Plan B: Wie man seine Schulden auf Null bringt
Stefan Angehrn war einer der prominentesten Boxer der Schweiz. Doch seine Karriere endete im finanziellen Desaster.
Drei Millionen deutscher Haushalte gelten als völlig überschuldet. Im Durchschnitt hat jeder Deutsche 14.000 Euro Schulden. Aber keiner spricht darüber. Zum realen Problem kommt ein psychologisches: Nichts ist heute so peinlich wie Schulden zu haben. Und ist man erst einmal in der Schuldenspirale gefangen, dreht diese sich scheinbar unaufhaltsam weiter. Stefan Angehrn, der erfolgreichste Schweizer Boxer, weiß, was das bedeutet. Sein Sport hat ihm einen Schuldenberg von nahezu einer halben Million Franken eingebracht. Um diese horrende Summe abzubauen, entwickelte er »Plan B«. Er lernte u. a., offen mit Gläubigern über die finanzielle Situation zu sprechen, einen Ratenzahlungsplan aufzustellen, die gesetzlichen und behördlichen Möglichkeiten auszuloten und nicht zuletzt, angebotene Unterstützung auch anzunehmen. Aus seinen persönlichen Erfahrungen entwickelte er einen Trainingsplan, der es jedem ermöglicht, seine Geldprobleme in den Griff zu bekommen. Auch zahlreiche Prominente - von Vitali Klitschko bis Lisa Fitz - kommen zu Wort und reden offen über Geld und wie man damit umgeht. Mit Vorworten des Schweizer Altbundespräsidenten Adolf Ogi und der ehemaligen deutschen Justizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger.
Plan B: Wie manseine Schulden auf null bringt vonStefan Angehrn
LESEPROBE
Wie man Schulden macht - und wie einen Schulden (fertig) machen
Erlauben Sie einem schlichten Boxer, Ihnen etwas Nachhilfe inEtymologie
zu geben: Schuld und Schulden haben einen altgermanischenWortstamm:
»skulan«, was nichts anderes als »sollen« bedeutet. Er soll mir,ich
soll ihm - einer schuldet also dem anderen etwas. Mit der Bedeutung
»schuldig sein« war »sollen« noch bis zum Ende des 18.Jahrhunderts
in der Kaufmannssprache üblich, und heute finden Sie das Wort injeder
Bilanz und auf all Ihren Kontoauszügen. Soll und Haben - Schuldund
Sühne. Diese Verpflichtung zur Rückgabe einer geliehenen Summeoder
zu einer Abgabe, einem Dienst oder einer Revanche wurde mit denJahren
in der deutschen Sprache immer mehr erhöht, aus den Schulden wurde
die Schuld. Schulden wurden zur Sünde, und so ist es offen gesagt
bis heute geblieben.
Balzac, der Profischuldner
Honoré de Balzac veröffentlichte 1827 ein schmales Bändchen, dasman
als erste Schuldnerberatung bezeichnen könnte: »Die Kunst, seineSchulden
zu zahlen und seine Gläubiger zu befriedigen, ohne auch nur einen
Sou selbst aus der Tasche zu nehmen«. In dieser beißenden Satiregeißelt
er die Grausamkeiten der Gläubiger zu seiner Zeit und gibt denSchuldnern
freundliche Ratschläge. In Balzacs Charakteristik des »perfektenSchuldners«
liest man: »Der Mann braucht eine eiserne Gesundheit, schnelleFüße,
Geistesgegenwart, Mut, Geduld und das Gedächtnis einesGläubigers.«
Wer Schulden hat, muss sich auch schuldig fühlen. Da könnte manauf
die seltsamsten Gedanken kommen.
Noch nie hatten wir mehr Schulden
Drei Millionen deutsche Haushalte gelten als völlig überschuldet,und
noch nie war die Zahl der Privatinsolvenzen so hoch wie heute. Die
Ratenkredite haben sich in zehn Jahren von 115 Milliarden DM auf440
Milliarden DM 1999 fast vervielfacht. Immer mehr Geldinstitutesteigen
ins Geschäft mit den klammen Zahlern ein - Schulden sind eintolles
Geschäft! Für Banken und Geldverleiher. Immer mehr Menschenbrauchen
dringend Geld und akzeptieren fast jeden Zinssatz. Das Leben aufPump
gehört zum Alltag, ja fast schon zum guten Ton, und man führt esmit
Vollgas, bis man sich überschlägt oder aus der Kurve fliegt. Dank
aggressiver Verkaufsmethoden boomt die Schuldenindustrie. Überall
gibt es inzwischen Kredite: im Internet, bei den Banken, bei denAutohändlern,
bei den Versandhäusern, beim Elektromarkt. Nach Sicherheiten fragt
kaum noch jemand - es reicht, wenn man eine feste Arbeit angibt.Der
Rekord bei Online-Anbietern liegt bei 30 Sekunden für eineKreditzusage.
Aber wissen Sie eigentlich, was ein effektiver Jahreszins von 15
bedeutet? Die Hölle nämlich, und wenn Sie sich nur kleine Ratenleisten
können, werden Sie nach vielen Jahren feststellen, dass Sie zwarviele
Zinsen gezahlt, jedoch noch keinen Cent Ihrer Schulden getilgthaben.
Es ist eine grausame Wahrheit: Man braucht uns Schuldner, mit uns
wird richtig dick Geld verdient, aber man lobt uns nicht als Motor
der Wirtschaft. Und nachdem alles ein Geschäft ist - wenn man dem
Irak Waffen liefert und sie ihm anschließend im Rahmen einesKrieges
gegen den Terror wieder abnimmt oder wenn man an Supermarktkassen
in Kinderaugenhöhe Süßigkeiten stapelt und gleichzeitig über denZustand
der Zähne eben dieser Kinder lamentiert -, ist dasSchuldengeschäft
eben auch nur ein Geschäft wie jedes andere. Sorry, ich bin Boxer
und kann mein Naturell nicht verstecken, aber im Ring geht esziviler
und ehrlicher zu. Es hilft bloß nichts zu jammern, dennschließlich
haben wir den Kapitalismus als Staatsform gewählt und damit auchein
zynisches Ideal: den Profit.
Von der Verschuldung zur Überschuldung
Verschuldet sind wir alle irgendwie. Es wird kaum einen Menschengeben,
der einem anderen nicht etwas schuldet. Doch wir sind auch allesicher,
dass wir das im Griff haben. Eine enorme Selbstüberschätzung, die
mit etwas Fantasie relativiert werden kann. Denken Sie nur an die
drei K: Keine Arbeit, Kinder, Krankheit.
Die Angst vor der Arbeitslosigkeit hat in den letzten Jahrensprunghaft
zugenommen. Outsourcing, Abwanderung von Firmen, billigeArbeitskräfte
im Osten und der Dritten Welt, Firmenpleiten und »Verschlankung«.
Wie sieht Ihre Schuldenbilanz aus, wenn für ein Jahr 40 % IhresEinkommens
wegfallen? Sind Sie in dem Alter, in dem man nur noch schwervermittelt
werden kann, oder arbeiten Sie in einer Berufssparte, die als»unvermittelbar«
abgestempelt ist? Sie sollten sich in keine Hysterie steigern,aber
Sie sollten Vorkehrungen treffen, falls das erste K tatsächlicheinmal
zuschlägt. Erkunden Sie jetzt schon alternativeEinnahmemöglichkeiten,
schauen Sie sich nach Zweitjobs um - und bleiben Sie weit weg von
der Schuldenkante!
Kinder sind die zweite Schuldenfalle. Ein Einkommen fällt weg oder
wird zumindest minimiert. Dazu kommen zusätzliche Aufwendungen für
das Kind, Kinderzimmer, später ein Kindergartenplatz, Schule undAusbildung
- und natürlich die gesellschaftlichen »Konsumzwänge« für Kinder.
Kein Grund, sich nicht mehr fortzupflanzen, aber trotzdem einThema,
dem man sich nicht blauäugig nähern sollte.
Krankheit ist die dritte Schuldenfalle, häufig eine ebenso bösewie
unerwartete. Ob Sie oder Ihr Partner länger erkranken und Pflegebrauchen,
die von der Versicherung nicht abgedeckt ist, oder ob Sie einenElternteil
betreuen müssen - Krankheit bedeutet oft gewaltige Mehraufwendungen
von Zeit und Geld. Und die kann sich nur der leisten, der weitgenug
von der Schuldenkante entfernt ist.
Schuldig oder nur verführt?
Ohne leicht verführbare Menschen, die die Werbung auf gnadenlosenKonsum
eingeschworen hat, würden viele Branchen bitter leiden:Handyhersteller,
Funknetzbetreiber, Teilzahlungsbanken, Versandhäuser,Automobilhersteller,
Baufirmen, Internetdienste und die gesamte Unterhaltungsindustrie.
Einfache Lebensmittelläden haben noch keinen zum Schuldnergemacht.
Da konnte man früher - und auf dem Land geht das immer noch -anschreiben
lassen, und wenn wieder Geld da war, hat man eben alles bezahlt.Ohne
Zinsen. Deshalb: Fühlen Sie sich nicht schuldig, wenn Sie Schulden
haben. Höchstens wenn Sie ein professioneller Skandalschuldnersind
wie Herr Schneider aus Deutschland oder Herr Rey aus der Schweiz,
die beide mit krimineller Energie ihre Schulden aufgetürmt haben.
Mit dem Hintergedanken, sie nur zurückzuzahlen, wenn - gegen alle
Wahrscheinlichkeit - alles gut läuft. Wenn nicht? Na eben.
Wie kriegt so jemand eigentlich so viel Geld? Bei unsereinemverlangen
die Banken Sicherheiten über die gesamte Summe - beiImmobilienspekulanten
werden Millionen locker vergeben. Sind ja bloß Peanuts. Das führt
zwangsläufig zur Betrachtung der Staatsfinanzen. Wie kann sich ein
Staat so verschulden, dass seine Bürger die Hälfte des Jahresdafür
arbeiten müssen, damit eben dieser Staat die Zinsen für seinDefizit
bezahlen kann? Dabei geht es doch viel einfacher. Mexiko etwa hat
sich bei der Weltbank so verschuldet, dass an die Rückzahlung der
Milliardenkredite nicht zu denken ist. Also schenkt man demsympathischen
Land mit seinen freundlichen, Sombrero tragenden Menschen denKredit,
aber die Zinsen möchte man schon haben. Dafür gibt es einen neuen
Kredit, von dem Mexiko jedes Jahr die Zinsen bezahlt - bis auchder
aufgebraucht ist.
Test: Haben Sie ein gefährliches Konsumverhalten?
1. Vor dem Einkaufen schreibe ich einen Einkaufszettel - kaufe
dann aber meist doch noch andere Sachen ein.
2. Im Supermarkt bekomme ich die besten Ideen, was ich kochenkann.
3. Ich räume regelmäßig meinen Kühlschrank aus und werfe
verdorbene Lebensmittel weg.
4. Ich kaufe nur Markenprodukte.
5. Ich gehe gerne und regelmäßig bummeln.
6. Es gibt jeden Tag etwas einzukaufen.
7. Warme Pullis trage ich im Winter nur im Freien.
8. Manchmal kommt das warme Wasser so heiß bei mir aus der
Leitung, dass man sich fast verbrennt.
Je mehr »Ja«-Antworten Sie haben, umso kostspieliger ist Ihr
Konsumentenverhalten. Können Sie es sich wirklich leisten, so
planlos beim Einkaufen und Wohnen zu sein?
© Mosaik Verlag
Interview mit Stefan Angehrn
Ihre sportlich überaus erfolgreiche Karriere als Boxerwar für Sie leider ein finanzielles Desaster. Bei Ihrem offiziellen Ausstiegaus dem Boxsport hatten Sie Schulden von fast einer halben Million Franken. Wiekonnte es so weit kommen?
Die Schweiz war für den Boxsporteinfach das falsche Land, denn ich hätte mit der gleichen Kampfbilanz inDeutschland ein paar Millionen Euro verdient! Da es in der Schweiz keineBoxmanager gibt, die über Kontakte verfügen, und das Schweizer Fernsehen finanziellkleinere Brötchen backt als die deutschen TV-Anstalten, waren wir gezwungen,immer wieder auf eigenes Risiko zu veranstalten und haben z.B. 1998 über Nachtrasch 150.000 Franken Minus gemacht. Damals fing eigentlich alles an, und wennDu in der Schuldenfalle einmal drin bist, mahlen die Mühlen schnell!
In "Plan B" beschreiben Sie sehr anschaulichanhand der Runden eines Boxkampfes den manchmal mühsamen Weg aus derSchuldenfalle. Können Sie uns sagen, was am allerwichtigsten ist, wenn man denKampf gegen seine Schulden gewinnen will?
Das Allerwichtigste ist dieEhrlichkeit gegenüber sich selbst und seinem Umfeld. Denn die meisten Schuldnerschämen und verstecken sich, sie lügen und tricksen so lange, bis es schwerwird, noch die Kurve zu kriegen. Als Boxer hast du keine Wahl, als ehrlich zuDir zu sein, sonst gewinnst du keinen Kampf. Im Ring kann man seine Schwächennicht verstecken, und jeder schaut dir beim Kämpfen zu!
In "Plan B" finden Sieviele "Do-it-Kästchen", bei denen Sie aktiv mitmachen können, etwa:"Wie mache ich meinen Gläubiger zu meinem Freund?" "Welcheentscheidende Rolle spielt die Beziehung zum Gerichtsvollzieher?" usw. Zudemist das Buch gespickt mit guten Ratschlägen von VIPs aus aller Welt, die Sieüber die ganzen zwölf Runden begleiten und anspornen durchzuhalten - solange,bis sie am Ende von Runde 12 schuldenfrei sein werden!
Wie kam es bei Ihnen zur Umkehr? Gab es ein speziellesEreignis, einen Wendepunkt, der Sie dazu brachte, "die Segelherumzureißen" und sich fortan weniger um Ihre sportliche Karriere alsvielmehr um die Tilgung Ihrer Schulden zu kümmern?
Im Jahr 2000 gab ich die Hoffnungauf, die mir seit dem Sieg über Thorsten May (1997) zustehendeIBF-Weltmeisterschaft jemals noch zu bekommen, mit deren 500.000er-Börse ichendlich schuldenfrei gewesen wäre. Ich hatte einfach die Schnauze voll vomAktiv-Boxsport, wollte aber trotzdem nicht aufgeben und allen Kritikern undMiesmachern aus dieser Zeit zeigen, dass Stefan Angehrn trotz der finanziellenNiederlage ein SIEGER ist. Zudem war es für uns immer klar, dass jeder, derjemals etwas für uns geleistet hatte, sein Geld erhalten sollte. So habe ichnach Rücksprache mit meiner Frau beschlossen, diesen harten und spartanischenWeg zu gehen, und gehe ihn bis heute.
Sie betonen, dass besonders die Ehrlichkeit gegenübersich selbst, den Angehörigen, Freunden und der direkte offene Kontakt mit denGläubigern ungemein wichtig sind. Doch gerade dies fällt vielen Schuldnernschwer. Hatten Sie damit anfangs auch Probleme? Wie kann es gelingen, dasUnbehagen und die Scham zu überwinden?
Ich hatte damit niemals Probleme,da ich ja durch meine Selbstverwirklichung im Sport im weiteren Sinne"schuld" an der ganzen Misere war. Zudem war für mich immer klar,dass es hier wirklich "NUR" um Geld geht ! Es gibt viel schlimmereProbleme
Ich finde es grauenhaft, dass mansich in der heutigen Zeit immer noch schämen muss, wenn man zugibt, Schulden zuhaben, wo doch drei Viertel aller Leute heute Schulden haben!
Ein Tipp zum Üben: ImprovisierenSie zu Hause mit Ihrer Familie, was Sie sagen werden, wenn Sie IhremAngst-Gläubiger oder -Banker auf der Straße oder im Restaurant begegnensollten. Machen Sie Situationsspiele und Trockenübungen mit Ihrem Partner, umdann nicht dumm da zu stehen, wenn es wirklich passiert. Probieren Sie alleVarianten aus, von nett bis bösartig-primitiv, um auf jede Situationvorbereitet zu sein. Das schafft Selbstsicherheit.
Heute sind Sie Autor, haben einVIP-Service-Unternehmen, und Ihr Schuldenberg ist Vergangenheit. Welchen Traumwürden Sie sich gerne noch verwirklichen?
Auf www.stefanangehrn.chfinden Sie alle Infos über unsere spannende Tätigkeit mit VIPs aus aller Welt.Diese Marktlücke in der Schweiz erkannt zu haben, hat uns sehr geholfen, imBerufsalltag wieder Fuß zu fassen und wieder auf die Beine zu kommen.Schuldenfrei sind wir allerdings noch nicht ganz. Wir sind an den "letztenHundert", und ich denke, dass wir es bis spätestens zu den Sommerferien 05geschafft haben sollten.
Mein Traum ist eine ehrlichereWelt, in der die Guten zusammenhalten und endlich für eine bessere Zukunfteinstehen. Wir Schuldner sind in der Mehrheit, und wir sind die eigentlicheMacht. Wir müssen nur endlich den Mut haben, uns zu "outen",zusammenzutun und uns gegenseitig zu helfen, dann wird eine bessere Zeit füruns alle kommen!
Abgesehen davon hätte ich nochein paar gute Ideen für Buchtitel, da ich durchaus Gefallen an der Schreibereigefunden habe.
Die Fragen stellte UlrikeKünnecke, literaturtest.de.
- Autor: Stefan Angehrn
- 2004, 160 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 13,5 x 21,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Mosaik
- ISBN-10: 3442390761
- ISBN-13: 9783442390762
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