Maskenspiele
Eine venezianische Affäre
Andrea di Robilants Vater machte eine sensationelle Entdeckung: Auf dem Dachboden des Familien-Palazzos am venezianischen Canal Grande fand er eine modrige Kiste voller Briefe, übersäht mit Weinflecken und Siegelwachs. Es waren mehr als hundert Briefe, die...
Leider schon ausverkauft
Buch
0.44 €
Produktdetails
Produktinformationen zu „Maskenspiele “
Andrea di Robilants Vater machte eine sensationelle Entdeckung: Auf dem Dachboden des Familien-Palazzos am venezianischen Canal Grande fand er eine modrige Kiste voller Briefe, übersäht mit Weinflecken und Siegelwachs. Es waren mehr als hundert Briefe, die in den fünfziger und sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts geschrieben wurden. Sie erzählen die Geschichte einer nicht standesgemäßen Lieben zwischen dem venezianischen Edelmann Andrea Memmo und einer protestantischen, noch dazu unehelich geborenen Halbengländerin, Giustiniana Wynne. Diese Briefe, die in "Maskenspiele" erstmals veröffentlicht werden, vervollständigen ein Liebesdrama, das bisher nur durch die Andeutungen in Giacomo Casanovas Memoiren bekannt war. "Nie hätte ich geglaubt, dass mir gegeben sei, mit solcher Heftigkeit zu lieben", schreibt Giustiniana zu Anfang der langjährigen Affäre. Doch das Paar kann nicht häufig zusammenkommen, meist können sie sich ihre Gefühle nur in Briefe versichern. In diesen Briefen berichten sie zugleich von ihrem Alltag: Andrea erzählt von seiner Montesquieu-Lektüre und Giustiniana von ihren Besuchen im Ridotto, einem der beliebtesten Salons zu jener Zeit, als sich Venedig dauerhaft im Festtaumel des Karnevals befand. So wird in "Maskenspiele" nicht nur Zeugnis von einer wahren, längst vergangenen Liebe abgelegt, sondern auch ein äußerst farbenprächtiges Bild von Venedigs Glanzepoche entworfen.
Klappentext zu „Maskenspiele “
Andrea di Robilants Vater machte eine sensationelle Entdeckung: Auf dem Dachboden des Familien-Palazzos am venezianischen Canal Grande fand er eine modrige Kiste voller Briefe, übersäht mit Weinflecken und Siegelwachs. Es waren mehr als hundert Briefe, die in den fünfziger und sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts geschrieben wurden. Sie erzählen die Geschichte einer nicht standesgemäßen Lieben zwischen dem venezianischen Edelmann Andrea Memmo und einer protestantischen, noch dazu unehelich geborenen Halbengländerin, Giustiniana Wynne. Diese Briefe, die in "Maskenspiele" erstmals veröffentlicht werden, vervollständigen ein Liebesdrama, das bisher nur durch die Andeutungen in Giacomo Casanovas Memoiren bekannt war. "Nie hätte ich geglaubt, dass mir gegeben sei, mit solcher Heftigkeit zu lieben", schreibt Giustiniana zu Anfang der langjährigen Affäre. Doch das Paar kann nicht häufig zusammenkommen, meist können sie sich ihre Gefühle nur in Briefe versichern. In diesen Briefen berichten sie zugleich von ihrem Alltag: Andrea erzählt von seiner Montesquieu-Lektüre und Giustiniana von ihren Besuchen im Ridotto, einem der beliebtesten Salons zu jener Zeit, als sich Venedig dauerhaft im Festtaumel des Karnevals befand. So wird in "Maskenspiele" nicht nur Zeugnis von einer wahren, längst vergangenen Liebe abgelegt, sondern auch ein äußerst farbenprächtiges Bild von Venedigs Glanzepoche entworfen.
Lese-Probe zu „Maskenspiele “
Am frühen Abend passte Andrea Giustiniana beim Theater ab. In ihrem brokatverzierten, festlichen Umhang sah sie blendend aus, und die ängstliche Erregung, mit der sie nach ihm Ausschau hielt, ließ sie anziehender denn je erscheinen. Sie lächelte, als sie ihn sah; aus sicherer Entfernung gaben sie einander Zeichen, ohne das Misstrauen Anna Wynnes zu wecken. Nach der Vorstellung folgte Andrea Mutter und Tochter zum Ridotto, wobei er sich in den engen Straßen dicht an den Hausmauern hielt und nervös nach vorn spähte. Inmitten der Schar maskierter Männer und Frauen, die sich zu später Stunde in den Spielsalons um die Faro-Tische drängten, war es sehr viel schwerer, Mistress Anna nicht über den Weg zu laufen. Immer wieder kam sie aus einem schattigen Winkel der von Kerzen erleuchteten Räume heraus, und ihn plagte die Furcht, sie könnte sich unvermittelt auf ihn stürzen und ihm eine schreckliche Szene machen. Zermürbt gab er schließlich auf und machte sich auf den Heimweg, ohne Giustiniana einen Augenblick lang für sich allein gehabt zu haben.In jener Nacht fand er kaum Schlaf; ruhelos wälzte er sich im Bett und stellte sich die Frage, ob er das Ridotto allzu abrupt verlassen und Giustiniana die Gründe für seinen Abgang nicht hinreichend deutlich gemacht hatte. Am nächsten Morgen stand er früh auf und schrieb ihr sofort einen Brief:
Meine Geliebte,
ich brenne darauf zu erfahren, ob deine Mutter am gestrigen Abend etwas bemerkt hat - eine Unbesonnenheit gleich welcher Art von meiner Seite - und ob du selbst denn ganz zufrieden warst oder Grund zur Verstimmung spürtest. Alles ist so ungewiss. Im Theater wollte es ja noch angehen, doch im Ridotto - ich weiß nicht, wie es im Ridotto ausgegangen ist. Solange deine Mutter sich in meiner Nähe aufhielt, versuchte ich mich zu verbergen, wie du wohl bemerkt hast. Und sei versichert, dass ich mich dir nur darum nicht zeigte, weil Mistress Anna zu mir hinsah. Sobald ihr die Salons verließet, sah ich unsere Tyrannin nicht
... mehr
länger und glaubte, wir seien ihrer auf Dauer ledig - deine Gebärden schienen dies anzudeuten. (...) Ich wollte mich jedoch selbst davon überzeugen, und als ich sie dann erneut am Spieltisch erblickte, hielt ich es angesichts der wenigen Leute im Ridotto für das Beste, ihr ganz aus den Augen zu gehen.
Mit ihrem Verbot jeglichen Kontakts zwischen den Liebenden hoffte Mistress Anna zweifellos, die Leidenschaft, die im Haus von Konsul Smith begonnen hatte, würde verlöschen, bevor ihre Tochter unrettbaren Schaden nähme. Doch riss sie die beiden gerade in dem Moment auseinander, als sie sich ernsthaft ineinander verliebten. Ihr Verlangen, beisammen zu sein, war stärker als alle Hindernisse, die sie ihnen in den Weg legen konnte; und der Kitzel einer verbotenen Liebschaft trieb sie nur noch mehr zusammen. Andrea fühlte sich durch Mistress Annas rigide Überwachung und ihre generelle Missbilligung lediglich "umso stärker" zu Giustiniana hingezogen. Und tatsächlich konnte von einer Trennung nach Mistress Annas Bannspruch keine Rede sein. Die beiden hielten fieberhafter denn je Ausschau nacheinander, sie betrieben ein nervenaufreibendes Versteckspiel in Venedigs Straßen, im Theater und unter den Nachtschwärmern im Ridotto.
Man tut sich leicht, Mistress Anna als hartherzige, überstrenge Mutter abzustempeln - als Tyrannin, in den Worten der Liebenden. Doch hatte sie dafür gute Gründe. Als erfahrene Frau, die sich ihre ehrbare Position hart erkämpft hatte, verstand sie sich bestens auf die verzwickten Mechanismen der venezianischen Gesellschaft, die vor allem von den Interessen der führenden Familien bestimmt wurden. Auch begriff sie wohl, welche besondere Stellung Andrea innerhalb jener Gesellschaft zukam - und welchen ernst zu nehmenden Gegner er im Kampf um die Unschuld ihrer Tochter darstellte.
Historiker haben die Abstammungslinie von Andreas Familie bis zur römischen gens Memmia zurückverfolgt. Im achten Jahrhundert zählten die Memmos zu Venedigs Gründern. Bereits im Jahr 979 stieg ein Memmo zum Dogen auf, und über die folgenden acht Jahrhunderte hinweg versorgte die Familie die Republik zuverlässig mit Staatsmännern und hochrangigen Staatsbediensteten. Noch zu Andreas Zeit verfügte sie über enormen politischen Einfluss in Venedig. Nur etwa ein Drittel der rund zweihundert in der Stadt ansässigen Patrizierfamilien hatte Regierungsposten inne - der Rest war zu politischer Bedeutungslosigkeit verkommen. Die Hälfte dieses Drittels - insgesamt etwa dreißig Familien - war einflussreich genug, um gleichzeitig mit mehreren Mitgliedern in den diversen Ämtern vertreten zu sein. Zweifellos zählten die Memmos zu dieser Gruppe - eine Elite innerhalb der Elite. Dabei gehörten sie nicht zu den Reichsten. Um 1750 waren ihre jährlichen Bezüge auf rund sechstausend Dukaten zurückgegangen; um die Aufwendungen, die von einer Familie ihres Ansehens wie selbstverständlich erwartet wurden, erbringen zu können, wäre mindestens die doppelte Summe erforderlich gewesen (die wohlhabendsten Familien verfügten über das Zehnfache). Ihre Ländereien auf dem Festland brachten den Memmos jedoch mit Mühe und Not eben das ein, was sie zum standesgemäßen Unterhalt des großen Familienpalazzo Ca'Memmo am westlichen Ende des Canal Grande benötigten.
Andreas Vater, Pietro Memmo, war ein sanftmütiger, rechtschaffener Mann, der seit langem an einer schwächlichen Konstitution litt. Seine Mutter, Lucia Pisani, entstammte einer wohlhabenden Familie, der die Republik ihren bedeutendsten und beliebtesten Admiral verdankte: den Hitzkopf Vettor Pisani, der Venedig im vierzehnten Jahrhundert vor den Genuesen rettete. Pietro war stets distanziert - Andrea und er hatten einander nicht viel zu sagen -, und auch Lucia unterhielt kein besonders herzliches Verhältnis zu ihren Kindern. Ihre recht steife Art war nicht untypisch für die konservativeren Patrizierinnen jener Zeit. Dennoch war sie von den beiden Ehegatten bei weitem die Lebhaftere; ihr stand Andrea näher als seinem Vater. Nur einem Familienmitglied war er wirklich zugetan: seiner um sechs Jahre älteren Schwester Marina, einer empfindsamen, warmherzigen jungen Frau, der er sich jederzeit anvertrauen konnte. Die beiden Brüder, Bernardo und Lorenzo, waren ein beziehungsweise vier Jahre jünger als Andrea. Aufgrund des geringen Altersunterschieds verbrachten die heranwachsenden Jungen viel Zeit miteinander. Außerdem hatte Andrea noch eine jüngere Schwester, Contarina.
Als Familienoberhaupt fungierte Andreas Onkel Andrea Memmo, der wegen seines Mutes und seiner Charakterstärke von allen Seiten verehrt wurde; er hatte 1713 als damaliger Botschafter in Konstantinopel Haft und Folter durch die Türken überstanden. Andrea der Ältere hatte sich um die Republik überaus verdient gemacht und als procuratore di San Marco das nach dem Dogen prestigeträchtigste Regierungsamt innegehabt. Der erfahrene Staatsmann und gefragte Berater genoss auch im Ruhestand weiterhin hohes Ansehen und galt bei seinen Standesgenossen als "wohl bedeutendster Experte in allen Venedig betreffenden Angelegenheiten". Er verstarb 1754 im Alter von sechsundachtzig Jahren - kurz nachdem sich Andrea und Giustiniana ineinander verliebt hatten.
Andreas Onkel regierte die Familie über Jahrzehnte hinweg mit sicherer Hand und behielt dabei von politischen Verknüpfungen über Geschäftsentscheidungen und häusliche Aufwendungen bis hin zur Erziehung der jungen Memmos alles im Blick. Unter seiner langen Ägide galt Ca'Memmo als Hort der Tradition, in dem zugleich auch fortschrittliche Schriftsteller, Künstler und Komponisten stets willkommen waren. Die neuen Gedankenströmungen aus Paris, insbesondere die politischen Schriften Montesquieus (dank der venezianischen Vorliebe für alles, was mit dem Räderwerk der Herrschaftssysteme zu tun hatte), lieferten Stoff für angeregte Debatten an der Abendtafel. Der bedeutende Theaterautor Carlo Goldoni fand sich als enger Freund der Memmos häufig bei ihnen zum Mittagessen ein. Das Gleiche galt für den deutschen Komponisten Johann Adolf Hasse, den "göttlichen Sachsen" und Ehemann der Diva Faustina Bordoni; er leitete das Musikkonservatorium der incurabili, eines Hospizes, in dem Waisenkinder Unterricht in Musik und Gesang erhielten.
Schon sehr früh hatte Andrea der Ältere seinen Lieblingsneffen und Namensvetter zum Nachfolger auserkoren. Mit den Jahren impfte er ihm ein Pflichtbewusstsein gegenüber Familie und Nation ein, das ihm lebenslang gegenwärtig blieb. Und er bereitete ihn vor auf seine Laufbahn im Dienst "unserer weisen venezianischen Republik, die größte und prächtigste Königreiche wanken und zu Fall kommen sah und inmitten aller Unbill, die anderen widerfuhr, selbst doch sicher zu bestehen vermochte."
Den ersten regulären Unterricht erteilte Andrea der Karmelitermönch Eugenio Mecenati, der in diversen Patrizierfamilien als Lehrer tätig war. Doch geistig wachgerüttelt wurde er erst vom Feuer und Charisma des Franziskanermönchs Carlo Lodoli, der sich in den Vierzigerjahren als umstrittener Denker in Venedig einen Namen machte. Er brillierte in Lehre wie Forschung und disputierte mit seinen Schülern gleichermaßen gewandt über Astronomie, Philosophie und Nationalökonomie. Sein Steckenpferd war die Architektur; auf diesem Feld entwickelte er, ausgehend von utilitaristischen Prinzipien, eigene visionäre Theorien über Form und Funktion. Mit seiner härenen Kutte und seiner abgerissenen, ungepflegten Erscheinung hatte Lodoli etwas durchaus Furchteinflößendes an sich: "Sein rotfleckiges Gesicht, die wilde Mähne, der wuchernde, scheckige Bart, die Augen wie zwei glühende Kohlenstücke - viel fehlte nicht, um die zarter besaiteten Gemüter ins Bockshorn zu jagen", erinnerte sich Andrea viele Jahre später. Lodolis Schüler kamen aus den aufgeklärteren Familien Venedigs. Er verfasste selbst keine Bücher, sondern hielt sie durch seine Persönlichkeit und seine sokratischen "Gespräche" in Bann. Oberstes Anliegen war ihm, den jungen Patriziern "den Verstand zu öffnen". Den venezianischen Behörden war der starke Einfluss, den der Mönch auf die ihm anvertrauten Jünglinge ausübte, ein Dorn im Auge. Doch trotz gegenteiliger Vermutungen seitens konservativer Kritiker wollte Lodoli die bestehende politische Ordnung nicht etwa umstürzen, sondern sie vervollkommnen - indem er an den jungen Männern feilte, die der Staat bald in seinen Dienst berufen würde.
Andrea verehrte Lodoli zeitlebens, auch wenn die moralische Rigorosität und die asketische Lebenshaltung des Franziskaners ihm zu schaffen machten. Es lässt sich unschwer begreifen, warum Andreas sinnliche Seite in Lodolis Gegenwart gewissermaßen verkümmerte - und er darum immer mehr Zeit im prächtigen, musealen Palast von Konsul Smith verbrachte, der nur einen kurzen Fußweg von Ca'Memmo entfernt am Canal Grande lag. Stundenlang studierte er die imposante Sammlung von Gemälden und Skulpturen, die der Konsul in dreißig Jahren zusammengetragen hatte, und vergrub sich in der Bibliothek, einem wahren Schatz klassischer und moderner Werke in schön gebundenen Ausgaben.
Smith war zu Beginn des Jahrhunderts nach Venedig gekommen, als die Stadt noch zahlreiche Kaufleute und Geschäftsmänner aus dem Ausland anlockte. In seiner anfänglichen Tätigkeit für das Unternehmen seines englischen Landsmannes Thomas Williams war er so erfolgreich, dass er einige Jahre später, als Williams sich aus dem Geschäftsleben zurückzog und nach England heimkehrte, seine Nachfolge antrat. So erwarb sich Smith als Zwischenhändler für Waren aus dem Orient, die er venezianischen Händlern abnahm und auf dem englischen Markt weiterverkaufte, ein beträchtliches Vermögen. 1717 heiratete er die bekannte Sängerin Catherine Tofts, die sich vor ihrer Übersiedlung nach Venedig bereits auf den Londoner Bühnen einen Namen gemacht hatte. Sie verfügte über eigenes Vermögen und gute Beziehungen und war damit in den ersten Jahren ihrer Ehe zweifellos die Attraktion des Hauses Smith. Mit der Zeit jedoch zog sie sich immer mehr aus dem gesellschaftlichen Leben zurück; vermutlich kam sie nie über den Verlust ihres einzigen Sohnes John hinweg, der 1727 im Alter von sechs Jahren starb.
Da sein Unternehmen florierte, erwarb Smith schließlich den Palazzo Balbi, in dem er seit seinem Eintreffen in Venedig wohnte. Er beauftragte einen befreundeten Protegé, den Künstler Antonio Visentini, mit der Umgestaltung der Fassade. Nach einiger Mauschelei innerhalb der englischen Gemeinde Venedigs und zahlreichen Eingaben bei der Regierung in London durfte er sich ab 1740 endlich Konsul nennen. Der Titel des Botschafters (British resident) jedoch blieb ihm zu seinem großen Verdruss zeitlebens verwehrt.
Konsul Smith wäre vermutlich längst vergessen, wenn er seine Tätigkeit nicht - mit großem Erfolg - auf den Kunsthandel ausgeweitet hätte. Viele Künstler hatten ihre Ateliers ganz in der Nähe seines Hauses, und er machte es sich zur Gewohnheit, bei ihnen vorbeizuschauen. Smith hatte einen guten Blick und genoss es, in freundschaftlicher Atmosphäre ein wenig zu feilschen. Er erwarb schöne allegorische Darstellungen von Sebastiano Ricci und Giovanni Battista Tiepolo, großartige Ansichten von Francesco Guardi, intime venezianische Szenerien von Pietro Longhi und etliche vorzügliche Porträts von Rosalba Carriera. Am meisten bewunderte er Canalettos luzide, detailreiche Stadtansichten; im Lauf der Jahre entwickelte sich zwischen dem englischen Händler und dem großen venezianischen vedutista eine enge Geschäftsbeziehung.
Smith vereinte den Blick des Kunstliebhabers mit der Denkweise des Kaufmanns. Ihm war bewusst, dass er in einer außergewöhnlichen künstlerischen Blütezeit lebte und eine einzigartige Position innehatte, die ihm erlaubte, sein Mäzenatentum in klingende Münze umzusetzen. Er ließ von seinen bevorzugten Schützlingen Auftragswerke fertigen und verkaufte sie an begüterte Aristokraten in Großbritannien weiter, wo das Sammeln von Kunst gerade groß in Mode kam. (Den von ihm besonders geliebten Canaletto vermarktete er so erfolgreich, dass dieser schließlich nach London zog, um dort für einen immer größer werdenden Käuferkreis Ansichten der Themse zu malen.) Im Rahmen seiner Tätigkeit legte sich Smith eine eigene Sammlung zu und reicherte sie mit bedeutenden Gemälden alter Meister an. Die Wände seines Palazzo zierten Werke von Giovanni Bellini, Jan Vermeer, Rembrandt van Rijn, Anthonis van Dyck und Peter Paul Rubens. Seine wahre Passion jedoch galt, mehr noch als der Kunst, der Welt der Bücher. Er partizipierte an dem Verlagsboom, den Venedig um diese Zeit erlebte, und erwarb wertvolle Klassikerausgaben sowie Originalmanuskripte und -zeichnungen. Smith investierte Kapital in Giovanni Battista Pasqualis Grafik- und Buchhandlung; gemeinsam verlegten sie die Werke von John Locke, Charles de Montesquieu, Voltaire, Jean-Jacques Rousseau, Denis Diderot und den Ko-Autoren der Encyclopédie (deren erste Bände 1751 erschienen). Pasqualis Geschäft wurde bald zum bevorzugten Treffpunkt des wachsenden venezianischen Lesepublikums. "Nachdem wir uns an der frischen Luft erquickt und an den Schönheiten des Markusplatzes ergötzt hatten", schrieb der französische Reisende Pierre Jean Grosley, "begaben wir uns für gewöhnlich zu Pasquali oder einem anderen Buchhändler, den üblichen Treffpunkten für Fremde und Adlige. Die Unterhaltungen sind dort häufig mit jenem typisch venezianischen Salz gewürzt, in dem sich die klare Rede Attikas mit französischen Kapriolen vermengt, ohne an Eigenheit zu verlieren."
Smith überführte gewissermaßen das, was bei Pasquali geboten wurde, in ein eleganteres Ambiente. Bei ihm traf sich der kleine Kreis der englischsprachigen Gemeinde (und so bewahrte sich sein Salon stets ein eigentümlich englisches Flair). Weit bedeutsamer jedoch war Smiths Salon für aufklärerisch gesinnte Künstler, Intellektuelle und venezianische Patrizier, die dort in geselliger Atmosphäre zusammenfanden. Zu den häufigen Gästen im Palazzo Balbi zählte Carlo Goldoni; sein Theaterstück Il filosofo inglese widmete er Smith. In seinem schmeichelhaften Vorwort schrieb er: "Wer Euer Haus betritt, findet dort Kunst und Wissenschaft aufs Schönste vereint. Ihr seid nicht bloß ein Liebhaber, der sich auf bewundernde Blicke beschränkt, sondern ein wahrer Kenner und als solcher darauf bedacht, anderen den Sinn und die Schönheit Eurer Kunstschätze nahe zu bringen. Euer guter Geschmack und Eure erlesenen Kenntnisse haben Euch eingegeben, nur das Schönste zu wählen, und Eure Hochherzigkeit hat Euch ermutigt, es zu erwerben." Andrea verbrachte viele glückliche Tage im Palazzo Balbi. In der Bibliothek des Konsuls machte er sich mit den Theorien des römischen Architekten Vitruv vertraut, die maßgeblichen Einfluss auf die Baukunst der Renaissance ausgeübt hatten. Er studierte die Skizzen von Palladio und brütete über dem neuesten Band der Encyclopédie - er hatte sich angewöhnt, lange Passagen daraus abzuschreiben, um den Geist der französischen Aufklärung ganz in sich aufzusaugen.
Mit ihrem Verbot jeglichen Kontakts zwischen den Liebenden hoffte Mistress Anna zweifellos, die Leidenschaft, die im Haus von Konsul Smith begonnen hatte, würde verlöschen, bevor ihre Tochter unrettbaren Schaden nähme. Doch riss sie die beiden gerade in dem Moment auseinander, als sie sich ernsthaft ineinander verliebten. Ihr Verlangen, beisammen zu sein, war stärker als alle Hindernisse, die sie ihnen in den Weg legen konnte; und der Kitzel einer verbotenen Liebschaft trieb sie nur noch mehr zusammen. Andrea fühlte sich durch Mistress Annas rigide Überwachung und ihre generelle Missbilligung lediglich "umso stärker" zu Giustiniana hingezogen. Und tatsächlich konnte von einer Trennung nach Mistress Annas Bannspruch keine Rede sein. Die beiden hielten fieberhafter denn je Ausschau nacheinander, sie betrieben ein nervenaufreibendes Versteckspiel in Venedigs Straßen, im Theater und unter den Nachtschwärmern im Ridotto.
Man tut sich leicht, Mistress Anna als hartherzige, überstrenge Mutter abzustempeln - als Tyrannin, in den Worten der Liebenden. Doch hatte sie dafür gute Gründe. Als erfahrene Frau, die sich ihre ehrbare Position hart erkämpft hatte, verstand sie sich bestens auf die verzwickten Mechanismen der venezianischen Gesellschaft, die vor allem von den Interessen der führenden Familien bestimmt wurden. Auch begriff sie wohl, welche besondere Stellung Andrea innerhalb jener Gesellschaft zukam - und welchen ernst zu nehmenden Gegner er im Kampf um die Unschuld ihrer Tochter darstellte.
Historiker haben die Abstammungslinie von Andreas Familie bis zur römischen gens Memmia zurückverfolgt. Im achten Jahrhundert zählten die Memmos zu Venedigs Gründern. Bereits im Jahr 979 stieg ein Memmo zum Dogen auf, und über die folgenden acht Jahrhunderte hinweg versorgte die Familie die Republik zuverlässig mit Staatsmännern und hochrangigen Staatsbediensteten. Noch zu Andreas Zeit verfügte sie über enormen politischen Einfluss in Venedig. Nur etwa ein Drittel der rund zweihundert in der Stadt ansässigen Patrizierfamilien hatte Regierungsposten inne - der Rest war zu politischer Bedeutungslosigkeit verkommen. Die Hälfte dieses Drittels - insgesamt etwa dreißig Familien - war einflussreich genug, um gleichzeitig mit mehreren Mitgliedern in den diversen Ämtern vertreten zu sein. Zweifellos zählten die Memmos zu dieser Gruppe - eine Elite innerhalb der Elite. Dabei gehörten sie nicht zu den Reichsten. Um 1750 waren ihre jährlichen Bezüge auf rund sechstausend Dukaten zurückgegangen; um die Aufwendungen, die von einer Familie ihres Ansehens wie selbstverständlich erwartet wurden, erbringen zu können, wäre mindestens die doppelte Summe erforderlich gewesen (die wohlhabendsten Familien verfügten über das Zehnfache). Ihre Ländereien auf dem Festland brachten den Memmos jedoch mit Mühe und Not eben das ein, was sie zum standesgemäßen Unterhalt des großen Familienpalazzo Ca'Memmo am westlichen Ende des Canal Grande benötigten.
Andreas Vater, Pietro Memmo, war ein sanftmütiger, rechtschaffener Mann, der seit langem an einer schwächlichen Konstitution litt. Seine Mutter, Lucia Pisani, entstammte einer wohlhabenden Familie, der die Republik ihren bedeutendsten und beliebtesten Admiral verdankte: den Hitzkopf Vettor Pisani, der Venedig im vierzehnten Jahrhundert vor den Genuesen rettete. Pietro war stets distanziert - Andrea und er hatten einander nicht viel zu sagen -, und auch Lucia unterhielt kein besonders herzliches Verhältnis zu ihren Kindern. Ihre recht steife Art war nicht untypisch für die konservativeren Patrizierinnen jener Zeit. Dennoch war sie von den beiden Ehegatten bei weitem die Lebhaftere; ihr stand Andrea näher als seinem Vater. Nur einem Familienmitglied war er wirklich zugetan: seiner um sechs Jahre älteren Schwester Marina, einer empfindsamen, warmherzigen jungen Frau, der er sich jederzeit anvertrauen konnte. Die beiden Brüder, Bernardo und Lorenzo, waren ein beziehungsweise vier Jahre jünger als Andrea. Aufgrund des geringen Altersunterschieds verbrachten die heranwachsenden Jungen viel Zeit miteinander. Außerdem hatte Andrea noch eine jüngere Schwester, Contarina.
Als Familienoberhaupt fungierte Andreas Onkel Andrea Memmo, der wegen seines Mutes und seiner Charakterstärke von allen Seiten verehrt wurde; er hatte 1713 als damaliger Botschafter in Konstantinopel Haft und Folter durch die Türken überstanden. Andrea der Ältere hatte sich um die Republik überaus verdient gemacht und als procuratore di San Marco das nach dem Dogen prestigeträchtigste Regierungsamt innegehabt. Der erfahrene Staatsmann und gefragte Berater genoss auch im Ruhestand weiterhin hohes Ansehen und galt bei seinen Standesgenossen als "wohl bedeutendster Experte in allen Venedig betreffenden Angelegenheiten". Er verstarb 1754 im Alter von sechsundachtzig Jahren - kurz nachdem sich Andrea und Giustiniana ineinander verliebt hatten.
Andreas Onkel regierte die Familie über Jahrzehnte hinweg mit sicherer Hand und behielt dabei von politischen Verknüpfungen über Geschäftsentscheidungen und häusliche Aufwendungen bis hin zur Erziehung der jungen Memmos alles im Blick. Unter seiner langen Ägide galt Ca'Memmo als Hort der Tradition, in dem zugleich auch fortschrittliche Schriftsteller, Künstler und Komponisten stets willkommen waren. Die neuen Gedankenströmungen aus Paris, insbesondere die politischen Schriften Montesquieus (dank der venezianischen Vorliebe für alles, was mit dem Räderwerk der Herrschaftssysteme zu tun hatte), lieferten Stoff für angeregte Debatten an der Abendtafel. Der bedeutende Theaterautor Carlo Goldoni fand sich als enger Freund der Memmos häufig bei ihnen zum Mittagessen ein. Das Gleiche galt für den deutschen Komponisten Johann Adolf Hasse, den "göttlichen Sachsen" und Ehemann der Diva Faustina Bordoni; er leitete das Musikkonservatorium der incurabili, eines Hospizes, in dem Waisenkinder Unterricht in Musik und Gesang erhielten.
Schon sehr früh hatte Andrea der Ältere seinen Lieblingsneffen und Namensvetter zum Nachfolger auserkoren. Mit den Jahren impfte er ihm ein Pflichtbewusstsein gegenüber Familie und Nation ein, das ihm lebenslang gegenwärtig blieb. Und er bereitete ihn vor auf seine Laufbahn im Dienst "unserer weisen venezianischen Republik, die größte und prächtigste Königreiche wanken und zu Fall kommen sah und inmitten aller Unbill, die anderen widerfuhr, selbst doch sicher zu bestehen vermochte."
Den ersten regulären Unterricht erteilte Andrea der Karmelitermönch Eugenio Mecenati, der in diversen Patrizierfamilien als Lehrer tätig war. Doch geistig wachgerüttelt wurde er erst vom Feuer und Charisma des Franziskanermönchs Carlo Lodoli, der sich in den Vierzigerjahren als umstrittener Denker in Venedig einen Namen machte. Er brillierte in Lehre wie Forschung und disputierte mit seinen Schülern gleichermaßen gewandt über Astronomie, Philosophie und Nationalökonomie. Sein Steckenpferd war die Architektur; auf diesem Feld entwickelte er, ausgehend von utilitaristischen Prinzipien, eigene visionäre Theorien über Form und Funktion. Mit seiner härenen Kutte und seiner abgerissenen, ungepflegten Erscheinung hatte Lodoli etwas durchaus Furchteinflößendes an sich: "Sein rotfleckiges Gesicht, die wilde Mähne, der wuchernde, scheckige Bart, die Augen wie zwei glühende Kohlenstücke - viel fehlte nicht, um die zarter besaiteten Gemüter ins Bockshorn zu jagen", erinnerte sich Andrea viele Jahre später. Lodolis Schüler kamen aus den aufgeklärteren Familien Venedigs. Er verfasste selbst keine Bücher, sondern hielt sie durch seine Persönlichkeit und seine sokratischen "Gespräche" in Bann. Oberstes Anliegen war ihm, den jungen Patriziern "den Verstand zu öffnen". Den venezianischen Behörden war der starke Einfluss, den der Mönch auf die ihm anvertrauten Jünglinge ausübte, ein Dorn im Auge. Doch trotz gegenteiliger Vermutungen seitens konservativer Kritiker wollte Lodoli die bestehende politische Ordnung nicht etwa umstürzen, sondern sie vervollkommnen - indem er an den jungen Männern feilte, die der Staat bald in seinen Dienst berufen würde.
Andrea verehrte Lodoli zeitlebens, auch wenn die moralische Rigorosität und die asketische Lebenshaltung des Franziskaners ihm zu schaffen machten. Es lässt sich unschwer begreifen, warum Andreas sinnliche Seite in Lodolis Gegenwart gewissermaßen verkümmerte - und er darum immer mehr Zeit im prächtigen, musealen Palast von Konsul Smith verbrachte, der nur einen kurzen Fußweg von Ca'Memmo entfernt am Canal Grande lag. Stundenlang studierte er die imposante Sammlung von Gemälden und Skulpturen, die der Konsul in dreißig Jahren zusammengetragen hatte, und vergrub sich in der Bibliothek, einem wahren Schatz klassischer und moderner Werke in schön gebundenen Ausgaben.
Smith war zu Beginn des Jahrhunderts nach Venedig gekommen, als die Stadt noch zahlreiche Kaufleute und Geschäftsmänner aus dem Ausland anlockte. In seiner anfänglichen Tätigkeit für das Unternehmen seines englischen Landsmannes Thomas Williams war er so erfolgreich, dass er einige Jahre später, als Williams sich aus dem Geschäftsleben zurückzog und nach England heimkehrte, seine Nachfolge antrat. So erwarb sich Smith als Zwischenhändler für Waren aus dem Orient, die er venezianischen Händlern abnahm und auf dem englischen Markt weiterverkaufte, ein beträchtliches Vermögen. 1717 heiratete er die bekannte Sängerin Catherine Tofts, die sich vor ihrer Übersiedlung nach Venedig bereits auf den Londoner Bühnen einen Namen gemacht hatte. Sie verfügte über eigenes Vermögen und gute Beziehungen und war damit in den ersten Jahren ihrer Ehe zweifellos die Attraktion des Hauses Smith. Mit der Zeit jedoch zog sie sich immer mehr aus dem gesellschaftlichen Leben zurück; vermutlich kam sie nie über den Verlust ihres einzigen Sohnes John hinweg, der 1727 im Alter von sechs Jahren starb.
Da sein Unternehmen florierte, erwarb Smith schließlich den Palazzo Balbi, in dem er seit seinem Eintreffen in Venedig wohnte. Er beauftragte einen befreundeten Protegé, den Künstler Antonio Visentini, mit der Umgestaltung der Fassade. Nach einiger Mauschelei innerhalb der englischen Gemeinde Venedigs und zahlreichen Eingaben bei der Regierung in London durfte er sich ab 1740 endlich Konsul nennen. Der Titel des Botschafters (British resident) jedoch blieb ihm zu seinem großen Verdruss zeitlebens verwehrt.
Konsul Smith wäre vermutlich längst vergessen, wenn er seine Tätigkeit nicht - mit großem Erfolg - auf den Kunsthandel ausgeweitet hätte. Viele Künstler hatten ihre Ateliers ganz in der Nähe seines Hauses, und er machte es sich zur Gewohnheit, bei ihnen vorbeizuschauen. Smith hatte einen guten Blick und genoss es, in freundschaftlicher Atmosphäre ein wenig zu feilschen. Er erwarb schöne allegorische Darstellungen von Sebastiano Ricci und Giovanni Battista Tiepolo, großartige Ansichten von Francesco Guardi, intime venezianische Szenerien von Pietro Longhi und etliche vorzügliche Porträts von Rosalba Carriera. Am meisten bewunderte er Canalettos luzide, detailreiche Stadtansichten; im Lauf der Jahre entwickelte sich zwischen dem englischen Händler und dem großen venezianischen vedutista eine enge Geschäftsbeziehung.
Smith vereinte den Blick des Kunstliebhabers mit der Denkweise des Kaufmanns. Ihm war bewusst, dass er in einer außergewöhnlichen künstlerischen Blütezeit lebte und eine einzigartige Position innehatte, die ihm erlaubte, sein Mäzenatentum in klingende Münze umzusetzen. Er ließ von seinen bevorzugten Schützlingen Auftragswerke fertigen und verkaufte sie an begüterte Aristokraten in Großbritannien weiter, wo das Sammeln von Kunst gerade groß in Mode kam. (Den von ihm besonders geliebten Canaletto vermarktete er so erfolgreich, dass dieser schließlich nach London zog, um dort für einen immer größer werdenden Käuferkreis Ansichten der Themse zu malen.) Im Rahmen seiner Tätigkeit legte sich Smith eine eigene Sammlung zu und reicherte sie mit bedeutenden Gemälden alter Meister an. Die Wände seines Palazzo zierten Werke von Giovanni Bellini, Jan Vermeer, Rembrandt van Rijn, Anthonis van Dyck und Peter Paul Rubens. Seine wahre Passion jedoch galt, mehr noch als der Kunst, der Welt der Bücher. Er partizipierte an dem Verlagsboom, den Venedig um diese Zeit erlebte, und erwarb wertvolle Klassikerausgaben sowie Originalmanuskripte und -zeichnungen. Smith investierte Kapital in Giovanni Battista Pasqualis Grafik- und Buchhandlung; gemeinsam verlegten sie die Werke von John Locke, Charles de Montesquieu, Voltaire, Jean-Jacques Rousseau, Denis Diderot und den Ko-Autoren der Encyclopédie (deren erste Bände 1751 erschienen). Pasqualis Geschäft wurde bald zum bevorzugten Treffpunkt des wachsenden venezianischen Lesepublikums. "Nachdem wir uns an der frischen Luft erquickt und an den Schönheiten des Markusplatzes ergötzt hatten", schrieb der französische Reisende Pierre Jean Grosley, "begaben wir uns für gewöhnlich zu Pasquali oder einem anderen Buchhändler, den üblichen Treffpunkten für Fremde und Adlige. Die Unterhaltungen sind dort häufig mit jenem typisch venezianischen Salz gewürzt, in dem sich die klare Rede Attikas mit französischen Kapriolen vermengt, ohne an Eigenheit zu verlieren."
Smith überführte gewissermaßen das, was bei Pasquali geboten wurde, in ein eleganteres Ambiente. Bei ihm traf sich der kleine Kreis der englischsprachigen Gemeinde (und so bewahrte sich sein Salon stets ein eigentümlich englisches Flair). Weit bedeutsamer jedoch war Smiths Salon für aufklärerisch gesinnte Künstler, Intellektuelle und venezianische Patrizier, die dort in geselliger Atmosphäre zusammenfanden. Zu den häufigen Gästen im Palazzo Balbi zählte Carlo Goldoni; sein Theaterstück Il filosofo inglese widmete er Smith. In seinem schmeichelhaften Vorwort schrieb er: "Wer Euer Haus betritt, findet dort Kunst und Wissenschaft aufs Schönste vereint. Ihr seid nicht bloß ein Liebhaber, der sich auf bewundernde Blicke beschränkt, sondern ein wahrer Kenner und als solcher darauf bedacht, anderen den Sinn und die Schönheit Eurer Kunstschätze nahe zu bringen. Euer guter Geschmack und Eure erlesenen Kenntnisse haben Euch eingegeben, nur das Schönste zu wählen, und Eure Hochherzigkeit hat Euch ermutigt, es zu erwerben." Andrea verbrachte viele glückliche Tage im Palazzo Balbi. In der Bibliothek des Konsuls machte er sich mit den Theorien des römischen Architekten Vitruv vertraut, die maßgeblichen Einfluss auf die Baukunst der Renaissance ausgeübt hatten. Er studierte die Skizzen von Palladio und brütete über dem neuesten Band der Encyclopédie - er hatte sich angewöhnt, lange Passagen daraus abzuschreiben, um den Geist der französischen Aufklärung ganz in sich aufzusaugen.
... weniger
Autoren-Porträt von Andrea Di Robilant
Andrea di Robilant wurde 1957 in Rom geboren und lebt zurzeit mit seiner Familie in Rom, wo er als Journalist für die Tageszeitung "La Stampa" arbeitet. Er studierte an der Columbia University in New York Internationale Beziehungen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Andrea Di Robilant
- 2003, 1, 382 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Dtsch. v. Martina Tichy u. Margarete Längsfeld
- Verlag: Blessing
- ISBN-10: 389667174X
- ISBN-13: 9783896671745
Kommentar zu "Maskenspiele"
0 Gebrauchte Artikel zu „Maskenspiele“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Maskenspiele".
Kommentar verfassen