgefunden, dass dort jede Menge Geld vorhanden ist, dachte Alex zynisch.
„Du könntest dich ja erst ein paarmal hier mit ihr treffen", wandte Alex sich an Mark, »bevor du Dani nach Hause einlädst."
Doch der Senator hatte seine Entscheidung bereits getroffen und schien nicht mehr gewillt, sich davon abbringen zu lassen. „Nein, ein gemeinsames Abendessen ist eine gute Idee. Dani, Sie können genauso gut schon jetzt erfahren, auf welches Chaos Sie sich einlassen. Im Übrigen wird Katherine begeistert von Ihnen sein." Er sah auf seine Armbanduhr. „Ich habe eine Besprechung, zu der ich nicht zu spät kommen darf. Alex, gib Dani die Adresse. Sagen wir, heute Abend gegen 18 Uhr?"
Alex nickte. „Sagst du es Mom, oder soll ich es machen?"
Mark überlegte. »Das mache ich. Ich werde heute etwas früher Schluss machen." Er lächelte Dani zu. „Also, bis später."
»Ich ... äh, in Ordnung", sagte Dani. Es klang ein bisschen aufgeregt.
Mark verließ das Büro.
Dani umklammerte ihre Handtasche so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. „Die Familie ... Damit hatte ich nicht gerechnet."
Nein, sie hatte sich vermutlich gedacht, sie könnte sich bei Mark einschmeicheln, ohne sich mit seinen Kindern auseinandersetzen zu müssen.
Sie wandte sich an Alex. »Und Ihre Mutter? Wird sie damit umgehen können oder wird es schwer für sie sein?" Sie schloss für einen Moment die Augen. Dann öffnete sie sie wieder.
„Dumme Frage. Natürlich wird es das. Ich weiß, dass die beiden kein Paar waren, als er eine Beziehung mit meiner Mutter hatte, aber trotzdem. Es kann nicht einfach sein, ein Kind aus seiner Vergangenheit zu akzeptieren. Ich möchte nicht der Grund dafür sein, dass es Probleme gibt."
„Dafür ist es jetzt zu spät."
Sie legte den Kopf schief und sah ihn an. „Sie sind nicht gerade erfreut über mein Erscheinen."
„Fragen Sie lieber nicht, was ich von Ihnen halte. Sie würden es nicht wissen wollen."
Erstaunlicherweise lächelte sie ihn nun an. „Oh, ich kann es mir schon vorstellen."
»Das glaube ich eher nicht."
Dass sie keine Angst vor ihm zeigte, ärgerte ihn. Er war es gewohnt, dass sich die Leute von ihm einschüchtern ließen.
„Wann ist also der DNA-Test?", fragte sie. „Ich nehme an, dass Sie ein Labor beauftragen, oder?"
„Heute Abend wird jemand im Haus des Senators anwesend sein."
„Wird dann eine Speichelprobe genommen, oder wäre es Ihnen lieber, man würde mir ein ganzes Körperteil amputieren?"
»Ich will doch nicht, dass man Ihnen wehtut", erwiderte
er.
„Das nicht, nein. Sie wollen mich lediglich loswerden." Sie seufzte. „Ich wünschte, ich könnte Sie davon überzeugen, dass ich nur meinen Vater finden will. Ich möchte ihn einfach nur kennenlernen. Damit mache ich mich doch nicht zum Feind."
„Das sehen nur Sie so, sonst niemand." In der Hoffnung, sie so weit einzuschüchtern, dass sie wieder zurückwich, trat er näher an sie heran. Sie bewegte sich nicht von der Stelle. „Sie haben keine Ahnung, worauf Sie sich da eingelassen haben, Dani Buchanan", sagte er eisig. „Das hier ist kein Spiel. Mein Vater ist ein US-Senator, der in Erwägung zieht, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren. Sie werden es nicht schaffen, ihm in irgendeiner Weise zu schaden. Ich bin nicht der einzige Drache an diesem speziellen Tor, aber ich bin derjenige, mit dem Sie die meisten Schwierigkeiten haben werden."
Sie neigte sich vor. »Sie machen mir keine Angst." »Das wird sich ändern."
»Nein, wird es nicht. Sie glauben, dass es etwas gibt, was ich haben möchte, und dass Sie aus diesem Grund Druck auf mich ausüben können. Aber Sie täuschen sich." Sie legte sich den Riemen ihrer Handtasche über die Schulter. »Schon in Ordnung, ich respektiere Ihr Verhalten. Wäre ich in Ihrer Situation, würde ich es wahrscheinlich genauso machen. Es ist keine Kleinigkeit, seine Familie beschützen zu müssen. Aber seien Sie vorsichtig, wie weit Sie dabei gehen. Sie wirken nicht wie ein Mensch auf mich, der sich gern entschuldigt. Ich würde es nicht ertragen, wenn Sie mich auf Knien um Verzeihung bitten müssten, nur weil Sie gemerkt haben, dass Sie mich falsch eingeschätzt haben."
Die Frau hatte Mumm, das musste er ihr zugestehen. »Ach kommen Sie, Sie wären doch entzückt, wenn ich Sie auf Knien um Vergebung anflehen müsste."
Sie lächelte. »Ja, Sie haben recht, aber ich wollte nicht so unhöflich sein und es Ihnen direkt sagen."
Übersetzung: Gisela Schmitt
Genehmigte Sonderausgabe 2010
für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Bis zu jenem Donnerstag um Viertel vor sieben konnte sich Reid Buchanan seiner Beliebtheit in der Damenwelt mehr als sicher sein.
Er war einer von denen, die kleine Zettel von den Mädchen zugesteckt bekamen, als er sich dieser Ehre selbst noch gar nicht bewusst war. In Reids zweitem Jahr auf der Highschool zeigte sich dann aber auch bei ihm die große Kraft der Hormone - und das nicht ohne Folgen. Während der Frühjahrsferien verführte ihn Misty O'Connell aus der Oberstufe. Es passierte an einem verregneten Nachmittag bei ihr zu Hause, während auf MTV „The Real World" lief.
Seitdem war Reid verrückt nach Frauen und die Frauen verrückt nach ihm. Bis zu diesem Morgen, als er die Zeitung aufschlug und ihm sein Bild ins Auge sprang. Und gleich danach der dazugehörige Artikel mit dem Titel: „Berühmt? Und wie! Reich? Garantiert! Gut im Bett? Fehlanzeige!"
Reid verschluckte sich fast an seinem Kaffee. Er sprang auf und starrte die Zeitung an, rieb sich die Augen und las die Überschrift ein zweites Mal.
„Gut im Bett? Fehlanzeige!" Fehlanzeige?
„Die hat sie wohl nicht mehr alle!" Er las den Namen der Journalistin: Vielleicht hatte er vor Kurzem mit ihr Schluss gemacht und das war ihre billige Retourkutsche? Sie stellte ihn in der Öffentlichkeit bloß. Und warum? Weil er gut im Bett war. Besser als gut.
Er brachte jede Frau zum Äußersten. Die Frauen hinterließen in schöner Regelmäßigkeit tiefe Kratzspuren auf seinem Rücken - die Narben konnte er allen zeigen. Wenn er in einer anderen Stadt unterwegs war, verfolgten ihn die Frauen bis in sein Hotelzimmer und flehten ihn an, mit ihnen zu schlafen. Und hier in Seattle belagerten sie sein Haus und versprachen
ihm, alles für ihn zu tun, wenn er nur noch einmal mit ihnen ins Bett ginge.
Nein, er war nicht bloß gut im Bett. Er war ein Sexgott!
Und jetzt war er bis aufs Blut blamiert - wegen dieses dämlichen Artikels, in dem die Autorin von einem Abend mit ihm berichtete. Ihre Unterhaltung beschrieb sie als »beinah charmant". Er habe »halbwegs witzige" Anekdoten aus seiner Vergangenheit zum Besten gegeben, und sie hätten ein paar Stunden im Bett verbracht, die „so lala" waren. Sie krönte ihren Beitrag mit ironischen Spitzen wie „das ist natürlich nur meine individuelle Meinung" oder »bitte verklag mich nicht gleich, vielleicht liegt es ja auch an mir".
Außerdem behauptete sie, er ließe regelmäßig seine Teilnahme an Benefizveranstaltungen platzen, was ebenfalls nicht stimmte. An solchen Events nahm er grundsätzlich nicht teil. Sein Prinzip lautete: kein persönliches Engagement, auch nicht für wohltätige Zwecke.
Der Name der Reporterin sagte ihm allerdings gar nichts. Er versuchte sich zu erinnern, aber es war zwecklos. Also schnappte er sich sein Laptop und gab die Website der Zeitung ein. Auf der „Über uns"-Seite fand er ein Bild von ihr.
Sie war eine Durchschnittsfrau mit brünetten Haaren. Langsam dämmerte es ihm. Ja, er hatte mit ihr geschlafen. Aber die Tatsache, dass er sich nicht daran erinnern konnte, bedeutete nicht, dass es schlecht gewesen war.
Und dann fiel ihm ein, dass er während der Play-offs mit ihr ausgegangen war, als sein ehemaliges Team um die Teilnahme an der World Series kämpfte. Es war sein erstes Jahr als Exprofi, und er war wieder zurück in Seattle. Er war enttäuscht und sauer gewesen, weil er nicht mehr dabei war, und vermutlich war er auch betrunken.
»Wahrscheinlich habe ich eher an Baseball gedacht als an sie", murmelte Reid und las den Artikel ein zweites Mal.
Ein Gefühl der Verlegenheit machte sich in ihm breit. Hätte es nicht gereicht, wenn die blöde Kuh ihn in ihrem Freundeskreis als miesen Typen dargestellt hätte? Musste sie ihn gleich öffentlich blamieren? Wie sollte er sich dagegen wehren? Etwa vor Gericht? Selbst wenn, wie konnte man so einen Fall gewinnen? Sollte er womöglich sämtliche Frauen aufmarschieren lassen, die schon nach einem Kuss zu allem bereit gewesen waren?
Irgendwie gefiel ihm diese Idee, aber ihm war klar, dass das alles nichts brachte. Er war ein berühmter Exbaseballprofi, und die Leute sahen es nun mal gern, wenn Helden stürzten.
Aber auch seine Freunde und seine Familie würden den Artikel lesen. Alle, die er in Seattle kannte, würden den Artikel lesen. Er konnte sich schon vorstellen, was passieren würde, wenn er nachher in die „Downtown Sports Bar" zur Arbeit gehen würde.
Wenigstens hat sie sich auf die Lokalausgabe beschränkt, dachte er. So musste er sich zum Glück nicht auch noch die dummen Kommentare seiner Exbaseballkollegen anhören.
Da klingelte das Telefon. Er nahm ab.
„Hallo?"
„Ist da Reid Buchanan? Hallo. Ich bin Producerin bei ,Access Hollywood' und wollte fragen, ob Sie ein kurzes Statement zu dem Artikel von heute Morgen abgeben wollen. Der, in dem Sie ..."
„Danke, ich weiß schon", fauchte Reid.
„Gut." Die junge Frau am anderen Ende der Leitung kicherte. „Würden Sie uns für ein Interview zur Verfügung stehen? Ich kann noch heute Morgen ein Team vorbeischicken. Sie wollen doch sicher dazu Stellung nehmen?"
Fluchend legte Reid auf. Access Hollywood? Das ging wirklich schnell.
Das Telefon klingelte wieder. Er zog den Stecker raus. Am
liebsten hätte er das Ding an die Wand geworfen!
Jetzt klingelte sein Handy. Reid zögerte einen Moment, bevor er das Gespräch annahm. Er kannte die Nummer auf dem Display, ein Freund aus Atlanta. Diesen Anruf konnte er bedenkenlos annehmen.
„Hey, Tommy. Alles klar?"
„Reid, alter Junge. Was hört man denn da? Dieser Artikel ist ja ein echter Hammer! Und um es mal so zu sagen: eindeutig zu viele Details, oder?"
Würde Lori Johnston an Wiedergeburt glauben, wäre sie der Überzeugung, dass sie in einem ihrer früheren Leben ein General oder ein anderer Taktikexperte gewesen war. Denn eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen war es, Dinge, die nichts miteinander zu tun hatten, zusammenzuwürfeln und daraufhin perfekte Problemlösungen zu präsentieren, die niemand erwartet hatte.
An diesem Morgen beschäftigte sie sich zum Beispiel mit einem Krankenbett, das einen Tag später als versprochen geliefert wurde, und einem Catering-Service, bei dem jede einzelne Vorspeise falsch war. In ihrer freien Zeit würde sie ihre neue Patientin abholen und sicher nach Hause bringen müssen, vorausgesetzt, der Krankentransport verspätete sich nicht. Was bei anderen Menschen zu lauten Flüchen und wüsten Verwünschungen führte, sorgte bei Lori für einen Energieschub. Sie würde auch diese Herausforderung erfolgreich meistern.
Endlich hatte der Mann von der Spedition das Krankenhausbett aufgebaut. Sie schritt zur Inspektion und untersuchte die Matratze auf mögliche Unebenheiten. Was für einen gesunden Menschen nicht mehr als ein Ärgernis war, konnte bei jemandem mit einer gebrochenen Hüfte für gravierende gesundheitliche Schäden sorgen.
Die Matratze hielt ihrer sorgfältigen Überprüfung stand. Als Nächstes waren die Bedienelemente an der Reihe.
„Wenn ich das Kopfteil aufstelle, quietscht es", bemängelte sie. „Können Sie das abstellen?"
Der Mann sah sie verärgert an, aber das war ihr egal. Es war schon schlimm genug, eine bequeme Lage zu finden, wenn man Schmerzen hatte. Da musste nicht auch noch ein lästiges Quietschen dazukommen.
Danach untersuchte sie das Nachttischchen, das mit Rädern versehen und in Ordnung war. Auch am Rollstuhl und an der Gehhilfe gab es nichts auszusetzen.
Während sich der Arbeiter mit der quietschenden Kopfstütze befasste, eilte Lori in die Küche. Dort bereitete das Catering-Team die Mahlzeiten vor.
„Das Chili?", fragte eine Frau in weißer Uniform.
„Geht nicht." Lori deutete auf eine Liste, die sie am Kühlschrank befestigt hatte. „Die Frau ist über siebzig. Sie hat einen Herzinfarkt und eine schwere Hüft-OP hinter sich, und sie nimmt Medikamente. Sie soll schmackhaftes, aber kein scharfes Essen bekommen, das ihr eventuell auf den Magen schlägt. Wir wollen ja ganz sicher nicht, dass sie ihren Appetit verliert, im Gegenteil. Gesunde, aber appetitliche Gerichte sind gefragt. Kein Chili, kein Sushi, nichts Ausgefallenes."
Das Ganze hatte ich auch schon mal am Telefon gesagt, dachte Lori leicht gereizt.
Aber wenn dieses ganze Hin und Her hinter ihr lag, würde sie bei „Dilettante Chocolates" vorbeifahren und sich eine Belohnung gönnen. Schokolade versüßte ihr immer den Tag, und die Vorfreude darauf machte es schon jetzt leichter.
„Sie könnten es mit Prügel versuchen. Dann würden sie vielleicht auf Sie hören."
Diese Stimme! Lori musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, wer in der Küchentür stand. Sie waren sich schon einmal begegnet, bei ihrem Vorstellungsgespräch. In diesen zwanzig Minuten hatte sie lernen müssen, dass man sich sehr wohl sexuell zu jemandem hingezogen fühlen konnte, den man ansonsten verabscheute. Das Gespräch hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt - und der Klang seiner Stimme auch. Einen Moment lang dachte sie daran, sich diese Erinnerung operativ entfernen zu lassen. Wie nannte man das noch? Lobotomie oder so ähnlich.
Sie musste sich zusammenreißen. Diese dunklen, wissenden Augen, sein beinah zu hübsches Gesicht und seine krumme Haltung, gegen die er eigentlich etwas tun sollte -und trotzdem war sie kurz davor, dahinzuschmelzen wie eine Zwölfjährige auf einem Popkonzert.
Reid Buchanan verkörperte alles, was sie an einem Mann abstoßend fand. Er hatte es immer leicht gehabt im Leben. Die Frauen warfen sich ihm an den Hals. Er war offensichtlich mal ein erfolgreicher Baseballspieler gewesen, aber sie interessierte sich nicht für Sport und beschäftigte sich auch nicht damit. Und er hatte sich in seinem ganzen Leben wahrscheinlich noch nie für eine Frau wie sie interessiert - viel zu durchschnittlich.
„Haben Sie nichts Besseres zu tun, als hier aufzutauchen und mir auf den Wecker zu fallen?", fragte sie und drehte sich zu ihm um.
Seine Anwesenheit veränderte ihr gesamtes Körpergefühl. Sie glaubte, keine Luft mehr zu bekommen, und konnte kaum einen klaren Gedanken fassen.
„Wie erfreulich, dass ich Ihnen auf den Wecker falle", sagte er, ‚Aber darum bin ich eigentlich nicht hier. Der Grund dafür ist, dass meine Großmutter heute nach Hause kommt."
„Was Sie nicht sagen. Das habe ich in die Wege geleitet." „Ich dachte, ich fahre mal vorbei und besuche sie."
„Sie freut sich sicher sehr darüber, dass Sie hier sind, vier Stunden, bevor sie selbst hier ist. Da wird ihre Genesung bestimmt doppelt so schnell gehen."
Und damit drängelte sie sich an ihm vorbei und bemühte sich, das Gefühl, das sie spürte, als sie seinen Arm streifte, zu ignorieren. Wie peinlich! Sie kam sich wie ein Teenager vor. Aber auch das würde sie erfolgreich in den Griff bekommen.
„Sie kommt erst heute Nachmittag?", fragte er und folgte ihr ins Arbeitszimmer.
„Genau so ist es. Es war großartig, Sie zu sehen. Aber jetzt müssen Sie leider wieder gehen."
Er lehnte sich an den Türrahmen. Das tat er häufig, bemerkte sie. Wahrscheinlich wusste er, dass es unwiderstehlich aussah, dachte Lori. Bestimmt hatte er es vor dem Spiegel einstudiert.
Sie fand Reid primitiv und egoistisch und wusste, dass er nur auf Frauen stand, die so perfekt waren wie er selbst. Also warum fand sie ihn anziehend? Sie war eine intelligente Frau, sie sollte es besser wissen. Aber gegen ihre Empfindungen hatte ihre Vernunft einfach keine Chance.
Sie war das Klischee einer kleinen Durchschnittsfrau, die sich nach dem Unerreichbaren sehnte. Wahrscheinlich waren die Regale in den Buchläden voll mit Ratgebern zu diesem Thema. Vielleicht sollte sie mal einen Blick in so ein Buch werfen, dann wäre sie möglicherweise geheilt.
Aber fürs Erste war sie machtlos.
„Wollten Sie nicht gehen?", fragte sie.
„Doch, aber ich komme noch mal wieder."
»Ich werde die Minuten zählen."
»Viel Spaß." Er bewegte sich keinen Millimeter.
»Ist noch was?", fragte sie. „Worauf warten Sie?"
Er verzog den Mund zu einem feinen sexy Lächeln, das ihr Herz schneller schlagen ließ. Die nächste Blamage vor sich selbst.
»Sie lesen wohl keine Zeitung, wie?", wollte er wissen.
„Nein. Ich gehe morgens joggen und höre Musik dabei." Sein Lächeln wurde breiter. »Schön. Dann bis später." »Kommen Sie doch vorbei, wenn die Nachtschwester da ist. Was halten Sie davon?"
„Dann wäre Ihr Tag doch nur halb so schön: Sie hätten niemanden, zu dem Sie unfreundlich sein könnten. Auf Wiedersehen, Lori."
Und weg war er.
Tausche mich, nehme dich von Susan Mallery
1. KAPITEL
Es ist ganz einfach", sagte der Mann im teuren Designeranzug zu Dani Buchanan, »Sie werden keine Gelegenheit haben, den Senator zu sprechen, bevor Sie mir
nicht verraten haben, warum Sie hier sind."
»Leider vereinfacht dieser Hinweis rein gar nichts", murmelte Dani in sich hinein. Sie war gleichermaßen eingeschüchtert wie aufgeregt und hatte ein äußerst flaues Gefühl im Magen. Ihr Anliegen hatte sie bereits einer Empfangssekretärin und zwei Assistentinnen mitgeteilt, und nun, da sie die Tür von Mark Canfields Büro am Ende des langen Korridors immerhin schon sehen konnte, hatte sich ihr dieser große Kerl mit dem entschlossenen Blick in den Weg gestellt.
Sie überlegte, ob sie sich einfach an ihm vorbeidrängeln sollte, aber er war ziemlich groß - was auf sie selbst so gar nicht zutraf. Ganz zu schweigen von dem Umstand, dass sie heute ein Kleid und Schuhe mit ziemlich hohen Absätzen trug, was beides höchst ungewöhnlich für sie war. Das Kleid wäre nicht das Problem gewesen, aber diese Schuhe brachten sie fast um. Die Schmerzen in den Fußballen wären noch auszuhalten gewesen, aber wie sollte ein Mensch es schaffen, sich auf diesen Dingern im Gleichgewicht zu halten? Wenn sie versuchte, sich auf ihnen auch nur geringfügig schneller fortzubewegen, würde sie sich höchstwahrscheinlich einen Knöchel brechen.
»Bei mir ist Ihr Anliegen in guten Händen. Sie können mir vertrauen", sagte der Mann. „Ich bin Anwalt." Er hatte es tatsächlich geschafft, bei seiner Aussage keine Miene zu verziehen.
Dani lachte. »Seit wann gilt das als ein vertrauenerweckender Beruf?"
Um seinen Mund zuckte es, als müsste er sich ein Lächeln verkneifen. Ein gutes Zeichen, dachte Dani. Vielleicht ließ sich mit weiblichem Charme an diesem Typen vorbeikommen. Besonders gut war sie zwar nie darin gewesen, mit Charme bei Männern etwas zu erreichen, doch viele andere Möglichkeiten hatte sie im Moment nicht. Sie würde also so tun müssen, als sei sie charmant.
Dani holte tief Luft und warf den Kopf in den Nacken. Doch da sie ihr Haar kurz trug, fiel es ihr leider nicht effektvoll aus dem Gesicht und über die Schulter. Was bedeutete, dass der alte Trick, Männer auf diese Weise mit kokettem Charme zu bezaubern, bei ihr schon mal nicht klappte. Gut, dass sie sich geschworen hatte, keinen Mann mehr wirklich an sich heranzulassen.
»Betrachten Sie mich als den Drachen, der das Tor bewacht", sagte der Mann. »Sie kommen nicht an mir vorbei, wenn Sie mir nicht den Grund Ihres Besuchs verraten."
»Hat Ihnen niemand gesagt, dass Drachen ausgestorben sind?"
Nun lächelte er doch. »Ich bin der lebende Beweis, dass sich diese Gattung bester Gesundheit erfreut."
Na fein, dachte sie. Dieser Typ war offenbar eine harte Nuss. Er hatte ein nettes, attraktives Gesicht, sodass man bei seinem Anblick nicht sofort vor Schreck erstarrte. Doch so schön, dass er es nicht nötig hatte, an seinem Charakter zu arbeiten, war er nun auch wieder nicht. Aber er hatte mörderisch blaue Augen. Und ein ausgeprägtes Kinn, das auf Starrköpfigkeit schließen ließ.
»Ich bin in einer Privatangelegenheit hier", sagte sie und war sich gleichzeitig bewusst, dass ihm das als Erklärung nicht reichen würde. Aber sie musste es zumindest versuchen. Was sollte sie sonst sagen? Dass sie vor Kurzem entdeckt hatte, dass sie doch nicht der Mensch war, der sie immer gedacht hatte zu sein, und dass die Antworten auf ihre Fragen hier in diesem Gebäude zu finden waren?
Das Gesicht des Drachenmanns nahm energische Züge an, und er verschränkte die Arme vor der Brust. Dani hatte sofort das Gefühl, als mustere er sie abschätzig. Seine Geste war eindeutig eine Zurückweisung.
„Das glaube ich nicht", erwiderte ihr Gegenüber scharf. „Diese Art von Spielchen spielt der Senator nicht. Sie verschwenden nur Ihre Zeit. Verschwinden Sie."
Dani starrte ihn entgeistert an. „Wie bitte?" Was dachte sich dieser Typ eigentlich? Oh! „Sie glauben, ich meine, dass der Senator und ich ..." Sie verzog angewidert das Gesicht. „Nein, um Gottes willen ..." Rasch wich sie einen Schritt zurück, was in Anbetracht ihrer Schuhe ein gefährliches Unterfangen war - doch sie hatte keine andere Wahl. Sie musste sich distanzieren. „Dieser Gedanke ist zu abwegig, um ihn auszusprechen."
»Warum?"
Sie seufzte. »Weil ich möglicherweise seine Tochter bin." Nicht nur möglicherweise, sonst hätte sie kein so flaues Gefühl im Magen gehabt.
Mister Designer verzog keine Miene. »Sie wären besser beraten, wenn Sie behaupteten, Sie hätten mit ihm geschlafen. Das würde ich Ihnen eher abnehmen."
»Wer sind Sie eigentlich, dass Sie sich ein Urteil darüber erlauben, was Mark Canfield vor 28 Jahren gemacht hat und was nicht?"
»Ich bin sein Sohn."
Dani horchte auf. Sie wusste alles über die große Familie des Senators. »Dann nehme ich an, Sie sind Alex?"
Der Drachenmann nickte.
Interessant. Nicht dass sie und der älteste Sohn des Senators blutsverwandt gewesen wären. Mark Canfield und seine Frau hatten alle ihre Kinder - inklusive Alex - adoptiert. Doch sie selbst und Alex gehörten eben möglicherweise trotzdem zur selben Familie.
Dani war nicht sicher, was sie empfinden sollte. Das Verhältnis zu ihrer eigenen Familie, in der sie aufgewachsen war, gestaltete sich schon schwierig genug. Wollte sie sich wirklich noch mehr komplizierte Familienangelegenheiten aufhalsen?
Anscheinend schon, dachte sie. Sonst wäre sie wohl nicht hierhergekommen.
Der brennende Wunsch zu wissen, wohin sie gehörte, wer ihr leiblicher Vater war, war am Ende stärker gewesen. Falls Mark Canfield wirklich ihr Vater war, wollte sie ihn kennenlernen, und niemand würde sich ihr dabei in den Weg stellen. Nicht einmal sein Adoptivsohn.
»Ich war bereits sehr geduldig mit der Sekretärin und den beiden Assistentinnen. Wenn schon sonst nichts zählt, bestehe ich auf das Recht als Bürgerin und Wählerin, meinen Senator zu sprechen. Also machen Sie mir bitte den Weg frei, bevor ich hier einen Aufstand machen muss."
»Wollen Sie mir drohen?", fragte Alex. Er klang beinahe amüsiert.
»Hätte ich Erfolg damit?"
Er musterte sie langsam von oben bis unten. In den letzten sechs Monaten hatte Dani gelernt, dass es für sie nichts Gutes bedeutete, wenn ein Mann sie interessiert ansah. Es endete unweigerlich in einer Katastrophe. Doch obwohl sie den Männern abgeschworen hatte, spürte sie deutlich, dass sein Blick auf ihrem Körper sie nicht ganz kaltließ.
»Nein, aber es könnte durchaus noch amüsant werden", erwiderte er.
»So eine Antwort können nur Männer geben."
»Warum? Sind Männer etwas Negatives?"
»Haben Sie eine Ahnung! Also, Drachenjunge, geh mir aus dem Weg. Ich möchte Mr. Canfield sprechen." »Drachenjunge?"
Diese belustigte Frage kam nicht aus dem Mund des Mannes vor ihr. Dani drehte sich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war, und sah genau den Mann in einer der Türen stehen, den sie noch nie getroffen hatte, der ihr aber durchaus vertraut war.
Sie kannte Senator Canfield aus dem Fernsehen. Und sie hatte ihn sogar gewählt. Doch er war nie mehr als ein Politiker für sie gewesen. Nun allerdings stand er nur ein paar Schritte entfernt vor ihr, und darüber hinaus war es sehr gut möglich, dass er ihr Vater war.
Sie klappte den Mund auf und wieder zu. Sie fand keine Worte, und ihr Kopf war wie leer gefegt.
Der Senator trat zu ihnen. „Bist du der Drachenjunge, Alex?", fragte er.
Alex zuckte die Achseln. Er schien sich leicht unbehaglich zu fühlen. „Ich habe ihr gesagt, dass ich der Drache bin, der das Tor bewacht."
„Du machst deine Sache wirklich gut." Der Senator legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Und diese junge Dame macht also Probleme?" Er wandte sich an Dani und lächelte. „Sie sehen nicht sonderlich bedrohlich aus."
„Das bin ich auch nicht", schaffte Dani zu erwidern. „Sei dir dessen nicht so sicher, Dad", sagte Alex.
Dani warf ihm einen wütenden Blick zu. „Sie sind gerade ein bisschen vorschnell in Ihrem Urteil. Wir kennen uns noch nicht besonders gut."
„Sie wollen mit Ihren lächerlichen Behauptungen doch nur Unruhe stiften."
„Warum lächerlich? Das wissen Sie doch gar nicht so genau."
„Wissen Sie es denn genau?"
Der Senator sah beide an. „Soll ich vielleicht später wiederkommen? Würde euch das besser passen?"
Dani ließ Alex links liegen und wandte sich dem Senator
zu. „Es tut mir leid, dass ich hier so hereinplatze. Ich habe mehrmals versucht, einen Termin bei Ihnen zu bekommen, aber alle fragen mich immer nach dem Grund, und den kann ich niemandem sagen. Ich ..."
Das Ausmaß dessen, was sie gerade im Begriff war zu tun, wurde ihr plötzlich so richtig bewusst. Unmöglich, einfach so mit etwas herauszuplatzen, das sie selbst erst kürzlich erfahren hatte. Dass er nämlich vor 28 Jahren eine Affäre mit ihrer Mutter gehabt hatte und sie selbst das Ergebnis davon war. Er würde ihr niemals glauben. Warum sollte er?
Mark Canfield sah sie an. „Sie kommen mir bekannt vor", sagte er stirnrunzelnd. „Haben wir uns schon einmal irgendwo getroffen?"
„Passen Sie auf, was Sie jetzt sagen", warnte Alex Dani. „Legen Sie sich nicht mit mir an."
Sie beachtete ihn nicht. „Das haben wir nicht, Senator, aber sie kannten meine Mutter - Marsha Buchanan. Ich sehe ihr ein bisschen ähnlich. Na ja, ich bin ihre Tochter. Und vielleicht auch Ihre, wenn ich dem glauben kann, was man mir erzählt hat."
Mark Canfield verzog keine Miene. Das musste wohl an all diesen Politikertrainings liegen, vermutete Dani. Was sie selbst gerade empfand, konnte sie gar nicht sagen. Hoffnung? Panik? Das Gefühl, als stünde sie gerade am Rand eines Abgrunds und wüsste nicht, ob sie springen sollte?
Innerlich machte sie sich auf eine Zurückweisung gefasst. Es war verrückt zu glauben, dass der Senator einfach akzeptieren würde, was sie ihm gerade eröffnet hatte.
Schließlich lächelte Mark Canfield. „Ich erinnere mich sehr gut an Ihre Mutter. Sie war ..." Er brach ab. „Wir sollten uns unterhalten. Kommen Sie in mein Büro."
Ehe Dani auch nur einen Schritt tun konnte, hatte sich Alex vor ihr aufgebaut. „Das kannst du nicht machen", sagte er an den Senator gewandt. „Du kannst nicht einfach unter vier Augen mit ihr reden. Woher willst du wissen, dass sie nichts mit der Presse zu tun hat? Oder mit der Opposition? Die ganze Sache könnte eine Falle sein."
Mark sah erst Alex an, dann Dani. »Ist es eine Falle?", fragte er sie.
„Nein. Ich habe einen Ausweis bei mir, Sie können mich gern überprüfen lassen, wenn Sie wollen." Die letzte Bemerkung war für Alex bestimmt.
„Das werde ich", sagte er kühl und streckte seine Hand aus.
»Sie erwarten von mir, dass ich Ihnen meinen Ausweis jetzt gleich gebe?", fragte sie unsicher, weil sie nicht recht wusste, ob sie beeindruckt von seiner Professionalität sein oder ihn lieber mit ihren spitzen Schuhen ans Schienbein treten sollte.
„Sie möchten mit dem Senator sprechen. Sehen Sie es einfach als Sicherheitsmaßnahme."
„Ich glaube nicht, dass das nötig ist", sagte Mark ruhig. Doch er machte keine Anstalten, Alex abzuhalten.
Dani kramte in ihrer Handtasche nach ihrem Portemonnaie und zog ihren Führerschein heraus.
„Sie haben nicht zufällig Ihren Reisepass dabei?", fragte Alex.
„Nein, aber vielleicht möchten Sie meine Fingerabdrücke nehmen?"
»Das mache ich später."
Dani hatte den Eindruck, dass er es nicht ironisch meinte. Mark schaute langsam von einem zum anderen und fragte dann: „Seid ihr beiden nun fertig?"
Dani zuckte die Achseln. „Fragen Sie den Drachenjungen."
Alex nickte. »Ich stoße dann zu euch, sobald ich einem der IT-Leute das hier gegeben habe." Er wedelte mit Danis Führerschein hin und her.
„IT-Leute?", fragte Dani, während sie dem Senator in sein Büro folgte.
„Informationstechnologie. Sie würden staunen, was die Jungs mit einem Computer alles machen können." Er lächelte und schloss die Tür hinter ihr. „Oder vielleicht nicht. Sie kennen sich wahrscheinlich selbst mit Computern sehr gut aus. Ich wünschte, ich könnte das auch von mir sagen, aber ich weiß gerade so viel, wie ich wissen muss, um arbeiten zu können. Und ich muss gelegentlich immer noch Alex zu Hilfe holen, damit er mir aus der Klemme hilft."
Er ging zu einer Besprechungsecke im hinteren Teil des Büros. Dort standen zwei nicht mehr ganz neue Sofas, ein paar Stühle und ein Couchtisch, der so aussah, als hätte er in einem Studentenwohnheim schon gute Dienste geleistet.
„Nehmen Sie bitte Platz", sagte Mark Canfield.
Sie setzte sich auf die Kante eines der Sofas und sah sich um.
Der Raum war groß und hatte hohe Wände, aber keine Fenster. Kein Wunder, denn die gesamten Räumlichkeiten für die Wahlkampagne waren in einem Gebäude untergebracht, das aus ehemaligen Lagerhallen bestand. Alles, was sie bisher gesehen hatte, deutete darauf hin, dass der Senator nicht viel Geld für Äußerlichkeiten verschwendete. Der Schreibtisch war alt und zerkratzt, und die einzigen Farbtupfer an den Wänden waren großformatige Landkarten von den verschiedenen Regionen des Staates.
»Kandidieren Sie wirklich für das Amt des Präsidenten?", fragte sie. Dass jemand, den sie eben erst kennengelernt hatte, so etwas tatsächlich tun könnte, kam ihr mehr als nur erstaunlich vor. Es war vollkommen bizarr.
„Wir sondieren noch die Möglichkeiten", erklärte er, während er in einem Stuhl ihr gegenüber Platz nahm. »Hier haben wir uns jedenfalls nicht auf Dauer eingerichtet. Wenn meine Kampagne sich als vielversprechend erweist, werden wir in andere Räumlichkeiten umziehen - aber warum sollten wir jetzt für solche Dinge viel Geld ausgeben, wenn es nicht unbedingt sein muss?"
»Guter Punkt."
Er beugte sich vor und stützte sich mit den Unterarmen auf seine Knie. »Ich kann es nicht fassen, dass Sie Marshas Tochter sind. Wie lange ist das her? 30 Jahre?"
„28", sagte Dani und spürte, wie sie errötete. „Obwohl es für Sie eher vor 29 Jahren war."
Er nickte langsam. „Ich erinnere mich gut daran, als ich Marsha das letzte Mal gesehen habe. Wir waren zum Essen in der Stadt verabredet, und ich weiß noch genau, wie sie ausgesehen hat. Wunderschön."
Seine Augen waren nun ganz dunkel. So als wäre er tief in genau der Vergangenheit versunken, zu der Dani so viele Fragen hatte. Aber nun verließ sie der Mut, ihm diese Fragen tatsächlich zu stellen.
Mark war damals nicht verheiratet gewesen, ihre Mutter hingegen schon. Dani konnte sich kaum an ihre Eltern erinnern. Von dem Mann, den sie immer für ihren Vater gehalten hatte - zumindest bis zu jenem Zeitpunkt, als sie herausgefunden hatte, dass es nicht so war -, hatte sie nur noch ein verschwommenes Bild.
Dennoch dachte sie oft über ihn nach und fragte sich, wann ihre Mutter aufgehört hatte, ihn zu lieben, und ob Mark Canfield dabei eine entscheidende Rolle gespielt hatte.
»Ich habe nie erfahren, warum sie damals Schluss gemacht hat", sagte Mark leise. „Ein paar Tage nach diesem gemeinsamen Essen hat sie mich angerufen und mir mitgeteilt, dass sie mich nicht mehr treffen kann. Sie wollte mir nicht sagen, warum. Ich habe danach versucht, sie zu erreichen, aber sie hatte ihre Jungs genommen und ist weggezogen. In einem Brief hat
sie mir später geschrieben, dass unsere Beziehung für sie endgültig zu Ende sei. Sie wollte, dass ich mein Leben weiterlebe und jemanden finde, mit dem ich eine ernsthafte Beziehung aufbauen kann."
„Sie ist weggezogen, weil sie mit mir schwanger war", sagte Dani.
Die ganze Situation hatte etwas Surreales an sich, dachte sie. Sie hatte sich oft gefragt, wie die erste Begegnung mit Mark verlaufen würde, doch jetzt, da es so weit war, kam es ihr beinahe unwirklich vor.
„Das hatte ich vermutet", sagte er.
»Heißt das also, dass Sie tatsächlich mein leiblicher Vater sind?"
Ehe Mark antworten konnte, ging die Tür zu seinem Büro auf und eine Frau trat ein. Sie sah Dani kurz an und wandte sich dann an Mark.
„Mr. Wilson ist am Telefon, Senator. Er sagt, es wäre dringend und Sie wüssten schon, worum es sich handelt."
Mark schüttelte den Kopf. „Seine Definition von ‚dringend' ist nicht dieselbe wie meine, Heidi. Sagen Sie ihm bitte, ich rufe später zurück."
Heidi, eine attraktive Frau Anfang vierzig, nickte und verließ das Büro.
Mark wandte sich wieder an Dani. „Ich denke, es ist sehr wahrscheinlich, dass ich Ihr richtiger Vater bin."
Die Unterbrechung wegen des Telefonats hatte Dani aus dem Konzept gebracht. Sie brauchte einen Moment, um ihre aufgewühlten Gefühle zu sortieren. Der Senator allerdings schien die Angelegenheit sehr gelassen zu nehmen.
„Sie haben also gar nichts von meiner Existenz gewusst?", fragte sie.
„Ihre Mutter hat mir nichts gesagt, und ich habe einfach nicht sicher gewusst, dass sie schwanger ist."
Und wenn er es gewusst hätte? Doch bevor Dani ihm diese Frage stellen konnte, ging die Tür auf und Alex kam herein.
„Ich habe anhand des Führerscheins das Strafregister prüfen lassen", sagte er, während er näher kam. Dann blieb er direkt vor Dani stehen und sah auf sie hinunter. »Keine Vorstrafen."
»Sie wollen sagen, dass meine Verurteilung wegen des Banküberfalls letzte Woche noch nicht aktenkundig ist? Was ist die Regierung derzeit aber auch langsam ..."
»Ich finde die Situation nicht besonders witzig", entgegnete Alex.
Dani stand auf. Trotz der gefährlich hohen Absätze war sie immer noch gute 15 Zentimeter kleiner als er. »Glauben Sie etwa, dass ich dies hier witzig finde? Ich habe mein ganzes Leben lang gedacht, ich sei die, die ich bin, und plötzlich stellt sich heraus, dass ich vielleicht jemand ganz anderes bin. Haben Sie eine Vorstellung davon, wie man sich dabei fühlt? Entschuldigen Sie bitte, dass ich mit der Suche nach meinem Vater Ihren Terminplan durcheinanderbringe."
Sie war wütend. Alex sah das Funkeln in ihren Augen. Außerdem hatte sie Angst. Sie versuchte zwar, es zu verbergen, doch es war deutlich zu erkennen - zumindest für ihn. Als er selbst noch sehr jung gewesen war, hatte er erfahren, wie es sich anfühlte, in ständiger Angst zu leben. Die Fähigkeit, dieses Gefühl auch bei anderen wahrzunehmen, hatte er nie verloren.
Aber war sie wirklich diejenige, die sie behauptete zu sein? Der Zeitpunkt, den sie für ihr Auftauchen gewählt hatte, machte ihn noch misstrauischer, als er ohnehin schon war. Und er war von Natur aus und aus Erfahrung ein misstrauischer Mensch. Wenn jemand sein Vertrauen gewinnen wollte, musste er es sich verdienen, und wenn jemand es missbrauchte, dann gab es keine zweite Chance. Alex bezweifelte,
dass es irgendetwas gab, was Dani Buchanan tun konnte, damit er ihr vertraute.
Er betrachtete sie, um zu sehen, ob sie dem Senator ähnlich war. Ja, es gab Ähnlichkeiten - die Art, wie sie lächelte etwa, oder die Form ihres Kinns. Aber wie viele einander absolut fremde Menschen sahen einander ähnlich? Vielleicht hatte sie irgendwo von der Affäre des Senators mit Marsha Buchanan gehört und beschlossen, diese Information zu ihrem Vorteil zu nutzen.
„Wir müssen einen DNA-Test machen", sagte er.
„Das sehe ich auch so", stimmte Dani zu und sah ihn selbstbewusst an. „Ich möchte Gewissheit haben."
„Ich bin mir sicher", sagte Mark und erhob sich. „Aber der Test wird es uns in jedem Fall bestätigen. In der Zwischenzeit möchte ich, dass wir uns besser kennenlernen, Dani."
Danis Lächeln war gleichzeitig erwartungsvoll und ein wenig verzagt. „Das möchte ich auch. Wir könnten vielleicht gemeinsam zu Mittag essen."
„Keine Treffen in der Öffentlichkeit", sagte Alex.
Mark nickte. »Er hat recht. Ich bin eine Person von öffentlichem Interesse. Wenn ich mich mit einer jungen, hübschen Frau träfe, würden die Leute zu reden anfangen. Das wollen wir nicht." Er dachte kurz nach. „Warum kommen Sie nicht heute Abend zum Essen zu uns? Dann können Sie meine Familie kennenlernen."
Dani wich zurück. „Lieber nicht", murmelte sie. „Darauf bin ich nicht vorbereitet. Ihre Frau weiß doch gar nichts von meiner Existenz und ..."
„Unsinn. Katherine ist eine bemerkenswerte Frau. Sie wird es verstehen und Sie gerne in der Familie willkommen heißen. Alex und Julie wohnen nicht mehr zu Hause, aber da sind immer noch sechs Canfield-Kinder, die Sie kennenlernen müssen." Er runzelte die Stirn. „Sie sind natürlich nicht Ihre leiblichen Geschwister. Katherine und ich haben alle unsere Kinder adoptiert, aber das wissen Sie ja vermutlich."
„Ich habe mich ein bisschen über die Familie informiert", gab Dani zu.
Und herausgefunden, dass dort jede Menge Geld vorhanden ist, dachte Alex zynisch.
„Du könntest dich ja erst ein paarmal hier mit ihr treffen", wandte Alex sich an Mark, »bevor du Dani nach Hause einlädst."
Doch der Senator hatte seine Entscheidung bereits getroffen und schien nicht mehr gewillt, sich davon abbringen zu lassen. „Nein, ein gemeinsames Abendessen ist eine gute Idee. Dani, Sie können genauso gut schon jetzt erfahren, auf welches Chaos Sie sich einlassen. Im Übrigen wird Katherine begeistert von Ihnen sein." Er sah auf seine Armbanduhr. „Ich habe eine Besprechung, zu der ich nicht zu spät kommen darf. Alex, gib Dani die Adresse. Sagen wir, heute Abend gegen 18 Uhr?"
Alex nickte. „Sagst du es Mom, oder soll ich es machen?"
Mark überlegte. »Das mache ich. Ich werde heute etwas früher Schluss machen." Er lächelte Dani zu. „Also, bis später."
»Ich ... äh, in Ordnung", sagte Dani. Es klang ein bisschen aufgeregt.
Mark verließ das Büro.
Dani umklammerte ihre Handtasche so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. „Die Familie ... Damit hatte ich nicht gerechnet."
Nein, sie hatte sich vermutlich gedacht, sie könnte sich bei Mark einschmeicheln, ohne sich mit seinen Kindern auseinandersetzen zu müssen.
Sie wandte sich an Alex. »Und Ihre Mutter? Wird sie damit umgehen können oder wird es schwer für sie sein?" Sie schloss für einen Moment die Augen. Dann öffnete sie sie wieder.
„Dumme Frage. Natürlich wird es das. Ich weiß, dass die beiden kein Paar waren, als er eine Beziehung mit meiner Mutter hatte, aber trotzdem. Es kann nicht einfach sein, ein Kind aus seiner Vergangenheit zu akzeptieren. Ich möchte nicht der Grund dafür sein, dass es Probleme gibt."
„Dafür ist es jetzt zu spät."
Sie legte den Kopf schief und sah ihn an. „Sie sind nicht gerade erfreut über mein Erscheinen."
„Fragen Sie lieber nicht, was ich von Ihnen halte. Sie würden es nicht wissen wollen."
Erstaunlicherweise lächelte sie ihn nun an. „Oh, ich kann es mir schon vorstellen."
»Das glaube ich eher nicht."
Dass sie keine Angst vor ihm zeigte, ärgerte ihn. Er war es gewohnt, dass sich die Leute von ihm einschüchtern ließen.
„Wann ist also der DNA-Test?", fragte sie. „Ich nehme an, dass Sie ein Labor beauftragen, oder?"
„Heute Abend wird jemand im Haus des Senators anwesend sein."
„Wird dann eine Speichelprobe genommen, oder wäre es Ihnen lieber, man würde mir ein ganzes Körperteil amputieren?"
»Ich will doch nicht, dass man Ihnen wehtut", erwiderte
er.
„Das nicht, nein. Sie wollen mich lediglich loswerden." Sie seufzte. „Ich wünschte, ich könnte Sie davon überzeugen, dass ich nur meinen Vater finden will. Ich möchte ihn einfach nur kennenlernen. Damit mache ich mich doch nicht zum Feind."
„Das sehen nur Sie so, sonst niemand." In der Hoffnung, sie so weit einzuschüchtern, dass sie wieder zurückwich, trat er näher an sie heran. Sie bewegte sich nicht von der Stelle. „Sie haben keine Ahnung, worauf Sie sich da eingelassen haben, Dani Buchanan", sagte er eisig. „Das hier ist kein Spiel. Mein Vater ist ein US-Senator, der in Erwägung zieht, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren. Sie werden es nicht schaffen, ihm in irgendeiner Weise zu schaden. Ich bin nicht der einzige Drache an diesem speziellen Tor, aber ich bin derjenige, mit dem Sie die meisten Schwierigkeiten haben werden."
Sie neigte sich vor. »Sie machen mir keine Angst." »Das wird sich ändern."
»Nein, wird es nicht. Sie glauben, dass es etwas gibt, was ich haben möchte, und dass Sie aus diesem Grund Druck auf mich ausüben können. Aber Sie täuschen sich." Sie legte sich den Riemen ihrer Handtasche über die Schulter. »Schon in Ordnung, ich respektiere Ihr Verhalten. Wäre ich in Ihrer Situation, würde ich es wahrscheinlich genauso machen. Es ist keine Kleinigkeit, seine Familie beschützen zu müssen. Aber seien Sie vorsichtig, wie weit Sie dabei gehen. Sie wirken nicht wie ein Mensch auf mich, der sich gern entschuldigt. Ich würde es nicht ertragen, wenn Sie mich auf Knien um Verzeihung bitten müssten, nur weil Sie gemerkt haben, dass Sie mich falsch eingeschätzt haben."
Die Frau hatte Mumm, das musste er ihr zugestehen. »Ach kommen Sie, Sie wären doch entzückt, wenn ich Sie auf Knien um Vergebung anflehen müsste."
Sie lächelte. »Ja, Sie haben recht, aber ich wollte nicht so unhöflich sein und es Ihnen direkt sagen."
Übersetzung: Gisela Schmitt
Genehmigte Sonderausgabe 2010
für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
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Bibliographische Angaben
- Autor: Susan Mallery
- 672 Seiten, Maße: 12,5 x 18,6 cm, Taschenbuch
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3899418972
- ISBN-13: 9783899418972
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