Pfauenprinzessin
Die Pfauenprinzessin von Indu Sundaresan
LESEPROBE
Mehrunnisabegann sich auf diese Besuche bei Akbars Lieblingsfrau zu freuen. Sie warfasziniert von Ruqayyas Launenhaftigkeit, von ihrerRuhe und Gelassenheit, ihren Tobsuchtsanfällen, aber auch von der Tatsache, wiewichtig sie war. Sie war begeistert, dass Ruqayyasie, Mehrunnisa, interessant fand.
Doch eigentlich wollte sie Salim sehen. Eines Tages, als Mehrunnisanach einem Besuch bei der Padshah Begamunterwegs zu den Toren des Harems war, geriet sie versehentlich auf das Geländeeines angrenzenden Palastes. Erst als sie von einem Korridor in den nächstennur noch weiter in den Palast hineinkam, merkte sie, dass sie sich verlaufenhatte. Es war früher Nachmittag, und im Palast herrschte Stille. Selbst dieallgegenwärtigen Dienerinnen und Eunuchen waren im dunklen Schatten derSchlafräume verborgen und warteten, dass die Sonne nachließ. Mehrunnisa schaute sich um und versuchte, den Rückweg zufinden. Die Gärten, an denen sie vorüberkam, warenmakellos gepflegt, das Gras trotz der Hitze grün, die rosa Blüten der Bougainvilleen hingen schwer an den Ranken herab. Sie kamin einen inneren Hof, der mit Marmor gepflastert war. Darüber sah man durcheine rechteckige Öffnung den blauen Himmel. Tiefe Veranden mit vielen Säulenumschlossen den Hof nach allen vier Seiten. Auch die Säulen waren aus Marmorund strahlten in der Hitze des Hofes ein kühles Weiß aus. Mehrunnisaschlang die Arme um eine Säule, die sie nur zur Hälfte umfasste, und legte dieverschwitzte Stirn an den Stein. In einer Stunde würde sie vielleicht jemandfinden und ihr den Weg nach draußen zeigen. Sie war zu erschöpft, noch weiterherumzulaufen.
Während sie dort stand, trat ein Mann mit einem silbernen Korb in den Hof. Erwar in schlichtes Weiß gekleidet: eine weite kurtaund enge Hosen, Die Füße steckten in Ledersandalen. Mehrunnisarichtete sich an der Säule auf und war nahe daran, ihn zu rufen. Dann schrecktesie zurück. Es war Prinz Salim. Sie schlüpfte hinter die Säule und lugtedahinter hervor. Warum war er allein und ohne Diener?
Salim ging ans gegenüberliegende Ende des Hofes und setzte sich auf eineSteinbank unter einem Niem-Baum, dessen Zweige vollergelber Trauben hingen. Er schnalzte mit der Zunge. Mehrunnisaverschlug es vor Überraschung den Atem, als hunderte Tauben, die unter denDachvorsprüngen hausten, raschelnd die Flügel ausbreiteten, sich in die Lüfteschwangen und zum Prinzen flogen. Sie wuselten um seine Füße herum, und dieHälse ruckten heftig unter schillerndem grünweißen Gefieder. Salim öffnete denKorb, langte mit einer Hand hinein und warf Weizenkörner in die Luft. DieKörner fingen das goldene Licht der Sonne ein, ehe sie auf die Marmorplattenherabregneten. Sogleich begannen die Vögel, die Körner aufzupicken, wobei ihreKöpfe auf und ab hüpften. Einige Tiere beäugten den Prinzen erwartungsvoll.
Er lachte, und der Klang seiner Stimme hallte leise durch den stillenHof. »Ihr seid verwöhnt. Wenn ihr noch mehr habenwollt, dann holt es euch.«
Die nächsten Körner hielt er ihnen mit ausgestreckter Hand hin. Unentdeckt,verborgen hinter der Säule, beobachtete Mehrunnisa,wie die Vögel um ihn herumtrippelten, als könnten sie sich nicht entscheiden,dann flog eine Taube sehr mutig auf und ließ sich auf Salims Schulter nieder.Er rührte sich nicht. Kurz darauf schwärmten die Tauben um ihn herum, er warfast vollkommen hinter grauem, schwarzem und weißem Gefieder verborgen. Mehrunnisa sah den Prinzen wie gebannt an. Einenunendlichen Moment lang gab es nur sie und den Prinzen und das Gurren derTauben. Jetzt musste er doch spüren, dass er nicht allein war, musste sichumwenden und sie sehen. Wie von unsichtbarer Hand geführt, glitt sie hinter derMarmorsäule hervor, hin in die blendende Helligkeit, die den Prinzenumstrahlte.
»Was machst du hier?« Eine Hand packte Mehrunnisa ander Schulter und riss sie herum. Mehrunnisa erschrak.Dann strich sie ihren Rock glatt und hob das Kinn. Sie begegnete dem Blick desEunuchen.
»Ich habe mich verirrt.«
»Dumme Gans«, flüsterte er grimmig und schob sie vom Hof. »Du bist in der mardana. Weißt du denn nicht, dass es verboten ist, in denMännerbereich einzudringen? Geh jetzt, bevor Prinz Salim dich sieht. Er magniemanden in der Nähe, wenn er die Tauben füttert.«
»Was machst du dann hier?«
Der Eunuch hob die Augenbrauen. »Ich bin HoshiyarKhan.«
Mehrunnisa hob ebenfalls die Augenbrauen. »Und ichbin Mehrunnisa. Aber wer bist du?«
Er schnalzte mit der Zunge. »Ich ... es spielt keine Rolle. Du musst jetztgehen, Kind.«
Mehrunnisa drehte sich noch einmal zu Salim um, ehesie ging. Er saß auf der Bank, summte leise mit den Tauben, und als eine sichauf seinem Kopf niederließ, lachte er wieder und versuchte, sie anzuschauen,ohne den Kopf zur Seite zu neigen.
»Nun komm schon, komm«, sagte der Eunuch ungehalten. »Frauen dürfen nicht indie mardana. Das weißt du genau. Der Mogulkaiserlässt dich enthaupten, wenn er es herausbekommt.«
»Nein!«, sagte Mehrunnisa. »Ich habe mich verlaufen,ich bin nicht absichtlich hierher gekommen.«
»Bap re!«, seufzte Hoshiyxar und schob sie weiter vor sich her, bis siebeinahe über ihren Rocksaum stolperte. »Sie widerspricht auch noch. Ich findesie, wie sie den Prinzen anhommelt, und siebehauptet, sie habe sich verlaufen.«
Er führte sie aus dem Palast und zeigte auf die Tore. »Geh und lass dich hiernicht wieder blicken, sonst reiße ich dir den Kopf ab.«
Mehrunnisa streckte ihm die Zunge raus und lief zuden Toren. Sie schaute über die Schulter zurück. Hoshiyarfolgte ihr nicht; er stand nur da, und als sie sich umdrehte, zeigte auch erihr die Zunge.
Übersetzung:Marion Balkenhol
© KrügerVerlag
InduSundaresan, aufgewachsen in Indien und dort ausgebildet alsWirtschaftswissenschaftlerin. Veröffentlichung von Kurzgeschichten inverschiedenen Magazinen sowie Romanen. Die Autorin lebt in Seattle, USA.
Interview mit Indu Sundaresan
"Pfauenprinzessin" ist einhistorischer Roman mit einer Fülle von Details. Wie haben Sie all diesezusammengetragen? Wie lange hat es gedauert, diesen Roman zu schreiben?
Ich habe für diesen Roman nur in den örtlichen Bibliothekenrecherchiert, in den öffentlichen Büchereien von King County und Suzzalo sowieallen Bibliotheken der Universität von Washington hier in Seattle. DieseBibliotheken haben einen wahren Schatz an Informationen über die Mughal-Zeit,Memoiren, Landkarten, Erzählungen von Indien-Reisenden im 17. Jahrhundert undHofberichte. Ein großer Teil dieser Dokumente ist im Original portugiesisch,holländisch, persisch oder türkisch, sie alle wurden aber im Laufe der letzten400 Jahre ins Englische übersetzt.
Die holländische und britische Ostindische Kompaniestanden im frühen 17. Jahrhundert am Anfang ihrer Entwicklung, sodass in dieserZeit Beauftragte der Kompanie Indien besuchten, um ostindische Märkte für denHandel zu erschließen. Sie haben einige Berichte über ihre Indien-Reisenhinterlassen.
"Pfauenprinzessin" habe ich in einem Zeitraumvon 6 Monaten geschrieben, aber ich brauchte fast fünf Jahre, um den Roman zuvermarkten und habe ihn während dieser Zeit immer wieder überarbeitet.
Was für eine Frau war Mehrunnisa, IhreProtagonistin? Können Sie uns ein wenig über sie erzählen?
Mehrunnisa war eine Frau mit großer Charakterstärke undviel Kraft. Sonst wäre sie wahrscheinlich nie die mächtigste Frau in derMughal-Dynastie geworden, die den Taj Mahal in Indien erbauen ließ. Sie hatteeine Menge Hindernisse zu überwinden, nicht zuletzt, weil sie einfach eine Frauwar. Im Indien des 17. Jahrhunderts lebten die Frauen in Harems, hinterSchleiern, und waren praktisch nie in der Öffentlichkeit zu sehen. Man gestand ihnenkeinerlei Bedeutung zu, abgesehen von ihrer körperlichen Schönheit und derFähigkeit, Erben für den Thron zu gebären. Trotz dieser Begrenzungen gelang esMehrunnisa, die eigentlich Mächtige hinter ihrem nach außen hin herrschendenGatten Jahangir zu werden. Sie beeinflusste die Politik am Hof und spielte dieBriten und die Portugiesen gegeneinander aus - zum Wohle des Landes. Sie ließGrabstätten und Denkmäler bauen, die noch heute von ihren außergewöhnlichenVisionen und ihrem Stil zeugen.
Beruht Ihr Roman auf tatsächlichenBegebenheiten?
Ja. Mehrunnisa lebte und herrschte so, wie ich sie in"Pfauenprinzessin" beschrieben habe. Es gibt eine Menge Berichte übersie in der Mughal-Literatur. Es ist schwierig, sich da durchzuarbeiten, denndie Berichte sind in einigen Fällen über 400 Jahre alt. Man kann also nichtsicher beweisen, was wahr und authentisch ist. Aber die wichtigsten Faktenstimmen. Sie war eine mutige und sehr fähige Frau. Sie war die Frau einespersischen Soldaten, bevor sie den Herrscher Jahangir heiratete, dessen großeLiebe sie war. Er gab ihr eine enorme Machtfülle. Erstaunlich ist, dass sie beiihrer Heirat 34 Jahre alt war; im Indien des 17. Jahrhunderts galt eine Fraudamit schon als alt. Frauen über 30 wurden Charme und Schönheit abgesprochen.Außerdem hatten sich einige Mitglieder ihrer Familie unehrenhaft verhalten. DerVater hatte sich am Staatsschatz bereichert, ihr ältester Bruder versuchte, denHerrscher Jahangir zu ermorden, und ihr erster Gatte tötete JahangirsLieblings-Pflegebruder.
Sie sind in Indien aufgewachsen undhaben dort Wirtschaftswissenschaften studiert. Wie kamen Sie in die USA, undwie kamen Sie zum Schreiben?
Ich kam in die USA, um Volkswirtschaft und OperationsResearch zu studieren und habe in beiden Fächern mein Abschlussexamen. Sofortnach dem Studium fing ich mit dem Schreiben an, ich wollte lieberSchriftstellerin werden. Ich glaube, der Wunsch zu schreiben und mich kreativzu betätigen, hatte schon lange in mir geschlummert. Und sofort nach Beendigungder Examensarbeiten beschloss ich, mir einen Computer zu kaufen und einen Romanzu schreiben. Und das habe ich dann auch gemacht! "Pfauenprinzessin"ist mein dritter Roman, die ersten zwei schrieb ich mehr zur Übung. Ich denke,dass ich so das Handwerkliche lernte, um letztendlich einen guten Romanschreiben zu können.
Sie arbeiten zur Zeit an einerFortsetzung des Romans, der das weitere Schicksal der Mughal-Kaiserin erzählt.Wie wird es für Mehrunnisa weitergehen?
"Kaiserin der Rosen", die Fortsetzung von"Pfauenprinzessin", handelt von Mehrunnisas Leben als Herrscherin,als Jahangirs zwanzigste und mächtigste Frau. Man wird erleben, wie sie dieseMacht sowohl im Harem als auch am Hof gewinnt, indem sie sich mit drei Männernverbündet: ihrem Vater, ihrem Bruder und einem von Jahangirs Söhnen, PrinzKhurram. Sie weiß, dass sie außerhalb der Haremsmauern die Hilfe von Männernbraucht. Aber auf halbem Wege zur Macht zerbricht diese Allianz, weilMehrunnisa einige Fehler begeht. Ihre Tochter Ladli aus ihrer ersten Ehe mitdem persischen Soldaten und ihre Nichte Arjumand, die Prinz Khurram heiratete,spielen wichtige Rollen in der Geschichte. Beide Frauen haben Einfluss aufMehrunnisas Leben. "Kaiserin der Rosen" endet mit dem Bau des TajMahal, das für Mehrunnisas Nichte Arjumand errichtet wurde. Stil und Charme desTaj Mahal sind geprägt vom Grabmal in Agra, das Mehrunnisa für ihren Vatergestaltete.
Die Fragen stellte Roland Große Holtforth,literaturtest.de.
- Autor: Indu Sundaresan
- 2003, 1, 429 Seiten, Maße: 15 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Balkenhol, Marion
- Verlag: FISCHER Krüger
- ISBN-10: 3810519219
- ISBN-13: 9783810519214
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