Leute, mein Herz glüht / Die Lelle-Romane Bd.2
Der Ex ist zurück, der Neue wie Klebstoff
Kaum hat Lelle ihr Essverhalten ein bisschen mehr im Griff, da bringt das Leben schon neue Herausforderungen: Während Schwester Cotsch plötzlich die verliebte Braut gibt, leidet Lelle unter glühendem...
Kaum hat Lelle ihr Essverhalten ein bisschen mehr im Griff, da bringt das Leben schon neue Herausforderungen: Während Schwester Cotsch plötzlich die verliebte Braut gibt, leidet Lelle unter glühendem...
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Produktinformationen zu „Leute, mein Herz glüht / Die Lelle-Romane Bd.2 “
Der Ex ist zurück, der Neue wie Klebstoff
Kaum hat Lelle ihr Essverhalten ein bisschen mehr im Griff, da bringt das Leben schon neue Herausforderungen: Während Schwester Cotsch plötzlich die verliebte Braut gibt, leidet Lelle unter glühendem Liebeskummer. Denn Johannes meldet sich einfach nicht. Schlimmer noch: Er hat mit Alina geknutscht und tut jetzt so, als sei das völlig normal, sich mal eben eine Ersatzfrau zu gönnen. Als dann auch noch Arthur zurückkehrt - Lelles allererster, verloren geglaubter Freund - ist Lelle in der Zwickmühle. Was macht sie jetzt bloß mit »ihrem« Ersatzmann Johannes? Denn, hey, Leute, zwei Jungs sind definitiv einer zu viel...
Kaum hat Lelle ihr Essverhalten ein bisschen mehr im Griff, da bringt das Leben schon neue Herausforderungen: Während Schwester Cotsch plötzlich die verliebte Braut gibt, leidet Lelle unter glühendem Liebeskummer. Denn Johannes meldet sich einfach nicht. Schlimmer noch: Er hat mit Alina geknutscht und tut jetzt so, als sei das völlig normal, sich mal eben eine Ersatzfrau zu gönnen. Als dann auch noch Arthur zurückkehrt - Lelles allererster, verloren geglaubter Freund - ist Lelle in der Zwickmühle. Was macht sie jetzt bloß mit »ihrem« Ersatzmann Johannes? Denn, hey, Leute, zwei Jungs sind definitiv einer zu viel...
Klappentext zu „Leute, mein Herz glüht / Die Lelle-Romane Bd.2 “
Der Ex ist zurück, der Neue wie KlebstoffKaum hat Lelle ihr Essverhalten ein bisschen mehr im Griff, da bringt das Leben schon neue Herausforderungen: Während Schwester Cotsch plötzlich die verliebte Braut gibt, leidet Lelle unter glühendem Liebeskummer. Denn Johannes meldet sich einfach nicht. Schlimmer noch: Er hat mit Alina geknutscht und tut jetzt so, als sei das völlig normal, sich mal eben eine Ersatzfrau zu gönnen. Als dann auch noch Arthur zurückkehrt - Lelles allererster, verloren geglaubter Freund - ist Lelle in der Zwickmühle. Was macht sie jetzt bloß mit "ihrem" Ersatzmann Johannes? Denn, hey, Leute, zwei Jungs sind definitiv einer zu viel ...
Lese-Probe zu „Leute, mein Herz glüht / Die Lelle-Romane Bd.2 “
Leute, mein Herz glüht! von Alexa Hennig von Langen1
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Leute, ich bin wieder da. Bis heute Morgen war ich noch Stammgast in einer psychosomatischen Klinik, um meine Magersucht auszukurieren. Um ehrlich zu sein: Ich bin mir nicht sicher, ob es geklappt hat. Wie neugeboren fühle ich mich nicht gerade. Ich bin noch immer ganz die Alte, also: leicht melancholisch mit einem Hang zur Selbstzerstörung. Aus den Augenwinkeln beobachte ich Mama, die nervös in meinem Zimmer umherirrt und nicht weiß, was sie sagen soll. Mit psychisch Kranken - wie ich einer bin - ist es schließlich immer ein bisschen kniffelig umzugehen. Die ticken bekanntlich gerne mal aus.
In der Klinik habe ich solche Amokläufe hautnah miterlebt. Lustig waren die nicht. Eine von den Patientinnen hat sogar versucht, dem Chefarzt Doktor Wilhelm ein Stück aus dem Ohr rauszubeißen, nur weil sie in ihrem Zimmer die Pussycat Dolls nicht so laut hören durfte, wie sie wollte. Unter uns: Ich bin nicht der Typ fürs Ausrasten. Dafür aber meine Schwester Constanze, genannt Cotsch. Sie ist zwei Jahre älter als ich und droht gerne mal mit Selbstmord, um auf sich aufmerksam zu machen. Dann will sie sich von einer Autobahnbrücke runterwerfen oder Mamas gesamten Beruhigungsmittelvorrat auf einmal schlucken. Sie muss einfach immer im Mittelpunkt stehen. Dabei wurde sie vom Leben sowieso schon reich beschenkt. Sie hat wunderschöne blonde Locken, sie ist die Zweitbeste ihres Jahrgangs und die Jungs sind verrückt nach ihr. Trotzdem ist meine Schwester total verzweifelt. Ich glaube, sie sehnt sich nach Ruhm.
Ich bin ganz normal. Bis darauf, dass ich künstlerisch ziemlich begabt bin. Und weil ich diesen - ich nenne ihn jetzt mal: genialen - Funken in mir trage, muss ich mich therapieren lassen, um genauso behämmert und eindimensional zu werden wie alle anderen. Ich tröste mich damit, dass es auf der Welt schon immer so war: Die Genies wurden in die Irrenanstalt gesteckt, damit der Rest schön mittelmäßig sein konnte, ohne ständig darauf hingewiesen zu werden.
Jetzt bin ich wieder zu Hause und Mama legt ihren Arm in der hellblauen Bluse um mich. Sie meint mit feierlicher Stimme: »Herzlich willkommen zu Hause.«
Ich sage: »Ebenso.«
Was soll ich auch sonst sagen? Merci beaucoup? Das ist Französisch und heißt: Vielen Dank. Mama allerdings spricht nur Latein, die versteht das dann nicht. Also lächle ich lieb und gerade kommt mir alles ziemlich unwirklich vor. So als sei ich plötzlich von den Toten auferstanden oder nach hundert Jahren wieder aufgetaut worden. Manche Leute lassen sich ja wirklich - kurz bevor sie sterben - schockgefrieren, um sich später wieder auftauen zu lassen, wenn die Medizin so weit ist, dass sie ihnen ewiges Leben bescheren kann. Unter uns: Gerade würde ich mich auch gerne schockgefrieren lassen. Eigentlich wollte mich nämlich mein Freund Johannes - den ich sehr liebe - vom Bahnhof abholen. Aber ratet mal, wer nicht da war? Richtig! Johannes. Nur weiß ich leider nicht, warum. Und das macht mich, gelinde gesagt, etwas nervös. Mama übrigens auch. Die befürchtet, ich könnte einen Rückfall erleiden oder so. Darum überlegt sie schon die ganze Zeit, wie sie mich ruhigstellen kann. Um intensiver nachdenken zu können, bewegt sie sich rüber zum Fenster und guckt raus, in die orange gefärbten Rosenbüsche, deren Zweige in der Sonne über die Scheibe kratzen.
Leute, es wird Herbst. So viel ist mal sicher. Mama kaut angespannt an ihrem Daumennagel herum und meint schließlich: »Vielleicht ist Johannes krank.«
Und ich sage: »Pissnelke.«
Mama lächelt milde. »Ach, Schnuffelchen. Nun freue dich doch erst mal, dass du wieder zu Hause bist, und mach dich nicht von diesem unreifen Früchtchen abhängig. Er wird sich schon melden.«
»Der kann mich mal am Arsch lecken.«
Ich setze mich auf meine Bettkante, und in mir, da ist eine Wut, dass ich alles kurz und klein schlagen könnte. Das Aufreibendste ist, dass ich Johannes nicht mal erreiche, weil der Trollo sein Handy ausgeschaltet hat. Ich habe ihm natürlich längst auf die Mailbox gesprochen und höflich darum gebeten, dass er mich mal bitte anrufen möchte. Insgeheim stelle ich mir allerdings vor, wie ich ihm mit der Faust voll auf die Nase donnere.
Mama atmet tief ein, weil auch sie immer freundlich und geduldig bleibt, und meldet: »Na ja, ich decke dann mal im Garten den Kaffeetisch. Constanze kommt sicher gleich von ihrer Hip-Hop-Startanz-AG. Dann können wir Kuchen essen.«
Ich sage: »Okay.«
Obwohl ich jetzt schon weiß, dass ich keinen Apfelkuchen essen werde. So weit bin ich noch nicht geheilt, dass ich wahllos alles in mich reinstopfe. Und Mama taumelt aus dem Zimmer. Vermutlich wirft sie sich in der Küche erst mal eine von ihren Beruhigungspillen ein. Und ein paar Male haben Cotsch und ich die auch schon bekommen - wenn Mama Schiss hatte, dass wir die Nerven verlieren. Sogar Papa hat sie mal ein, zwei zerbröselte Pillen unter den Kartoffelbrei gemischt, nachdem Cotsch unser Auto versehentlich um einen Laternenmast gewickelt hatte. Beim Untermanschen hat Mama zu Cotsch und mir gemeint: »Das mit den Pillen dürft ihr Papa niemals sagen! Versprecht mir das! Niemals!«
Nun hocke ich hier wie eine trübe Tasse auf meiner Bettkante und starre rüber zu meinem Schreibtisch, wo die Postkarte von meiner Freundin Alina liegt, die sie mir aus ihrem Fuerteventura-Urlaub geschickt hat. Und dann steht da noch ein gerahmtes Urlaubsfoto von meiner Schwester und mir, auf dem wir beide auf zwei dänischen Ponys sitzen und riesige Reiterhelme aufhaben. Das Bild ist schon über zehn Jahre alt und wir beide sehen irgendwie richtig groovy aus. So als könnte uns nichts umhauen. Damals war ja auch noch alles in bester Ordnung. Da dachte ich, dass mir später mal alle Männer zu Füßen liegen werden. Von wegen. Bereits mein erster Freund - er hieß Arthur - hat mich knallhart sitzen lassen. Im Frühsommer ist er einfach nach Afrika gegangen, um für arme Kinder Hütten und Brunnen zu bauen. Dagegen ist ja an sich nichts einzuwenden, aber ich habe es ja auch nicht gerade leicht mit meinen Leuten. Die sind so was von kompliziert und nervenaufreibend. Trotzdem habe ich mich Arthur nicht in den Weg gestellt. Ich habe ihm auch keine Szene gemacht. Mama meint: »Das sollte man sich als Frau besser sparen.« Männer brauchen nämlich das Gefühl von Freiheit und Unverantwortlichkeit. Darum weiß ich auch nicht, wann Arthur wiederkommt.
Ich versuche wirklich, immer schön entspannt zu bleiben. Damit das einigermaßen klappt, habe ich mir für die Zeit seiner Abwesenheit einen neuen Freund zugelegt: Johannes. Nur der ist, wie bereits erwähnt, ebenfalls verschollen. Es wäre ja in Ordnung, wenn er einen grauenhaften Fahrradunfall gehabt hätte und jetzt mit schweren Knochenbrüchen im Krankenhaus läge. Dann würde ich ihm natürlich großmütig verzeihen und ihn gesund pflegen. Doch solange ich nicht weiß, was los ist, unterstelle ich ihm das Schlimmste.
Ich atme tief ein und sehe mich um. Nichts hat sich verändert seit meiner Abfahrt. Die Möbel stehen noch genauso wie vor drei Monaten, alles sieht gleich aus, außer dass Mama vor meiner Ankunft noch mal ordentlich durchgesaugt hat. Sogar auf den Blättern meiner Topfpflanze wurde der Staub entfernt. Auf der Fensterbank liegen meine selbst getöpferten Skulpturen - und weil ich so lange weg war, kann ich plötzlich riechen, wie es bei uns zu Hause riecht: nach Tee und Butterbonbons. Sehr angenehm, finde ich. Trotzdem rufe ich jetzt bei Johannes zu Hause an! Die Angelegenheit muss geklärt werden.
Wenn ich eins im Leben nicht ertragen kann, dann ist das Ungewissheit. Die macht mich fix und foxy. Auch wenn Mama sagt: »Du musst lernen, dich in Geduld zu üben.« Irgendwo muss Schluss sein!
Ich stehe vom Bett auf, gehe raus in den dämmrigen Flur, wo Mama liebevoll ganz viele von unseren früheren Kinderzeichnungen in hübschen Rahmen aufgehängt hat - zur Erinnerung an die Zeit, als noch alles harmonisch war. Die kleine Treppe runter, ins Wohnzimmer rein, wo ein schöner Blumenstrauß auf dem Esstisch steht, über den flauschigen Teppich, hin zum Telefon. Im Garten stellt Mama gerade die Kuchenteller auf den Tisch und winkt mir aufmunternd durch die große Fensterscheibe zu. Sie tut echt alles, damit ich mich geborgen fühle. So ist Mama. Die beste auf der ganzen Welt. Ich ziehe eine fröhliche Grimasse, damit sie denkt, dass alles in bester Ordnung ist. Sie soll sich ja auch mal entspannen. Als ich Johannes' Zuhause-Nummer wähle, zittern meine Hände. Was, wenn er nicht da ist? Nach dem zweiten Tuten wird endlich am anderen Ende der Hörer abgenommen.
Seine Mutter ist dran: »Ja? Bachmann?«
Ich versuche, meine Stimme cool klingen zu lassen. Muss ja nicht jeder merken, dass ich kurz vor dem Nervenzusammenbruch stehe. »Hallo. Hier ist Lelle.«
»Elisabeth! Bist du wieder da?«
»Ja. Ist Johannes zu Hause?«
»Leider nicht. Wie geht es dir denn? Hast du dich gut erholt?«
Nein. Aber das tut gerade nichts zur Sache. Erst will ich Klarheit. »Wo ist er denn?«
Und schon stottert sie rum: »Ja, keine Ahnung. Ich habe auch schon versucht, ihn auf dem Handy zu erreichen. Aber das ist abgestellt. Drüben bei Samuel habe ich es auch schon probiert. Der weiß auch nichts.«
Ich kotze. Mama kommt mit umgebundener Schürze wieder rein und guckt mich komisch an. Ich mache so eine Handbewegung, dass sie weiß, dass sie mich jetzt bitte nicht ablenken soll. Also verschwindet sie zögernd in die Küche. Und ich quietsche mit dünner Stimme in den Hörer: »Okay, danke.«
Johannes' Mutter spürt wohl, dass ich echt am Abgrund entlangwanke. Darum meint sie: »Tut mir leid, Lelle. Falls du etwas von ihm hörst, sag ihm bitte, er soll sich melden. Ich mache mir nämlich auch langsam Sorgen.«
»Mache ich ... Seit wann ist er denn weg?«
»Na ja ...«
Plötzlich muss sich Johannes' Mutter ziemlich räuspern, als hätte sie einen gewaltigen, nicht zu bezwingenden Frosch im Hals. »Er ist gestern Abend zur Bandprobe gegangen und danach ist er irgendwie nicht mehr nach Hause gekommen.«
»Verstehe.«
Frau Bachmann räuspert sich schon wieder. »Lelle?« »Ja?«
»Komm uns trotzdem ab und an besuchen, ja?«
Ich lege den Hörer auf und heule los. Auf der Stelle. Die Tränen spritzen mir im hohen Bogen aus den Augen und ich weiß: Alles ist aus! Und wie ich da gekrümmt neben dem Telefontischchen stehe und versuche, den Hörer wieder anständig auf die Gabel zu legen, kommt meine strahlende Schwester Cotsch durch den herbstlichen Garten ins Wohnzimmer gerauscht. Sie hat wie immer die engsten Jeans an, die es bei Miss Sixty zu kaufen gibt. Dazu einen noch engeren Pulli, sodass sie eigentlich gleich nackt rumlaufen könnte.
Sie schmeißt ihre riesige Sporttasche aufs Sofa und fragt voller Mitgefühl: »He, Lelle! Was gibt's zu heulen?«
Dann nimmt sie mich in den Arm und drückt mich fest an sich. Das tut gut. Ihre Locken kitzeln mich im Gesicht und ich rieche ihr schweres Parfüm. Es heißt »J'adore«. Das bedeutet so viel wie: Ich begehre dich. Irgendein Freak hat ihr das mal ungefragt zum Geburtstag geschenkt. Damit sprüht sie sich gerne von oben bis unten ein, um die Männer zu betören. Das ist ihr Hobby: Männer betören, bis sie vor ihr auf den Knien rumrutschen und darum betteln, wenigstens für eine halbe Stunde mit ihr zusammen sein zu dürfen. Irgendwann erbarmt sich meine Schwester ihrer, aber nur für ein paar Augenblicke, eben gerade so lang, bis die Typen von ihr abhängig sind und meinen, ohne sie nicht mehr leben zu können. In dem Moment serviert sie die dann so was von ab, dass denen Hören und Sehen vergeht. Meine Schwester serviert alle Männer ab, damit die niemals auf die Idee kommen, sie abzuservieren. Ziemlich clevere Taktik, wie ich finde. Das hätte ich mal bei Johannes machen sollen. Einfach abservieren. Zack. Dummerweise bin ich nur überhaupt nicht der Typ dafür. Ich richte die Wut grundsätzlich gegen mich selbst.
Nur einmal ist Cotschs Rechnung mit dem Abservieren nicht aufgegangen. Vorletztes Jahr hat nämlich tatsächlich ein Typ gewagt, sie abzuservieren: Antoine. Darum glaubt Cotsch bis heute, dass er ihre große Liebe war. Zur Info: Antoine lebt eigentlich bei seiner Mutter in der Provence. Doch vor zwei Jahren war er zu Besuch bei seinem Vater Gérard-Michel, der mit seiner dritten Ehefrau Dorle in unserer Nachbarschaft wohnt. Cotsch hat sich direkt in ihn verliebt und wollte zukünftig mit ihm ein kultiviertes Leben in Paris führen. Doch bevor es so weit kommen konnte, hat Papa Antoine eines Nachts in Cotschs Rüschenkissen erwischt und hochkant rausgeworfen. Danach hat Antoine sich nie wieder gemeldet. Nicht ein Mal! Dabei konnte meine arme Schwester ja gar nichts dafür. Ich würde sagen: Sie ist daran zerbrochen. Und nun zieht Johannes die gleiche Nummer bei mir ab. Mit dem Unterschied, dass ich nicht mal weiß, warum. Vermutlich werde auch ich an dieser Aktion zerbrechen. Scheiße, Leute! Ich bin doch gerade erst aus der Klinik gekommen! Da muss man doch ein bisschen Rücksicht auf mich nehmen!
Als ich die Schulter meiner Schwester nass geheult habe, biegt sie mich mit beiden Händen zurück und glotzt mir prüfend in die Augen. »He! Was ist los? Willst du zurück in die Klinik oder was?«
»Nein.«
»Was dann?«
Und bevor ich ins Detail gehen kann, ruft Mama schon mit ihrer hellen Stimme aus der Küche: »Constanze, bist du das?«
Meine Schwester rollt mit den Augen und brüllt zurück: »Nee, der Weihnachtsmann.« Dann guckt sie mich wieder an, wie ich so blöde rumzwinkere, um die schweren Tränen aus meinen Wimpern zu kriegen. »Also, warum heulst du?«
Ich sage: »Ich weiß nicht, wo Johannes ist.«
Cotsch zieht verächtlich die Augenbrauen hoch und macht eine wegwerfende Handbewegung. »Na und? Ist doch scheißegal.«
»Eigentlich wollte er mich vom Bahnhof abholen, aber er ist nicht gekommen.«
Meine Schwester zuckt lässig mit den Schultern. Die scheint das gar nicht zu kratzen. Sie meint nur: »Der Typ hat keinen Stil! Das ist sein Problem. Nicht deins!«
Ich höre gar nicht richtig hin. Ich sage: »Und zu Hause ist er auch nicht. Der war die ganze Nacht über nicht da.«
Jetzt nickt Cotsch wissend und senkt ihre Stimme ab. »Tja, Lelle, in dem Fall musst du der Wahrheit ins Auge sehen: Der pimpert gerade genüsslich eine andere.«
Und ich kriege automatisch Herzrhythmusstörungen. »Meinst du wirklich?«
Meine Schwester nickt, sodass ihre blonden Locken wippen, und klopft mir aufmunternd auf die Schulter. »Darauf kannst du Gift nehmen.«
Genau das werde ich tun. Ich gehe direkt in den Schuppen, trinke Papas knallorange Flasche mit dem Pflanzendünger aus und verrecke elendig daran. Cotsch klopft mir noch ein bisschen weiter auf der Schulter herum und meint schließlich mit so einem abgeklärten Unterton: »Lelle, der Typ hat dich nicht verdient. Der hat kein Gespür für Qualität. Bald kommt ein Neuer, der hoffentlich ein bisschen mehr Stil hat. Stil ist wichtig. Glaub mir.
Erstmals als cbt Taschenbuch April 2011
© 2009 cbt/cbj Verlag, München
Alle Rechte vorbehalten
Leute, ich bin wieder da. Bis heute Morgen war ich noch Stammgast in einer psychosomatischen Klinik, um meine Magersucht auszukurieren. Um ehrlich zu sein: Ich bin mir nicht sicher, ob es geklappt hat. Wie neugeboren fühle ich mich nicht gerade. Ich bin noch immer ganz die Alte, also: leicht melancholisch mit einem Hang zur Selbstzerstörung. Aus den Augenwinkeln beobachte ich Mama, die nervös in meinem Zimmer umherirrt und nicht weiß, was sie sagen soll. Mit psychisch Kranken - wie ich einer bin - ist es schließlich immer ein bisschen kniffelig umzugehen. Die ticken bekanntlich gerne mal aus.
In der Klinik habe ich solche Amokläufe hautnah miterlebt. Lustig waren die nicht. Eine von den Patientinnen hat sogar versucht, dem Chefarzt Doktor Wilhelm ein Stück aus dem Ohr rauszubeißen, nur weil sie in ihrem Zimmer die Pussycat Dolls nicht so laut hören durfte, wie sie wollte. Unter uns: Ich bin nicht der Typ fürs Ausrasten. Dafür aber meine Schwester Constanze, genannt Cotsch. Sie ist zwei Jahre älter als ich und droht gerne mal mit Selbstmord, um auf sich aufmerksam zu machen. Dann will sie sich von einer Autobahnbrücke runterwerfen oder Mamas gesamten Beruhigungsmittelvorrat auf einmal schlucken. Sie muss einfach immer im Mittelpunkt stehen. Dabei wurde sie vom Leben sowieso schon reich beschenkt. Sie hat wunderschöne blonde Locken, sie ist die Zweitbeste ihres Jahrgangs und die Jungs sind verrückt nach ihr. Trotzdem ist meine Schwester total verzweifelt. Ich glaube, sie sehnt sich nach Ruhm.
Ich bin ganz normal. Bis darauf, dass ich künstlerisch ziemlich begabt bin. Und weil ich diesen - ich nenne ihn jetzt mal: genialen - Funken in mir trage, muss ich mich therapieren lassen, um genauso behämmert und eindimensional zu werden wie alle anderen. Ich tröste mich damit, dass es auf der Welt schon immer so war: Die Genies wurden in die Irrenanstalt gesteckt, damit der Rest schön mittelmäßig sein konnte, ohne ständig darauf hingewiesen zu werden.
Jetzt bin ich wieder zu Hause und Mama legt ihren Arm in der hellblauen Bluse um mich. Sie meint mit feierlicher Stimme: »Herzlich willkommen zu Hause.«
Ich sage: »Ebenso.«
Was soll ich auch sonst sagen? Merci beaucoup? Das ist Französisch und heißt: Vielen Dank. Mama allerdings spricht nur Latein, die versteht das dann nicht. Also lächle ich lieb und gerade kommt mir alles ziemlich unwirklich vor. So als sei ich plötzlich von den Toten auferstanden oder nach hundert Jahren wieder aufgetaut worden. Manche Leute lassen sich ja wirklich - kurz bevor sie sterben - schockgefrieren, um sich später wieder auftauen zu lassen, wenn die Medizin so weit ist, dass sie ihnen ewiges Leben bescheren kann. Unter uns: Gerade würde ich mich auch gerne schockgefrieren lassen. Eigentlich wollte mich nämlich mein Freund Johannes - den ich sehr liebe - vom Bahnhof abholen. Aber ratet mal, wer nicht da war? Richtig! Johannes. Nur weiß ich leider nicht, warum. Und das macht mich, gelinde gesagt, etwas nervös. Mama übrigens auch. Die befürchtet, ich könnte einen Rückfall erleiden oder so. Darum überlegt sie schon die ganze Zeit, wie sie mich ruhigstellen kann. Um intensiver nachdenken zu können, bewegt sie sich rüber zum Fenster und guckt raus, in die orange gefärbten Rosenbüsche, deren Zweige in der Sonne über die Scheibe kratzen.
Leute, es wird Herbst. So viel ist mal sicher. Mama kaut angespannt an ihrem Daumennagel herum und meint schließlich: »Vielleicht ist Johannes krank.«
Und ich sage: »Pissnelke.«
Mama lächelt milde. »Ach, Schnuffelchen. Nun freue dich doch erst mal, dass du wieder zu Hause bist, und mach dich nicht von diesem unreifen Früchtchen abhängig. Er wird sich schon melden.«
»Der kann mich mal am Arsch lecken.«
Ich setze mich auf meine Bettkante, und in mir, da ist eine Wut, dass ich alles kurz und klein schlagen könnte. Das Aufreibendste ist, dass ich Johannes nicht mal erreiche, weil der Trollo sein Handy ausgeschaltet hat. Ich habe ihm natürlich längst auf die Mailbox gesprochen und höflich darum gebeten, dass er mich mal bitte anrufen möchte. Insgeheim stelle ich mir allerdings vor, wie ich ihm mit der Faust voll auf die Nase donnere.
Mama atmet tief ein, weil auch sie immer freundlich und geduldig bleibt, und meldet: »Na ja, ich decke dann mal im Garten den Kaffeetisch. Constanze kommt sicher gleich von ihrer Hip-Hop-Startanz-AG. Dann können wir Kuchen essen.«
Ich sage: »Okay.«
Obwohl ich jetzt schon weiß, dass ich keinen Apfelkuchen essen werde. So weit bin ich noch nicht geheilt, dass ich wahllos alles in mich reinstopfe. Und Mama taumelt aus dem Zimmer. Vermutlich wirft sie sich in der Küche erst mal eine von ihren Beruhigungspillen ein. Und ein paar Male haben Cotsch und ich die auch schon bekommen - wenn Mama Schiss hatte, dass wir die Nerven verlieren. Sogar Papa hat sie mal ein, zwei zerbröselte Pillen unter den Kartoffelbrei gemischt, nachdem Cotsch unser Auto versehentlich um einen Laternenmast gewickelt hatte. Beim Untermanschen hat Mama zu Cotsch und mir gemeint: »Das mit den Pillen dürft ihr Papa niemals sagen! Versprecht mir das! Niemals!«
Nun hocke ich hier wie eine trübe Tasse auf meiner Bettkante und starre rüber zu meinem Schreibtisch, wo die Postkarte von meiner Freundin Alina liegt, die sie mir aus ihrem Fuerteventura-Urlaub geschickt hat. Und dann steht da noch ein gerahmtes Urlaubsfoto von meiner Schwester und mir, auf dem wir beide auf zwei dänischen Ponys sitzen und riesige Reiterhelme aufhaben. Das Bild ist schon über zehn Jahre alt und wir beide sehen irgendwie richtig groovy aus. So als könnte uns nichts umhauen. Damals war ja auch noch alles in bester Ordnung. Da dachte ich, dass mir später mal alle Männer zu Füßen liegen werden. Von wegen. Bereits mein erster Freund - er hieß Arthur - hat mich knallhart sitzen lassen. Im Frühsommer ist er einfach nach Afrika gegangen, um für arme Kinder Hütten und Brunnen zu bauen. Dagegen ist ja an sich nichts einzuwenden, aber ich habe es ja auch nicht gerade leicht mit meinen Leuten. Die sind so was von kompliziert und nervenaufreibend. Trotzdem habe ich mich Arthur nicht in den Weg gestellt. Ich habe ihm auch keine Szene gemacht. Mama meint: »Das sollte man sich als Frau besser sparen.« Männer brauchen nämlich das Gefühl von Freiheit und Unverantwortlichkeit. Darum weiß ich auch nicht, wann Arthur wiederkommt.
Ich versuche wirklich, immer schön entspannt zu bleiben. Damit das einigermaßen klappt, habe ich mir für die Zeit seiner Abwesenheit einen neuen Freund zugelegt: Johannes. Nur der ist, wie bereits erwähnt, ebenfalls verschollen. Es wäre ja in Ordnung, wenn er einen grauenhaften Fahrradunfall gehabt hätte und jetzt mit schweren Knochenbrüchen im Krankenhaus läge. Dann würde ich ihm natürlich großmütig verzeihen und ihn gesund pflegen. Doch solange ich nicht weiß, was los ist, unterstelle ich ihm das Schlimmste.
Ich atme tief ein und sehe mich um. Nichts hat sich verändert seit meiner Abfahrt. Die Möbel stehen noch genauso wie vor drei Monaten, alles sieht gleich aus, außer dass Mama vor meiner Ankunft noch mal ordentlich durchgesaugt hat. Sogar auf den Blättern meiner Topfpflanze wurde der Staub entfernt. Auf der Fensterbank liegen meine selbst getöpferten Skulpturen - und weil ich so lange weg war, kann ich plötzlich riechen, wie es bei uns zu Hause riecht: nach Tee und Butterbonbons. Sehr angenehm, finde ich. Trotzdem rufe ich jetzt bei Johannes zu Hause an! Die Angelegenheit muss geklärt werden.
Wenn ich eins im Leben nicht ertragen kann, dann ist das Ungewissheit. Die macht mich fix und foxy. Auch wenn Mama sagt: »Du musst lernen, dich in Geduld zu üben.« Irgendwo muss Schluss sein!
Ich stehe vom Bett auf, gehe raus in den dämmrigen Flur, wo Mama liebevoll ganz viele von unseren früheren Kinderzeichnungen in hübschen Rahmen aufgehängt hat - zur Erinnerung an die Zeit, als noch alles harmonisch war. Die kleine Treppe runter, ins Wohnzimmer rein, wo ein schöner Blumenstrauß auf dem Esstisch steht, über den flauschigen Teppich, hin zum Telefon. Im Garten stellt Mama gerade die Kuchenteller auf den Tisch und winkt mir aufmunternd durch die große Fensterscheibe zu. Sie tut echt alles, damit ich mich geborgen fühle. So ist Mama. Die beste auf der ganzen Welt. Ich ziehe eine fröhliche Grimasse, damit sie denkt, dass alles in bester Ordnung ist. Sie soll sich ja auch mal entspannen. Als ich Johannes' Zuhause-Nummer wähle, zittern meine Hände. Was, wenn er nicht da ist? Nach dem zweiten Tuten wird endlich am anderen Ende der Hörer abgenommen.
Seine Mutter ist dran: »Ja? Bachmann?«
Ich versuche, meine Stimme cool klingen zu lassen. Muss ja nicht jeder merken, dass ich kurz vor dem Nervenzusammenbruch stehe. »Hallo. Hier ist Lelle.«
»Elisabeth! Bist du wieder da?«
»Ja. Ist Johannes zu Hause?«
»Leider nicht. Wie geht es dir denn? Hast du dich gut erholt?«
Nein. Aber das tut gerade nichts zur Sache. Erst will ich Klarheit. »Wo ist er denn?«
Und schon stottert sie rum: »Ja, keine Ahnung. Ich habe auch schon versucht, ihn auf dem Handy zu erreichen. Aber das ist abgestellt. Drüben bei Samuel habe ich es auch schon probiert. Der weiß auch nichts.«
Ich kotze. Mama kommt mit umgebundener Schürze wieder rein und guckt mich komisch an. Ich mache so eine Handbewegung, dass sie weiß, dass sie mich jetzt bitte nicht ablenken soll. Also verschwindet sie zögernd in die Küche. Und ich quietsche mit dünner Stimme in den Hörer: »Okay, danke.«
Johannes' Mutter spürt wohl, dass ich echt am Abgrund entlangwanke. Darum meint sie: »Tut mir leid, Lelle. Falls du etwas von ihm hörst, sag ihm bitte, er soll sich melden. Ich mache mir nämlich auch langsam Sorgen.«
»Mache ich ... Seit wann ist er denn weg?«
»Na ja ...«
Plötzlich muss sich Johannes' Mutter ziemlich räuspern, als hätte sie einen gewaltigen, nicht zu bezwingenden Frosch im Hals. »Er ist gestern Abend zur Bandprobe gegangen und danach ist er irgendwie nicht mehr nach Hause gekommen.«
»Verstehe.«
Frau Bachmann räuspert sich schon wieder. »Lelle?« »Ja?«
»Komm uns trotzdem ab und an besuchen, ja?«
Ich lege den Hörer auf und heule los. Auf der Stelle. Die Tränen spritzen mir im hohen Bogen aus den Augen und ich weiß: Alles ist aus! Und wie ich da gekrümmt neben dem Telefontischchen stehe und versuche, den Hörer wieder anständig auf die Gabel zu legen, kommt meine strahlende Schwester Cotsch durch den herbstlichen Garten ins Wohnzimmer gerauscht. Sie hat wie immer die engsten Jeans an, die es bei Miss Sixty zu kaufen gibt. Dazu einen noch engeren Pulli, sodass sie eigentlich gleich nackt rumlaufen könnte.
Sie schmeißt ihre riesige Sporttasche aufs Sofa und fragt voller Mitgefühl: »He, Lelle! Was gibt's zu heulen?«
Dann nimmt sie mich in den Arm und drückt mich fest an sich. Das tut gut. Ihre Locken kitzeln mich im Gesicht und ich rieche ihr schweres Parfüm. Es heißt »J'adore«. Das bedeutet so viel wie: Ich begehre dich. Irgendein Freak hat ihr das mal ungefragt zum Geburtstag geschenkt. Damit sprüht sie sich gerne von oben bis unten ein, um die Männer zu betören. Das ist ihr Hobby: Männer betören, bis sie vor ihr auf den Knien rumrutschen und darum betteln, wenigstens für eine halbe Stunde mit ihr zusammen sein zu dürfen. Irgendwann erbarmt sich meine Schwester ihrer, aber nur für ein paar Augenblicke, eben gerade so lang, bis die Typen von ihr abhängig sind und meinen, ohne sie nicht mehr leben zu können. In dem Moment serviert sie die dann so was von ab, dass denen Hören und Sehen vergeht. Meine Schwester serviert alle Männer ab, damit die niemals auf die Idee kommen, sie abzuservieren. Ziemlich clevere Taktik, wie ich finde. Das hätte ich mal bei Johannes machen sollen. Einfach abservieren. Zack. Dummerweise bin ich nur überhaupt nicht der Typ dafür. Ich richte die Wut grundsätzlich gegen mich selbst.
Nur einmal ist Cotschs Rechnung mit dem Abservieren nicht aufgegangen. Vorletztes Jahr hat nämlich tatsächlich ein Typ gewagt, sie abzuservieren: Antoine. Darum glaubt Cotsch bis heute, dass er ihre große Liebe war. Zur Info: Antoine lebt eigentlich bei seiner Mutter in der Provence. Doch vor zwei Jahren war er zu Besuch bei seinem Vater Gérard-Michel, der mit seiner dritten Ehefrau Dorle in unserer Nachbarschaft wohnt. Cotsch hat sich direkt in ihn verliebt und wollte zukünftig mit ihm ein kultiviertes Leben in Paris führen. Doch bevor es so weit kommen konnte, hat Papa Antoine eines Nachts in Cotschs Rüschenkissen erwischt und hochkant rausgeworfen. Danach hat Antoine sich nie wieder gemeldet. Nicht ein Mal! Dabei konnte meine arme Schwester ja gar nichts dafür. Ich würde sagen: Sie ist daran zerbrochen. Und nun zieht Johannes die gleiche Nummer bei mir ab. Mit dem Unterschied, dass ich nicht mal weiß, warum. Vermutlich werde auch ich an dieser Aktion zerbrechen. Scheiße, Leute! Ich bin doch gerade erst aus der Klinik gekommen! Da muss man doch ein bisschen Rücksicht auf mich nehmen!
Als ich die Schulter meiner Schwester nass geheult habe, biegt sie mich mit beiden Händen zurück und glotzt mir prüfend in die Augen. »He! Was ist los? Willst du zurück in die Klinik oder was?«
»Nein.«
»Was dann?«
Und bevor ich ins Detail gehen kann, ruft Mama schon mit ihrer hellen Stimme aus der Küche: »Constanze, bist du das?«
Meine Schwester rollt mit den Augen und brüllt zurück: »Nee, der Weihnachtsmann.« Dann guckt sie mich wieder an, wie ich so blöde rumzwinkere, um die schweren Tränen aus meinen Wimpern zu kriegen. »Also, warum heulst du?«
Ich sage: »Ich weiß nicht, wo Johannes ist.«
Cotsch zieht verächtlich die Augenbrauen hoch und macht eine wegwerfende Handbewegung. »Na und? Ist doch scheißegal.«
»Eigentlich wollte er mich vom Bahnhof abholen, aber er ist nicht gekommen.«
Meine Schwester zuckt lässig mit den Schultern. Die scheint das gar nicht zu kratzen. Sie meint nur: »Der Typ hat keinen Stil! Das ist sein Problem. Nicht deins!«
Ich höre gar nicht richtig hin. Ich sage: »Und zu Hause ist er auch nicht. Der war die ganze Nacht über nicht da.«
Jetzt nickt Cotsch wissend und senkt ihre Stimme ab. »Tja, Lelle, in dem Fall musst du der Wahrheit ins Auge sehen: Der pimpert gerade genüsslich eine andere.«
Und ich kriege automatisch Herzrhythmusstörungen. »Meinst du wirklich?«
Meine Schwester nickt, sodass ihre blonden Locken wippen, und klopft mir aufmunternd auf die Schulter. »Darauf kannst du Gift nehmen.«
Genau das werde ich tun. Ich gehe direkt in den Schuppen, trinke Papas knallorange Flasche mit dem Pflanzendünger aus und verrecke elendig daran. Cotsch klopft mir noch ein bisschen weiter auf der Schulter herum und meint schließlich mit so einem abgeklärten Unterton: »Lelle, der Typ hat dich nicht verdient. Der hat kein Gespür für Qualität. Bald kommt ein Neuer, der hoffentlich ein bisschen mehr Stil hat. Stil ist wichtig. Glaub mir.
Erstmals als cbt Taschenbuch April 2011
© 2009 cbt/cbj Verlag, München
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Autoren-Porträt von Alexa Hennig Von Lange
Alexa Hennig von Lange, geb. 1973 in Hannover, begann bereits mit acht Jahren zu schreiben. 1997 erschien ihr Debütroman 'Relax', mit dem sie über Nacht zu einer der erfolgreichsten Autorinnen und zur Stimme ihrer Generation wurde. Es folgten zahlreiche Romane für Erwachsene wie Kinder, außerdem Erzählungen und Theaterstücke. Alexa Hennig von Lange lebt mit ihren beiden Kindern in Berlin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Alexa Hennig Von Lange
- Altersempfehlung: 13 - 16 Jahre
- 2011, 190 Seiten, Maße: 12,5 x 18,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: cbt
- ISBN-10: 3570307484
- ISBN-13: 9783570307489
- Erscheinungsdatum: 21.03.2011
Rezension zu „Leute, mein Herz glüht / Die Lelle-Romane Bd.2 “
"Alexa Hennig von Lange erzählt mit suggestiver Kraft." (Neue Zürcher Zeitung)"Kein Satz ist überflüssig! Das ist so anrührend und echt, wie man es nur selten bei jungen deutschen Autoren lesen konnte." (WELT online)
Kommentar zu "Leute, mein Herz glüht / Die Lelle-Romane Bd.2"
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