Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl`s Diner
All-You-Can-Read - ein köstliches Debüt, das auf der Zunge zergeht!
Seit fast vierzig Jahren gehen die drei Freundinnen Odette, Clarice und Barbara Jean miteinander durch dick und dünn. Und ungefähr genauso lang ist das Dreiergespann...
Seit fast vierzig Jahren gehen die drei Freundinnen Odette, Clarice und Barbara Jean miteinander durch dick und dünn. Und ungefähr genauso lang ist das Dreiergespann...
Leider schon ausverkauft
Ladenpreis 19.99 €
Als Mängelexemplar
Als Mängelexemplar
Buch -92%
1.50 €
Produktdetails
Produktinformationen zu „Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl`s Diner “
All-You-Can-Read - ein köstliches Debüt, das auf der Zunge zergeht!
Seit fast vierzig Jahren gehen die drei Freundinnen Odette, Clarice und Barbara Jean miteinander durch dick und dünn. Und ungefähr genauso lang ist das Dreiergespann nur als die »Supremes« bekannt. Jeden Sonntag treffen sie sich gemeinsam mit ihren Ehemännern in Earl's Diner, wo sie einst ihren Spitznamen erhielten. Unter den wachsamen Augen von Big Earl, dem Besitzer des Diners, wuchsen sie zu dem heran, was sie heute sind: drei kluge, witzige und starke Frauen. Und auch nach seinem Tod hat Big Earl weiterhin ein Auge auf seine »Supremes« - so wie auch andere gute Geister, denn dem Charme dieser außergewöhnlichen Ladys kann einfach niemand widerstehen ...
Seit fast vierzig Jahren gehen die drei Freundinnen Odette, Clarice und Barbara Jean miteinander durch dick und dünn. Und ungefähr genauso lang ist das Dreiergespann nur als die »Supremes« bekannt. Jeden Sonntag treffen sie sich gemeinsam mit ihren Ehemännern in Earl's Diner, wo sie einst ihren Spitznamen erhielten. Unter den wachsamen Augen von Big Earl, dem Besitzer des Diners, wuchsen sie zu dem heran, was sie heute sind: drei kluge, witzige und starke Frauen. Und auch nach seinem Tod hat Big Earl weiterhin ein Auge auf seine »Supremes« - so wie auch andere gute Geister, denn dem Charme dieser außergewöhnlichen Ladys kann einfach niemand widerstehen ...
Lese-Probe zu „Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl`s Diner “
Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl 's Diner von Edward Kelsey Moore 1
... mehr
Am Morgen erwachte ich aus einem tiefen Schlaf, und mir war heiß. Mein Gesicht kribbelte, und mein Nachthemd klebte mir am Körper. Zum dritten Mal in dieser Woche. die Uhr auf der Kommode am anderen Ende des Zimmers zeigte leuchtend Viertel vor fünf. Ich konnte das Zischen der Klimaanlage hören und ihren Hauch auf meinem Gesicht spüren. Bevor ich zu Bett gegangen war, hatte ich die Temperatur auf 15 Grad gestellt. also sagte mir der gesunde Menschenverstand, dass es im Zimmer kühl sein musste. Nun ja, der gesunde Menschenverstand und die Tatsache, dass mein Mann James, der schnarchend neben mir lag, wie für den Winter gerüstet war, obwohl wir Mitte Juli hatten. Er schlief wie ein Baby - ein Meter achtzig großes, glatzköpfiges Baby mittleren Alters - eingehüllt in einen Kokon, den er sich aus dem Laken und der Decke geformt hatte, die ich im Laufe der Nacht weggestrampelt hatte. Nur der obere Teil seines braunen Kopfes war über dem Blumenmuster des Bettbezugs sichtbar. Und noch immer schrie jeder Zentimeter meines Körpers, dass es im Zimmer vierzig Grad haben musste.
Ich lüftete mein Nachthemd und ließ es wieder fallen, in dem Versuch, etwas kalte Luft auf meine Haut zu fächern. doch auch das brachte rein gar nichts. Meine Freundin Clarice behauptete, dass Meditation und positives Denken ihr den Weg durch die Menopause erleichtert hatten,
und sie versuchte ständig, mich dazu zu bringen, es auch zu versuchen. also lag ich reglos in der Dunkelheit vor Tagesanbruch und machte mir kühle Gedanken. Ich rief mir alte Sommer Erinnerungen ins Gedächtnis, als ich mit den Kindern im Wasser herumtollte, das in kalten strahlen aus dem klickenden Rasensprenger in unserem Garten spritzte. Ich stellte mir das Eis vor, das sich jeden Winter auf dem Bach bildete, der hinter Mamas und Papas Haus in Leaning Tree vorbeiplätscherte, und ihn aussehen ließ, als sei er in Zellophan gehüllt.
Ich dachte an meinen Vater, Wilbur Jackson. Meine früheste Erinnerung an ihn ist das köstliche Frösteln, das mich als kleines Mädchen immer ergriff, wenn er an Winterabenden aus seiner Schreinerei heimkam und mich in die arm schloss und hochhob. Ich rief mir ins Gedächtnis, wie die Kälte aus Papas Arbeitsoverall strömte und wie es sich anfühlte, wenn ich mit meinen Händen über seinen mit rau- reif bedeckten Bart strich.
aber Papas Geschäft gab es schon seit Jahren nicht mehr. das Haus und das Grundstück in Leaning Tree, mit dem Bach und allem Drum und Dran, war nun schon seit einem halben Jahrzehnt das vorübergehende Zuhause von wechselnden Mietern. Und meine Kinder waren alle schon seit mindestens zwanzig Jahren aus dem alter heraus, in dem man noch durch den Sprühregen des Rasensprengers tanzt.
Und keiner meiner Gedanken, zumindest nicht die, die mir einfielen, erwiesen sich als imstande, meiner brennenden Haut Kühlung zu verschaffen. also verfluchte ich Clarice für ihren unnützen rat. Und dafür, dass sie mich dazu gebracht hatte, an die alten Zeiten zurückzudenken - ein todsicheres Rezept für Schlaflosigkeit -, und ich beschloss, stattdessen in die Küche zu gehen. Dort stand ein Krug Wasser im Kühlschrank und im Gefrierfach war Pekannuss-Eiscreme. Eine kleine Leckerei, so schätzte ich, würde mir jetzt sicher guttun.
Ich setzte mich vorsichtig im Bett auf, bemüht, James nicht aufzuwecken. Normalerweise war er extrem verträglich, aber wenn ich ihn an einem Sonntag vor Tagesanbruch aus dem Schlaf risse, würde er mich von der Frühmesse bis zum Abendessen schief anschauen. also bewegte ich mich in Zeitlupe, um ihn bloß nicht zu stören, schlüpfte in meine Hausschuhe und schlich im Dunkeln zur Schlafzimmertür.
Ich war den weg von unserem Bett in die Küche sicher bereits tausende Male in absoluter Dunkelheit gegangen. sei es nun aufgrund von kranken Kindern oder zahllosen anderen nächtlichen Notfällen im Laufe der Jahrzehnte unserer Ehe. Und obwohl in zwanzig Jahren kein Möbelstück in unserem Schlafzimmer verrückt worden war, stieß ich nach nicht einmal fünf Schritten mit dem kleinen Zeh meines rechten Fußes an die Ecke unserer alten Mahagonikommode. Ich fluchte erneut, diesmal aber laut, und blickte über die Schulter, um zu sehen, ob ich James aufgeweckt hatte. doch der schnarchte, in seine Leinenlaken gehüllt, weiter vor sich hin. schwitzend und müde, mit einem in meinen grünen Frottee-Puschen pochenden Zeh, kämpfte ich gegen das starke Bedürfnis an, James doch zu wecken, damit er mit mir gemeinsam litt. aber ich war artig und schlich mich aus dem Zimmer.
abgesehen von dem leisen Brummen von James' schnarchen drei Zimmer weiter, war das einzige Geräusch in der Küche das tiefe sirren des schiefen Deckenventilators, der über meinem Kopf wirbelte. Ich machte das Küchenlicht an und sah zu diesem Ventilator hoch, der beharrlich um seine eigene Achse eierte. Mit brennendem Zeh und dem anhaltenden drang, meine schlechte Laune irgendwo abzulassen, kam ich zu dem Schluss, dass es vielleicht nicht zu rechtfertigen sein mochte, wenn ich James aufgrund meiner Hitzewallungen oder meines schmerzenden Zehs anblaffte. Es war aber sehr wohl rational zu begründen, wenn ich etwas dampf abließe, indem ich ihn wegen des vor achtzehn Jahren unsachgemäß angebrachten Ventilator anschnauzte. aber genauso wie gegen mein Verlangen, ihn aufzuwecken, um sein Mitgefühl einzufordern, kämpfte ich auch gegen diese Versuchung erfolgreich an.
Ich machte die Kühlschranktür auf, um den Wasserkrug herauszuholen, beschloss dann aber spontan, lieber den Kopf hineinzustecken. Ich war bereits fast bis zu den Schultern drin und genoss die frostigen Temperaturen, als ich bei dem Gedanken kichern musste, dass jemand, der sehen würde, wie ich den Kopf in den Kühlschrank statt in den Ofen steckte, sagen würde: »die dicke Frau hat anscheinend keinen blassen Schimmer, wie ein anständiger Küchenselbstmord funktioniert.«
also griff ich doch nach dem Wasserkrug und entdeckte daneben eine schale kühl und köstlich aussehender Trauben. Ich holte sie zusammen mit dem Krug heraus und stellte beides auf den Küchentisch. dann holte ich mir ein Glas vom Geschirr-Abtropfständer und nahm es mit an den Tisch. auf dem weg streifte ich meine Hausschuhe ab, um das kalte Linoleum an meinen nackten Fußsohlen genießen zu können. Ich setzte mich auf den Stuhl, der nun schon seit drei Jahrzehnten mein Platz war, und schenkte mir ein Glas Wasser ein. dann stopfte ich mir eine Handvoll Trauben in den Mund, und langsam fühlte ich mich besser.
Ich liebte diese Zeit des Tages, die Zeit kurz vor Sonnenaufgang. Jetzt, da meine Kinder Jimmy, Eric und Denise alle erwachsen und aus dem Haus waren, waren die frühen Morgenstunden nicht mehr verbunden mit langsam verstreichenden Minuten, in denen man sich Husten oder weinen anhörte. oder später dem Geräusch von Teenagerfüßen lauschte, die sich ins oder aus dem Haus schlichen. Nun hatte ich Zeit, die ruhe zu genießen und die Art und Weise, wie das gelblich-graue licht der aufgehenden Sonne in den Raum fiel und alles von schwarz-weiß in Farbe verwandelte. Die Reise von Kansas nach Oz, und das alles in meiner Küche.
an diesem Morgen brachte das Tageslicht allerdings eine Besucherin mit sich: Dora Jackson. Ich schlug die Hand vor den Mund, um einen Aufschrei der Überraschung zu unterdrücken, als ich meine Mutter in den Raum schlendern sah. sie kam aus Richtung der Hintertür, und ihr kleiner, kompakter Körper watschelte mit schwankendem schritt herein, der daher rührte, dass irgendein Landarzt ihren Fuß stümperhaft behandelt hatte, als sie ein kleines Mädchen gewesen war.
die Leute nannten uns immer »die Zwillinge«, meine Mama und mich. wir sind beide rundliche Frauen - mit vollem Busen, fülliger Taille und breiten Hüften. außerdem teilen wir, was oft freundlich ein »interessantes« Gesicht genannt wurde - schmale Augen, Hängebacken, eine breite Stirn und große, aber perfekte Zähne. Ich war mit knapp eins sechzig ein paar Zentimeter größer, aber wenn man Fotos von uns anschaute, dann hätte man schwören können, wir wären ein und dieselbe Frau in verschiedenem Alter.
Meine Mutter liebte ihr aussehen. sie stolzierte immer auf ihren ungleichen Beinen durch die Stadt und streckte die großen Brüste heraus, und allein vom Hinsehen wusste jeder sofort, dass sie sich für das heißeste ding überhaupt hielt. Mir gelang es nie, meinen zylinderförmigen Körper so zu lieben wie Mama ihren. aber ich lernte, ihren selbstsicheren Gang nachzuahmen, und das war vermutlich das einzig Gescheite, was ich je tat.
an jenem Sonntagmorgen trug Mama ihr bestes Kleid, das sie normalerweise nur für sommerhochzeiten und an Ostern herausholte. Es war hellblau, und der Kragen und die Aufschläge der kurzen Ärmel waren mit einem zarten gelben Blumenmuster und grünen ranken bestickt. Ihr Haar war hochgesteckt, so wie sie es bei besonderen Anlässen immer trug. sie setzte sich mir gegenüber an den Tisch und lächelte.
Mama zeigte auf die Schale mit den Trauben auf dem Tisch und sagte: »Ist die Eiscreme etwa alle, odette?«
»Ich versuche, mich gesünder zu ernähren, vielleicht ein paar Kilo abzunehmen diesen Sommer«, log ich, weil ich nicht zugeben wollte, dass die Trauben eigentlich bloß als erster Gang gedacht waren.
»Diäten sind Energieverschwendung«, sagte Mama. »Es ist nichts verkehrt daran, ein paar Pfund mehr zu haben. Und um diese Tageszeit solltest du wirklich nicht so viel Wasser trinken. denk dran, du warst eine Bettnässerin.«
Ich lächelte, und mit kindischem Trotz trank ich noch mehr Wasser. dann versuchte ich, das Thema zu wechseln, und fragte sie: »was führt dich her, Mama?«
»Ich dachte, ich komm vorbei und erzähl dir von dem spaß, den ich mit Earl und Thelma McIntyre hatte. wir waren die ganze Nacht auf, haben über alte Zeiten geplaudert und uns scheckig gelacht. Ich hatte ganz vergessen, wie lustig Thelma ist. Himmel, Arsch und Zwirn, hatten wir vielleicht einen Spaß. Und Thelma kann Joints rollen wie niemand sonst, feste, kleine Stängel gerade locker genug. Ich hab ihr gesagt ...«
»Mama, bitte«, unterbrach ich sie. Ich warf einen verstohlenen Blick über die Schulter, wie immer, wenn sie anfing, über solches Zeug zu reden. Meine Mutter war ihr ganzes Erwachsenenleben lang eine passionierte Marihuanaraucherin. sie sagte immer, es sei gut gegen ihren grauen Star. Und wenn man sie darauf hinwies, dass sie nie unter grauem Star gelitten hatte, dann schwatzte sie einem die Ohren voll, wie wirksam ihre vorbeugende Kur gegen Sehkraftverlust doch sei.
abgesehen davon, dass es gegen das Gesetz verstieß, bestand das Problem mit Mamas »Gewohnheit«, wegen der ich mich immer, wenn sie darüber sprach, automatisch verstohlen umsah, darin, dass James seit fünfunddreißig Jahren bei der Indiana State Police arbeitete.
Vor zwanzig Jahren wurde Mama einmal dabei erwischt, als sie auf dem Campus der Universität am nördlichen Ende der Stadt einen Beutel dope kaufte. als Gefälligkeit James gegenüber brachte der Campusleiter sie nach Hause, anstatt sie verhaften zu lassen. der Sicherheitschef der Uni schwor zwar, das Ganze unter Verschluss zu halten, aber solche Dinge bleiben in einer Kleinstadt wie Plainview nie lange verborgen. am nächsten Morgen wussten alle darüber Bescheid. Es schmeichelte Mama ungemein, als ihre Beinaheverhaftung eine woche darauf dann auch zum Thema der Sonntagspredigt wurde. aber James fand das damals überhaupt nicht witzig, und daran würde sich auch nie etwas ändern.
Ich wartete ungeduldig darauf, dass Mama wieder auf die Geschichte von ihrem Abend mit den McIntyres zurückkam und die illegalen Aspekte ausließ. denn die herausragendste unter all den Eigentümlichkeiten meiner Mutter war die Tatsache, dass sie viele Jahre lang hauptsächlich mit verstorbenen Menschen kommuniziert hatte. Thelma McIntyre, die hervorragende Jointdreherin, war bereits seit gut zwanzig Jahren tot. Big Earl dagegen war gestern noch wohlauf gewesen, als ich ihn in seinem diner Earl's All-You-Can-Eat gesehen hatte. wenn er also tatsächlich bei Mama zu Besuch gewesen war, dann bedeutete das nichts Gutes für Big Earl.
»dann ist Big Earl tot, oder?«, fragte ich.
»Ich nehme es an«, sagte sie.
Ich saß eine Weile da, schwieg und dachte über Big Earl nach, der diese Welt verlassen hatte. Mama sah mich eindringlich an, als würde sie meine Gedanken lesen, und sagte schließlich: »schon gut, Kleines. wirklich. Er hätte nicht glücklicher wirken können.«
dass Mama Geister sehen konnte, fanden wir beim Thanksgiving-Essen im Jahre 1970 heraus. Mama, Papa, mein älterer Bruder Rudy, James, Jimmy, Eric und ich - mit Denise war ich in jenem Herbst noch schwanger -, wir hatten uns alle um den Tisch versammelt. wie es bei uns Tradition war, oblag das Kochen mir allein. Mama hatte ein Händchen für Pflanzen. sie hatte bereits den schönsten Garten der Stadt, lang bevor sie in einem Teil davon ihre geschätzten Marihuanapflanzen zog. was das Kochen betraf, hatte sie den dreh jedoch nie ganz herausbekommen. das letzte Mal, als Mama versuchte, ein Festtagsmahl zuzubereiten, endete es damit, dass wir ihren schwarz-gräulichen Schinken an den Hund verfütterten und stattdessen hartgekochte Eier aßen. Nachdem der Hund davon gefressen hatte, winselte er geschlagene sechs stunden lang. also wurde ich im alter von zehn Jahren zur Köchin der Familie und unser Hund zum vermutlich einzigen rein vegetarisch fressenden Hund von ganz southern Indiana.
Übersicht: Carolin Müller
1. Auflage Copyright © der Originalausgabe 2013 by Edward Kelsey Moore Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2013 by limes Verlag, in der Verlagsgruppe random House GmbH, München
Am Morgen erwachte ich aus einem tiefen Schlaf, und mir war heiß. Mein Gesicht kribbelte, und mein Nachthemd klebte mir am Körper. Zum dritten Mal in dieser Woche. die Uhr auf der Kommode am anderen Ende des Zimmers zeigte leuchtend Viertel vor fünf. Ich konnte das Zischen der Klimaanlage hören und ihren Hauch auf meinem Gesicht spüren. Bevor ich zu Bett gegangen war, hatte ich die Temperatur auf 15 Grad gestellt. also sagte mir der gesunde Menschenverstand, dass es im Zimmer kühl sein musste. Nun ja, der gesunde Menschenverstand und die Tatsache, dass mein Mann James, der schnarchend neben mir lag, wie für den Winter gerüstet war, obwohl wir Mitte Juli hatten. Er schlief wie ein Baby - ein Meter achtzig großes, glatzköpfiges Baby mittleren Alters - eingehüllt in einen Kokon, den er sich aus dem Laken und der Decke geformt hatte, die ich im Laufe der Nacht weggestrampelt hatte. Nur der obere Teil seines braunen Kopfes war über dem Blumenmuster des Bettbezugs sichtbar. Und noch immer schrie jeder Zentimeter meines Körpers, dass es im Zimmer vierzig Grad haben musste.
Ich lüftete mein Nachthemd und ließ es wieder fallen, in dem Versuch, etwas kalte Luft auf meine Haut zu fächern. doch auch das brachte rein gar nichts. Meine Freundin Clarice behauptete, dass Meditation und positives Denken ihr den Weg durch die Menopause erleichtert hatten,
und sie versuchte ständig, mich dazu zu bringen, es auch zu versuchen. also lag ich reglos in der Dunkelheit vor Tagesanbruch und machte mir kühle Gedanken. Ich rief mir alte Sommer Erinnerungen ins Gedächtnis, als ich mit den Kindern im Wasser herumtollte, das in kalten strahlen aus dem klickenden Rasensprenger in unserem Garten spritzte. Ich stellte mir das Eis vor, das sich jeden Winter auf dem Bach bildete, der hinter Mamas und Papas Haus in Leaning Tree vorbeiplätscherte, und ihn aussehen ließ, als sei er in Zellophan gehüllt.
Ich dachte an meinen Vater, Wilbur Jackson. Meine früheste Erinnerung an ihn ist das köstliche Frösteln, das mich als kleines Mädchen immer ergriff, wenn er an Winterabenden aus seiner Schreinerei heimkam und mich in die arm schloss und hochhob. Ich rief mir ins Gedächtnis, wie die Kälte aus Papas Arbeitsoverall strömte und wie es sich anfühlte, wenn ich mit meinen Händen über seinen mit rau- reif bedeckten Bart strich.
aber Papas Geschäft gab es schon seit Jahren nicht mehr. das Haus und das Grundstück in Leaning Tree, mit dem Bach und allem Drum und Dran, war nun schon seit einem halben Jahrzehnt das vorübergehende Zuhause von wechselnden Mietern. Und meine Kinder waren alle schon seit mindestens zwanzig Jahren aus dem alter heraus, in dem man noch durch den Sprühregen des Rasensprengers tanzt.
Und keiner meiner Gedanken, zumindest nicht die, die mir einfielen, erwiesen sich als imstande, meiner brennenden Haut Kühlung zu verschaffen. also verfluchte ich Clarice für ihren unnützen rat. Und dafür, dass sie mich dazu gebracht hatte, an die alten Zeiten zurückzudenken - ein todsicheres Rezept für Schlaflosigkeit -, und ich beschloss, stattdessen in die Küche zu gehen. Dort stand ein Krug Wasser im Kühlschrank und im Gefrierfach war Pekannuss-Eiscreme. Eine kleine Leckerei, so schätzte ich, würde mir jetzt sicher guttun.
Ich setzte mich vorsichtig im Bett auf, bemüht, James nicht aufzuwecken. Normalerweise war er extrem verträglich, aber wenn ich ihn an einem Sonntag vor Tagesanbruch aus dem Schlaf risse, würde er mich von der Frühmesse bis zum Abendessen schief anschauen. also bewegte ich mich in Zeitlupe, um ihn bloß nicht zu stören, schlüpfte in meine Hausschuhe und schlich im Dunkeln zur Schlafzimmertür.
Ich war den weg von unserem Bett in die Küche sicher bereits tausende Male in absoluter Dunkelheit gegangen. sei es nun aufgrund von kranken Kindern oder zahllosen anderen nächtlichen Notfällen im Laufe der Jahrzehnte unserer Ehe. Und obwohl in zwanzig Jahren kein Möbelstück in unserem Schlafzimmer verrückt worden war, stieß ich nach nicht einmal fünf Schritten mit dem kleinen Zeh meines rechten Fußes an die Ecke unserer alten Mahagonikommode. Ich fluchte erneut, diesmal aber laut, und blickte über die Schulter, um zu sehen, ob ich James aufgeweckt hatte. doch der schnarchte, in seine Leinenlaken gehüllt, weiter vor sich hin. schwitzend und müde, mit einem in meinen grünen Frottee-Puschen pochenden Zeh, kämpfte ich gegen das starke Bedürfnis an, James doch zu wecken, damit er mit mir gemeinsam litt. aber ich war artig und schlich mich aus dem Zimmer.
abgesehen von dem leisen Brummen von James' schnarchen drei Zimmer weiter, war das einzige Geräusch in der Küche das tiefe sirren des schiefen Deckenventilators, der über meinem Kopf wirbelte. Ich machte das Küchenlicht an und sah zu diesem Ventilator hoch, der beharrlich um seine eigene Achse eierte. Mit brennendem Zeh und dem anhaltenden drang, meine schlechte Laune irgendwo abzulassen, kam ich zu dem Schluss, dass es vielleicht nicht zu rechtfertigen sein mochte, wenn ich James aufgrund meiner Hitzewallungen oder meines schmerzenden Zehs anblaffte. Es war aber sehr wohl rational zu begründen, wenn ich etwas dampf abließe, indem ich ihn wegen des vor achtzehn Jahren unsachgemäß angebrachten Ventilator anschnauzte. aber genauso wie gegen mein Verlangen, ihn aufzuwecken, um sein Mitgefühl einzufordern, kämpfte ich auch gegen diese Versuchung erfolgreich an.
Ich machte die Kühlschranktür auf, um den Wasserkrug herauszuholen, beschloss dann aber spontan, lieber den Kopf hineinzustecken. Ich war bereits fast bis zu den Schultern drin und genoss die frostigen Temperaturen, als ich bei dem Gedanken kichern musste, dass jemand, der sehen würde, wie ich den Kopf in den Kühlschrank statt in den Ofen steckte, sagen würde: »die dicke Frau hat anscheinend keinen blassen Schimmer, wie ein anständiger Küchenselbstmord funktioniert.«
also griff ich doch nach dem Wasserkrug und entdeckte daneben eine schale kühl und köstlich aussehender Trauben. Ich holte sie zusammen mit dem Krug heraus und stellte beides auf den Küchentisch. dann holte ich mir ein Glas vom Geschirr-Abtropfständer und nahm es mit an den Tisch. auf dem weg streifte ich meine Hausschuhe ab, um das kalte Linoleum an meinen nackten Fußsohlen genießen zu können. Ich setzte mich auf den Stuhl, der nun schon seit drei Jahrzehnten mein Platz war, und schenkte mir ein Glas Wasser ein. dann stopfte ich mir eine Handvoll Trauben in den Mund, und langsam fühlte ich mich besser.
Ich liebte diese Zeit des Tages, die Zeit kurz vor Sonnenaufgang. Jetzt, da meine Kinder Jimmy, Eric und Denise alle erwachsen und aus dem Haus waren, waren die frühen Morgenstunden nicht mehr verbunden mit langsam verstreichenden Minuten, in denen man sich Husten oder weinen anhörte. oder später dem Geräusch von Teenagerfüßen lauschte, die sich ins oder aus dem Haus schlichen. Nun hatte ich Zeit, die ruhe zu genießen und die Art und Weise, wie das gelblich-graue licht der aufgehenden Sonne in den Raum fiel und alles von schwarz-weiß in Farbe verwandelte. Die Reise von Kansas nach Oz, und das alles in meiner Küche.
an diesem Morgen brachte das Tageslicht allerdings eine Besucherin mit sich: Dora Jackson. Ich schlug die Hand vor den Mund, um einen Aufschrei der Überraschung zu unterdrücken, als ich meine Mutter in den Raum schlendern sah. sie kam aus Richtung der Hintertür, und ihr kleiner, kompakter Körper watschelte mit schwankendem schritt herein, der daher rührte, dass irgendein Landarzt ihren Fuß stümperhaft behandelt hatte, als sie ein kleines Mädchen gewesen war.
die Leute nannten uns immer »die Zwillinge«, meine Mama und mich. wir sind beide rundliche Frauen - mit vollem Busen, fülliger Taille und breiten Hüften. außerdem teilen wir, was oft freundlich ein »interessantes« Gesicht genannt wurde - schmale Augen, Hängebacken, eine breite Stirn und große, aber perfekte Zähne. Ich war mit knapp eins sechzig ein paar Zentimeter größer, aber wenn man Fotos von uns anschaute, dann hätte man schwören können, wir wären ein und dieselbe Frau in verschiedenem Alter.
Meine Mutter liebte ihr aussehen. sie stolzierte immer auf ihren ungleichen Beinen durch die Stadt und streckte die großen Brüste heraus, und allein vom Hinsehen wusste jeder sofort, dass sie sich für das heißeste ding überhaupt hielt. Mir gelang es nie, meinen zylinderförmigen Körper so zu lieben wie Mama ihren. aber ich lernte, ihren selbstsicheren Gang nachzuahmen, und das war vermutlich das einzig Gescheite, was ich je tat.
an jenem Sonntagmorgen trug Mama ihr bestes Kleid, das sie normalerweise nur für sommerhochzeiten und an Ostern herausholte. Es war hellblau, und der Kragen und die Aufschläge der kurzen Ärmel waren mit einem zarten gelben Blumenmuster und grünen ranken bestickt. Ihr Haar war hochgesteckt, so wie sie es bei besonderen Anlässen immer trug. sie setzte sich mir gegenüber an den Tisch und lächelte.
Mama zeigte auf die Schale mit den Trauben auf dem Tisch und sagte: »Ist die Eiscreme etwa alle, odette?«
»Ich versuche, mich gesünder zu ernähren, vielleicht ein paar Kilo abzunehmen diesen Sommer«, log ich, weil ich nicht zugeben wollte, dass die Trauben eigentlich bloß als erster Gang gedacht waren.
»Diäten sind Energieverschwendung«, sagte Mama. »Es ist nichts verkehrt daran, ein paar Pfund mehr zu haben. Und um diese Tageszeit solltest du wirklich nicht so viel Wasser trinken. denk dran, du warst eine Bettnässerin.«
Ich lächelte, und mit kindischem Trotz trank ich noch mehr Wasser. dann versuchte ich, das Thema zu wechseln, und fragte sie: »was führt dich her, Mama?«
»Ich dachte, ich komm vorbei und erzähl dir von dem spaß, den ich mit Earl und Thelma McIntyre hatte. wir waren die ganze Nacht auf, haben über alte Zeiten geplaudert und uns scheckig gelacht. Ich hatte ganz vergessen, wie lustig Thelma ist. Himmel, Arsch und Zwirn, hatten wir vielleicht einen Spaß. Und Thelma kann Joints rollen wie niemand sonst, feste, kleine Stängel gerade locker genug. Ich hab ihr gesagt ...«
»Mama, bitte«, unterbrach ich sie. Ich warf einen verstohlenen Blick über die Schulter, wie immer, wenn sie anfing, über solches Zeug zu reden. Meine Mutter war ihr ganzes Erwachsenenleben lang eine passionierte Marihuanaraucherin. sie sagte immer, es sei gut gegen ihren grauen Star. Und wenn man sie darauf hinwies, dass sie nie unter grauem Star gelitten hatte, dann schwatzte sie einem die Ohren voll, wie wirksam ihre vorbeugende Kur gegen Sehkraftverlust doch sei.
abgesehen davon, dass es gegen das Gesetz verstieß, bestand das Problem mit Mamas »Gewohnheit«, wegen der ich mich immer, wenn sie darüber sprach, automatisch verstohlen umsah, darin, dass James seit fünfunddreißig Jahren bei der Indiana State Police arbeitete.
Vor zwanzig Jahren wurde Mama einmal dabei erwischt, als sie auf dem Campus der Universität am nördlichen Ende der Stadt einen Beutel dope kaufte. als Gefälligkeit James gegenüber brachte der Campusleiter sie nach Hause, anstatt sie verhaften zu lassen. der Sicherheitschef der Uni schwor zwar, das Ganze unter Verschluss zu halten, aber solche Dinge bleiben in einer Kleinstadt wie Plainview nie lange verborgen. am nächsten Morgen wussten alle darüber Bescheid. Es schmeichelte Mama ungemein, als ihre Beinaheverhaftung eine woche darauf dann auch zum Thema der Sonntagspredigt wurde. aber James fand das damals überhaupt nicht witzig, und daran würde sich auch nie etwas ändern.
Ich wartete ungeduldig darauf, dass Mama wieder auf die Geschichte von ihrem Abend mit den McIntyres zurückkam und die illegalen Aspekte ausließ. denn die herausragendste unter all den Eigentümlichkeiten meiner Mutter war die Tatsache, dass sie viele Jahre lang hauptsächlich mit verstorbenen Menschen kommuniziert hatte. Thelma McIntyre, die hervorragende Jointdreherin, war bereits seit gut zwanzig Jahren tot. Big Earl dagegen war gestern noch wohlauf gewesen, als ich ihn in seinem diner Earl's All-You-Can-Eat gesehen hatte. wenn er also tatsächlich bei Mama zu Besuch gewesen war, dann bedeutete das nichts Gutes für Big Earl.
»dann ist Big Earl tot, oder?«, fragte ich.
»Ich nehme es an«, sagte sie.
Ich saß eine Weile da, schwieg und dachte über Big Earl nach, der diese Welt verlassen hatte. Mama sah mich eindringlich an, als würde sie meine Gedanken lesen, und sagte schließlich: »schon gut, Kleines. wirklich. Er hätte nicht glücklicher wirken können.«
dass Mama Geister sehen konnte, fanden wir beim Thanksgiving-Essen im Jahre 1970 heraus. Mama, Papa, mein älterer Bruder Rudy, James, Jimmy, Eric und ich - mit Denise war ich in jenem Herbst noch schwanger -, wir hatten uns alle um den Tisch versammelt. wie es bei uns Tradition war, oblag das Kochen mir allein. Mama hatte ein Händchen für Pflanzen. sie hatte bereits den schönsten Garten der Stadt, lang bevor sie in einem Teil davon ihre geschätzten Marihuanapflanzen zog. was das Kochen betraf, hatte sie den dreh jedoch nie ganz herausbekommen. das letzte Mal, als Mama versuchte, ein Festtagsmahl zuzubereiten, endete es damit, dass wir ihren schwarz-gräulichen Schinken an den Hund verfütterten und stattdessen hartgekochte Eier aßen. Nachdem der Hund davon gefressen hatte, winselte er geschlagene sechs stunden lang. also wurde ich im alter von zehn Jahren zur Köchin der Familie und unser Hund zum vermutlich einzigen rein vegetarisch fressenden Hund von ganz southern Indiana.
Übersicht: Carolin Müller
1. Auflage Copyright © der Originalausgabe 2013 by Edward Kelsey Moore Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2013 by limes Verlag, in der Verlagsgruppe random House GmbH, München
... weniger
Autoren-Porträt von Edward Kelsey Moore
Edward Kelsey Moore wurde 1960 in Indianapolis geboren. Er studierte Musik und Cello an der Indiana University und an der State University in New York. Er ist ein begeisterter aber unbeständiger Gärtner und ein enthusiastischer Amateur-, ehemals Profi-Barkeeper. Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl's Diner ist sein erster Roman.
Bibliographische Angaben
- Autor: Edward Kelsey Moore
- 2013, 1, 446 Seiten, Maße: 13,5 x 20,5 cm, Geb. mit Su., Deutsch
- ISBN-10:
- ISBN-13: 4250968802987
Rezension zu „Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl`s Diner “
"Ein Debütroman, den man nicht aus der Hand legen will."
Kommentar zu "Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl`s Diner"
0 Gebrauchte Artikel zu „Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl`s Diner“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl`s Diner".
Kommentar verfassen