Lassen Sie es mich so sagen
Als Mängel-Exemplar
nur
"Schramm ist mit seinen engagierten, wie extemporiert vorgebrachten Reflexionen der wahre Nachfolger Dieter Hildebrandts, weil er heute so scharf wie kein anderer geißelt, was faul ist an Geist und Leib unserer demokratisch organisierten Gesellschaft. ... In seinen Schlussfolgerungen, seiner Pointierung ist er niemals zimperlich. Das imponiert desto mehr, je länger man sich mit ihm durch die deutsche Geschichte und die gegenwärtigen Geschichten bewegt. ... man fühlt sich gut mit diesen Texten." Thomas Thieringer, Süddeutsche Zeitung
"Ja, es gibt verträglichere Zeitgenossen als Schramms Alter Ego. Doch kaum einer legt den Finger derart präzise in die Wunde, und kaum ein Spott ist beißender als der Dombrowskis. Gemocht werden will der Mann gar nicht. Aber wenn am nihm so zuhört ... wird er mit den Sympathien seines Publikums und nun auch mit denen seiner Leser fortan leben müssen." General-Anzeiger
Lassen Sie es mich so sagen von Georg Schramm
LESEPROBE
1Rechtfertigung
»Der Stromder Zeit läuft seinen Weg doch, wie er soll,
und wenn ich meine Hand hineinstecke, so tue ich das,
weil ich es für meine Pflicht halte, aber nicht,
weil ich meine, seine Richtung damit zu ändern.«
Bismarck
Ich könntemit einer Anekdote beginnen, etwas Leichtem, Persönlichem, mit etwas, das sich»hinter den Kulissen« abgespielt hat, zwischen Kabarettisten, die der Leserkennt. Der Kabarettist X soll seinen Regisseur Y vor Jahren öffentlichgeohrfeigt haben, weil Y der Frau von X in dessen Beisein geraten hat, besser denMund zu halten, statt von Dingen zu reden, von denen sie nichts versteht.
WunderbareGeschichte, ich lasse sie mir von Augenzeugen immer wieder gern erzählen, weilich X und Y
kenne. Ykann mit sanfter Stimme Frauen beleidigen wie kaum ein Zweiter in unseremGewerbe. Ich habe
ihnmehrfach um diese Gabe beneidet. Die Anekdote könnte enden mit dem Satz: »Wirkommen später noch auf meine eigenen Erfahrungen mit Y zu sprechen.«
Das wäreein Anfang ganz nach dem Geschmack der Leser. Aber will ich das? Mein erstesund - dessen können Sie gewiss sein - einziges Buch damit beginnen, ein wenigaus dem Nähkästchen zu plaudern? Quasi in vorauseilender Altersmilde?
Mein Erfolgberuht doch zum beträchtlichen Teil darauf, eben nicht zu plaudern. Weder ausdem Nähkästchen noch über die politische Misere im Land. Ich habe eine gewisseFähigkeit darin erlangt, den Eindruck zu erwecken, dass ich die Erwartungender Zuschauer nicht erfülle, ja sogar gegen die Erwartungen agiere. Diese Haltungwirkt bei mir echter, als der Versuch zu plaudern. Ich kann also mit einemsolchen Anfang nur verlieren.
Lassen Siemich deshalb mit etwas beginnen, wovon mir mehr oder weniger nachdrücklichabgeraten wurde: mit einer Rechtfertigung. Ich weiß, dass ich mich für diesesBuch nicht rechtfertigen muss, trotzdem spüre ich ein starkes Bedürfnis, es zutun. Die Ursache ist etwas Jenseitiges.
Beim Blicknach vorn ist bereits schemenhaft der Endpunkt meines Lebensweges auszumachen.Die schon zurückgelegte Strecke ist sehr viel länger als der noch vor mirliegende Rest. In meiner Phantasie werde ich beim Übergang ins Totenreich voreine Art Richter treten müssen. (Nachdem ich cerberus,den Höllenhund, links liegen gelassen habe, der sinnigerweise Namensgebereines hochaggressiven Hedgefonds ist.)
Das Gerichtwird aufzählen, was alles zu meinen Lebzeiten an politischen Widerwärtigkeitengeschehen ist, und dann fragen: »Was hast du dagegen getan?«Die Frage ist mir aus dem Diesseits vertraut. Diese Art der Selbstbefragunggehört zu meinem Einschlaf-Ritual, das sich über Stunden hinziehen kann, undmeine Antworten befriedigen mich nur selten.
Wenn meinLebensende nicht völlig überstürzt kommt, werde ich bis dahin dieses Buchfertig haben und es fortan immer bei mir tragen, damit ich im entscheidendenMoment sagen kann: »Hier steht es. Ich habe Buch geführt. Ich habe dazuFolgendes gesagt ...« Meine öffentlich vorgetragene kritische, meist sogar scharfablehnende Haltung ist damit als Beweismittel zu meinen Gunsten dokumentiert.
Sollte essich um einen gnädigen Richter handeln, könnte er darüber hinwegsehen, dass ich»gesagt« mit »getan« gleichgesetzt habe. Ich würde auf Grund dieser milderndenUmstände auf Bewährung in ein halbwegs erträgliches Jenseits aufgenommen, woman Leute trifft, mit denen man wenigstens vernünftig diskutieren kann. (Inmeinen Tagträumen hoffe ich auf solche Übergangswohnheime.)
Es gab zwardurchaus hin und wieder auch aktives Aufbegehren von mir, aber insgesamt dochweitaus seltener als verbalen Protest. Und meine Einzelaktionen waren auchnicht übermäßig erfolgreich. Wir kommen später noch auf meine Erfahrungen zusprechen.
Es gibtalso neben dem materiellen Reiz und dem guten Gefühl, als Buchautor immerhineinmal aus dem leichten Schoß der flüchtigen Muse Kleinkunst in einen schwererenSchoß gewechselt zu haben, einen weiteren, subjektiv gewichtigen Anlass fürdas Buch, womit ich das Kapitel Rechtfertigung abschließen könnte. Zum besserenVerständnis möchte ich aber noch ein persönliches Wort hinzufügen.
MeinSelbstbewusstsein wurde in den letzten Jahren durch einige mehr oder wenigerrichtige eigene Entscheidungen und therapeutische Hilfe erheblich gestärkt.Ich kann es mir deshalb leisten, eine von mir sorgfältig gehütete Personalie offen zu legen: Georg Schramm gibt es nicht.Präziser formuliert gibt es den Menschen Georg Schramm nicht, denReserveoffizier und Diplompsychologen, der nach zwölf Jahren Berufstätigkeitin einer neurologischen Klinik ein erfolgreicher politischer Kabarettistwurde. Ich habe all die Jahre Georg Schramm als Pseudonym benutzt, seine Vitaist erfunden. Er, der offi- zier Sanftleben und deralte Sozialdemokrat August sind Spielfiguren, Abspaltungen meiner Person, dieich auf der Bühne zum Leben erwecke, um der Widersprüchlichkeiten in mir undum mich herum besser Herr zu werden.
Im realenLeben gibt es nur mich, Lothar Dombrowski, und alsdieser habe ich das Buch geschrieben, das vor Ihnen liegt.
( )
© BlessingVerlag
- Autor: Georg Schramm
- 2008, 10. Aufl., 268 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Blessing
- ISBN-10: 3896673483
- ISBN-13: 9783896673480
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