Mein Leben zwischen den Zeilen
In seinen lange erwarteten Memoiren erzählt Amerikas erfolgreichster Autor von Spannungsromanen endlich seine eigene Lebensgeschichte eine Geschichte, die weit mehr umfasst als das Leben eines gewöhnlichen Schriftstellers. Offenherzig und aufschlussreich...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Mein Leben zwischen den Zeilen “
In seinen lange erwarteten Memoiren erzählt Amerikas erfolgreichster Autor von Spannungsromanen endlich seine eigene Lebensgeschichte eine Geschichte, die weit mehr umfasst als das Leben eines gewöhnlichen Schriftstellers. Offenherzig und aufschlussreich kann es dieses Werk mit den Romanen locker aufnehmen, denn es offenbart ein Leben wie eine Achterbahnfahrt.
Sidney Sheldon ist eine wahre Entertainment-Legende: Er schrieb mehr als ein Dutzend Weltbestseller, gewann den Oscar und erfand einige der beliebtesten Fernseh-Serien. Jetzt lüftet er die Geheimnisse seiner Begegnungen mit zahlreichen Berühmtheiten der Film- und Fernsehwelt. Sidney Sheldon schreibt ehrlich und schonungslos über die Höhen und Tiefen, die seine Karriere und sein Leben so fesselnd machen. Er blickt zurück auf ein Leben, das man nur bewundern kann!
- Er kam von ganz unten und griff nach den Sternen.
- Sidney Sheldon feiert am 11. Februar 2007 seinen 90. Geburtstag.
- Seine faszinierende Autobiographie über ein Leben wie eine Achterbahnfahrt!
- Sheldon offenbart seine Freundschaften mit Legenden wie Marilyn Monroe, Judy Garland, Elizabeth Taylor und Humphrey Bogart
- Er kam von ganz unten und griff nach den Sternen.
- Sidney Sheldon feiert am 11. Februar 2007 seinen 90. Geburtstag.
- Seine faszinierende Autobiographie über ein Leben wie eine Achterbahnfahrt!
- Sheldon offenbart seine Freundschaften mit Legenden wie Marilyn Monroe, Judy Garland, Elizabeth Taylor und Humphrey Bogart
Lese-Probe zu „Mein Leben zwischen den Zeilen “
Mein Leben zwischen den Zeilen von Sidney Sheldon1
Als ich siebzehn war, erschien mir die Arbeit als Bote für
Afremow's Drugstore in Chicago als der perfekte Job, denn
er gab mir die Gelegenheit, so viele Schlaftabletten zu stehlen,
dass ich Selbstmord begehen konnte. Ich war nicht ganz
sicher, wie viele Pillen nötig wären, und so entschied ich mich
für zwanzig Stück. Ich war vorsichtig genug, immer nur einige
wenige einzustecken, um den Apotheker nicht misstrauisch
zu machen. Ich hatte gelesen, dass Whiskey und Schlaftabletten
eine tödliche Kombination seien, und beschloss, die
Pillen mit Bourbon zu schlucken, um sicherzustellen, dass ich
auch wirklich sterben würde.
Es war Samstag - der Samstag, auf den ich gewartet hatte.
Meine Eltern waren übers Wochenende verreist, und mein
Bruder Richard übernachtete bei einem Freund. Die Wohnung
war leer, es gab niemanden, der meine Pläne durchkreuzen
würde.
Um sechs Uhr rief der Apotheker: »Wir schließen.«
Er hatte keine Ahnung, wie Recht er damit hatte. Es war
Zeit, mit allem abzuschließen, was schiefgelaufen war. Nicht
nur bei mir. Im ganzen Land.
Wir schrieben das Jahr 1934, und Amerika durchlebte eine
schwere Krise. Fünf Jahre zuvor hatte es einen Börsencrash
gegeben, und Tausende von Banken waren bankrottgegangen.
Überall machten Betriebe dicht, und mehr als 13 Millionen
verzweifelte Menschen waren ohne Arbeit. Die Löhne sanken
auf einen Nickel die Stunde. Eine Million Vagabunden,
darunter 200 000 Kinder, durchstreiften das Land. Eine verheerende
Depression hielt uns im Griff. Ehemalige Millionäre
begingen Selbstmord, und leitende Angestellte verkauften
Äpfel auf den Straßen.
... mehr
Eines der populärsten Lieder damals war »Gloomy Sunday
«. Ich erinnere mich noch an den Text:
Gloomy is Sunday
With shadows I spend it all
My heart and I
Have decided to end it all
Die Welt war öde und passte damit perfekt zu meiner eigenen
Gemütsverfassung. Ich hatte den tiefsten Punkt der Verzweiflung
erreicht. Meine Existenz war sinnlos, ich fühlte mich deplatziert,
verloren. Mir war elend, und ich sehnte mich verzweifelt
nach etwas, für das ich keinen Namen fand.
Wir lebten nur wenige Straßen vom Lake Michigan entfernt,
und eines Nachts lief ich ans Ufer auf der Suche nach
Ruhe. Es war eine windige Nacht, der Himmel von Wolken
bedeckt.
Ich blickte nach oben und sagte: »Gott, wenn es dich gibt,
dann zeige dich mir.«
Und während ich da stand und in den Himmel starrte,
verschmolzen die Wolken miteinander und bildeten ein riesiges
Gesicht. Plötzlich erhellte ein Blitz das Gesicht und gab
ihm glühende Augen. In Panik rannte ich den ganzen Weg
nach Hause.
Wir lebten damals in einer kleinen Wohnung im zweiten
Stock in Rogers Park. Der große Filmproduzent Mike Todd
hat einmal gesagt, er sei oft pleite, würde sich aber nie arm fühlen.
Ich dagegen empfand mich die ganze Zeit über als arm,
denn wir lebten in dieser erniedrigenden Form der Armut, in
der man auch im eiskalten Winter den Heizstrahler nicht einschaltet,
um Geld zu sparen, eine Armut, in der man lernte,
das Licht immer auszumachen, wenn man es nicht brauchte.
Wir quetschten den letzten Tropfen aus der Ketchupflasche
und holten die letzten Reste aus der Zahnpastatube. Doch
ich war im Begriff, all dem zu entfliehen.
Als ich in unserer trostlosen Wohnung anlangte, war sie
verlassen. Meine Eltern waren bereits abgefahren, und auch
mein Bruder war fort. Es gab niemanden mehr, der mich von
meinem Vorhaben abbringen würde.
Ich ging in das kleine Schlafzimmer, das Richard und ich
teilten, und holte den Beutel mit den Schlaftabletten hervor,
den ich unter der Kommode versteckt hatte. Aus der Küche
holte ich eine Flasche Bourbon aus dem Regal meines Vaters
und ging in unser Schlafzimmer zurück. Ich betrachtete die
Tabletten und den Bourbon und überlegte, wie lange es wohl
dauern würde, bis die Wirkung einsetzte. Ich goss etwas
Whiskey in ein Glas und führte es an die Lippen. Keinesfalls
wollte ich darüber nachdenken, was ich da tat. Ich trank einen
Schluck Whiskey, und der beißende Geschmack brachte
mich zum Würgen. Ich nahm eine Handvoll Schlaftabletten
und wollte sie gerade zum Mund heben, als eine Stimme
sagte: »Was tust du da?«
Ich wirbelte herum, wobei ich nicht nur etwas von dem
Whiskey verschüttete, sondern auch einige Tabletten fallen
ließ.
Mein Vater stand in der Zimmertür. Er kam näher. »Ich
habe nicht gewusst, dass du trinkst.«
Ich starrte ihn wie betäubt an. »Ich - ich dachte, ihr wärt
schon weg.«
»Ich habe etwas vergessen. Also noch mal: Was tust du
da?« Er nahm mir das Whiskeyglas aus der Hand.
Ich dachte fieberhaft nach. »Nichts - gar nichts.«
Er sah mich stirnrunzelnd an. »Das sieht dir gar nicht ähnlich,
Sidney. Stimmt was nicht?« Dann sah er die Schlaftabletten.
»Mein Gott! Was geht hier vor? Was ist das?«
Mir fiel keine überzeugende Lüge ein. Ich sagte trotzig:
»Das sind Schlaftabletten.«
»Warum?«
»Ich - ich werde mich umbringen.«
Stille. Dann sagte mein Vater: »Ich wusste nicht, dass du
so unglücklich bist.«
»Du kannst mich nicht daran hindern. Wenn du mich jetzt
daran hinderst, mache ich es eben morgen.«
Er stand da und betrachtete mich eingehend. »Es ist dein
Leben. Du kannst damit machen, was du willst.« Er zögerte.
»Wenn du es nicht allzu eilig hast, könnten wir vorher noch
spazieren gehen.«
Ich wusste genau, was er dachte. Mein Vater war Verkäufer
von Beruf. Er würde versuchen, mir mein Vorhaben auszureden,
aber er hatte keine Chance. Ich wusste, was ich tun würde.
Ich sagte: »In Ordnung.«
»Zieh einen Mantel an, damit du dich nicht erkältest.«
Die Ironie dieser Bemerkung ließ mich grinsen.
Fünf Minuten später gingen mein Vater und ich die windgepeitschten
Straßen entlang, die wegen der eisigen Temperaturen
wie ausgestorben waren.
Nach langem Schweigen sagte mein Vater: »Erklär es mir,
mein Sohn. Warum willst du dich umbringen?«
Wo sollte ich anfangen? Wie sollte ich ihm erklären, wie
einsam und ausweglos gefangen ich mich fühlte? Ich sehnte
mich verzweifelt nach einem besseren Leben - doch für mich
gab es kein besseres Leben. Ich wollte eine wunderbare Zukunft,
aber es gab keine wunderbare Zukunft für mich. Ich
hatte glänzende Tagträume, doch am Ende des Tages war ich
noch immer Bote in einem Drugstore.
Ich träumte davon, aufs College zu gehen, aber dafür hatten
wir kein Geld. Mein Traum war es, Schriftsteller zu werden,
ich hatte Dutzende von Kurzgeschichten geschrieben
und sie ans Story Magazine, zu Collier's und die Saturday
Evening Post geschickt, und die Antwort war immer wieder
eine Ablehnung. Bis ich schließlich beschlossen hatte, dass
ich nicht weiter in diesem erdrückenden Elend leben würde.
Mein Vater redete auf mich ein: »...und es gibt so viele
schöne Orte auf der Welt, die du noch nicht gesehen hast...«
Ich blendete ihn aus und ließ ihn einfach weiterreden.
Wenn er heute Abend weg ist, kann ich meinen Plan ausführen.
»...Rom würde dir gefallen...«
Wenn er versucht, mich daran zu hindern, mache ich es
eben, sobald er weg ist. Ich war ganz mit meinen Gedanken
beschäftigt und hörte kaum auf das, was er sagte.
»Sidney, du hast mir mal gesagt, dass du mehr als alles auf
der Welt Schriftsteller werden willst.«
Plötzlich hatte er meine volle Aufmerksamkeit. »Das war
gestern.«
»Und was ist mit morgen?«
Ich starrte ihn ratlos an. »Was?«
»Du weißt nicht, was morgen passiert. Das Leben ist wie
ein Roman, findest du nicht? Du hast keine Ahnung, was geschehen
wird, bevor du die Seite umblätterst.«
»Ich weiß, was geschehen wird. Nichts.«
»Das kannst du nicht mit Sicherheit wissen, oder? Jeder Tag
ist eine neue Seite, Sidney, und jede Seite steckt voller Überraschungen.
Du wirst nie erfahren, was als Nächstes geschieht,
solange du noch nicht umgeblättert hast.«
Ich dachte darüber nach. Er hatte Recht. Jeder Morgen war
wie die neue Seite eines Romans.
Wir bogen um eine Ecke und gingen eine verlassene Straße
entlang. »Wenn du wirklich Selbstmord begehen willst, Sidney,
kann ich dich nicht daran hindern. Aber es wäre schrecklich
für mich, weil du das Buch zu früh zuschlägst und all das
Aufregende verpasst, das du auf den nächsten Seiten hättest
erleben können - auf den Seiten, die du schreiben wirst.«
Schlag das Buch nicht zu früh zu... klappte ich es zu früh
zu? Etwas Wunderbares könnte morgen passieren.
Entweder war mein Vater ein hervorragender Verkäufer,
oder ich war doch nicht so überzeugt davon, dass ich mich
umbringen sollte, denn als wir die nächste Straßenecke erreichten,
hatte ich mich entschlossen, meinen Plan aufzuschieben.
Ich hatte vor, mir alle Optionen offenzuhalten.
2
Ich wurde in Chicago geboren, auf einem Küchentisch, den
ich selbst gezimmert hatte. Zumindest bestand meine Mutter
Natalie darauf, dass es so gewesen war. Natalie war mein
Nordstern, mein Trost, mein Beschützer. Ich war ihr erstes
Kind, und nie hat sie aufgehört, über das Wunder der Geburt
zu staunen. Ohne Überschwang konnte sie nicht von mir erzählen.
Ich war brillant, talentiert, gut aussehend und geistreich
- und das, noch bevor ich sechs Monate alt war.
Ich nannte meine Eltern nie »Mutter« und »Vater«. Sie zogen
es vor, »Natalie« und »Otto« genannt zu werden, vermutlich
weil sie sich dann jünger fühlten.
Natalie Marcus wurde in Slavitka, in der Nähe von Odessa,
während der Zarenherrschaft geboren. Mit zehn Jahren ent-
kam sie einem Pogrom und wurde mit ihrer Mutter Ann nach
Amerika geschickt.
Natalie war eine Schönheit. Sie war etwa einsfünfundsechzig,
mit weichem, braunem Haar, intelligenten grauen Augen
und wunderschönen Gesichtszügen. Sie hatte ein reiches Innenleben
und die Seele einer Romantikerin. Eine ordentliche
Schulbildung hatte sie nicht erhalten, doch sie hatte sich das
Lesen selbst beigebracht. Sie liebte klassische Musik und Bücher.
Ihr Traum war es, einen Prinzen zu heiraten und um die
Welt zu reisen.
Ihr Prinz entpuppte sich als Otto Schechtel, ein Straßenkämpfer
aus Chicago, der die Schule nach der sechsten Klasse
abgebrochen hatte. Otto war charmant und gut aussehend,
und es war nicht schwer zu verstehen, warum sich Natalie
von ihm angezogen fühlte. Beide waren sie Träumer, doch sie
hatten völlig unterschiedliche Träume. Natalie sehnte sich
nach einer romantischen Welt, mit Schlössern in Spanien und
Gondelfahrten auf den mondbeschienenen Kanälen Venedigs,
während Ottos Fantasien undurchführbare Pläne waren, wie
er schnell reich werden könnte. Jemand hat einmal gesagt,
alles, was man für einen erfolgreichen Schriftsteller braucht,
wäre Papier, ein Stift und eine gestörte Familie. Ich wurde
gleich von zwei solchen Familien großgezogen.
An dieser Stelle würde ich gerne den Marcus-Clan vorstellen:
die beiden Brüder, Sam und Al, und die drei Schwestern
Pauline, Natalie und Fran.
Und auf der anderen Seite haben wir die Schechtels, fünf
Schwestern und zwei Brüder: Harry und Otto sowie Rose,
Bess, Emma, Mildred und Tillie.
Die Schechtels waren extrovertiert, ungezwungen und standen
mit beiden Beinen im Leben. Die Marcuses hingegen waren
introvertiert und zurückhaltend. Die beiden Familien unterschieden
sich nicht nur sehr stark; sie hatten absolut nichts
gemeinsam. Und so beschloss das Schicksal, sich einen Spaß
mit ihnen zu machen.
Harry Schechtel heiratete Pauline Marcus. Otto Schechtel
heiratete Natalie Marcus. Tillie Schechtel heiratete Al Marcus.
1. Auflage
Deutsche Erstveröffentlichung Februar 2007 bei Blanvalet,
einem Unternehmen der Verlagsgruppe
Random House GmbH, München.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2007
by Verlagsgruppe Random House GmbH
Eines der populärsten Lieder damals war »Gloomy Sunday
«. Ich erinnere mich noch an den Text:
Gloomy is Sunday
With shadows I spend it all
My heart and I
Have decided to end it all
Die Welt war öde und passte damit perfekt zu meiner eigenen
Gemütsverfassung. Ich hatte den tiefsten Punkt der Verzweiflung
erreicht. Meine Existenz war sinnlos, ich fühlte mich deplatziert,
verloren. Mir war elend, und ich sehnte mich verzweifelt
nach etwas, für das ich keinen Namen fand.
Wir lebten nur wenige Straßen vom Lake Michigan entfernt,
und eines Nachts lief ich ans Ufer auf der Suche nach
Ruhe. Es war eine windige Nacht, der Himmel von Wolken
bedeckt.
Ich blickte nach oben und sagte: »Gott, wenn es dich gibt,
dann zeige dich mir.«
Und während ich da stand und in den Himmel starrte,
verschmolzen die Wolken miteinander und bildeten ein riesiges
Gesicht. Plötzlich erhellte ein Blitz das Gesicht und gab
ihm glühende Augen. In Panik rannte ich den ganzen Weg
nach Hause.
Wir lebten damals in einer kleinen Wohnung im zweiten
Stock in Rogers Park. Der große Filmproduzent Mike Todd
hat einmal gesagt, er sei oft pleite, würde sich aber nie arm fühlen.
Ich dagegen empfand mich die ganze Zeit über als arm,
denn wir lebten in dieser erniedrigenden Form der Armut, in
der man auch im eiskalten Winter den Heizstrahler nicht einschaltet,
um Geld zu sparen, eine Armut, in der man lernte,
das Licht immer auszumachen, wenn man es nicht brauchte.
Wir quetschten den letzten Tropfen aus der Ketchupflasche
und holten die letzten Reste aus der Zahnpastatube. Doch
ich war im Begriff, all dem zu entfliehen.
Als ich in unserer trostlosen Wohnung anlangte, war sie
verlassen. Meine Eltern waren bereits abgefahren, und auch
mein Bruder war fort. Es gab niemanden mehr, der mich von
meinem Vorhaben abbringen würde.
Ich ging in das kleine Schlafzimmer, das Richard und ich
teilten, und holte den Beutel mit den Schlaftabletten hervor,
den ich unter der Kommode versteckt hatte. Aus der Küche
holte ich eine Flasche Bourbon aus dem Regal meines Vaters
und ging in unser Schlafzimmer zurück. Ich betrachtete die
Tabletten und den Bourbon und überlegte, wie lange es wohl
dauern würde, bis die Wirkung einsetzte. Ich goss etwas
Whiskey in ein Glas und führte es an die Lippen. Keinesfalls
wollte ich darüber nachdenken, was ich da tat. Ich trank einen
Schluck Whiskey, und der beißende Geschmack brachte
mich zum Würgen. Ich nahm eine Handvoll Schlaftabletten
und wollte sie gerade zum Mund heben, als eine Stimme
sagte: »Was tust du da?«
Ich wirbelte herum, wobei ich nicht nur etwas von dem
Whiskey verschüttete, sondern auch einige Tabletten fallen
ließ.
Mein Vater stand in der Zimmertür. Er kam näher. »Ich
habe nicht gewusst, dass du trinkst.«
Ich starrte ihn wie betäubt an. »Ich - ich dachte, ihr wärt
schon weg.«
»Ich habe etwas vergessen. Also noch mal: Was tust du
da?« Er nahm mir das Whiskeyglas aus der Hand.
Ich dachte fieberhaft nach. »Nichts - gar nichts.«
Er sah mich stirnrunzelnd an. »Das sieht dir gar nicht ähnlich,
Sidney. Stimmt was nicht?« Dann sah er die Schlaftabletten.
»Mein Gott! Was geht hier vor? Was ist das?«
Mir fiel keine überzeugende Lüge ein. Ich sagte trotzig:
»Das sind Schlaftabletten.«
»Warum?«
»Ich - ich werde mich umbringen.«
Stille. Dann sagte mein Vater: »Ich wusste nicht, dass du
so unglücklich bist.«
»Du kannst mich nicht daran hindern. Wenn du mich jetzt
daran hinderst, mache ich es eben morgen.«
Er stand da und betrachtete mich eingehend. »Es ist dein
Leben. Du kannst damit machen, was du willst.« Er zögerte.
»Wenn du es nicht allzu eilig hast, könnten wir vorher noch
spazieren gehen.«
Ich wusste genau, was er dachte. Mein Vater war Verkäufer
von Beruf. Er würde versuchen, mir mein Vorhaben auszureden,
aber er hatte keine Chance. Ich wusste, was ich tun würde.
Ich sagte: »In Ordnung.«
»Zieh einen Mantel an, damit du dich nicht erkältest.«
Die Ironie dieser Bemerkung ließ mich grinsen.
Fünf Minuten später gingen mein Vater und ich die windgepeitschten
Straßen entlang, die wegen der eisigen Temperaturen
wie ausgestorben waren.
Nach langem Schweigen sagte mein Vater: »Erklär es mir,
mein Sohn. Warum willst du dich umbringen?«
Wo sollte ich anfangen? Wie sollte ich ihm erklären, wie
einsam und ausweglos gefangen ich mich fühlte? Ich sehnte
mich verzweifelt nach einem besseren Leben - doch für mich
gab es kein besseres Leben. Ich wollte eine wunderbare Zukunft,
aber es gab keine wunderbare Zukunft für mich. Ich
hatte glänzende Tagträume, doch am Ende des Tages war ich
noch immer Bote in einem Drugstore.
Ich träumte davon, aufs College zu gehen, aber dafür hatten
wir kein Geld. Mein Traum war es, Schriftsteller zu werden,
ich hatte Dutzende von Kurzgeschichten geschrieben
und sie ans Story Magazine, zu Collier's und die Saturday
Evening Post geschickt, und die Antwort war immer wieder
eine Ablehnung. Bis ich schließlich beschlossen hatte, dass
ich nicht weiter in diesem erdrückenden Elend leben würde.
Mein Vater redete auf mich ein: »...und es gibt so viele
schöne Orte auf der Welt, die du noch nicht gesehen hast...«
Ich blendete ihn aus und ließ ihn einfach weiterreden.
Wenn er heute Abend weg ist, kann ich meinen Plan ausführen.
»...Rom würde dir gefallen...«
Wenn er versucht, mich daran zu hindern, mache ich es
eben, sobald er weg ist. Ich war ganz mit meinen Gedanken
beschäftigt und hörte kaum auf das, was er sagte.
»Sidney, du hast mir mal gesagt, dass du mehr als alles auf
der Welt Schriftsteller werden willst.«
Plötzlich hatte er meine volle Aufmerksamkeit. »Das war
gestern.«
»Und was ist mit morgen?«
Ich starrte ihn ratlos an. »Was?«
»Du weißt nicht, was morgen passiert. Das Leben ist wie
ein Roman, findest du nicht? Du hast keine Ahnung, was geschehen
wird, bevor du die Seite umblätterst.«
»Ich weiß, was geschehen wird. Nichts.«
»Das kannst du nicht mit Sicherheit wissen, oder? Jeder Tag
ist eine neue Seite, Sidney, und jede Seite steckt voller Überraschungen.
Du wirst nie erfahren, was als Nächstes geschieht,
solange du noch nicht umgeblättert hast.«
Ich dachte darüber nach. Er hatte Recht. Jeder Morgen war
wie die neue Seite eines Romans.
Wir bogen um eine Ecke und gingen eine verlassene Straße
entlang. »Wenn du wirklich Selbstmord begehen willst, Sidney,
kann ich dich nicht daran hindern. Aber es wäre schrecklich
für mich, weil du das Buch zu früh zuschlägst und all das
Aufregende verpasst, das du auf den nächsten Seiten hättest
erleben können - auf den Seiten, die du schreiben wirst.«
Schlag das Buch nicht zu früh zu... klappte ich es zu früh
zu? Etwas Wunderbares könnte morgen passieren.
Entweder war mein Vater ein hervorragender Verkäufer,
oder ich war doch nicht so überzeugt davon, dass ich mich
umbringen sollte, denn als wir die nächste Straßenecke erreichten,
hatte ich mich entschlossen, meinen Plan aufzuschieben.
Ich hatte vor, mir alle Optionen offenzuhalten.
2
Ich wurde in Chicago geboren, auf einem Küchentisch, den
ich selbst gezimmert hatte. Zumindest bestand meine Mutter
Natalie darauf, dass es so gewesen war. Natalie war mein
Nordstern, mein Trost, mein Beschützer. Ich war ihr erstes
Kind, und nie hat sie aufgehört, über das Wunder der Geburt
zu staunen. Ohne Überschwang konnte sie nicht von mir erzählen.
Ich war brillant, talentiert, gut aussehend und geistreich
- und das, noch bevor ich sechs Monate alt war.
Ich nannte meine Eltern nie »Mutter« und »Vater«. Sie zogen
es vor, »Natalie« und »Otto« genannt zu werden, vermutlich
weil sie sich dann jünger fühlten.
Natalie Marcus wurde in Slavitka, in der Nähe von Odessa,
während der Zarenherrschaft geboren. Mit zehn Jahren ent-
kam sie einem Pogrom und wurde mit ihrer Mutter Ann nach
Amerika geschickt.
Natalie war eine Schönheit. Sie war etwa einsfünfundsechzig,
mit weichem, braunem Haar, intelligenten grauen Augen
und wunderschönen Gesichtszügen. Sie hatte ein reiches Innenleben
und die Seele einer Romantikerin. Eine ordentliche
Schulbildung hatte sie nicht erhalten, doch sie hatte sich das
Lesen selbst beigebracht. Sie liebte klassische Musik und Bücher.
Ihr Traum war es, einen Prinzen zu heiraten und um die
Welt zu reisen.
Ihr Prinz entpuppte sich als Otto Schechtel, ein Straßenkämpfer
aus Chicago, der die Schule nach der sechsten Klasse
abgebrochen hatte. Otto war charmant und gut aussehend,
und es war nicht schwer zu verstehen, warum sich Natalie
von ihm angezogen fühlte. Beide waren sie Träumer, doch sie
hatten völlig unterschiedliche Träume. Natalie sehnte sich
nach einer romantischen Welt, mit Schlössern in Spanien und
Gondelfahrten auf den mondbeschienenen Kanälen Venedigs,
während Ottos Fantasien undurchführbare Pläne waren, wie
er schnell reich werden könnte. Jemand hat einmal gesagt,
alles, was man für einen erfolgreichen Schriftsteller braucht,
wäre Papier, ein Stift und eine gestörte Familie. Ich wurde
gleich von zwei solchen Familien großgezogen.
An dieser Stelle würde ich gerne den Marcus-Clan vorstellen:
die beiden Brüder, Sam und Al, und die drei Schwestern
Pauline, Natalie und Fran.
Und auf der anderen Seite haben wir die Schechtels, fünf
Schwestern und zwei Brüder: Harry und Otto sowie Rose,
Bess, Emma, Mildred und Tillie.
Die Schechtels waren extrovertiert, ungezwungen und standen
mit beiden Beinen im Leben. Die Marcuses hingegen waren
introvertiert und zurückhaltend. Die beiden Familien unterschieden
sich nicht nur sehr stark; sie hatten absolut nichts
gemeinsam. Und so beschloss das Schicksal, sich einen Spaß
mit ihnen zu machen.
Harry Schechtel heiratete Pauline Marcus. Otto Schechtel
heiratete Natalie Marcus. Tillie Schechtel heiratete Al Marcus.
1. Auflage
Deutsche Erstveröffentlichung Februar 2007 bei Blanvalet,
einem Unternehmen der Verlagsgruppe
Random House GmbH, München.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2007
by Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Sidney Sheldon
Sidney Sheldon, geboren 1917, war ein absolutes Phänomen in der internationalen Buchwelt. Erst mit fünfzig schrieb er seinen ersten Roman "Das nackte Gesicht". Seither sind von zahlreiche Bücher erschienen, jedes ein Weltbestseller, jedes in viele Sprachen übersetzt und alle verfilmt. Sidney Sheldon lebte abwechselnd in Los Angeles, Palm Springs und London. 2007 verstarb der Autor.
Bibliographische Angaben
- Autor: Sidney Sheldon
- 2007, 382 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 11,5 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übers. v. Waltraud Horbas
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442365899
- ISBN-13: 9783442365890
Rezension zu „Mein Leben zwischen den Zeilen “
"Wenn Sie ein Buch suchen, der Sie bis zur letzten Seite nicht mehr loslässt, dann kaufen Sie sich den neuen Sheldon!" -- New York Daily News"Sheldon ist unvergleichlich. Niemand schreibt so fesselnd wie er!" -- Associated Press
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