Kurzfilme im Gottesdienst, m. DVD
Anleitungen und Modelle für Gemeinde, Schule und Gruppen
Filme im Gottesdienst - ein innovatives liturgisches Modell
- Was sind Filmgottesdienst und wie laufen sie ab?
- Ein umfangreiches Werkbuch zu einem innovativen liturgischen Konzept
- Dialogorientierte Gottesdienste, an denen alle Besucher aktiv...
- Was sind Filmgottesdienst und wie laufen sie ab?
- Ein umfangreiches Werkbuch zu einem innovativen liturgischen Konzept
- Dialogorientierte Gottesdienste, an denen alle Besucher aktiv...
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Produktinformationen zu „Kurzfilme im Gottesdienst, m. DVD “
Filme im Gottesdienst - ein innovatives liturgisches Modell
- Was sind Filmgottesdienst und wie laufen sie ab?
- Ein umfangreiches Werkbuch zu einem innovativen liturgischen Konzept
- Dialogorientierte Gottesdienste, an denen alle Besucher aktiv teilnehmen können
Ein innovatives Konzept für eine gemeinschaftsbildende Liturgie in Gemeinde, Schule, Konfi-Arbeit und Gruppe: Im Fokus des hier vorgestellten Gottesdienstmodells stehen ein abgeschlossener Kurzfilm und das daran anschließende Filmnachgespräch. Alle am Gottesdienst Teilnehmenden werden so eingeladen sich einzubringen. Das Buch bietet eine umfassende Einführung in das »How to do« von Filmgottesdiensten sowie fünf ausgearbeitete und erprobte Gottesdienstmodelle. Zwei der dafür erforderlichen Kurzfilme finden sich auf der beigegebenen DVD. Eine Fülle von Hinweisen zu weiteren Filmen sowie deren Ausleihmöglichkeiten schließen das Buch ab. Ein anregungs- und materialreiches Werkbuch zu einem innovativen liturgischen Konzept!
- Was sind Filmgottesdienst und wie laufen sie ab?
- Ein umfangreiches Werkbuch zu einem innovativen liturgischen Konzept
- Dialogorientierte Gottesdienste, an denen alle Besucher aktiv teilnehmen können
Ein innovatives Konzept für eine gemeinschaftsbildende Liturgie in Gemeinde, Schule, Konfi-Arbeit und Gruppe: Im Fokus des hier vorgestellten Gottesdienstmodells stehen ein abgeschlossener Kurzfilm und das daran anschließende Filmnachgespräch. Alle am Gottesdienst Teilnehmenden werden so eingeladen sich einzubringen. Das Buch bietet eine umfassende Einführung in das »How to do« von Filmgottesdiensten sowie fünf ausgearbeitete und erprobte Gottesdienstmodelle. Zwei der dafür erforderlichen Kurzfilme finden sich auf der beigegebenen DVD. Eine Fülle von Hinweisen zu weiteren Filmen sowie deren Ausleihmöglichkeiten schließen das Buch ab. Ein anregungs- und materialreiches Werkbuch zu einem innovativen liturgischen Konzept!
Klappentext zu „Kurzfilme im Gottesdienst, m. DVD “
Filme im Gottesdienst ein innovatives liturgisches Modell- Was sind Filmgottesdienst und wie laufen sie ab?
- Ein umfangreiches Werkbuch zu einem innovativen liturgischen Konzept
- Dialogorientierte Gottesdienste, an denen alle Besucher aktiv teilnehmen können
Ein innovatives Konzept für eine gemeinschaftsbildende Liturgie in Gemeinde, Schule, Konfi-Arbeit und Gruppe: Im Fokus des hier vorgestellten Gottesdienstmodells stehen ein abgeschlossener Kurzfilm und das daran anschließende Filmnachgespräch. Alle am Gottesdienst Teilnehmenden werden so eingeladen sich einzubringen. Das Buch bietet eine umfassende Einführung in das "How to do" von Filmgottesdiensten sowie fünf ausgearbeitete und erprobte Gottesdienstmodelle. Zwei der dafür erforderlichen Kurzfilme finden sich auf der beigegebenen DVD. Eine Fülle von Hinweisen zu weiteren Filmen sowie deren Ausleihmöglichkeiten schließen das Buch ab. Ein anregungs- und materialreiches Werkbuch zu einem innovativen liturgischen Konzept!
Lese-Probe zu „Kurzfilme im Gottesdienst, m. DVD “
Kurzfilme im Gottesdienst von Thomas Damm und Sabine SchröderEinführung
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Ein guter Film ist ein Fest der Sinne. Wie ein Gedicht von Rainer Maria Rilke die Sprache verdichtet und zu einem emotionalen Erlebnis macht; wie ein Gemälde von Caspar David Friedrich eine Naturerfahrung so adelt, dass einem das Herz höher schlägt; so kann auch ein Film-Kunstwerk als ein Tanz von Bildern, Worten, Geräuschen und Musik zu einer tiefen kulturellen, manchmal existenziellen Erfahrung werden. Wenn dann noch der Raum eröffnet wird, sich in einer Gruppe über das Gesehene und Gehörte auszutauschen, nachzufragen, Beobachtungen und Sichtweisen zusammenzutragen, dann entsteht im Gespräch ein größeres Ganzes, ein tieferes Verständnis für das Kunstwerk und sein Thema - und das im Kontext einer Gemeinschaftserfahrung. In den liturgischen Rahmen eines christlichen Gottesdienstes integriert, findet diese Kultur- und Gemeinschaftserfahrung immer wieder eine sinnvolle Verortung - nämlich dann, wenn eine Gemeinde einen Filmgottesdienst feiert.
Die individuelle und gemeinschaftliche Kunsterfahrung im Gottesdienst ist allerdings sich selbst nicht genug. Das Gespräch über das Filmwerk wird auch geprägt durch das, was die genuinen liturgischen Gottesdienstelemente (Gebet, Bibeltext, Lied etc.) für die Begegnung mit dem Kunstwerk vorbereitend leisten: Sie eröffnen den im Gottesdienst gewünschten geistlichen Erfahrungsraum, bringen die Perspektive des Evangeliums ein, fragen an, fordern heraus und begleiten den kreativen Prozess der Filmrezeption.
Filmgottesdienst ist eine noch sehr junge Gottesdienstform. Weder haben sich Filmgottesdienste schon etabliert im Kanon anderer »neuer Gottesdienstformen«, noch sind sie in Theologie und Kirche schon offiziell anerkannt, noch kann man im eigentlichen Sinne von einer Gottesdienstform schon sprechen. Filmgottesdienst-LiturgInnen bewegen sich in einem Experimentierfeld und sind erst anfänglich dabei, Erfahrungen auszutauschen, zu reflektieren und ihre Erkenntnisse weiterzugeben. Das vorliegende Buch ist im Kontext dieses Erfahrungsaustauschs anzusiedeln. Es will informieren über eine noch sehr junge Gottesdienstidee, will erste Erfahrungen bündeln und anderen Interessierten zur Verfügung stellen, will inspirieren und Lust machen auf die filmliturgische Arbeit. Zugleich will dieses Buch aber auch ein neues Filmgottesdienstkonzept vorstellen: die Filmgottesdienstarbeit mit Kurzfilmen, in der die Filmvorführung und das anschließende Filmnachgespräch als konstitutive Elemente des Gottesdienstes betrachtet werden.
Filmgottesdienste werden in Kirchen gefeiert, in Kapellen, Gemeindehäusern, Schulen und Tagungsstätten. So richtet sich das vorliegende Buch an Pfarrerinnen und Pfarrer, an Lehrerinnen und Lehrer, Bildungs- und Jugendreferentinnen und -referenten, Diakoninnen und Diakone, Pastoralreferenten und -referentinnen; und nicht zuletzt an alle ehrenamtlichen Mitarbeitenden sowie cineastisch Interessierte, die sich gern in dem Raum bewegen (wollen), den die Schnittmenge von Kirche und Kino eröffnet, und die frischen Wind in ihre liturgische Arbeit bringen wollen.
Das vorliegende Buch widmet sich also der liturgischen Arbeit mit Kurzfilmen. Theoretische und praktische Ausführungen sollen in die filmliturgische Arbeit einführen und zum Ausprobieren, zum »verantwortlichen Experimentieren« ermutigen. Die Vorstellung einiger Filmgottesdienstmodelle sowie eine Filmliste sollen dies erleichtern. Wir freuen uns, dass es in Zusammenarbeit mit dem Verlag gelungen ist, unseren LeserInnen zwei geeignete Kurzfilme mit den Vorführrechten an die Hand zu geben. Das erleichtert den Einstieg in die filmliturgische Arbeit.
An dieser Stelle sei dem Gütersloher Verlagshaus und unserem Lektor Diedrich Steen herzlich gedankt für das Vertrauen in unser Projekt und die kontinuierliche Begleitung.
Sabine Schröder
und Thomas Damm
Marl/Münster, im Oktober 2010
1. Kirche und Kino - ins Verhältnis gesetzt
Wer Filme in den kirchlichen Raum trägt, sieht sich Fragen ausgesetzt. Wenn die Kirche ins Kino geht, oder wenn sie sogar selbst »Kino macht«, muss sie das begründen können. Und wer sich dann noch dazu versteigt, im gottesdienstlichen Rahmen einen Film zu zeigen und ins Gespräch zu bringen, muss nicht nur wissen, was er oder sie da tut, sondern die Begründungszusammenhänge auch darlegen können. In der schulischen, speziell religionspädagogischen Arbeit sowie in der theologischen Bildungsarbeit ist die Filmarbeit schon etablierter, wenn auch nicht die Kult(ur)form des Filmgottesdienstes. Diese Begründungszusammenhänge sind Thema der ersten drei Kapitel dieses Buches. Sie sollen den Filmbegeisterten sowie den Interessierten im theologischen und kirchlichen Raum nicht nur Argumente für ihre Arbeit an die Hand geben, sondern an ihr cineastisches Interesse anknüpfen und ggf. ihr Wissen vertiefen.
Kirche und Kino stehen in steter Konkurrenz miteinander. Beide Institutionen werben um die Menschen, wollen sie über die Schwelle in ihre Tempel locken. Beide laden ein zu Kult- und Kulturveranstaltungen. Beide bieten diese zur gleichen Zeit an - die Woche über an Nachmittagen und Abenden sowie Sonntag vormittags: Gottesdienst und Matinée. Beide wollen die Menschen auf ihre Bedürfnisse, Fragen und Sehnsüchte hin ansprechen. Beide warten mit Antwortversuchen auf, bieten Lösungen an.
Die Kirche muss seit Jahren zusehen, wie das Kino ihr den Rang abläuft, schon lange abgelaufen hat. Die Besucherzahlen im Kino übersteigen bei Weitem den Gemeinde- und Gottesdienstbesuch. Dass das biblische Evangelium - auch wenn in vielen kirchlichen Veranstaltungen in leichtere Kost gewandelt - von ungleich größerer geistlicher Tiefe ist als das für die Massen hergestellte Industrieprodukt »Spielfilm« und »Animationsfilm«, wirkt sich umgekehrt proportional auf die Verdaulichkeit und Attraktivität beider Angebote aus. Der Kinosaal ist der Lesesaal der Moderne.1 Die großen Kirchen sind längst nicht mehr Volkskirchen.
Der Kinosaal lädt tagtäglich zur Unterhaltung, Berieselung, aber auch Auseinandersetzung ein. Der Kirchenraum will über die Gottesdienstkultur hinaus als (offenes) Angebot zur Ruhe vom Alltag, zum Innehalten, zur Einkehr, zum Gebet erst wieder entdeckt werden .2 Und selbst hier sollte es der Kirche nicht darum gehen, massentauglich zu werden, sondern zugleich niederschwellig und mit qualifizierten Angeboten3 auf die Menschen einzugehen.
Kirche und Kino bietet ihren BesucherInnen regelmäßig ein Aussteigen aus dem Alltag an. Die Leinwand-Dramen und -Komödien des Kinos haben in ihrer existenzversichernden Wirkweise eine quasireligiöse Funktion.4 Sie sagen ihrem Publikum: Alles wird gut. Bestimmte Aspekte von Gottesdienst und Predigt wirken in die gleiche Richtung, wollen sie doch die Glaubenden, Zweifelnden, Belasteten stärken und Kraft für den Alltag vermitteln; der Stimme Jesu Gehör verschaffen: »Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken« (Mt 11,28).
Kirchenmenschen fällt es aus diesen Gründen nur allzu leicht, das Kino als weltliche Konkurrenz abzulehnen und links liegen zu lassen. Verheißungsvoller erscheint es uns, das Kino-Phänomen als Herausforderung zu nehmen und von ihm zu lernen; sich mit ihm in einem dialektischen Prozess von Annahme und Abgrenzung konstruktiv zu beschäftigen. Zudem ist der Film eine Kunst- und Kulturform, die in Qualität und geistiger Tiefe nicht leicht überschätzt werden kann, und die sich natürlich nicht in den Werken der Filmindustrie Hollywoods bzw. im populären europäischen Film erschöpft. Unter den weit über 60.000 Filmen, die über Leinwände und Bildschirme gelaufen sind, finden sich viele Perlen und große Schätze, die für die geistliche, auch für die liturgische Arbeit, gehoben werden können.
Nicht von ungefähr findet sich im Raum der Kirche eine große Zahl von Cineasten, von Liebhabern des guten Kinos. Viele PfarrerInnen, LehrerInnen, Bildungs- und JugendreferentInnen sind regelmäßig im Kino anzutreffen, nicht nur bei »Kirche und Kino«-Veranstaltungen, derer es inzwischen zahlreiche gibt. Daher werden wir im Folgenden versuchen, die oben konstatierte Konkurrenz in ihrer konstruktiven Kraft nutzbar zu machen und die kreativen Impulse aus der Begegnung von Kirche und Kino aufzunehmen. Zunächst wird es darum gehen, Strukturparallelen zu entdecken zwischen Kino und Kirche, zwischen dem Film und der Botschaft. In fünf kurzen Thesen werden wir die Kulturform »Film« abklopfen auf ihre Impulsfähigkeit für die kirchliche und speziell liturgische Arbeit.
1.1 Filme gehen auf die Lebensfragen der Menschen ein
Filme geben den Themen Bild und Ton, die die Menschen heute interessieren. Sie werfen Fragen auf, die das Publikum beschäftigen, und arbeiten sie durch. Das Kino weiß sehr gut, was die Menschen bewegt. Für die großen Studios in Hollywood, Los Angeles, die seit fast einem Jahrhundert die Filmproduktion industriell betreiben, ist aus diesem Grund die Marktforschung von großer Bedeutung. Ein Beispiel: Mit großem Aufwand werden vor Erstellung der Filmendfassung und Publikation Testvorführungen vor ausgewähltem Publikum inszeniert, werden Rohschnittversionen ausprobiert, werden schon im Drehprozess unterschiedliche Filmschlüsse angefertigt und je nach Wirkung auf das Testpublikum schließlich für die endgültige Montage ausgewählt. Für das Kino der großen Gefühle ist es eine Überlebensstrategie, den Menschen mit ihren Filmthemen und der Art der Präsentation ins Herz zu treffen. Das Kriterium sind die klingenden Münzen an der Kinokasse. Unabhängige Produzenten und Filmemacher, z. B. Autorenfilmer, haben einen anderen, individuelleren Ansatz. Aber auch sie wollen das Interesse ihres Publikums wecken und bringen Themen auf die Leinwand, die aufrütteln, zur Auseinandersetzung auffordern, emotional bewegen. Filme also konfrontieren ihre Zuschauer mit ihren eigenen Lebensfragen, mit ihren Ängsten, Sehnsüchten und Wünschen. Filme gestalten die großen Lebensthemen wie
• Geburt und Tod,
• unerfüllte und gelingende Liebe,
• Einsamkeit und Gemeinschaft,
• Versuchung und Bewährung,
• Scheitern und Erlösung.
Damit nimmt das Kino eine Tradition auf, die das Judentum, und in seiner Nachfolge seit der Zeitenwende, auch Kirche und Christentum verfolgen. Viele Generationen haben z. B. die mythischen Erzählungen des Alten Testaments, die Familiengeschichten um Abraham und Sarah, Isaak und Rebekka, Jakob und seine Frauen weitererzählt, denn in ihnen spiegeln sich die o. g. großen Lebensthemen wider. In ihnen spiegelt sich das Leben selbst mit seinen Gegebenheiten, Nöten, Bedürfnissen, Gefahren. In ihnen werden Lösungsansätze deutlich. Diese Geschichten reflektieren Lebens- und Glaubensfragen und haben durch die Zeiten hindurch in narrativer Form Lebens- und Glaubensweisheiten weitergegeben. Denn in ihnen konnte und kann die je eigene Biografie gedeutet und so Reifungsprozesse angestoßen werden.
Die Zeiten, aber nicht die Menschen haben sich grundsätzlich geändert. Die alten Glaubens- und Lebensgeschichten verstehen sich nur noch zum Teil unmittelbar; neue Geschichten sind zu allen Zeiten hinzugekommen, im Raum der Kirche z. B. alte und neue Heiligenlegenden von Martin von Tours über Martin Luther bis hin zu Martin Luther King. Denn immer noch finden und überprüfen Menschen ihre eigene Identität nicht zuletzt im Spiegel von Geschichten und Erzählungen.
Strukturparallel dazu arbeitet das Kino, wenn es in seinen Filmen die großen Lebensthemen auf die Leinwand bringt. Und auch wenn dem ganz überwiegenden Teil des Publikums dieser anthropologische Mechanismus nicht stets bewusst ist, so geschieht doch mit jeder Filmrezeption ein Stück Existenzdeutung und Existenzversicherung (s. u.). Gelingen kann diese Tiefenwirkung des Erzählens in Kirche und Kino immer dann am besten, wenn nicht nur ein echtes Lebensthema angesprochen wird, sondern auch die Präsentation und Vermittlung gelingt: der richtige Ton getroffen und mit der Erzählweise die Bereitschaft beim Publikum eröffnet wird, sich auf den Stoff einzulassen.
1.2 Filme haben eine Nähe zu kirchlichen Erzähltraditionen
»Filme sind auf industriell-moderne Weise die Produzenten von Mythen und Weltanschauungen, wie es Religionen unter vorindustriellen und archaischen Bedingungen waren.«5 So präsentieren gerade die populären Filme ganz überwiegend Erlösungsmythen nach archetypischem Vorbild, die - je nach Genre - leichter (Komödie) oder gewichtiger (Drama) daherkommen. Der Aufbau eines klassischen Hollywoodfilms lässt sich mithilfe des Drei-Akt-Schemas aufschlüsseln: Der Held wird vorgestellt (Exposition); er wird mit dem Konflikt konfrontiert, den er durchleben und lösen muss (Konfrontation); verändert, gereift, geläutert und somit auch erlöst geht er aus der Film-Erzählung hervor, nicht ohne Federn gelassen bzw. Opfer gebracht zu haben (Auflösung).
Schon in biblischen Erzählungen lassen sich diese drei Schritte identifizieren, beispielsweise in der Hiobgeschichte. Die im Alten Testament vorliegende Gestalt des Hiobbuches ist erwiesenermaßen aus verschiedenen Schichten und Redaktionen zusammengewachsen. In diesem Zusammenhang ist nur der jüngste, im Alten Testament kanonisierte Text von Interesse. Die Erzählung handelt von Hiob, einem rechtschaffenen, reichen und frommen Mann, der unverschuldet eine Zeit lang sehr leiden muss, bis er sein Leben schließlich doch noch gesund und wohlhabend beschließen kann. Zunächst wird Hiob den LeserInnen und HörerInnen vorgestellt. Nach der kurzen Exposition (1,1-5) folgt die Konfrontation (1,6- 42,6): der Bericht von Schicksalsschlägen und Hiobs Reaktion: Er kann sein Schicksal - weil unverschuldet - nicht annehmen. Mit seinen Freunden diskutiert er, lehnt ihre Begründungen für sein Leiden ab und kämpft schließlich mit Gott selbst. Dieser gibt ihm schließlich sogar recht, nachdem er Hiob zuvor gezeigt hat, wie klein und unverständig ein Mensch gegenüber dem Schöpfer ist. Der Epilog (42,7-17) hat die Funktion der Auflösung: Er berichtet von der Wiederherstellung der Gesundheit und des Vermögens von Hiob und ist kaum länger als die Exposition.6
Die Drei-Akt-Struktur als narrativer Kunstgriff hat eine lange Tradition, die in die Antike zurückreicht. Aus alten Erzähltraditionen destilliert, ist es als theoretischer Hintergrund für das Theater schematisiert worden und schließlich auch festes Strukturmerkmal für den populären Film geworden, hat dort kanonischen Stellenwert bekommen.7 Gegenüber dieser geschlossenen Form, die eine möglichst ungebrochene Illusion vermitteln soll, wartet das Autoren- und Kunstkino häufig mit einer Dramaturgie der offenen Form auf, die das Drei-Akt-Schema und die perfekte Illusion bewusst durchbricht: Inhaltlich und formal bringen Autorenfilmer ihr Publikum häufig dazu, sich von der Filmhandlung zu distanzieren, um Reflexionsprozesse in Gang zu setzen, statt sich von der Handlung ganz vereinnahmen zu lassen. Zuweilen werden die Zuschauer mit offenen Fragen und ungelösten Problemen aus dem Film entlassen, gehen nicht erlöst und befriedigt, sondern in einer »heilsamen Unruhe« aus dem Kino. Es gibt auch fließende Übergänge zwischen dem Unterhaltungs- und dem Kunstkino. MeisterInnen des guten Erzählens, die an archetypischen narrativen Formen gelernt haben, finden sich im gesamten Spektrum.
An einigen Beispielen ist die Dramaturgie des Erlösungsmythos im Film leicht zu verdeutlichen. Die romantische Komödie »Dirty Dancing« (Emile Ardolino, 1988) erzählt von der wohlbehüteten Arzttochter Frances (Jennifer Grey), genannt Baby, die sich in einem amerikanischen Urlaubshotel in ihren Tanzlehrer Johnny (Patrick Swayze) verliebt (Exposition). Beide stammen aus verschiedenen Milieus, und ihre Liebe wird vom Vater zunächst beargwöhnt und hintertrieben. Aber Baby gibt nicht auf und kämpft für Johnnys Anerkennung beim Vater (Konfrontation). Schließlich kann sie ihren Vater überzeugen und seine Widerstände überwinden (Auflösung). Idealtypisch gestaltet Regisseur Ardolino seine Filmgeschichte nach dem Drei-Akt-Schema. Die Illusion ist gelungen, der Film hat in seiner Zeit (Sommer 1989 in Deutschland) - trotz seiner Oberflächlichkeit und Sentimentalität - gut funktioniert: Routiniert erzählt mit den Stilmitteln der »romantic comedy« gelang es ihm, seine Zuschauer emotional mit auf den Weg zu nehmen und sie nach dem »kiss off« am Ende glücklich und erlöst aus dem Kinosaal zu entlassen. Der Mythos von der Liebe, die sich bewähren muss und am Ende siegen wird, abertausendfach wiederholt von der Antike bis heute, kleidet sich gegenwärtig gern in das Genre der romantischen Komödie und funktioniert beim deutschen Publikum besonders gut: Es ist erwiesenermaßen das Lieblingsgenre der Deutschen. Mit der Gewissheitsvermittlung: »Die Liebe siegt doch!«, übernimmt sie eine quasireligiöse Funktion. Sie vermittelt ihren RezipientInnen in ihren eigenen alltagsgeschüttelten Beziehungen die Sicherheit, die sie brauchen, sich selbst aber nicht geben können. Dem Kino gelingt es, seinen BesucherInnen in kleinen Portionen die Existenzversicherung zu vermitteln, die sie bei der Kirche meist nicht mehr abfragen.
Im August 2008 startete »The Dark Knight« (2008, Christopher Nolan) in den deutschen Kinos, ein Genremix aus Action, Drama, Fantasy und Science-Fiction um die literarische und cineastische Gestalt Bruce Wayne alias Batman (Christian Bale). Auch diese Geschichte präsentiert sich im klassischen Drei-Akt-Schema, und zwar als Helden-Mythos. Die Exposition stellt die Ausgangslage und die Hauptpersonen sowie den Konflikt vor: Drei Jahre ist es her, dass der maskierte Rächer Batman in der Metropole Gotham City seinen Kreuzzug gegen das Verbrechen begann. Sein Ruf hat inzwischen gelitten und das Verbrechen nimmt überhand. Dann tritt der Gegenspieler auf, der psychopathische Joker (Heath Ledger), der sich mit einem meisterhaft durchgeführten Bankraub in Gotham vorstellt und schnell das organisierte Verbrechen dominiert. Mit dem Einzug des Guten in Person von Bezirksstaatsanwalt Harvey Dent (Aaron Eckhart) und der Vorstellung von Waynes Freundin Rachel (Maggie Gyllenhaal) ist die Exposition abgeschlossen. Die Durchführung bzw. Konfrontation entlädt sich in einem solide inszenierten emotionalen Drama mit mitreißenden Actionszenen. Alles dreht sich um die Jagd von Joker auf Batman, um ihn im Auftrag der Verbrechersyndikate Gothams zur Strecke zu bringen. Der Kampf findet seinen Höhepunkt, als Joker in sadistischer Weise Batman vor die Wahl stellt, entweder seine Freundin oder seinen Nebenbuhler Dent zu retten und die jeweils andere Person verloren zu geben. In klassischer Manier endet der Streifen mit dem Tod von Joker und dem Tod des gefallenen »weißen Ritters« Dent. Die Fledermaus hat zwar Federn gelassen. Doch das Gute hat gesiegt. Der Mythos hat sich erfüllt. Das Publikum kann zufrieden, ja befriedigt in seinem Wunsch nach Ordnung, nach Begrenzung des Chaos im Leben, heim gehen. »The Dark Knight« ist allerdings ein Werk, das die üblichen Genrekonventionen sprengt. Das Gut-Böse-Schema ist nicht in Reinkultur, sondern in gebrochener Weise aufgenommen. Nolan malt nicht schwarz-weiß, sondern fordert vom Zuschauer ein genaueres Hinsehen.
Nicht nur Langfilme präsentieren sich in der narrativen Form des DreiAkt-Schemas. Am Beispiel des Oscar-prämierten Kurzfilms »Schwarzfahrer« von Pepe Danquart (1993) lässt sich das ebenfalls aufweisen. Die 2:30 min lange Exposition des 10-Minuten-Streifens stellt einige an einer Haltestelle auf die Straßenbahn Wartende vor; dabei auch einen frustrierten Mofafahrer, dessen Gefährt nicht anspringen will. Schließlich kommt die Bahn, alle steigen ein und suchen sich einen Platz; unter ihnen auch ein junger Mann dunkler Hautfarbe, der neben einer unwilligen älteren Dame Platz nimmt. Die Konfrontation beginnt: Die ältere, fein wirkende Dame beginnt sich über AusländerInnen zu beschweren, während die Kamera tuschelnde Mädchen, scherzende Jungs und weitere Mitfahrende einfängt, auch den Mofafahrer. »Wir brauchen keine Hottentotten, die uns nur auf der Tasche herumliegen«, meckert sie und: »Wir haben es allein geschafft.« Von den meisten wird sie ignoriert, aber es gibt auch Zustimmung. Dann, nach 7:30 min, wird die Schlusssequenz (Auflösung) eingeleitet: Ein Kontrolleur taucht auf, alle nehmen ihre Fahrscheine vor, als blitzschnell der Schwarze den Fahrschein der Dame greift und aufisst. Sie ist völlig perplex, als auch schon der Beamte vor ihr steht und den Fahrschein verlangt. Ihr Vorwurf »Der Neger hier hat ihn eben aufgefressen« wirkt geradezu lächerlich, und ist doch das erste wahre Wort aus ihrem Mund. »So ne blöde Ausrede hab ich auch noch nicht gehört«, sagt der Kontrolleur und nimmt sie mit: ein ironisches, humoriges und erlösendes Ende in diesem Kurzfilm über den schwarzen Fahrer und die unfreiwillige Schwarzfahrerin, der mit vielen weiteren interessanten Details aufwartet.
Filme, das sei hier als Fazit festgehalten, erzählen also häufig Erlösungsmythen. Sie haben damit eine große Nähe zu religiösen Erzähltraditionen. Vielleicht kann man sogar sagen, dass Filme in der säkularen Gesellschaft religiöse Traditionen aufgenommen haben und weiterführen -, und zwar im Sinne der oben beschriebenen quasireliglösen Funktion.8 Die cinematografische Erzählkunst, die von sorgfältiger Vorbereitung, großem Aufwand und großer Erfahrung lebt, kann in konstruktiver Weise in Anspruch genommen werden als Anfrage an die Kraft und Wirksamkeit kirchlicher Geschichten, Reden, Predigten. »Denn hinsichtlich ihrer Funktion besteht weitgehende Übereinstimmung zwischen Religion und Mythos: Es geht um die narrative Vermittlung von Werten und die narrative Erklärung und Deutung menschlicher Grunderfahrungen.«
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Ein guter Film ist ein Fest der Sinne. Wie ein Gedicht von Rainer Maria Rilke die Sprache verdichtet und zu einem emotionalen Erlebnis macht; wie ein Gemälde von Caspar David Friedrich eine Naturerfahrung so adelt, dass einem das Herz höher schlägt; so kann auch ein Film-Kunstwerk als ein Tanz von Bildern, Worten, Geräuschen und Musik zu einer tiefen kulturellen, manchmal existenziellen Erfahrung werden. Wenn dann noch der Raum eröffnet wird, sich in einer Gruppe über das Gesehene und Gehörte auszutauschen, nachzufragen, Beobachtungen und Sichtweisen zusammenzutragen, dann entsteht im Gespräch ein größeres Ganzes, ein tieferes Verständnis für das Kunstwerk und sein Thema - und das im Kontext einer Gemeinschaftserfahrung. In den liturgischen Rahmen eines christlichen Gottesdienstes integriert, findet diese Kultur- und Gemeinschaftserfahrung immer wieder eine sinnvolle Verortung - nämlich dann, wenn eine Gemeinde einen Filmgottesdienst feiert.
Die individuelle und gemeinschaftliche Kunsterfahrung im Gottesdienst ist allerdings sich selbst nicht genug. Das Gespräch über das Filmwerk wird auch geprägt durch das, was die genuinen liturgischen Gottesdienstelemente (Gebet, Bibeltext, Lied etc.) für die Begegnung mit dem Kunstwerk vorbereitend leisten: Sie eröffnen den im Gottesdienst gewünschten geistlichen Erfahrungsraum, bringen die Perspektive des Evangeliums ein, fragen an, fordern heraus und begleiten den kreativen Prozess der Filmrezeption.
Filmgottesdienst ist eine noch sehr junge Gottesdienstform. Weder haben sich Filmgottesdienste schon etabliert im Kanon anderer »neuer Gottesdienstformen«, noch sind sie in Theologie und Kirche schon offiziell anerkannt, noch kann man im eigentlichen Sinne von einer Gottesdienstform schon sprechen. Filmgottesdienst-LiturgInnen bewegen sich in einem Experimentierfeld und sind erst anfänglich dabei, Erfahrungen auszutauschen, zu reflektieren und ihre Erkenntnisse weiterzugeben. Das vorliegende Buch ist im Kontext dieses Erfahrungsaustauschs anzusiedeln. Es will informieren über eine noch sehr junge Gottesdienstidee, will erste Erfahrungen bündeln und anderen Interessierten zur Verfügung stellen, will inspirieren und Lust machen auf die filmliturgische Arbeit. Zugleich will dieses Buch aber auch ein neues Filmgottesdienstkonzept vorstellen: die Filmgottesdienstarbeit mit Kurzfilmen, in der die Filmvorführung und das anschließende Filmnachgespräch als konstitutive Elemente des Gottesdienstes betrachtet werden.
Filmgottesdienste werden in Kirchen gefeiert, in Kapellen, Gemeindehäusern, Schulen und Tagungsstätten. So richtet sich das vorliegende Buch an Pfarrerinnen und Pfarrer, an Lehrerinnen und Lehrer, Bildungs- und Jugendreferentinnen und -referenten, Diakoninnen und Diakone, Pastoralreferenten und -referentinnen; und nicht zuletzt an alle ehrenamtlichen Mitarbeitenden sowie cineastisch Interessierte, die sich gern in dem Raum bewegen (wollen), den die Schnittmenge von Kirche und Kino eröffnet, und die frischen Wind in ihre liturgische Arbeit bringen wollen.
Das vorliegende Buch widmet sich also der liturgischen Arbeit mit Kurzfilmen. Theoretische und praktische Ausführungen sollen in die filmliturgische Arbeit einführen und zum Ausprobieren, zum »verantwortlichen Experimentieren« ermutigen. Die Vorstellung einiger Filmgottesdienstmodelle sowie eine Filmliste sollen dies erleichtern. Wir freuen uns, dass es in Zusammenarbeit mit dem Verlag gelungen ist, unseren LeserInnen zwei geeignete Kurzfilme mit den Vorführrechten an die Hand zu geben. Das erleichtert den Einstieg in die filmliturgische Arbeit.
An dieser Stelle sei dem Gütersloher Verlagshaus und unserem Lektor Diedrich Steen herzlich gedankt für das Vertrauen in unser Projekt und die kontinuierliche Begleitung.
Sabine Schröder
und Thomas Damm
Marl/Münster, im Oktober 2010
1. Kirche und Kino - ins Verhältnis gesetzt
Wer Filme in den kirchlichen Raum trägt, sieht sich Fragen ausgesetzt. Wenn die Kirche ins Kino geht, oder wenn sie sogar selbst »Kino macht«, muss sie das begründen können. Und wer sich dann noch dazu versteigt, im gottesdienstlichen Rahmen einen Film zu zeigen und ins Gespräch zu bringen, muss nicht nur wissen, was er oder sie da tut, sondern die Begründungszusammenhänge auch darlegen können. In der schulischen, speziell religionspädagogischen Arbeit sowie in der theologischen Bildungsarbeit ist die Filmarbeit schon etablierter, wenn auch nicht die Kult(ur)form des Filmgottesdienstes. Diese Begründungszusammenhänge sind Thema der ersten drei Kapitel dieses Buches. Sie sollen den Filmbegeisterten sowie den Interessierten im theologischen und kirchlichen Raum nicht nur Argumente für ihre Arbeit an die Hand geben, sondern an ihr cineastisches Interesse anknüpfen und ggf. ihr Wissen vertiefen.
Kirche und Kino stehen in steter Konkurrenz miteinander. Beide Institutionen werben um die Menschen, wollen sie über die Schwelle in ihre Tempel locken. Beide laden ein zu Kult- und Kulturveranstaltungen. Beide bieten diese zur gleichen Zeit an - die Woche über an Nachmittagen und Abenden sowie Sonntag vormittags: Gottesdienst und Matinée. Beide wollen die Menschen auf ihre Bedürfnisse, Fragen und Sehnsüchte hin ansprechen. Beide warten mit Antwortversuchen auf, bieten Lösungen an.
Die Kirche muss seit Jahren zusehen, wie das Kino ihr den Rang abläuft, schon lange abgelaufen hat. Die Besucherzahlen im Kino übersteigen bei Weitem den Gemeinde- und Gottesdienstbesuch. Dass das biblische Evangelium - auch wenn in vielen kirchlichen Veranstaltungen in leichtere Kost gewandelt - von ungleich größerer geistlicher Tiefe ist als das für die Massen hergestellte Industrieprodukt »Spielfilm« und »Animationsfilm«, wirkt sich umgekehrt proportional auf die Verdaulichkeit und Attraktivität beider Angebote aus. Der Kinosaal ist der Lesesaal der Moderne.1 Die großen Kirchen sind längst nicht mehr Volkskirchen.
Der Kinosaal lädt tagtäglich zur Unterhaltung, Berieselung, aber auch Auseinandersetzung ein. Der Kirchenraum will über die Gottesdienstkultur hinaus als (offenes) Angebot zur Ruhe vom Alltag, zum Innehalten, zur Einkehr, zum Gebet erst wieder entdeckt werden .2 Und selbst hier sollte es der Kirche nicht darum gehen, massentauglich zu werden, sondern zugleich niederschwellig und mit qualifizierten Angeboten3 auf die Menschen einzugehen.
Kirche und Kino bietet ihren BesucherInnen regelmäßig ein Aussteigen aus dem Alltag an. Die Leinwand-Dramen und -Komödien des Kinos haben in ihrer existenzversichernden Wirkweise eine quasireligiöse Funktion.4 Sie sagen ihrem Publikum: Alles wird gut. Bestimmte Aspekte von Gottesdienst und Predigt wirken in die gleiche Richtung, wollen sie doch die Glaubenden, Zweifelnden, Belasteten stärken und Kraft für den Alltag vermitteln; der Stimme Jesu Gehör verschaffen: »Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken« (Mt 11,28).
Kirchenmenschen fällt es aus diesen Gründen nur allzu leicht, das Kino als weltliche Konkurrenz abzulehnen und links liegen zu lassen. Verheißungsvoller erscheint es uns, das Kino-Phänomen als Herausforderung zu nehmen und von ihm zu lernen; sich mit ihm in einem dialektischen Prozess von Annahme und Abgrenzung konstruktiv zu beschäftigen. Zudem ist der Film eine Kunst- und Kulturform, die in Qualität und geistiger Tiefe nicht leicht überschätzt werden kann, und die sich natürlich nicht in den Werken der Filmindustrie Hollywoods bzw. im populären europäischen Film erschöpft. Unter den weit über 60.000 Filmen, die über Leinwände und Bildschirme gelaufen sind, finden sich viele Perlen und große Schätze, die für die geistliche, auch für die liturgische Arbeit, gehoben werden können.
Nicht von ungefähr findet sich im Raum der Kirche eine große Zahl von Cineasten, von Liebhabern des guten Kinos. Viele PfarrerInnen, LehrerInnen, Bildungs- und JugendreferentInnen sind regelmäßig im Kino anzutreffen, nicht nur bei »Kirche und Kino«-Veranstaltungen, derer es inzwischen zahlreiche gibt. Daher werden wir im Folgenden versuchen, die oben konstatierte Konkurrenz in ihrer konstruktiven Kraft nutzbar zu machen und die kreativen Impulse aus der Begegnung von Kirche und Kino aufzunehmen. Zunächst wird es darum gehen, Strukturparallelen zu entdecken zwischen Kino und Kirche, zwischen dem Film und der Botschaft. In fünf kurzen Thesen werden wir die Kulturform »Film« abklopfen auf ihre Impulsfähigkeit für die kirchliche und speziell liturgische Arbeit.
1.1 Filme gehen auf die Lebensfragen der Menschen ein
Filme geben den Themen Bild und Ton, die die Menschen heute interessieren. Sie werfen Fragen auf, die das Publikum beschäftigen, und arbeiten sie durch. Das Kino weiß sehr gut, was die Menschen bewegt. Für die großen Studios in Hollywood, Los Angeles, die seit fast einem Jahrhundert die Filmproduktion industriell betreiben, ist aus diesem Grund die Marktforschung von großer Bedeutung. Ein Beispiel: Mit großem Aufwand werden vor Erstellung der Filmendfassung und Publikation Testvorführungen vor ausgewähltem Publikum inszeniert, werden Rohschnittversionen ausprobiert, werden schon im Drehprozess unterschiedliche Filmschlüsse angefertigt und je nach Wirkung auf das Testpublikum schließlich für die endgültige Montage ausgewählt. Für das Kino der großen Gefühle ist es eine Überlebensstrategie, den Menschen mit ihren Filmthemen und der Art der Präsentation ins Herz zu treffen. Das Kriterium sind die klingenden Münzen an der Kinokasse. Unabhängige Produzenten und Filmemacher, z. B. Autorenfilmer, haben einen anderen, individuelleren Ansatz. Aber auch sie wollen das Interesse ihres Publikums wecken und bringen Themen auf die Leinwand, die aufrütteln, zur Auseinandersetzung auffordern, emotional bewegen. Filme also konfrontieren ihre Zuschauer mit ihren eigenen Lebensfragen, mit ihren Ängsten, Sehnsüchten und Wünschen. Filme gestalten die großen Lebensthemen wie
• Geburt und Tod,
• unerfüllte und gelingende Liebe,
• Einsamkeit und Gemeinschaft,
• Versuchung und Bewährung,
• Scheitern und Erlösung.
Damit nimmt das Kino eine Tradition auf, die das Judentum, und in seiner Nachfolge seit der Zeitenwende, auch Kirche und Christentum verfolgen. Viele Generationen haben z. B. die mythischen Erzählungen des Alten Testaments, die Familiengeschichten um Abraham und Sarah, Isaak und Rebekka, Jakob und seine Frauen weitererzählt, denn in ihnen spiegeln sich die o. g. großen Lebensthemen wider. In ihnen spiegelt sich das Leben selbst mit seinen Gegebenheiten, Nöten, Bedürfnissen, Gefahren. In ihnen werden Lösungsansätze deutlich. Diese Geschichten reflektieren Lebens- und Glaubensfragen und haben durch die Zeiten hindurch in narrativer Form Lebens- und Glaubensweisheiten weitergegeben. Denn in ihnen konnte und kann die je eigene Biografie gedeutet und so Reifungsprozesse angestoßen werden.
Die Zeiten, aber nicht die Menschen haben sich grundsätzlich geändert. Die alten Glaubens- und Lebensgeschichten verstehen sich nur noch zum Teil unmittelbar; neue Geschichten sind zu allen Zeiten hinzugekommen, im Raum der Kirche z. B. alte und neue Heiligenlegenden von Martin von Tours über Martin Luther bis hin zu Martin Luther King. Denn immer noch finden und überprüfen Menschen ihre eigene Identität nicht zuletzt im Spiegel von Geschichten und Erzählungen.
Strukturparallel dazu arbeitet das Kino, wenn es in seinen Filmen die großen Lebensthemen auf die Leinwand bringt. Und auch wenn dem ganz überwiegenden Teil des Publikums dieser anthropologische Mechanismus nicht stets bewusst ist, so geschieht doch mit jeder Filmrezeption ein Stück Existenzdeutung und Existenzversicherung (s. u.). Gelingen kann diese Tiefenwirkung des Erzählens in Kirche und Kino immer dann am besten, wenn nicht nur ein echtes Lebensthema angesprochen wird, sondern auch die Präsentation und Vermittlung gelingt: der richtige Ton getroffen und mit der Erzählweise die Bereitschaft beim Publikum eröffnet wird, sich auf den Stoff einzulassen.
1.2 Filme haben eine Nähe zu kirchlichen Erzähltraditionen
»Filme sind auf industriell-moderne Weise die Produzenten von Mythen und Weltanschauungen, wie es Religionen unter vorindustriellen und archaischen Bedingungen waren.«5 So präsentieren gerade die populären Filme ganz überwiegend Erlösungsmythen nach archetypischem Vorbild, die - je nach Genre - leichter (Komödie) oder gewichtiger (Drama) daherkommen. Der Aufbau eines klassischen Hollywoodfilms lässt sich mithilfe des Drei-Akt-Schemas aufschlüsseln: Der Held wird vorgestellt (Exposition); er wird mit dem Konflikt konfrontiert, den er durchleben und lösen muss (Konfrontation); verändert, gereift, geläutert und somit auch erlöst geht er aus der Film-Erzählung hervor, nicht ohne Federn gelassen bzw. Opfer gebracht zu haben (Auflösung).
Schon in biblischen Erzählungen lassen sich diese drei Schritte identifizieren, beispielsweise in der Hiobgeschichte. Die im Alten Testament vorliegende Gestalt des Hiobbuches ist erwiesenermaßen aus verschiedenen Schichten und Redaktionen zusammengewachsen. In diesem Zusammenhang ist nur der jüngste, im Alten Testament kanonisierte Text von Interesse. Die Erzählung handelt von Hiob, einem rechtschaffenen, reichen und frommen Mann, der unverschuldet eine Zeit lang sehr leiden muss, bis er sein Leben schließlich doch noch gesund und wohlhabend beschließen kann. Zunächst wird Hiob den LeserInnen und HörerInnen vorgestellt. Nach der kurzen Exposition (1,1-5) folgt die Konfrontation (1,6- 42,6): der Bericht von Schicksalsschlägen und Hiobs Reaktion: Er kann sein Schicksal - weil unverschuldet - nicht annehmen. Mit seinen Freunden diskutiert er, lehnt ihre Begründungen für sein Leiden ab und kämpft schließlich mit Gott selbst. Dieser gibt ihm schließlich sogar recht, nachdem er Hiob zuvor gezeigt hat, wie klein und unverständig ein Mensch gegenüber dem Schöpfer ist. Der Epilog (42,7-17) hat die Funktion der Auflösung: Er berichtet von der Wiederherstellung der Gesundheit und des Vermögens von Hiob und ist kaum länger als die Exposition.6
Die Drei-Akt-Struktur als narrativer Kunstgriff hat eine lange Tradition, die in die Antike zurückreicht. Aus alten Erzähltraditionen destilliert, ist es als theoretischer Hintergrund für das Theater schematisiert worden und schließlich auch festes Strukturmerkmal für den populären Film geworden, hat dort kanonischen Stellenwert bekommen.7 Gegenüber dieser geschlossenen Form, die eine möglichst ungebrochene Illusion vermitteln soll, wartet das Autoren- und Kunstkino häufig mit einer Dramaturgie der offenen Form auf, die das Drei-Akt-Schema und die perfekte Illusion bewusst durchbricht: Inhaltlich und formal bringen Autorenfilmer ihr Publikum häufig dazu, sich von der Filmhandlung zu distanzieren, um Reflexionsprozesse in Gang zu setzen, statt sich von der Handlung ganz vereinnahmen zu lassen. Zuweilen werden die Zuschauer mit offenen Fragen und ungelösten Problemen aus dem Film entlassen, gehen nicht erlöst und befriedigt, sondern in einer »heilsamen Unruhe« aus dem Kino. Es gibt auch fließende Übergänge zwischen dem Unterhaltungs- und dem Kunstkino. MeisterInnen des guten Erzählens, die an archetypischen narrativen Formen gelernt haben, finden sich im gesamten Spektrum.
An einigen Beispielen ist die Dramaturgie des Erlösungsmythos im Film leicht zu verdeutlichen. Die romantische Komödie »Dirty Dancing« (Emile Ardolino, 1988) erzählt von der wohlbehüteten Arzttochter Frances (Jennifer Grey), genannt Baby, die sich in einem amerikanischen Urlaubshotel in ihren Tanzlehrer Johnny (Patrick Swayze) verliebt (Exposition). Beide stammen aus verschiedenen Milieus, und ihre Liebe wird vom Vater zunächst beargwöhnt und hintertrieben. Aber Baby gibt nicht auf und kämpft für Johnnys Anerkennung beim Vater (Konfrontation). Schließlich kann sie ihren Vater überzeugen und seine Widerstände überwinden (Auflösung). Idealtypisch gestaltet Regisseur Ardolino seine Filmgeschichte nach dem Drei-Akt-Schema. Die Illusion ist gelungen, der Film hat in seiner Zeit (Sommer 1989 in Deutschland) - trotz seiner Oberflächlichkeit und Sentimentalität - gut funktioniert: Routiniert erzählt mit den Stilmitteln der »romantic comedy« gelang es ihm, seine Zuschauer emotional mit auf den Weg zu nehmen und sie nach dem »kiss off« am Ende glücklich und erlöst aus dem Kinosaal zu entlassen. Der Mythos von der Liebe, die sich bewähren muss und am Ende siegen wird, abertausendfach wiederholt von der Antike bis heute, kleidet sich gegenwärtig gern in das Genre der romantischen Komödie und funktioniert beim deutschen Publikum besonders gut: Es ist erwiesenermaßen das Lieblingsgenre der Deutschen. Mit der Gewissheitsvermittlung: »Die Liebe siegt doch!«, übernimmt sie eine quasireligiöse Funktion. Sie vermittelt ihren RezipientInnen in ihren eigenen alltagsgeschüttelten Beziehungen die Sicherheit, die sie brauchen, sich selbst aber nicht geben können. Dem Kino gelingt es, seinen BesucherInnen in kleinen Portionen die Existenzversicherung zu vermitteln, die sie bei der Kirche meist nicht mehr abfragen.
Im August 2008 startete »The Dark Knight« (2008, Christopher Nolan) in den deutschen Kinos, ein Genremix aus Action, Drama, Fantasy und Science-Fiction um die literarische und cineastische Gestalt Bruce Wayne alias Batman (Christian Bale). Auch diese Geschichte präsentiert sich im klassischen Drei-Akt-Schema, und zwar als Helden-Mythos. Die Exposition stellt die Ausgangslage und die Hauptpersonen sowie den Konflikt vor: Drei Jahre ist es her, dass der maskierte Rächer Batman in der Metropole Gotham City seinen Kreuzzug gegen das Verbrechen begann. Sein Ruf hat inzwischen gelitten und das Verbrechen nimmt überhand. Dann tritt der Gegenspieler auf, der psychopathische Joker (Heath Ledger), der sich mit einem meisterhaft durchgeführten Bankraub in Gotham vorstellt und schnell das organisierte Verbrechen dominiert. Mit dem Einzug des Guten in Person von Bezirksstaatsanwalt Harvey Dent (Aaron Eckhart) und der Vorstellung von Waynes Freundin Rachel (Maggie Gyllenhaal) ist die Exposition abgeschlossen. Die Durchführung bzw. Konfrontation entlädt sich in einem solide inszenierten emotionalen Drama mit mitreißenden Actionszenen. Alles dreht sich um die Jagd von Joker auf Batman, um ihn im Auftrag der Verbrechersyndikate Gothams zur Strecke zu bringen. Der Kampf findet seinen Höhepunkt, als Joker in sadistischer Weise Batman vor die Wahl stellt, entweder seine Freundin oder seinen Nebenbuhler Dent zu retten und die jeweils andere Person verloren zu geben. In klassischer Manier endet der Streifen mit dem Tod von Joker und dem Tod des gefallenen »weißen Ritters« Dent. Die Fledermaus hat zwar Federn gelassen. Doch das Gute hat gesiegt. Der Mythos hat sich erfüllt. Das Publikum kann zufrieden, ja befriedigt in seinem Wunsch nach Ordnung, nach Begrenzung des Chaos im Leben, heim gehen. »The Dark Knight« ist allerdings ein Werk, das die üblichen Genrekonventionen sprengt. Das Gut-Böse-Schema ist nicht in Reinkultur, sondern in gebrochener Weise aufgenommen. Nolan malt nicht schwarz-weiß, sondern fordert vom Zuschauer ein genaueres Hinsehen.
Nicht nur Langfilme präsentieren sich in der narrativen Form des DreiAkt-Schemas. Am Beispiel des Oscar-prämierten Kurzfilms »Schwarzfahrer« von Pepe Danquart (1993) lässt sich das ebenfalls aufweisen. Die 2:30 min lange Exposition des 10-Minuten-Streifens stellt einige an einer Haltestelle auf die Straßenbahn Wartende vor; dabei auch einen frustrierten Mofafahrer, dessen Gefährt nicht anspringen will. Schließlich kommt die Bahn, alle steigen ein und suchen sich einen Platz; unter ihnen auch ein junger Mann dunkler Hautfarbe, der neben einer unwilligen älteren Dame Platz nimmt. Die Konfrontation beginnt: Die ältere, fein wirkende Dame beginnt sich über AusländerInnen zu beschweren, während die Kamera tuschelnde Mädchen, scherzende Jungs und weitere Mitfahrende einfängt, auch den Mofafahrer. »Wir brauchen keine Hottentotten, die uns nur auf der Tasche herumliegen«, meckert sie und: »Wir haben es allein geschafft.« Von den meisten wird sie ignoriert, aber es gibt auch Zustimmung. Dann, nach 7:30 min, wird die Schlusssequenz (Auflösung) eingeleitet: Ein Kontrolleur taucht auf, alle nehmen ihre Fahrscheine vor, als blitzschnell der Schwarze den Fahrschein der Dame greift und aufisst. Sie ist völlig perplex, als auch schon der Beamte vor ihr steht und den Fahrschein verlangt. Ihr Vorwurf »Der Neger hier hat ihn eben aufgefressen« wirkt geradezu lächerlich, und ist doch das erste wahre Wort aus ihrem Mund. »So ne blöde Ausrede hab ich auch noch nicht gehört«, sagt der Kontrolleur und nimmt sie mit: ein ironisches, humoriges und erlösendes Ende in diesem Kurzfilm über den schwarzen Fahrer und die unfreiwillige Schwarzfahrerin, der mit vielen weiteren interessanten Details aufwartet.
Filme, das sei hier als Fazit festgehalten, erzählen also häufig Erlösungsmythen. Sie haben damit eine große Nähe zu religiösen Erzähltraditionen. Vielleicht kann man sogar sagen, dass Filme in der säkularen Gesellschaft religiöse Traditionen aufgenommen haben und weiterführen -, und zwar im Sinne der oben beschriebenen quasireliglösen Funktion.8 Die cinematografische Erzählkunst, die von sorgfältiger Vorbereitung, großem Aufwand und großer Erfahrung lebt, kann in konstruktiver Weise in Anspruch genommen werden als Anfrage an die Kraft und Wirksamkeit kirchlicher Geschichten, Reden, Predigten. »Denn hinsichtlich ihrer Funktion besteht weitgehende Übereinstimmung zwischen Religion und Mythos: Es geht um die narrative Vermittlung von Werten und die narrative Erklärung und Deutung menschlicher Grunderfahrungen.«
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Autoren-Porträt von Thomas Damm, Schröder
Sabine Schröder M.A., geboren 1975 in Dortmund, studierte Kommunikationswissenschaft, Soziologie und Psychologie in Münster und leitet seit 2005 die Filmzentrale der Ev. Kirche von Westfalen in Bielefeld. Die zertifizierte Medientutorin arbeitet als freie Referentin (Schwerpunkt Medienbildung) und ist in der Öffentlichkeitsarbeit tätig (Bereich Fairer Handel).Sabine Schröder ist verheiratet und lebt in Münster. Seit 2009 führt sie gemeinsam mit Thomas Damm Filmgottesdienst-Seminare durch.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Thomas Damm , Schröder
- Altersempfehlung: 6 - 99 Jahre
- 2011, 127 Seiten, Maße: 15 x 23,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Gütersloher Verlagshaus
- ISBN-10: 3579059327
- ISBN-13: 9783579059327
Rezension zu „Kurzfilme im Gottesdienst, m. DVD “
"Ein praktischer Ratgeber, der viele Anregungen für neue und innovative Konzepte gibt."
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