Orchideen für sechzehn Mädchen
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Orchideen für sechzehnMädchen vonRex Stout
LESEPROBE
An diesem kalten Dienstag imJanuar ereignete sich etwas
Bemerkenswertes. OhneVerabredung tauchte Inspektor
Cramer kurz vor Mittag inNero Wolfes altem Backsteinhaus
an der 35. Straße West auf.Nachdem ich ihn ins Büro
geführt und er Nero Wolfebegrüßt und sich in dem roten
Ledersessel niedergelassenhatte, sagte er ohne Umschweife:
»Ich möchte Sie um eineGefälligkeit bitten.«
Bemerkenswert daran war,dass er es zugab. Von meinem
eigenen Schreibtisch aus gabich einen entsprechenden
bedeutungsvollen Laut vonmir. Er warf mir daraufhin einen
scharfen Blick zu undfragte, ob mir etwas fehle.
»Nein, Sir«, erklärte ichhöflich. »Ich bin ganz auf dem
Posten. Sie haben das nur soaus mir herausgekitzelt. Nachdem
Sie schon so oft hier warenund mit allen möglichen
Tricks und Drohungen um eineGefälligkeit gebeten haben,
hat mir Ihre Offenheit einenSchock versetzt.« Ich
winkte großzügig ab.»Vergessen Sie es.«
Sein an sich schon rotesGesicht wurde noch um eine
Schattierung dunkler. SeineSchultern strafften sich, und
die Fältchen, die von den Winkelnseiner graublauen Augen
ausgingen, zogen sich nochenger zusammen als seine
Lider. Doch er schien zuahnen, dass ich ihn reizen wollte,
und beherrschte sich.
»Wissen Sie, wessen Ansichtüber Sie ich gern hören
möchte?«, fragte er. »Dievom alten Darwin. Was ist mit
Ihnen geschehen, als dieEntwicklung der Menschheit weiterging?«
»Hört auf, euch zu zanken«,murmelte Wolfe hinter seinem
Schreibtisch.
Er war nicht etwa ärgerlich,weil er fürchtete, Cramer
und ich könnten einanderblutig schlagen, sondern er nahm
es immer übel, wenn man ihnmitten im Kreuzworträtsel
der Times unterbrach.
»Was für eine Gefälligkeit,Sir?«, fragte er Cramer mit
gerunzelter Stirn.
»Nichts Wesentliches.«Cramer entspannte sich. »Nur
eine Kleinigkeit über einenTotschlag. Man hat gestern vor
einer Woche den Körper einesMannes unterhalb der 90.
Straße aus dem East Rivergefischt. Es war -«
»Leonard Dykes«, unterbrachihn Wolfe, denn er wollte
noch vor dem Mittagessensein Rätsel zu Ende bringen.
»Bürovorsteher in einerAnwaltskanzlei, gegen vierzig, hat
etwa zwei Tage im Wassergelegen. Anzeichen eines schweren
Schlages auf den Kopf, aberer starb durch Ertrinken.
Bis gestern Abend wurde nochkein Verdachtsmoment gefunden.
Ich lese alle Nachrichtenüber Mord und Totschlag.«
»Das kann ich mir denken.«
Die Bemerkung war Cramerunwillkürlich entschlüpft,
und als er erkannte, dasssie nicht sehr taktvoll war, versuchte
er, sie mit einem Lächeln zuüberbrücken.
»Wir haben nicht einmal eineAndeutung von einem
Verdachtsmoment, und wirhaben alles Mögliche versucht.
Er wohnte in einem einfachenEin-Zimmer-Apartment mit
Bad in der Sullivan Street.Es ist gründlich durchstöbert
worden, noch bevor wirhinkamen. Wir haben nichts entdeckt,
was uns eine Hilfe seinkönnte, aber etwas haben wir
gefunden, das uns vielleichtweiterhelfen könnte, wenn wir
wüssten, was es zu bedeutenhat.« Er nahm aus seiner
Brieftasche einen Umschlagund holte ein zusammengefal-
tetes Blatt Papier heraus.»Das fanden wir in einem Buch,
einem Roman. Ich kann Ihnenden Titel des Buches und die
Seiten nennen, zwischendenen es gefunden wurde; aber
ich glaube, das hat keineBedeutung.« Er stand auf und
reichte Wolfe das Papierhin. »Schauen Sie es sich an.«
Wolfe ließ den Blickdarübergleiten, und da ich auf alle
Vorgänge im Büro zu achtenhatte, damit man mich notfalls
verantwortlich machenkonnte, stand ich auf und streckte
die Hand aus. Er reichte mirdas Blatt.
»Es ist Dykes Handschrift«,sagte Cramer. »Eine Seite
aus einem Notizblock vonseinem Tisch. Es waren mehrere
solche Notizblöcke imSchubfach des Tisches.«
Das Papier war weiß und imgewöhnlichen Format.
Oben stand in Bleistiftgeschrieben und unterstrichen in
sauberer, fast senkrechterHandschrift: »Versuchshalber.«
Darunter war eine Liste vonNamen:
SinclairMeade Oscar Cody
SinclairSampson Lawrence McCue
Barry BowenMark McCue
David Yerkes Mark Flick
Ernest Vinson Mack Flick
Dorian Vick Louis Gill
Baird Archer Lewis Gill
Oscar Shiff
Ich gab den Zettel Cramerzurück und ging zu meinem
Sessel.
»Nun?«, fragte Wolfeungeduldig.
»Ich war gerade in der Näheund wollte es Ihnen nur mal
zeigen.« Cramer faltete dasPapier zusammen und tat es
wieder in den Umschlag.»Wahrscheinlich hat es nichts mit
dem Totschlag zu tun, aberes hat mich doch irritiert, und
ich war neugierig, was Siedazu sagen würden - deshalb bin
ich vorbeigekommen. Eine vonDykes geschriebene Liste
von fünfzehn Namen, undkeiner davon ist in unserem Telefonbuch
zu finden! Oder sonst wo.Nirgendwo können
wir eine Aufzeichnung überirgendeinen Mann entdecken,
der einen dieser Namenträgt. Keiner von Dykes Freunden
oder Kollegen hat angeblichje etwas von einem dieser
Namen gehört. Natürlichhaben wir nicht im ganzen Lande
Nachforschungen angestellt;aber Dykes ist in New
York geboren und aufgewachsenund hat unseres Wissens
keine besonderenVerbindungen sonst wohin. Was für eine
verrückte Namensliste istdenn das nun?«
Wolfe grunzte.
»Er hat sie sich ausgedacht.Er wollte einen falschen Namen
für sich oder einen anderensuchen.«
»Wir haben natürlich auchdaran gedacht. Wenn es so ist,
dann haben wir noch keinengefunden, der einen dieser
Namen benutzt hätte.«
»Forschen Sie weiter nach,wenn Sie es für sinnvoll halten.«
»Ja. Aber wir sind nurgewöhnliche Sterbliche. Ich wollte
das einmal einem Geniezeigen und abwarten, was geschieht.
Bei einem Genie kann man niewissen.«
Wolfe zuckte mit denSchultern.
»Tut mir Leid. Es ist nichtsgeschehen.«
»Na ja. Ich hoffe, Sieentschuldigen, dass ich Ihnen ohne
jedes Honorar Ihre Zeitgeraubt habe.« Er stand auf. Offensichtlich
war er verärgert, und mankonnte ihm das
nicht einmal übel nehmen.»Lassen Sie sich nicht stören,
Goodwin.«
Er wandte sich um undschritt hinaus. Wolfe beugte sich
mit gerunzelter Stirn übersein Kreuzworträtsel und nahm
den Bleistift zur Hand.
© Goldmann Verlag
Übersetzung: Werner Gronwald
- Autor: Rex Stout
- 2006, Neuausg., 253 Seiten, Maße: 18,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Aus d. Amerikan. v. Werner Gronwald
- Verlag: Arkana
- ISBN-10: 3442030021
- ISBN-13: 9783442030026
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Orchideen für sechzehn Mädchen".
Kommentar verfassen