Kopf hoch, Deutschland
Meckern und nörgeln...oder machen
Wir haben nicht zu wenig Reformen, sondern zu wenig Motivation.
Die in Deutschland herrschende Jammerkultur hat sich zu einem ernsten Krankheitsbild entwickelt. Das allgemeine Meckern und Mäkeln bremst nicht nur...
Wir haben nicht zu wenig Reformen, sondern zu wenig Motivation.
Die in Deutschland herrschende Jammerkultur hat sich zu einem ernsten Krankheitsbild entwickelt. Das allgemeine Meckern und Mäkeln bremst nicht nur...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Kopf hoch, Deutschland “
Meckern und nörgeln...oder machen
Wir haben nicht zu wenig Reformen, sondern zu wenig Motivation.
Die in Deutschland herrschende Jammerkultur hat sich zu einem ernsten Krankheitsbild entwickelt. Das allgemeine Meckern und Mäkeln bremst nicht nur Lebenslust und Schaffensfreude, es verstellt auch den Blick auf die Erfolgsgeschichten, die derzeit hier geschrieben werden.
Dieses Buch ist parteilich, emotional und optimistisch. Es präsentiert Menschen, die anpacken, ausprobieren und auch mal auf die Nase fallen. Mutige, freche, fleißige, unkonventionelle Typen, die durch ihre Tatkraft einem verzagten Land den Weg aus dem Jammertal weisen.
Wir haben nicht zu wenig Reformen, sondern zu wenig Motivation.
Die in Deutschland herrschende Jammerkultur hat sich zu einem ernsten Krankheitsbild entwickelt. Das allgemeine Meckern und Mäkeln bremst nicht nur Lebenslust und Schaffensfreude, es verstellt auch den Blick auf die Erfolgsgeschichten, die derzeit hier geschrieben werden.
Dieses Buch ist parteilich, emotional und optimistisch. Es präsentiert Menschen, die anpacken, ausprobieren und auch mal auf die Nase fallen. Mutige, freche, fleißige, unkonventionelle Typen, die durch ihre Tatkraft einem verzagten Land den Weg aus dem Jammertal weisen.
Lese-Probe zu „Kopf hoch, Deutschland “
EinleitungIm Herbst 2004 erhielt ich eine Einladung zu den Sächsischen Jugendmedientagen nach Dresden. Der Moderator Steffen Hallaschka vom Berliner Radio Eins, Hans Eggert, Chefredakteur der Sächsischen Zeitung, der Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Donsbach, Professor an der Technischen Universität Dresden, der schillernde Frankfurter PR-Mann Moritz Hunzinger und ich, der Journalist, sollten auf einem Podium im Dresdner Rathaus Weisheiten austauschen zum Thema "Politik und Medien - wer gebraucht wen?"
Es war ein trüber Sonntagmorgen, Dresden schien menschenleer, das Rathaus wie seit Ewigkeiten stillgelegt. Weder der Ort noch die Zeit, weder Zuhörer noch Thema ließen Schlüsselerlebnisse erwarten. Wahrscheinlich würden sich drei Dutzend supercooler Teenys in tuschelnden Grüppchen irgendwo in den hinteren Reihen verlieren.
Doch drinnen im Rathaus herrschte großer Betrieb. Schon in aller Frühe hatten die Organisatoren Kaffee-Container herbeigeschafft und Käsebrötchen geschmiert. Über die breite Treppe strömten immer mehr junge Leute in den Saal. Schließlich saßen im Publikum über zweihundert Schüler, manche hatten sogar Schreibzeug dabei. Offenbar waren sie tatsächlich neugierig darauf, wie Menschen nach zehn bis dreißig Jahren im Kommunikationsgeschäft aussehen, wie sie sich benehmen, was sie erzählen.
Die Diskussion begann verhalten, wogte mal hierhin, mal dorthin, erst mit der Kritik kam sie in Fahrt. Chefredakteur Eggert wetterte über die Wessis, die immer über Ossis meckern, ich meckerte über Ossis, die über Wessis herziehen, Professor Donsbach machte Strukturprobleme bei den Medien aus, Radiomann Hallaschka brachte Moral und Verantwortung ins Spiel. Jeder der Diskutanten war bemüht, sich als kritischer und problembewusster Geist zu präsentieren.
So spielten wir "Christiansen". Wir waren das Tribunal. Wir genossen den eskalierenden Wettbewerb im Mahnen und Warnen, den Kampf um die dramatischere Zuspitzung, das erhebende Gefühl, einem
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ehrfürchtigen Publikum mit möglichst ernsten Mienen die ausweglose Lage im Allgemeinen und den Niedergang unserer Branche im Besonderen zu schildern. Besonders virtuos gab sich Hunzinger. Seine Botschaft: Das Land ist heruntergekommen, die Institutionen verrottet, seine Medien eine Katastrophe, die Bewohner faul und gierig, das Bildungssystem eine Lachnummer, die Wirtschaft am Boden. Apocalypse now and forever.
Da trat ein Mädchen an eines der Saalmikrofone, sehr zierlich, höchstens fünfzehn Jahre alt. "Eine Frage an Herrn Hunzinger und die anderen Herren", hob sie höflich an: "Warum, glauben Sie, sind diese jungen Leute hier aus allen Teilen Sachsens für ein Wochenende auf eigene Kosten nach Dresden gekommen? Warum lernen wir hier in Workshops, wie man Radio oder Zeitung macht? Warum sitzen wir an einem Sonntagmorgen hier, anstatt auszuschlafen? Doch nicht, um uns anzuhören, dass das alles keinen Sinn hat, dass alles im Eimer ist, dass wir sowieso keine Chancen haben, weil alles den Bach runtergeht. Wir wollen etwas lernen, wir wollen was machen und bewegen. Aber das können wir nur, wenn Sie uns wissen lassen, wie das geht."
Wir Diskutanten auf dem Podium blickten uns so verstohlen wie betreten an. Das Mädchen hatte vollkommen Recht. Da saßen wir, fünf Herren mittleren oder fortgeschrittenen Alters, öffentlich-rechtlich oder mit Aktiengewinnen abgesichert, mit der Aussicht auf Professorenpension oder wenigstens das Presseversorgungswerk, und erzählten dem Nachwuchs von ganz oben herab, wie fürchterlich die Welt sei - voll von Risiken und Nebenwirkungen, dafür frei von Zukunft und Perspektive. Und wir genossen dieses schwarze Spiel auch noch.
Ich musste an meinen elfjährigen Sohn denken, der sich jede Woche einen neuen Traumjob überlegt. Zum damaligen Zeitpunkt stand gerade der ehrwürdige Beruf des Schlagzeugers hoch im Kurs. Was sollte ich ihm sagen? Dass die Musikindustrie wegen der illegalen Downloads aus dem Internet ruiniert sei? Was hätte ich ihm zwei Wochen zuvor geantwortet, als er noch Motoren-Konstrukteur werden wollte? Junge, um Himmels willen, die deutsche Automobilindustrie liegt völlig danieder. Oder damals, als er unbedingt Archäologe werden wollte? Bloß nicht in die Wissenschaft - da geht gar nichts mehr, wird doch alles kaputtgespart.
Der Saal hatte ein paar lange Sekundenbruchteile geschwiegen. Das Mädchen war längst in irgendeiner Sitzreihe verschwunden. Plötzlich brandete Applaus auf, schwoll zum Tosen an und wollte nicht mehr enden. Eine Schülerin hatte ihrer Generation aus dem Herzen gesprochen. Diese jungen Menschen waren mit Kritik, Mäkelei, Jammern und Problematisieren aufgewachsen. Das beherrschten sie wirklich, da brauchten sie keine Nachhilfe. Wonach sie offenbar gierten, das waren Perspektiven, ein Hauch von Optimismus, ein wenig Sinn, eine Motivation, um sich in Schule, Lehre oder Universität überhaupt anzustrengen.
Kein Zweifel, es gibt eine Menge Probleme hierzulande, gute alte, bekannte Sorgen, aber auch völlig neue Herausforderungen, auf die niemand eine schnelle, einfache Antwort hat. Tatsache ist allerdings auch, dass an nahezu allen Orten der Welt zu allen Zeiten der Menschheitsgeschichte die Voraussetzungen zum Bewältigen solcher Probleme weitaus schlechter waren als im Deutschland des Jahres 2005. Natürlich gibt es vieles zu verbessern. Das gibt es immer. Für die Daueraufgabe Reform aber bedarf es nicht immer neuer Gesetze, tief greifender Veränderungen und radikaler Schnitte, deren Folgen in hochkomplexen Systemen ohnehin niemand absehen kann. Modernisierung braucht Bürger, die mitmachen, weil sie an ein Morgen glauben.
Manchmal können normale Menschen eine Menge bewirken. Sie schieben kleine, aber entscheidende Verbesserungen an, oder sie erledigen einfach nur ernsthaft und zuverlässig ihre Aufgabe. Menschen, die immun sind gegen das allgegenwärtige Klein-, Dumm- und Schlechtgerede, Menschen, die mit dem, was sie vorfinden, erfolgreich Schulen leiten, Verwaltungen organisieren, Firmen anführen und Theater gründen, die tüfteln und probieren.
Sie sind Verwaltungsangestellte, Politiker, Lehrerinnen, Professoren, Pastoren, Mütter, Lebenskünstler. Manche von ihnen treten fürchterlich spießig auf, andere abgedreht. Aber alle beweisen, dass es keine Wunder braucht, um Schüler fit zu machen für die Zukunft, dass Erfindungen von Weltrang zu jeder Zeit an jedem Ort möglich sind, dass man einer hoch verschuldeten Kommune ein Plus aufs Konto zaubern kann, dass deutsche Bürokraten tatsächlich segensreich wirken können - und das alles im Rahmen bestehender Gesetze, Vorschriften und Regeln. Einer von ihnen ist Jürgen Spahl, Bürgermeister von Rednitzhembach. "Wer etwas will, sucht Wege", so steht es auf einem Zettel an seiner Pinnwand, "wer etwas nicht will, sucht Gründe."
Sie alle haben eines gemeinsam: die Lust, etwas anzufangen, von dem man nicht genau weiß, wie es endet. So klein ihr Projekt sein mag, es ist in jedem Fall wertvoller als jedes TV-Statement. Dieser Pioniergeist, der bei unseren Vorfahren, und sei es aus purer Not, um einiges ausgeprägter war, der zeichnete auch das Dresdner Mädchen aus: Sie wollte etwas wissen. Sie wollte etwas werden. Sie glaubte mit verwegen anmutender Selbstverständlichkeit an eine, an ihre Zukunft.
I. Verzagte Republik
Das Rosenthal-Experiment
Ein Rückblick: Im Frühjahr 1964 besucht ein junger Professor von der berühmten Harvard-Universität die Oak School in South San Francisco. Er wolle einige neu entwickelte Tests zu Lernfortschritten bei Schülern durchführen, erklärt er dem Direktor. Doch dass es dem Wissenschaftler um irgendwelche neuartigen Tests, die er zu machen vorgibt, überhaupt nicht geht, das ahnen weder Eltern noch Kinder noch Lehrer. Professor Robert Rosenthal will etwas ganz anderes herausfinden. Und so bahnt sich an der Oak School eines der Schlüsselexperimente der Motivationspsychologie an.
Die meisten der 650 Kinder, die die sechs Jahrgänge dieser Mittelschule besuchen, stammen aus sozial schwächeren Schichten, ihre Väter sind häufig ungelernte Hilfskräfte, die Familien nicht selten zerrüttet. Viele der Mütter arbeiten, um die karge Sozialhilfe aufzubessern. Einige Mexikaner bilden die Minderheit, die einzige Farbigen-Familie scheint komplett integriert. Größere Spannungen oder Feindseligkeiten gibt es nicht. Das Klima ist in Ordnung.
Wirkliche Armut, gar Hunger, ist an der Oak School kaum anzutreffen. Es herrscht eher eine Art unbeschwerter Verwahrlosung. Viele Kinder könnten gut ein Bad gebrauchen oder eine zahnärztliche Behandlung. Und sind die Kleider eines Kindes tatsächlich sehr zerschlissen, liegt das in der Regel daran, dass die Eltern nicht gut mit Geld umgehen können.
Die Oak School ist von einer lauten, aber sympathisch-fröhlichen Atmosphäre und eher von Geselligkeit als von ernsthafter Arbeit gekennzeichnet. Die meisten der zwanzig Lehrer genießen Respekt, weil sie kurzfristige Kleinkredite, meist fürs Mittagessen, gewähren und manchmal sogar Zeit und Interesse für die großen und kleinen Sorgen der Kinder aufbringen. Die Schüler sind auf Grundlage ihrer Leseleistungen in jeder Klassenstufe auf drei Züge verteilt: die Schnell-, Mittel- und Langsamlerner. Sechs Jahrgänge mit drei Geschwindigkeiten, das macht insgesamt achtzehn Klassen.
Diese Schule erscheint Robert Rosenthal perfekt geeignet für ein Experiment, das ihn weltberühmt machen soll. Den Lehrern erzählt der Professor, er wolle ein jüngst in Harvard entwickeltes Verfahren testen, mit dem sich das plötzliche Aufblühen von Kindern, das Phänomen überraschender und besonders schneller Lernfortschritte vorhersagen lasse. Diese schlummernden Schlauberger, deren Leistungen eines Tages unerwartet explodierten, seien im Schulalltag nicht immer so einfach zu identifizieren. Rosenthal schmückt seine Geschichte sogar noch ein wenig aus. Schließlich will er als Autorität dastehen und die Lehrer sorgfältig vom eigentlichen Zweck seines Experiments ablenken.
Als er im Mai 1964 mit seinen Untersuchungen beginnt, sind die Pädagogen der Oak School tatsächlich in Ehrfurcht erstarrt, und die Schüler unterziehen sich bereitwillig dem vermeintlich neuartigen Test. Gleich nach der Auswertung kommt der große Augenblick: Der Professor zieht die Lehrer ins Vertrauen. Unter strengster Geheimhaltung teilt er ihnen die Namen jener Kinder mit, die den Tests zufolge mit hoher Wahrscheinlichkeit einen plötzlichen Lernfortschritt machen würden: Es sind 20 Prozent aller Schüler.
Als Rosenthal viele Monate später erneut an die Oak School kommt, um den IQ der Schüler zu überprüfen, stellt er zufrieden fest, dass er mit seinen Prognosen richtig lag: Vor allem in den Klassen der Jüngeren liegen die Schüler, denen er deutliche Fortschritte vorausgesagt hatte, mit ihrem IQ um deutliche vier Punkte über den angeblich normal begabten Klassenkameraden. Die besten von ihnen weisen Sprünge von vierzig und mehr Punkten auf.
Hatte Rosenthal tatsächlich einen zuverlässigen Test entwickelt, der derart präzise Prognosen erlaubte? Nein, der junge Professor verstand nur etwas von Psychologie. Einen neuartigen Harvard-Test hatte es nie gegeben. Rosenthal hatte bei seinem ersten Besuch nicht mehr und nicht weniger getan, als den IQ aller Schüler mit einem herkömmlichen Verfahren zu messen. Die Ergebnisse aber hatte sich der Professor nie angesehen, sondern sofort weggeschlossen. Er wusste nicht, welche Schüler über einen niedrigen und welche über einen hohen IQ verfügten, und er wusste erst recht nicht, welche Schüler in den nächsten Monaten bemerkenswerte Lernfortschritte machen würden. Die 20 Prozent, die er den Lehrern verriet, hatte er willkürlich ausgewählt, nach dem Zufallsprinzip.
Das bahnbrechende Ergebnis des Rosenthal-Experiments lautete: Am besten schnitten nicht die objektiv klügsten Schüler ab, sondern die, die von ihren Lehrern als besonders hoffnungsvoll angesehen wurden.
Offenbar haben die Lehrer jene Schüler, die ihnen von der Autorität des Professors als besonders entwicklungsfähig genannt worden waren, unterbewusst respektvoller behandelt, sie ernster genommen, angespornt, mehr gefördert und gefordert. So kam es zur self fulfilling prophecy, zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung: Schüler, denen gute Leistungen zugetraut wurden, lernten tatsächlich schneller, besser, mehr als andere.
Für Robert Rosenthal, geboren 1933 in Gießen und 1940 mit der Familie vor den Nazis in die USA geflohen, bedeutete dieses Experiment den wissenschaftlichen Durchbruch in Amerika, das Fundament für weltweiten Ruhm. Rosenthal stieg zu einem der anerkanntesten Sozialpsychologen des 20. Jahrhunderts auf. Für "herausragende wissenschaftliche Leistungen" bekam er 2002 den APA-Preis, über dessen Vergabe die 155000 Fachleute entscheiden, die im US-Psychologenverband organisiert sind.
In über tausend wissenschaftlichen Arbeiten sind die Erkenntnisse aus dem Rosenthal-Experiment wiederholt und bestätigt, vertieft und verfeinert worden: Ob in einem Ferienlager, wo man den Betreuern erklärte, dass angeblich die "Schwimmtalente" in einer Gruppe zusammengefasst worden seien, ob in einer Klinik, wo einige Auszubildende als "sehr geeignet" gelobt wurden, ob in einer Fabrik, wo den Vorarbeitern die vermeintlich "besonders Qualifizierten" namentlich genannt wurden. Immer waren diejenigen schneller (beim Schwimmen lernen), engagierter (in der Ausbildung), fleißiger (in der Fabrik), denen ihre Anführer mehr zutrauten.
Interessanterweise wurde auch die Umkehrung bewiesen: Die Leistung von Schülern, Mitarbeitern oder Sportlern sinkt schlagartig, wenn man sie als Trottel, Nichtsnutze oder Schlappschwänze behandelt.
Es scheint also im menschlichen Miteinander eine geheimnisvolle Schwingung zu geben, die sich nicht in Zahlen oder Kurven ausdrücken lässt, eine positive psychologische Atmosphäre, die durchschnittlich Begabte zu überdurchschnittlichen Leistungen motivieren kann. Sporttrainer kennen dieses Phänomen so gut wie Unternehmer, Chefredakteure oder Parteivorsitzende: Fleiß und Engagement, Lust und schließlich der Erfolg hängen nur bedingt von Fähigkeiten ab, von Ausbildung oder Bezahlung. Die anspornende Wirkung einer Gehaltserhöhung ist nach vier bis sechs Wochen erwiesenermaßen verpufft, und auch bestens ausgebildete Fachleute mit erstklassigen Zeugnissen können gelangweilt Mittelmaß produzieren - in der Staatskanzlei, in der Schule, auf dem Amt, an der Werkbank, in der WG.
Offenbar sind es vielmehr weiche, schwer quantifizierbare Faktoren, die Menschen antreiben: Vertrauen, Selbstsicherheit und Optimismus, sowie das Gefühl, zum Gelingen eines größeren Ganzen beizutragen. Vielleicht lässt sich mit den Rosenthal-Thesen auch das Fußball-Wunder vom Sommer 2004 erklären, als eine durchschnittliche griechische Nationalelf gegen die Union der europäischen Superstars völlig unerwartet Europameister wurde. Die simple Taktik, jeden nur das spielen zu lassen, was er kann, gepaart mit einer schlau entfachten Motivation, war offensichtlich erfolgreicher als fußballerische Kunstfertigkeit.
Auf welche Weise ein Lehrer, ein Vorgesetzter oder Politiker seine Erwartungen an einen hoch geschätzten Schüler, Untergebenen oder Bürger kommuniziert, hat die Wissenschaft noch nicht mit letzter Sicherheit geklärt. Es dürfte sich um einen sehr eigenen Mix handeln: Tonfall, Gesichtsausdruck, ein aufmunternder Klang in der Stimme, die entscheidende halbe Sekunde Geduld beim Warten auf die Antwort, Sympathie, die Bereitschaft, demjenigen noch eine Chance mehr zu gewähren. Dass auf diese Weise pausenlos mikrofeine Botschaften ausgesandt werden, die bei den Adressaten gleichwohl präzise registriert werden, ist kaum zu bezweifeln.
Dieses feine Klima ist schwer herzustellen, und schon gar nicht lässt es sich erzwingen. Herrscht es aber erst einmal, sind die Effekte beträchtlich. Diese Effekte lassen sich nach Rosenthal in vier Sätzen zusammenfassen:
Hohe Erwartungen führen zu besseren Leistungen.
Niedrige Erwartungen führen zu schwächeren Leistungen.
Bessere Leistungen, hervorgerufen durch hohe Erwartungen, lassen uns jemanden eher wertschätzen.
Schlechtere Leistungen infolge niedriger Erwartungen führen dazu, dass wir jemanden geringer schätzen.
Man könnte den Rosenthal-Effekt mit einer Wendeltreppe vergleichen: Dauerhaft hohe Erwartungen führen zu dauerhaft hohen Leistungen, führen zu höherer Wertschätzung, führen wiederum zu höheren Erwartungen, führen zu noch besseren Leistungen. Es entsteht eine stabil aufwärts gerichtete Dynamik, die nicht nur den Einzelnen, sondern ganze Gruppen stimulieren kann. Umgekehrt führen niedrige Erwartungen zu schwächeren Leistungen, zu geringerer Wertschätzung, zu weiter sinkenden Erwartungen, zu noch schwächeren Leistungen - ein steter Abwärtstrend für alle.
Mit seinen simplen Versuchen hat Robert Rosenthal aus Gießen der Welt eine auch ökonomisch unschätzbar wertvolle Erkenntnis geschenkt: Klarer als eine ganze Business-Class-Ladung von Unternehmensberatern hat er einen Weg gewiesen, wie sich - in allen Schichten, allen Altersgruppen - Wachstumspotenziale kostengünstig und einfach ausschöpfen lassen, aber auch, wie sie relativ schnell zu vernichten sind. Es braucht dafür kein Reengineering und kein Restructuring, was fast immer den Verlust von Arbeitsplätzen meint, sondern es geht um einfache psychologische Mittel, die etwas mit Sinnhaftigkeit, mit Wohlfühlen und Ernstnehmen zu tun haben. Und die womöglich mehr verborgene Reserven heben helfen als viele McKinseys.
Da trat ein Mädchen an eines der Saalmikrofone, sehr zierlich, höchstens fünfzehn Jahre alt. "Eine Frage an Herrn Hunzinger und die anderen Herren", hob sie höflich an: "Warum, glauben Sie, sind diese jungen Leute hier aus allen Teilen Sachsens für ein Wochenende auf eigene Kosten nach Dresden gekommen? Warum lernen wir hier in Workshops, wie man Radio oder Zeitung macht? Warum sitzen wir an einem Sonntagmorgen hier, anstatt auszuschlafen? Doch nicht, um uns anzuhören, dass das alles keinen Sinn hat, dass alles im Eimer ist, dass wir sowieso keine Chancen haben, weil alles den Bach runtergeht. Wir wollen etwas lernen, wir wollen was machen und bewegen. Aber das können wir nur, wenn Sie uns wissen lassen, wie das geht."
Wir Diskutanten auf dem Podium blickten uns so verstohlen wie betreten an. Das Mädchen hatte vollkommen Recht. Da saßen wir, fünf Herren mittleren oder fortgeschrittenen Alters, öffentlich-rechtlich oder mit Aktiengewinnen abgesichert, mit der Aussicht auf Professorenpension oder wenigstens das Presseversorgungswerk, und erzählten dem Nachwuchs von ganz oben herab, wie fürchterlich die Welt sei - voll von Risiken und Nebenwirkungen, dafür frei von Zukunft und Perspektive. Und wir genossen dieses schwarze Spiel auch noch.
Ich musste an meinen elfjährigen Sohn denken, der sich jede Woche einen neuen Traumjob überlegt. Zum damaligen Zeitpunkt stand gerade der ehrwürdige Beruf des Schlagzeugers hoch im Kurs. Was sollte ich ihm sagen? Dass die Musikindustrie wegen der illegalen Downloads aus dem Internet ruiniert sei? Was hätte ich ihm zwei Wochen zuvor geantwortet, als er noch Motoren-Konstrukteur werden wollte? Junge, um Himmels willen, die deutsche Automobilindustrie liegt völlig danieder. Oder damals, als er unbedingt Archäologe werden wollte? Bloß nicht in die Wissenschaft - da geht gar nichts mehr, wird doch alles kaputtgespart.
Der Saal hatte ein paar lange Sekundenbruchteile geschwiegen. Das Mädchen war längst in irgendeiner Sitzreihe verschwunden. Plötzlich brandete Applaus auf, schwoll zum Tosen an und wollte nicht mehr enden. Eine Schülerin hatte ihrer Generation aus dem Herzen gesprochen. Diese jungen Menschen waren mit Kritik, Mäkelei, Jammern und Problematisieren aufgewachsen. Das beherrschten sie wirklich, da brauchten sie keine Nachhilfe. Wonach sie offenbar gierten, das waren Perspektiven, ein Hauch von Optimismus, ein wenig Sinn, eine Motivation, um sich in Schule, Lehre oder Universität überhaupt anzustrengen.
Kein Zweifel, es gibt eine Menge Probleme hierzulande, gute alte, bekannte Sorgen, aber auch völlig neue Herausforderungen, auf die niemand eine schnelle, einfache Antwort hat. Tatsache ist allerdings auch, dass an nahezu allen Orten der Welt zu allen Zeiten der Menschheitsgeschichte die Voraussetzungen zum Bewältigen solcher Probleme weitaus schlechter waren als im Deutschland des Jahres 2005. Natürlich gibt es vieles zu verbessern. Das gibt es immer. Für die Daueraufgabe Reform aber bedarf es nicht immer neuer Gesetze, tief greifender Veränderungen und radikaler Schnitte, deren Folgen in hochkomplexen Systemen ohnehin niemand absehen kann. Modernisierung braucht Bürger, die mitmachen, weil sie an ein Morgen glauben.
Manchmal können normale Menschen eine Menge bewirken. Sie schieben kleine, aber entscheidende Verbesserungen an, oder sie erledigen einfach nur ernsthaft und zuverlässig ihre Aufgabe. Menschen, die immun sind gegen das allgegenwärtige Klein-, Dumm- und Schlechtgerede, Menschen, die mit dem, was sie vorfinden, erfolgreich Schulen leiten, Verwaltungen organisieren, Firmen anführen und Theater gründen, die tüfteln und probieren.
Sie sind Verwaltungsangestellte, Politiker, Lehrerinnen, Professoren, Pastoren, Mütter, Lebenskünstler. Manche von ihnen treten fürchterlich spießig auf, andere abgedreht. Aber alle beweisen, dass es keine Wunder braucht, um Schüler fit zu machen für die Zukunft, dass Erfindungen von Weltrang zu jeder Zeit an jedem Ort möglich sind, dass man einer hoch verschuldeten Kommune ein Plus aufs Konto zaubern kann, dass deutsche Bürokraten tatsächlich segensreich wirken können - und das alles im Rahmen bestehender Gesetze, Vorschriften und Regeln. Einer von ihnen ist Jürgen Spahl, Bürgermeister von Rednitzhembach. "Wer etwas will, sucht Wege", so steht es auf einem Zettel an seiner Pinnwand, "wer etwas nicht will, sucht Gründe."
Sie alle haben eines gemeinsam: die Lust, etwas anzufangen, von dem man nicht genau weiß, wie es endet. So klein ihr Projekt sein mag, es ist in jedem Fall wertvoller als jedes TV-Statement. Dieser Pioniergeist, der bei unseren Vorfahren, und sei es aus purer Not, um einiges ausgeprägter war, der zeichnete auch das Dresdner Mädchen aus: Sie wollte etwas wissen. Sie wollte etwas werden. Sie glaubte mit verwegen anmutender Selbstverständlichkeit an eine, an ihre Zukunft.
I. Verzagte Republik
Das Rosenthal-Experiment
Ein Rückblick: Im Frühjahr 1964 besucht ein junger Professor von der berühmten Harvard-Universität die Oak School in South San Francisco. Er wolle einige neu entwickelte Tests zu Lernfortschritten bei Schülern durchführen, erklärt er dem Direktor. Doch dass es dem Wissenschaftler um irgendwelche neuartigen Tests, die er zu machen vorgibt, überhaupt nicht geht, das ahnen weder Eltern noch Kinder noch Lehrer. Professor Robert Rosenthal will etwas ganz anderes herausfinden. Und so bahnt sich an der Oak School eines der Schlüsselexperimente der Motivationspsychologie an.
Die meisten der 650 Kinder, die die sechs Jahrgänge dieser Mittelschule besuchen, stammen aus sozial schwächeren Schichten, ihre Väter sind häufig ungelernte Hilfskräfte, die Familien nicht selten zerrüttet. Viele der Mütter arbeiten, um die karge Sozialhilfe aufzubessern. Einige Mexikaner bilden die Minderheit, die einzige Farbigen-Familie scheint komplett integriert. Größere Spannungen oder Feindseligkeiten gibt es nicht. Das Klima ist in Ordnung.
Wirkliche Armut, gar Hunger, ist an der Oak School kaum anzutreffen. Es herrscht eher eine Art unbeschwerter Verwahrlosung. Viele Kinder könnten gut ein Bad gebrauchen oder eine zahnärztliche Behandlung. Und sind die Kleider eines Kindes tatsächlich sehr zerschlissen, liegt das in der Regel daran, dass die Eltern nicht gut mit Geld umgehen können.
Die Oak School ist von einer lauten, aber sympathisch-fröhlichen Atmosphäre und eher von Geselligkeit als von ernsthafter Arbeit gekennzeichnet. Die meisten der zwanzig Lehrer genießen Respekt, weil sie kurzfristige Kleinkredite, meist fürs Mittagessen, gewähren und manchmal sogar Zeit und Interesse für die großen und kleinen Sorgen der Kinder aufbringen. Die Schüler sind auf Grundlage ihrer Leseleistungen in jeder Klassenstufe auf drei Züge verteilt: die Schnell-, Mittel- und Langsamlerner. Sechs Jahrgänge mit drei Geschwindigkeiten, das macht insgesamt achtzehn Klassen.
Diese Schule erscheint Robert Rosenthal perfekt geeignet für ein Experiment, das ihn weltberühmt machen soll. Den Lehrern erzählt der Professor, er wolle ein jüngst in Harvard entwickeltes Verfahren testen, mit dem sich das plötzliche Aufblühen von Kindern, das Phänomen überraschender und besonders schneller Lernfortschritte vorhersagen lasse. Diese schlummernden Schlauberger, deren Leistungen eines Tages unerwartet explodierten, seien im Schulalltag nicht immer so einfach zu identifizieren. Rosenthal schmückt seine Geschichte sogar noch ein wenig aus. Schließlich will er als Autorität dastehen und die Lehrer sorgfältig vom eigentlichen Zweck seines Experiments ablenken.
Als er im Mai 1964 mit seinen Untersuchungen beginnt, sind die Pädagogen der Oak School tatsächlich in Ehrfurcht erstarrt, und die Schüler unterziehen sich bereitwillig dem vermeintlich neuartigen Test. Gleich nach der Auswertung kommt der große Augenblick: Der Professor zieht die Lehrer ins Vertrauen. Unter strengster Geheimhaltung teilt er ihnen die Namen jener Kinder mit, die den Tests zufolge mit hoher Wahrscheinlichkeit einen plötzlichen Lernfortschritt machen würden: Es sind 20 Prozent aller Schüler.
Als Rosenthal viele Monate später erneut an die Oak School kommt, um den IQ der Schüler zu überprüfen, stellt er zufrieden fest, dass er mit seinen Prognosen richtig lag: Vor allem in den Klassen der Jüngeren liegen die Schüler, denen er deutliche Fortschritte vorausgesagt hatte, mit ihrem IQ um deutliche vier Punkte über den angeblich normal begabten Klassenkameraden. Die besten von ihnen weisen Sprünge von vierzig und mehr Punkten auf.
Hatte Rosenthal tatsächlich einen zuverlässigen Test entwickelt, der derart präzise Prognosen erlaubte? Nein, der junge Professor verstand nur etwas von Psychologie. Einen neuartigen Harvard-Test hatte es nie gegeben. Rosenthal hatte bei seinem ersten Besuch nicht mehr und nicht weniger getan, als den IQ aller Schüler mit einem herkömmlichen Verfahren zu messen. Die Ergebnisse aber hatte sich der Professor nie angesehen, sondern sofort weggeschlossen. Er wusste nicht, welche Schüler über einen niedrigen und welche über einen hohen IQ verfügten, und er wusste erst recht nicht, welche Schüler in den nächsten Monaten bemerkenswerte Lernfortschritte machen würden. Die 20 Prozent, die er den Lehrern verriet, hatte er willkürlich ausgewählt, nach dem Zufallsprinzip.
Das bahnbrechende Ergebnis des Rosenthal-Experiments lautete: Am besten schnitten nicht die objektiv klügsten Schüler ab, sondern die, die von ihren Lehrern als besonders hoffnungsvoll angesehen wurden.
Offenbar haben die Lehrer jene Schüler, die ihnen von der Autorität des Professors als besonders entwicklungsfähig genannt worden waren, unterbewusst respektvoller behandelt, sie ernster genommen, angespornt, mehr gefördert und gefordert. So kam es zur self fulfilling prophecy, zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung: Schüler, denen gute Leistungen zugetraut wurden, lernten tatsächlich schneller, besser, mehr als andere.
Für Robert Rosenthal, geboren 1933 in Gießen und 1940 mit der Familie vor den Nazis in die USA geflohen, bedeutete dieses Experiment den wissenschaftlichen Durchbruch in Amerika, das Fundament für weltweiten Ruhm. Rosenthal stieg zu einem der anerkanntesten Sozialpsychologen des 20. Jahrhunderts auf. Für "herausragende wissenschaftliche Leistungen" bekam er 2002 den APA-Preis, über dessen Vergabe die 155000 Fachleute entscheiden, die im US-Psychologenverband organisiert sind.
In über tausend wissenschaftlichen Arbeiten sind die Erkenntnisse aus dem Rosenthal-Experiment wiederholt und bestätigt, vertieft und verfeinert worden: Ob in einem Ferienlager, wo man den Betreuern erklärte, dass angeblich die "Schwimmtalente" in einer Gruppe zusammengefasst worden seien, ob in einer Klinik, wo einige Auszubildende als "sehr geeignet" gelobt wurden, ob in einer Fabrik, wo den Vorarbeitern die vermeintlich "besonders Qualifizierten" namentlich genannt wurden. Immer waren diejenigen schneller (beim Schwimmen lernen), engagierter (in der Ausbildung), fleißiger (in der Fabrik), denen ihre Anführer mehr zutrauten.
Interessanterweise wurde auch die Umkehrung bewiesen: Die Leistung von Schülern, Mitarbeitern oder Sportlern sinkt schlagartig, wenn man sie als Trottel, Nichtsnutze oder Schlappschwänze behandelt.
Es scheint also im menschlichen Miteinander eine geheimnisvolle Schwingung zu geben, die sich nicht in Zahlen oder Kurven ausdrücken lässt, eine positive psychologische Atmosphäre, die durchschnittlich Begabte zu überdurchschnittlichen Leistungen motivieren kann. Sporttrainer kennen dieses Phänomen so gut wie Unternehmer, Chefredakteure oder Parteivorsitzende: Fleiß und Engagement, Lust und schließlich der Erfolg hängen nur bedingt von Fähigkeiten ab, von Ausbildung oder Bezahlung. Die anspornende Wirkung einer Gehaltserhöhung ist nach vier bis sechs Wochen erwiesenermaßen verpufft, und auch bestens ausgebildete Fachleute mit erstklassigen Zeugnissen können gelangweilt Mittelmaß produzieren - in der Staatskanzlei, in der Schule, auf dem Amt, an der Werkbank, in der WG.
Offenbar sind es vielmehr weiche, schwer quantifizierbare Faktoren, die Menschen antreiben: Vertrauen, Selbstsicherheit und Optimismus, sowie das Gefühl, zum Gelingen eines größeren Ganzen beizutragen. Vielleicht lässt sich mit den Rosenthal-Thesen auch das Fußball-Wunder vom Sommer 2004 erklären, als eine durchschnittliche griechische Nationalelf gegen die Union der europäischen Superstars völlig unerwartet Europameister wurde. Die simple Taktik, jeden nur das spielen zu lassen, was er kann, gepaart mit einer schlau entfachten Motivation, war offensichtlich erfolgreicher als fußballerische Kunstfertigkeit.
Auf welche Weise ein Lehrer, ein Vorgesetzter oder Politiker seine Erwartungen an einen hoch geschätzten Schüler, Untergebenen oder Bürger kommuniziert, hat die Wissenschaft noch nicht mit letzter Sicherheit geklärt. Es dürfte sich um einen sehr eigenen Mix handeln: Tonfall, Gesichtsausdruck, ein aufmunternder Klang in der Stimme, die entscheidende halbe Sekunde Geduld beim Warten auf die Antwort, Sympathie, die Bereitschaft, demjenigen noch eine Chance mehr zu gewähren. Dass auf diese Weise pausenlos mikrofeine Botschaften ausgesandt werden, die bei den Adressaten gleichwohl präzise registriert werden, ist kaum zu bezweifeln.
Dieses feine Klima ist schwer herzustellen, und schon gar nicht lässt es sich erzwingen. Herrscht es aber erst einmal, sind die Effekte beträchtlich. Diese Effekte lassen sich nach Rosenthal in vier Sätzen zusammenfassen:
Hohe Erwartungen führen zu besseren Leistungen.
Niedrige Erwartungen führen zu schwächeren Leistungen.
Bessere Leistungen, hervorgerufen durch hohe Erwartungen, lassen uns jemanden eher wertschätzen.
Schlechtere Leistungen infolge niedriger Erwartungen führen dazu, dass wir jemanden geringer schätzen.
Man könnte den Rosenthal-Effekt mit einer Wendeltreppe vergleichen: Dauerhaft hohe Erwartungen führen zu dauerhaft hohen Leistungen, führen zu höherer Wertschätzung, führen wiederum zu höheren Erwartungen, führen zu noch besseren Leistungen. Es entsteht eine stabil aufwärts gerichtete Dynamik, die nicht nur den Einzelnen, sondern ganze Gruppen stimulieren kann. Umgekehrt führen niedrige Erwartungen zu schwächeren Leistungen, zu geringerer Wertschätzung, zu weiter sinkenden Erwartungen, zu noch schwächeren Leistungen - ein steter Abwärtstrend für alle.
Mit seinen simplen Versuchen hat Robert Rosenthal aus Gießen der Welt eine auch ökonomisch unschätzbar wertvolle Erkenntnis geschenkt: Klarer als eine ganze Business-Class-Ladung von Unternehmensberatern hat er einen Weg gewiesen, wie sich - in allen Schichten, allen Altersgruppen - Wachstumspotenziale kostengünstig und einfach ausschöpfen lassen, aber auch, wie sie relativ schnell zu vernichten sind. Es braucht dafür kein Reengineering und kein Restructuring, was fast immer den Verlust von Arbeitsplätzen meint, sondern es geht um einfache psychologische Mittel, die etwas mit Sinnhaftigkeit, mit Wohlfühlen und Ernstnehmen zu tun haben. Und die womöglich mehr verborgene Reserven heben helfen als viele McKinseys.
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Inhaltsverzeichnis zu „Kopf hoch, Deutschland “
InhaltEinleitung
I. Verzagte Republik
- Das Rosenthal-Experiment
- Das große Klagen
- Unter Opfern
- Der Kongo-Komplex
- Motivation statt Mullah-Business
II. Optimistische Geschichten
- Volles Umtauschrecht
- Kraft durch Käse
- "Etwas mehr Dynamik"
- Mission Possible
- Die Zukunftspumpe
- Fröhlicher Stalinismus
- Herr Spahl macht Hausbesuche
- "Mein kleines Projekt"
- Weltmacht Norm
- Krise? Welche Krise?
- Die Sicherheits-Berater
- Abenteuerspielplatz für Superhirne
- Das Rettungshaus
- Eminem aus dem Plattenbau
- Berge sprengen
III. Die geheimnisvolle Kraft des Normalen
Autoren-Porträt von Hajo Schumacher
Hajo Schumacher, Jahrgang 1964, studierte Journalistik, Politologie, Psychologie. Er arbeitete von 1990 bis 2000 beim SPIEGEL, zuletzt als Co-Leiter des Berliner Büros. Von 2000 bis 2002 war er Chefredakteur der Zeitschrift MAX. Er lebt als freier Autor mit seiner Familie in Berlin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Hajo Schumacher
- 2005, 222 Seiten, Maße: 13,5 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Blessing
- ISBN-10: 3896672800
- ISBN-13: 9783896672803
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