Qual
Roman
Ein großer Coup soll den geistig zurückgebliebenen Blaze aller Sorgen entledigen. Er entführt das Baby einer reichen Familie. Was wird er dem Kleinen antun? Während alle Welt ihn jagt, um den Horror zu beenden, geht in Blaze eine...
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Produktinformationen zu „Qual “
Ein großer Coup soll den geistig zurückgebliebenen Blaze aller Sorgen entledigen. Er entführt das Baby einer reichen Familie. Was wird er dem Kleinen antun? Während alle Welt ihn jagt, um den Horror zu beenden, geht in Blaze eine Verwandlung vor. Das Lösegeld interessiert ihn längst nicht mehr.
Klappentext zu „Qual “
Grausam, packend, anrührend - Wenn die Toten zu flüstern beginnen ...Ein großer Coup soll den geistig zurückgebliebenen Blaze aller Sorgen entledigen. Er entführt das Baby einer reichen Familie. Was wird er dem Kleinen antun? Während alle Welt ihn jagt, um den Horror zu beenden, geht in Blaze eine Verwandlung vor. Das Lösegeld interessiert ihn längst nicht mehr ...
Die Kindheit des jungen Blaze ist schrecklich: Die Mutter ist gestorben, und sein Vater, ein Trinker, verprügelt ihn ständig und wirft ihn so oft die Treppe hinunter, bis das Kind einen bleibenden Schaden davonträgt. Der leicht behinderte Junge kommt in ein Kinderheim, wo sich die kommenden Jahre jedoch erst recht qualvoll gestalten. Als Jugendlicher begeht er mit seinem Kumpel George harmlose Straftaten, bis dieser bei einer Stecherei umkommt. Aber George meldet sich aus dem Totenreich und flüstert Blaze ein, einen größeren Coup zu starten. Um an wirklich viel Geld zu kommen, entführt Blaze schließlich das Baby einer reichen Familie. Allein mit dem kleinen Bündel Leben, erwacht in ihm eine ungeahnte Fürsorge. Die Flucht vor dem gigantischen Polizeiaufgebot führt in eine Katastrophe ...
Lese-Probe zu „Qual “
Qual von Richard Bachman (Stephen King) LESEPROBE
George war irgendwo im Dunkeln. Blaze konnte ihn nicht sehen, aber seine Stimme war laut und deutlich zu hören, rau und ein wenig heiser. George hörte sich immer irgendwie erkältet an. Als Kind hatte er mal einen Unfall gehabt. Er sprach nie darüber, was passiert war. Jedenfalls hatte er eine ziemlich große Narbe auf dem Adamsapfel. »Der doch nicht, Dummkopf, der ist doch total mit Aufklebern zugepflastert. Nimm einen Chevy oder einen Ford. Dunkelblau oder grün. Zwei Jahre alt. Nicht älter, nicht jünger. An die erinnert sich kein Mensch. Und keine Sticker.« Blaze ging an dem kleinen Auto mit den Aufklebern vorbei. Das schwache Dröhnen des Basses erreichte ihn sogar hier am anderen Ende des Parkplatzes, der zu der Kneipe gehörte. Es war Samstagabend, und der Laden war voll. Die Luft war bitterkalt. Er war in die Stadt getrampt, aber jetzt stand er schon seit vierzig Minuten im Freien, und seine Ohren waren wie abgestorben. Er hatte seine Mütze vergessen. Irgendwas vergaß er immer. Er hatte schon die Hände aus den Jackentaschen nehmen und auf seine Ohren legen wollen, aber George hielt ihn davon ab. George sagte, die Ohren könnten ruhig kalt werden, nur nicht die Hände. Zum Kurzschließen eines Autos brauche man die Ohren nicht. Es war sechzehn Grad unter null.
»Da«, sagte George. »Rechts von dir.«
Blaze drehte den Kopf und sah einen Saab. Mit einem Aufkleber. Sah überhaupt nicht wie das richtige Auto aus. »Das ist links, du Dummkopf«, sagte George. »Rechts von dir, hab ich gesagt. Die Hand, mit der du in der Nase bohrst.«
»tschuldigung, George.«
Ja, er stellte sich schon wieder wie ein Idiot an. Er konnte beidhändig in der Nase bohren, aber seine rechte Hand kannte er, die Hand, mit der man auch
... mehr
schreibt. Er dachte an diese Hand und schaute auf die entsprechende Seite. Dort stand ein dunkelgrüner Ford.
Blaze schlenderte betont lässig zu dem Ford hinüber. Er warf einen Blick über die Schulter. Die Kaschemme war eine College-Kneipe namens The Bag. Das war ein blöder Name, weil, wenn man Sack sagte, meinte man doch eigentlich seine Eier. Zum Eingang musste man ein paar Stufen runtergehen. Freitags und samstags abends spielte eine Band. Drinnen würde es voll und warm sein, eine Menge wie verrückt tanzender kleiner Mädchen in kurzen Röcken. Wäre nett, reinzugehen, sich nur mal umzuschauen
»Was sollst du jetzt machen?«, fragte George. »Etwa auf der Commonwealth Avenue rumlatschen? Du könntest nicht mal meiner alten blinden Oma was vormachen. Tus einfach, kapiert?«
»Okay, ich hab ja nur «
»Jaja, ich weiß schon, was du nur hast. Konzentrier dich auf den Job.«
»Okay.«
»Was bist du, Blaze?«
Er senkte den Kopf und zog Rotz hoch. »Ich bin ein Dummkopf.«
George sagte immer, das wäre überhaupt keine Schande, aber es wäre eben eine Tatsache, der man ins Auge sehen müsse. Man könnte keinem vormachen, man wäre clever. Die schauten einen an und sahen die Wahrheit: Das Licht brannte, aber es war niemand zu Hause. Wenn man ein Dummkopf war, dann musste man einfach losziehen und seinen Kram machen. Und wenn man erwischt wurde, dann gestand man eben alles, außer mit wem man zusammen gewesen war, denn am Ende würden sie ja sowieso alles andere aus einem herausbekommen. George sagte, Dummköpfe könnten nicht für fünf Cent lügen.
Blaze nahm die Hände aus den Taschen und ballte sie zweimal kurz zu Fäusten. Die Knöchel knackten laut in der kalten, stillen Luft.
»Bist du so weit, Großer?«, fragte George.
»Ja.«
»Dann geh ich mir jetzt ein Bier besorgen. Und du kümmerst dich um die Sache.«
Blaze spürte Panik in sich aufsteigen. Sie schnürte ihm den Hals zu. »He, nein, ich hab so was noch nie gemacht. Ich hab dir doch immer nur zugesehen.«
»Tja, diesmal wirst du mehr tun als nur zusehen.«
»Aber «
Er sprach nicht weiter. Es hatte keinen Sinn, weiterzureden, es sei denn, er wollte laut brüllen. Er konnte das harte Knirschen des Schnees hören, als George zu der Kneipe hinüberging. Schon bald wurden seine Schritte vom pulsierenden Wummern des Basses übertönt.
»Himmel«, sagte Blaze. »O Herr im Himmel.«
Und seine Finger wurden kalt. Bei dieser Temperatur würden sie nur ungefähr fünf Minuten zu irgendwas zu gebrauchen sein. Vielleicht noch nicht mal so lange. Er ging zur Fahrerseite hinüber und dachte, wahrscheinlich ist abgeschlossen. Falls die Tür abgeschlossen war, taugte dieser Wagen nichts, er hatte den Slim Jim nämlich nicht dabei, den hatte George. Aber die Tür war nicht abgeschlossen. Er öffnete sie, griff hinein, fand den Hebel für die Motorhaube und zog daran. Dann ging er nach vorn, tastete nach der zweiten Verriegelung, fand auch die und hob die Haube hoch.
In seiner Tasche steckte eine kleine Stifttaschenlampe. Er nahm sie heraus, knipste sie an und richtete den Strahl auf den Motorblock.
Finde das Zündkabel.
Aber es war der reinste Spaghettihaufen. Batteriekabel, Schläuche, Zündkerzenkabel, die Benzinleitung
Der Schweiß lief ihm über Stirn und Schläfen und gefror auf seinen Wangen. Das hier würde nicht hinhauen. Niemals. Auf einmal hatte er jedoch eine Idee. Es war vielleicht keine besonders gute Idee, aber er hatte nicht viele, und wenn er mal eine hatte, dann musste er dranbleiben. Er kehrte zur Fahrerseite zurück und öffnete wieder die Tür. Die Innenbeleuchtung ging an, aber dagegen konnte er nichts machen. Wenn irgendwer ihn hier herumfummeln sah, würde der bestimmt denken, er hätte Startschwierigkeiten. Klar, in so einer kalten Nacht konnte das doch sein, oder? Nicht mal George könnte ihm deshalb Ärger machen. Zumindest nicht viel.
Er klappte die Sonnenblende über dem Lenkrad runter, hoffte wider alle Vernunft, dass vielleicht ein Reserveschlüssel runterfiel, weil die Leute da manchmal ihren Ersatzschlüssel aufbewahrten, aber außer einem alten Eiskratzer war da nichts. Der fiel dann runter. Als Nächstes versuchte er es mit dem Handschuhfach. Vollgestopft mit Papieren. Er räumte alles raus, auf den Boden, kniete sich dazu auf den Sitz, sein Atem stieg in Wölkchen auf. Jede Menge Papiere, eine Schachtel Pfefferminzbonbons, aber keine Schlüssel.
Na siehste, du gottverdammter Idiot, hörte er George sagen, bist du jetzt zufrieden? Bist du jetzt vielleicht so weit, wenigstens mal zu versuchen, die Karre kurzzuschließen?
Ja, er war wohl so weit. Er könnte zumindest mal ein paar von den Drähten losreißen und sie aneinanderhalten, so wie George es immer tat, und mal sehen, was dann passierte. Er schloss die Tür und kehrte mit gesenktem Kopf zurück nach vorn zum Kühler des Fords. Dann blieb er stehen. Ihm war eine neue Idee gekommen. Er ging zurück, öffnete die Tür, bückte sich, hob die Fußmatte an - und da war er. Auf dem Schlüssel stand nicht FORD, da stand überhaupt nichts, denn es war ein Dupli, aber er hatte auf jeden Fall den rechteckigen Kopf und alles.
Blaze hob ihn auf und küsste das kalte Metall.
Unverschlossenes Auto, dachte er. Dann dachte er: Unverschlossenes Auto und Schlüssel unter der Fußmatte. Dann dachte er: Ich bin hier heute Abend nicht der größte Idiot, George.
Er schob sich hinter das Lenkrad, zog die Tür zu, steckte den Schlüssel ins Zündschloss - ging wie geschmiert rein - und bemerkte dann, dass er den Parkplatz nicht sehen konnte, weil die Haube immer noch oben war. Er schaute sich schnell um, zuerst in die eine Richtung, dann in die andere, vergewisserte sich, dass George in der Zwischenzeit nicht etwa beschlossen hatte, zurückzukommen und ihm zu helfen. Darauf würde George noch eine Ewigkeit herumreiten, wenn er sah, dass die Motorhaube noch offen war. Aber George war nicht da. Kein Mensch weit und breit. Der Parkplatz war eine Tundra voller Autos.
Blaze stieg aus und knallte die Motorhaube zu. Dann stieg er wieder ein, verharrte aber mitten in der Bewegung, als er die Hand nach dem Türgriff ausstreckte. Was war mit George? Sollte er zu der Kneipe rübergehen und ihn abholen? Die Stirn in tiefen Falten, saß Blaze mit gesenktem Kopf da. Die Innenbeleuchtung warf gelbes Licht auf seine großen Hände.
Weißte was?, dachte er und hob schließlich wieder den Kopf. Leck mich.
»Leck mich, George«, sagte er. George hatte ihn per Anhalter herkommen lassen, hatte sich ganz kurz mit ihm hier getroffen, nur um dann wieder abzuschwirren. Ließ ihn die Drecksarbeit machen, und es war wirklich nur ein saublödes Glück, dass Blaze einen Schlüssel gefunden hatte, also, leck mich doch, George. Soll er ruhig mal bei minus sechzehn Grad den Daumen rausstrecken.
Blaze zog die Tür zu, schob den Schalthebel auf D und fuhr vorwärts aus der Parklücke hinaus. Als er auf der richtigen Straße war, gab er ordentlich Gummi, und der Ford machte einen Satz nach vorn, brach auf dem festgefahrenen Schnee hinten aus und schlingerte hin und her. Er trat auf die Bremse, war plötzlich starr vor Angst. Was machte er da? Was dachte er sich dabei? Ohne George losfahren? Er würde keine fünf Meilen weit kommen, bis sie ihn schnappten. Wahrscheinlich schnappten sie ihn gleich bei der ersten Ampel. Er konnte nicht ohne George fahren.
Aber George ist tot.
Das war doch Affenscheiße. George war gerade noch da gewesen. Er war nur ein Bier trinken gegangen.
Er ist tot.
»Ach, George«, stöhnte Blaze. Er saß über das Lenkrad gebeugt da. »Ach, George, bitte sei nicht tot.«
So saß er eine ganze Weile da. Der Motor des Fords klang okay. Er klopfte nicht oder irgendwas, obwohl es so kalt war. Die Tankanzeige stand auf drei Viertel. Der Rauch aus dem Auspuff stieg im Rückspiegel auf, weiß und eisig. George kam nicht aus der Kneipe. Konnte er auch gar nicht, weil er nämlich nie reingegangen war. George war tot. Schon seit drei Monaten. Blaze fing an zu zittern.
Nach einer Weile fing er sich wieder. Er fuhr los. Niemand stoppte ihn an der ersten Ampel, auch nicht an der zweiten. Den ganzen Weg aus der Stadt hielt ihn niemand an. Als er die Stadtgrenze von Apex erreichte, fuhr er etwa fünfzig Meilen pro Stunde. Manchmal geriet der Wagen auf vereisten Stellen leicht ins Schleudern, aber das beunruhigte ihn nicht weiter. Er steuerte einfach mit. Seit seinen Teenagertagen fuhr er schon auf vereisten Straßen.
Außerhalb der Stadt beschleunigte er den Ford weiter auf sechzig und ließ ihn dann einfach rollen. Die Scheinwerfer umklammerten die Straße mit hell leuchtenden Fingern und prallten von den Schneeverwehungen auf beiden Seiten strahlend zurück. Mann, da würde ein College-Junge aber Bauklötze staunen, wenn er mit seinem College-Mädchen zu dem leeren Parkplatz zurückkehrte. Sie würde ihn ansehen und sagen: Du bist ein Dummkopf, mit dir gehe ich garantiert nicht mehr, hier nicht her und nicht sonst wohin.
»Weder - noch«, sagte Blaze. »Wenn sie ein College-Mädchen ist, wird sie sagen: weder hierher noch sonst wohin.«
Dabei musste er lächeln. Das Lächeln veränderte sein ganzes Gesicht. Er schaltete das Radio ein. Rockmusik. Blaze drehte am Suchknopf, bis er einen Sender mit Countrymusic fand. Als er dann den Schuppen erreichte, sang er aus vollem Halse mit und hatte George völlig vergessen.
© Heyne Verlag
Übersetzung: Jürgen Bürger
Blaze schlenderte betont lässig zu dem Ford hinüber. Er warf einen Blick über die Schulter. Die Kaschemme war eine College-Kneipe namens The Bag. Das war ein blöder Name, weil, wenn man Sack sagte, meinte man doch eigentlich seine Eier. Zum Eingang musste man ein paar Stufen runtergehen. Freitags und samstags abends spielte eine Band. Drinnen würde es voll und warm sein, eine Menge wie verrückt tanzender kleiner Mädchen in kurzen Röcken. Wäre nett, reinzugehen, sich nur mal umzuschauen
»Was sollst du jetzt machen?«, fragte George. »Etwa auf der Commonwealth Avenue rumlatschen? Du könntest nicht mal meiner alten blinden Oma was vormachen. Tus einfach, kapiert?«
»Okay, ich hab ja nur «
»Jaja, ich weiß schon, was du nur hast. Konzentrier dich auf den Job.«
»Okay.«
»Was bist du, Blaze?«
Er senkte den Kopf und zog Rotz hoch. »Ich bin ein Dummkopf.«
George sagte immer, das wäre überhaupt keine Schande, aber es wäre eben eine Tatsache, der man ins Auge sehen müsse. Man könnte keinem vormachen, man wäre clever. Die schauten einen an und sahen die Wahrheit: Das Licht brannte, aber es war niemand zu Hause. Wenn man ein Dummkopf war, dann musste man einfach losziehen und seinen Kram machen. Und wenn man erwischt wurde, dann gestand man eben alles, außer mit wem man zusammen gewesen war, denn am Ende würden sie ja sowieso alles andere aus einem herausbekommen. George sagte, Dummköpfe könnten nicht für fünf Cent lügen.
Blaze nahm die Hände aus den Taschen und ballte sie zweimal kurz zu Fäusten. Die Knöchel knackten laut in der kalten, stillen Luft.
»Bist du so weit, Großer?«, fragte George.
»Ja.«
»Dann geh ich mir jetzt ein Bier besorgen. Und du kümmerst dich um die Sache.«
Blaze spürte Panik in sich aufsteigen. Sie schnürte ihm den Hals zu. »He, nein, ich hab so was noch nie gemacht. Ich hab dir doch immer nur zugesehen.«
»Tja, diesmal wirst du mehr tun als nur zusehen.«
»Aber «
Er sprach nicht weiter. Es hatte keinen Sinn, weiterzureden, es sei denn, er wollte laut brüllen. Er konnte das harte Knirschen des Schnees hören, als George zu der Kneipe hinüberging. Schon bald wurden seine Schritte vom pulsierenden Wummern des Basses übertönt.
»Himmel«, sagte Blaze. »O Herr im Himmel.«
Und seine Finger wurden kalt. Bei dieser Temperatur würden sie nur ungefähr fünf Minuten zu irgendwas zu gebrauchen sein. Vielleicht noch nicht mal so lange. Er ging zur Fahrerseite hinüber und dachte, wahrscheinlich ist abgeschlossen. Falls die Tür abgeschlossen war, taugte dieser Wagen nichts, er hatte den Slim Jim nämlich nicht dabei, den hatte George. Aber die Tür war nicht abgeschlossen. Er öffnete sie, griff hinein, fand den Hebel für die Motorhaube und zog daran. Dann ging er nach vorn, tastete nach der zweiten Verriegelung, fand auch die und hob die Haube hoch.
In seiner Tasche steckte eine kleine Stifttaschenlampe. Er nahm sie heraus, knipste sie an und richtete den Strahl auf den Motorblock.
Finde das Zündkabel.
Aber es war der reinste Spaghettihaufen. Batteriekabel, Schläuche, Zündkerzenkabel, die Benzinleitung
Der Schweiß lief ihm über Stirn und Schläfen und gefror auf seinen Wangen. Das hier würde nicht hinhauen. Niemals. Auf einmal hatte er jedoch eine Idee. Es war vielleicht keine besonders gute Idee, aber er hatte nicht viele, und wenn er mal eine hatte, dann musste er dranbleiben. Er kehrte zur Fahrerseite zurück und öffnete wieder die Tür. Die Innenbeleuchtung ging an, aber dagegen konnte er nichts machen. Wenn irgendwer ihn hier herumfummeln sah, würde der bestimmt denken, er hätte Startschwierigkeiten. Klar, in so einer kalten Nacht konnte das doch sein, oder? Nicht mal George könnte ihm deshalb Ärger machen. Zumindest nicht viel.
Er klappte die Sonnenblende über dem Lenkrad runter, hoffte wider alle Vernunft, dass vielleicht ein Reserveschlüssel runterfiel, weil die Leute da manchmal ihren Ersatzschlüssel aufbewahrten, aber außer einem alten Eiskratzer war da nichts. Der fiel dann runter. Als Nächstes versuchte er es mit dem Handschuhfach. Vollgestopft mit Papieren. Er räumte alles raus, auf den Boden, kniete sich dazu auf den Sitz, sein Atem stieg in Wölkchen auf. Jede Menge Papiere, eine Schachtel Pfefferminzbonbons, aber keine Schlüssel.
Na siehste, du gottverdammter Idiot, hörte er George sagen, bist du jetzt zufrieden? Bist du jetzt vielleicht so weit, wenigstens mal zu versuchen, die Karre kurzzuschließen?
Ja, er war wohl so weit. Er könnte zumindest mal ein paar von den Drähten losreißen und sie aneinanderhalten, so wie George es immer tat, und mal sehen, was dann passierte. Er schloss die Tür und kehrte mit gesenktem Kopf zurück nach vorn zum Kühler des Fords. Dann blieb er stehen. Ihm war eine neue Idee gekommen. Er ging zurück, öffnete die Tür, bückte sich, hob die Fußmatte an - und da war er. Auf dem Schlüssel stand nicht FORD, da stand überhaupt nichts, denn es war ein Dupli, aber er hatte auf jeden Fall den rechteckigen Kopf und alles.
Blaze hob ihn auf und küsste das kalte Metall.
Unverschlossenes Auto, dachte er. Dann dachte er: Unverschlossenes Auto und Schlüssel unter der Fußmatte. Dann dachte er: Ich bin hier heute Abend nicht der größte Idiot, George.
Er schob sich hinter das Lenkrad, zog die Tür zu, steckte den Schlüssel ins Zündschloss - ging wie geschmiert rein - und bemerkte dann, dass er den Parkplatz nicht sehen konnte, weil die Haube immer noch oben war. Er schaute sich schnell um, zuerst in die eine Richtung, dann in die andere, vergewisserte sich, dass George in der Zwischenzeit nicht etwa beschlossen hatte, zurückzukommen und ihm zu helfen. Darauf würde George noch eine Ewigkeit herumreiten, wenn er sah, dass die Motorhaube noch offen war. Aber George war nicht da. Kein Mensch weit und breit. Der Parkplatz war eine Tundra voller Autos.
Blaze stieg aus und knallte die Motorhaube zu. Dann stieg er wieder ein, verharrte aber mitten in der Bewegung, als er die Hand nach dem Türgriff ausstreckte. Was war mit George? Sollte er zu der Kneipe rübergehen und ihn abholen? Die Stirn in tiefen Falten, saß Blaze mit gesenktem Kopf da. Die Innenbeleuchtung warf gelbes Licht auf seine großen Hände.
Weißte was?, dachte er und hob schließlich wieder den Kopf. Leck mich.
»Leck mich, George«, sagte er. George hatte ihn per Anhalter herkommen lassen, hatte sich ganz kurz mit ihm hier getroffen, nur um dann wieder abzuschwirren. Ließ ihn die Drecksarbeit machen, und es war wirklich nur ein saublödes Glück, dass Blaze einen Schlüssel gefunden hatte, also, leck mich doch, George. Soll er ruhig mal bei minus sechzehn Grad den Daumen rausstrecken.
Blaze zog die Tür zu, schob den Schalthebel auf D und fuhr vorwärts aus der Parklücke hinaus. Als er auf der richtigen Straße war, gab er ordentlich Gummi, und der Ford machte einen Satz nach vorn, brach auf dem festgefahrenen Schnee hinten aus und schlingerte hin und her. Er trat auf die Bremse, war plötzlich starr vor Angst. Was machte er da? Was dachte er sich dabei? Ohne George losfahren? Er würde keine fünf Meilen weit kommen, bis sie ihn schnappten. Wahrscheinlich schnappten sie ihn gleich bei der ersten Ampel. Er konnte nicht ohne George fahren.
Aber George ist tot.
Das war doch Affenscheiße. George war gerade noch da gewesen. Er war nur ein Bier trinken gegangen.
Er ist tot.
»Ach, George«, stöhnte Blaze. Er saß über das Lenkrad gebeugt da. »Ach, George, bitte sei nicht tot.«
So saß er eine ganze Weile da. Der Motor des Fords klang okay. Er klopfte nicht oder irgendwas, obwohl es so kalt war. Die Tankanzeige stand auf drei Viertel. Der Rauch aus dem Auspuff stieg im Rückspiegel auf, weiß und eisig. George kam nicht aus der Kneipe. Konnte er auch gar nicht, weil er nämlich nie reingegangen war. George war tot. Schon seit drei Monaten. Blaze fing an zu zittern.
Nach einer Weile fing er sich wieder. Er fuhr los. Niemand stoppte ihn an der ersten Ampel, auch nicht an der zweiten. Den ganzen Weg aus der Stadt hielt ihn niemand an. Als er die Stadtgrenze von Apex erreichte, fuhr er etwa fünfzig Meilen pro Stunde. Manchmal geriet der Wagen auf vereisten Stellen leicht ins Schleudern, aber das beunruhigte ihn nicht weiter. Er steuerte einfach mit. Seit seinen Teenagertagen fuhr er schon auf vereisten Straßen.
Außerhalb der Stadt beschleunigte er den Ford weiter auf sechzig und ließ ihn dann einfach rollen. Die Scheinwerfer umklammerten die Straße mit hell leuchtenden Fingern und prallten von den Schneeverwehungen auf beiden Seiten strahlend zurück. Mann, da würde ein College-Junge aber Bauklötze staunen, wenn er mit seinem College-Mädchen zu dem leeren Parkplatz zurückkehrte. Sie würde ihn ansehen und sagen: Du bist ein Dummkopf, mit dir gehe ich garantiert nicht mehr, hier nicht her und nicht sonst wohin.
»Weder - noch«, sagte Blaze. »Wenn sie ein College-Mädchen ist, wird sie sagen: weder hierher noch sonst wohin.«
Dabei musste er lächeln. Das Lächeln veränderte sein ganzes Gesicht. Er schaltete das Radio ein. Rockmusik. Blaze drehte am Suchknopf, bis er einen Sender mit Countrymusic fand. Als er dann den Schuppen erreichte, sang er aus vollem Halse mit und hatte George völlig vergessen.
© Heyne Verlag
Übersetzung: Jürgen Bürger
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Autoren-Porträt von Richard Bachman
Stephen King, 1947 in Portland, Maine, geboren, ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Bislang haben sich seine Bücher weltweit über 400 Millionen Mal in mehr als 50 Sprachen verkauft. Für sein Werk bekam er zahlreiche Preise, darunter 2003 den Sonderpreis der National Book Foundation für sein Lebenswerk und 2015 mit dem Edgar Allan Poe Award den bedeutendsten kriminalliterarischen Preis für Mr. Mercedes. 2015 ehrte Präsident Barack Obama ihn zudem mit der National Medal of Arts. 2018 erhielt er den PEN America Literary Service Award für sein Wirken, gegen jedwede Art von Unterdrückung aufzubegehren und die hohen Werte der Humanität zu verteidigen.Seine Werke erscheinen im Heyne-Verlag. Stephen King, 1947 in Portland, Maine, geboren, ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Nach seinen ersten großen Erfolgsromanen veröffentlichte er auch unter dem Pseudonym Richard Bachman mehrere Bücher. Stephen King hat das Originalmanuskript von Qual (Originaltitel: "Blaze") aus dem Jahr 1973 nun beträchtlich erweitert und mit einem Nachwort versehen. Bei Heyne erschien zuletzt sein Bestseller "Love".
Bibliographische Angaben
- Autor: Richard Bachman
- 2009, Erstmals im TB, 382 Seiten, Maße: 11,7 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Jürgen Bürger
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453406125
- ISBN-13: 9783453406124
- Erscheinungsdatum: 05.02.2009
Rezension zu „Qual “
"Unwiderstehlicher Gangstergroove! Und schon in diesem frühen Roman findet sich jene vibrierende Energie, mit der Kings Helden Kräfte bekämpfen, gegen die sie eigentlich keine Chance haben."
Pressezitat
"Unwiderstehlicher Gangstergroove! Und schon in diesem frühen Roman findet sich jene vibrierende Energie, mit der Kings Helden Kräfte bekämpfen, gegen die sie eigentlich keine Chance haben." Stern über "Qual"
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