Sandra Brown, 3er-Thrillerpaket
"Zorn", "Gier" und "Neid"
"Sandra Brown hat wieder zugeschlagen. Luft holen unmöglich."
Bild am Sonntag
Der geheimnisumwitterte Autor Parker Evans führt einen Rachefeldzug gegen einen Mann, der ihn vor Jahren umbringen wollte:...
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Produktinformationen zu „Sandra Brown, 3er-Thrillerpaket “
"Sandra Brown hat wieder zugeschlagen. Luft holen unmöglich."
Bild am Sonntag
Der geheimnisumwitterte Autor Parker Evans führt einen Rachefeldzug gegen einen Mann, der ihn vor Jahren umbringen wollte: "Neid" kann tödlich sein. Radiomoderatorin Paris gibt in ihrer Sendung Beziehungs-Tipps - und erregt den "Zorn" eines Hörers. Warum nur hat Ärztin Rennie Newton für den Freispruch des Killers Lozada gesorgt? Wenig später gerät sie selbst unter Mordverdacht. Nur der suspendierte Cop Wick steht noch zu ihr: "Gier"
Zorn:
Nur die Nacht war ihr Zeuge!
Paris Gibson lebt in der Nacht – sie ist ihr Versteck, ihre Zuflucht. Ihr einziges Tor zur Außenwelt ist ihre beliebte Radiosendung. Bis eines Abends ein Hörer sie beschuldigt, mit ihren Ratschlägen seine Beziehung zerstört zu haben. Der Mann schwört Rache: Drei Tage hat Paris Zeit, bevor er erst seine Freundin, dann sie selbst lustvoll töten wird. Nur 72 fieberhafte Stunden, die der Polizei – und dem Kriminalpsychologen Dean Malloy – bleiben, Paris’ Geheimnis und den vor Zorn rasenden Killer zu entdecken.
"Typisch Sandra Brown, atemberaubend bis zur letzten Zeile!"
Echo der Frau
Gier:
Ausgerechnet die angesehene Ärztin Rennie Newton ist als Geschworene für den Freispruch des Profikillers Lozada verantwortlich. Jetzt aber steht sie selbst unter Verdacht. Hat Rennie tatsächlich einen Mord in Auftrag gegeben – oder tötet Lozada aus eigenem Antrieb für die Frau, die er vergöttert? Nur ein Mensch vertraut Rennie noch: der vom Dienst suspendierte Polizist Wick Threadgrill. Wick ahnt jedoch nicht, wie viele Geheimnisse Rennie tatsächlich zu verbergen hat.
"Jedes Buch von ihr ist ein spannender Hochgenuss. Fesselnde Charaktere, heiße Story – ihr Markenzeichen."
Bild am Sonntag
Neid:
Neid ist die zweite Todsünde – nach dem Hochmut. Doch im Gegensatz zum Hochmut kann Neid auch tödlich sein: Der geheimnisumwitterte Autor Parker Evans plant seine Rache gegen einen Mann, der ihn vor Jahren töten wollte. Seine Waffen: sein neues Buch – und seine New Yorker Verlegerin Maris Matherly. Als Maris den teuflischen Plan durchschaut und voll Entsetzen Parkers Gegenspieler ganz in der Nähe ausmacht, steht sie bereits am Rande des Abgrunds. Denn auf einer kleinen Insel vor der Küste Georgias wird längst das unausweichliche, mörderische Schlusskapitel geschrieben.
"Sandra Brown hat wieder zugeschlagen! Jedes Buch von ihr ist ein spannender Hochgenuss: 'Envy' packt einen am Hals und drückt zu. Luft holen unmöglich. Bis zum Schluss!"
Bild am Sonntag
Lese-Probe zu „Sandra Brown, 3er-Thrillerpaket “
Zorn von Sandra BrownProlog
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Bis sechs Minuten vor Schluss war es eine ganz normale Sendung gewesen.
»Es ist eine heiße Nacht hier im Hill Country. Vielen Dank, dass Sie mir auf 101.3 Gesellschaft geleistet haben. Es war mir wie jeden Abend von Montag bis Freitag ein Vergnügen, Sie unterhalten zu dürfen. Ich bin Paris Gibson, und ich bringe Ihnen klassische Lovesongs.
Heute Abend möchte ich mich mit drei von meinen Lieblingssongs verabschieden. Ich wünsche Ihnen, dass Sie diese Songs gemeinsam mit einem geliebten Menschen hören können. Bleiben Sie einander treu.«
Sie drückte den Knopf auf dem Mischpult, um ihr Mikrofon zuzumachen. Die drei Stücke würden ohne Unterbrechung bis 1 Uhr 59:30 laufen. Während der dreißig letzten Sekunden vor zwei Uhr würde sie ihren Zuhörern noch einmal danken, ihnen eine gute Nacht wünschen und sich verabschieden.
Während Yesterday spielte, schloss sie die Augen und rollte ihren Kopf hin und her, um die verspannten Schultern zu lockern. Verglichen mit einem acht- bis neunstündigen Arbeitstag könnte man eine vierstündige Radiosendung für einen lockeren Spaziergang halten. Weit gefehlt. Bis zum Ende der Sendung war sie regelmäßig auch mit ihren Kräften am Ende.
Sie arbeitete allein und moderierte die Titel, die sie vor der Show ausgewählt und in die Playlist eingespeichert hatte, auch selbst an. Die eingehenden Zuhörerwünsche erforderten ständige Änderungen der Playlist, weshalb sie die Studiouhr im Auge behalten musste. Obendrein beantwortete sie alle eingehenden Anrufe persönlich.
Die notwendigen Handgriffe erledigte sie dabei wie im Schlaf, aber das galt nicht für ihre Ansagen. Sie erlaubte sich nie, in Routine abzugleiten oder schludrig zu werden. Paris Gibson hatte, teils unterstützt von Stimmlehrern, teils allein, schwer daran gearbeitet, den unverkennbaren »Paris Gibson-Sound« zu perfektionieren, für den sie inzwischen berühmt war.
Diesen perfekten Klang und Tonfall zu treffen, kostete sie mehr Kraft, als sie selbst merkte, denn nach zweihundertvierzig Minuten vor dem Mikrofon schmerzten ihre Nacken- und Schultermuskeln regelmäßig vor Müdigkeit. Dieser brennende Schmerz war ein Beweis dafür, wie gut sie gewesen war.
Etwa nach der Hälfte des Beatles-Klassikers zeigte eine Telefontaste mit einem roten Blinken einen Anruf an. Sie fühlte sich versucht, den Anrufer zu ignorieren, aber offiziell blieben noch sechs Minuten Sendezeit, und sie stand bei ihren Zuhörern im Wort, dass sie ihre Anrufe bis um zwei Uhr morgens entgegennahm. Es war schon zu spät, um den Anrufer noch auf Sendung zu nehmen, aber sie musste das Gespräch zumindest annehmen.
Sie drückte auf die blinkende Taste. »Sie sprechen mit Paris.«
»Hallo, Paris. Ich bin's, Valentino.«
Sie kannte ihn vom Namen her. Er rief in regelmäßigen Abständen an, und sein ungewöhnlicher Name blieb leicht im Gedächtnis haften. Auch seine Stimme war einprägsam, kaum mehr als ein Flüstern, wahrscheinlich um des Effektes willen oder weil er nicht erkannt werden wollte.
Sie sprach in das Mikrofon über dem Mischpult, das gleichzeitig auch als Telefonmikro diente, wenn sie gerade nicht auf Sendung war. Auf diese Weise hatte sie beide Hände zum Arbeiten frei, während sie mit ihren Zuhörern redete.
»Wie geht es Ihnen heute Abend, Valentino?«
»Nicht gut.«
»Das tut mir leid.«
»Allerdings. Das wird es.«
Die Beatles machten Anne Murrays Broken Hearted Me Platz.
Paris warf einen kurzen Blick auf den Monitor im Mischpult und registrierte automatisch, dass damit der zweite der drei Songs begonnen hatte. Sie war nicht sicher, ob sie Valentino richtig verstanden hatte. »Verzeihung?«
»Ich sagte, das wird dir leidtun«, sagte er.
Der dramatische Unterton war typisch für Valentino. Wenn er anrief, war er entweder total aufgedreht oder zu Tode betrübt; so gut wie nie bewegte er sich auf einer emotionalen Zwischenebene. Bei ihm wusste sie nie, was sie erwarten würde, allein schon aus diesem Grund war er ein interessanter Anrufer. Heute Abend klang er jedoch Unheil verkündend, und das war neu.
»Ich verstehe nicht.«
»Ich habe alles genauso gemacht, wie du mir geraten hast, Paris.«
»Ich habe Ihnen etwas geraten? Wann denn?«
»Immer wenn ich angerufen habe. Du sagst doch immer - nicht nur zu mir, sondern zu jedem, der bei dir anruft -, dass wir die Menschen, die wir lieben, respektieren sollen.« »Das stimmt. Ich glaube -«
»Tja, mit Respekt kommt man nicht weiter, deshalb pfeife ich von jetzt an darauf, was du meinst.«
Sie war keine Psychologin und keine staatlich geprüfte Therapeutin, sondern nur Radiomoderatorin. Eine Ausbildung, die darüber hinausgegangen wäre, hatte sie nicht. Trotzdem nahm sie ihre Rolle als spätabendliche Freundin ernst.
Wenn ein Anrufer außer ihr keinen Menschen hatte, mit dem er oder sie reden konnte, war sie seine anonyme Seelentrösterin. Ihre Zuhörer kannten nur ihre Stimme, aber sie vertrauten ihr. Paris diente ihnen als Vertrauensperson, als Ratgeberin, als Beichtpfarrerin.
Die Menschen teilten ihre Freuden mit ihr, sie schilderten ihre Sorgen, und hin und wieder offenbarten sie ihre Seele. Die Anrufe, die sie nach sorgfältiger Überlegung auf Sendung nahm, erweckten das Mitgefühl der anderen Hörer, lösten Glückwünsche aus und bisweilen auch hitzige Kontroversen.
Oft wollten die Anrufer lediglich ihrem Ärger Luft machen. Sie diente als Puffer. Sie war ein praktisches Ventil für Menschen, die schlicht und einfach stinksauer auf diese Welt waren. So gut wie nie war sie die Zielscheibe des Zorns, aber diesmal war das offensichtlich anders, und das war durchaus beunruhigend.
Falls Valentino am Rande eines Nervenzusammenbruchs stand, dann könnte sie zwar nichts an den Ursachen ändern, aber eventuell könnte sie ihn vom Abgrund wegführen und ihn überreden, professionelle Hilfe zu suchen.
»Sprechen wir darüber, Valentino. Was beschäftigt Sie so?«
»Ich respektiere die Frauen. Wenn ich eine feste Freundin habe, dann ist sie meine Göttin. Ich behandle sie wie eine Prinzessin. Aber das reicht ihnen nicht. Frauen können nicht treu sein. Jede einzelne betrügt mich vor meinen Augen. Und wenn sie mich schließlich verlässt, rufe ich bei dir an, und du erklärst mir dann, dass es nicht meine Schuld war.«
»Valentino, ich -«
»Du sagst, ich hätte nichts falsch gemacht, es wäre nicht meine Schuld, dass sie mich verlassen hat. Und weißt du was? Du hast ganz Recht. Ich bin nicht schuld, Paris. Sondern du. Diesmal bist du schuld.«
Paris sah kurz über ihre Schulter auf die schalldichte Studiotür. Natürlich war sie zu. Der Korridor hinter den Fenstern zum Gang hatte noch nie so düster ausgesehen, obwohl das Gebäude während ihrer Nachtsendungen immer im Dunkeln lag.
Sie wünschte, Stan würde zufällig vorbeikommen. Sogar Marvin wäre ihr ein willkommener Anblick gewesen. Sie wünschte, irgendwer, egal wer, würde diesen Anruf mithören und ihr helfen, ihn richtig zu deuten.
Sie überlegte, ob sie einfach auflegen sollte. Niemand wusste, wo sie lebte, niemand wusste auch nur, wie sie aussah. Das hatte sie in ihrem Vertrag mit dem Radiosender zur Bedingung gemacht: Sie hatte keine Liveauftritte. Genauso wenig durfte ihr Bild zu Werbezwecken verwendet werden, worunter Zeitungsanzeigen, Fernsehwerbung und Reklametafeln fielen, ohne dass es sich darauf beschränkt hätte. Paris Gibson war nur ein Name und eine Stimme, sie hatte kein Gesicht.
Trotzdem konnte sie guten Gewissens nicht einfach auflegen.
Wenn er sich etwas zu Herzen genommen hatte, das sie während einer Sendung gesagt hatte, und schlecht damit gefahren war, dann war es verständlich, dass er wütend auf sie war.
Andererseits hätte jeder halbwegs vernünftige Mensch, wenn er mit einem ihrer Ratschläge nicht einverstanden wäre, die Sache schlicht auf sich beruhen lassen. Valentino hatte ihr eine größere Rolle in seinem Leben eingeräumt, als sie einnehmen sollte oder wollte.
»Erklären Sie mir, inwiefern es meine Schuld war, Valentino.«
»Du hast ihr geraten, sie soll mir den Laufpass geben.« »Das habe ich bestimmt nicht -«
»Ich habe es selbst gehört! Sie hat vorgestern Abend angerufen. Ich hatte das Radio an. Sie hat nicht gesagt, wie sie heißt, aber ich habe sie an ihrer Stimme erkannt. Sie hat dir unsere ganze Geschichte erzählt. Dann hat sie gesagt, ich wäre eifersüchtig und besitzergreifend.
Du hast ihr geantwortet, wenn sie das Gefühl hätte, unsere Beziehung würde sie einengen, sollte sie etwas dagegen unternehmen. Mit anderen Worten, du hast ihr geraten, mich in die Wüste zu schicken.« Er verstummte kurz und sagte dann: »Dass du ihr das geraten hast, wird dir noch leid-tun.«
Paris' Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Sie moderierte schon seit vielen Jahren, aber so etwas war ihr noch nie passiert. »Valentino, lassen Sie uns die Sache in aller Ruhe bereden, okay?«
»Ich bin ruhig, Paris. Ganz ruhig. Es gibt nichts zu bereden. Ich habe sie an einen Ort gebracht, wo sie niemand finden wird. Sie kann mir nicht entkommen.«
Diese Bemerkung war nicht mehr bloß Unheil verkündend, sondern geradezu beängstigend. Was er da gesagt hatte, war doch hoffentlich nicht wörtlich gemeint.
Aber noch ehe sie diesen Gedanken aussprechen konnte, erklärte er: »Sie wird in drei Tagen sterben, Paris. Dann werde ich sie töten, und du wirst ihren Tod auf dem Gewissen haben.«
Inzwischen spielte der letzte Song in dem Musikblock. Der Countdown auf der Uhr des Computermonitors tickte dem Ende der Sendung entgegen. Sie warf einen schnellen Blick auf den Vox Pro, um sicherzustellen, dass ihn kein elektronischer Kobold außer Betrieb gesetzt hatte. Aber nein, die hochkomplizierte Maschine arbeitete fehlerfrei. Der Anruf wurde aufgezeichnet.
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und atmete nervös ein. »Valentino, das ist nicht komisch.«
»Das soll es auch nicht sein.«
»Ich weiß, dass Sie nicht wirklich beabsichtigen -«
»Ich beabsichtige, genau das zu tun, was ich gesagt habe. Ich habe mindestens zweiundsiebzig Stunden allein mit ihr verdient, findest du nicht auch? Nachdem ich so nett zu ihr war? Sind da drei Tage ihrer Zeit und Aufmerksamkeit zu viel verlangt?«
»Valentino, bitte hören Sie mir zu -«
»Dir höre ich bestimmt nicht mehr zu. Du quatschst nur Scheiße. Du gibst miese Ratschläge. Ich behandle mein Mädchen mit Respekt, und sie zieht los und macht für andere Kerle die Beine breit. Dann rätst du ihr noch, sie soll mich abservieren, als hätte ich unsere Beziehung kaputtgemacht, als hätte ich sie betrogen. Ich finde das nur gerecht. Erst werde ich sie ficken, bis sie blutet, dann bringe ich sie um. In genau zweiundsiebzig Stunden, Paris. Eine schöne Nacht noch.«
1
Dean Malloy stand leise vom Bett auf. Er tastete im Dunkeln auf dem Boden nach seiner Unterwäsche und verschwand damit im Bad. So leise wie möglich zog er die Tür hinter sich zu, bevor er das Licht einschaltete. Liz wachte trotzdem auf.
»Dean?«
Er stützte sich mit beiden Armen am Waschbecken ab und betrachtete sein Spiegelbild. »Komme sofort.« Ob ihn sein Spiegelbild verzweifelt oder voller Abscheu ansah, wusste er selbst nicht. Zumindest tadelnd.
Er starrte noch ein paar Sekunden in den Spiegel, ehe er den Wasserhahn aufdrehte und sich kaltes Wasser ins Gesicht spritzte. Dann benutzte er die Toilette, zog seine Boxershorts an und öffnete die Tür.
Liz hatte die Nachttischlampe eingeschaltet und sich auf einen Ellbogen gestützt. Ihre hellblonden Haare waren verwuschelt. Unter ihrem einen Auge lag verschmierte Mascara. Aber irgendwie schaffte sie es trotzdem, sündig und gleichzeitig aufreizend zu wirken. »Duschst du noch?«
Er schüttelte den Kopf. »Vielleicht später.«
»Ich wasche dir den Rücken.«
»Danke, aber -«
»Soll ich dich lieber vorne waschen?«
Er deutete ein Lächeln an. »Ich werde darauf zurückkommen.«
Seine Hose hing über dem Sessel. Als er die Hand danach ausstreckte, fiel Liz in ihr zusammengeknülltes Kissen zurück. »Du gehst.«
»Obwohl ich gern noch bleiben würde, Liz.«
»Du hast seit Wochen keine ganze Nacht mehr bei mir verbracht.«
»Das gefällt mir genauso wenig wie dir, aber bis auf weiteres lässt sich das nicht ändern.«
»Mein Gott, Dean. Er ist sechzehn.«
»Genau. Sechzehn. Wenn er ein Baby wäre, wüsste ich jederzeit, wo er steckt. Ich wüsste, was er gerade macht und mit wem er zusammen ist. Aber Gavin ist sechzehn und hat den Führerschein. Für einen Vater bedeutet das, in einem einzigen Albtraum zu leben.« »Wahrscheinlich ist er nicht mal zu Hause, wenn du heimkommst.«
»Das möchte ich ihm aber schwer geraten haben«, murmelte er, während er das Hemd in die Hose steckte. »Er ist gestern Abend später als vereinbart heimgekommen, darum habe ich heute Morgen seinen Autoschlüssel einkassiert. Er hat Hausarrest.«
»Und wie lange?«
»Bis er wieder Vernunft annimmt.«
»Und wenn er das nicht will?«
»Im Haus bleiben?«
»Vernunft annehmen.«
Das war eine viel schwerwiegendere Frage. Sie erforderte eine wohl erwogene Antwort, und dafür fehlte ihm heute Abend die Zeit. Er schob die Füße in die Schuhe, setzte sich dann auf die Bettkante und fasste nach ihrer Hand. »Es ist nicht richtig, dass Gavin mit seinem Verhalten deine Zukunft diktiert.«
»Unsere Zukunft.«
»Unsere Zukunft«, wiederholte er leise. »Das ist so ungerecht. Nur seinetwegen müssen wir unsere Pläne auf Eis legen. Das ist einfach unfair.«
Sie küsste ihn auf den Handrücken und sah durch gesenkte Wimpern zu ihm auf. »Ich kann dich nicht mal überreden, eine ganze Nacht bei mir zu bleiben, und dabei hatte ich gehofft, dass wir bis Weihnachten verheiratet wären.«
»Das könnte durchaus passieren. Die Situation könnte sich früher bessern, als wir glauben.«
Ihr Stirnrunzeln ließ erkennen, dass sie da weniger optimistisch war. »Ich war sehr geduldig, Dean. Oder nicht?« »Allerdings.«
»In den zwei Jahren, die wir jetzt zusammen sind, war ich äußerst kompromissbereit. Ich bin, ohne zu meckern, hierher gezogen. Und ich war einverstanden, diese Wohnung zu mieten, obwohl ich überzeugt bin, dass es vernünftiger wäre, wenn wir zusammen wohnen.«
Ihre Erinnerung war selektiv und unkorrekt. Dass sie zusammen wohnten, hatte nie zur Debatte gestanden. Er hätte das nie auch nur in Betracht gezogen, solange Gavin bei ihm lebte. Und genauso wenig hatte sie einen Grund zum Meckern gehabt, als sie nach Austin gezogen war. Er hatte sie nie darum gebeten.
Im Gegenteil, ihm wäre es lieber gewesen, wenn sie in Houston geblieben wäre.
Die Entscheidung zum Umzug hatte Liz damals ganz unabhängig von ihm gefällt. Als sie ihn damit überrascht hatte, musste er einen Anflug von Verärgerung verhehlen und Freude heucheln. Sie hatte sich ihm aufgedrängt, als er keinesfalls eine weitere Belastung brauchen konnte.
Aber statt jetzt diese brisante Tatsache anzusprechen, gestand er ihr lieber zu, dass sie ihm und seinen Anforderungen gegenüber außergewöhnlich geduldig gewesen war.
»Mir ist durchaus bewusst, dass meine Situation ganz anders ist als zu der Zeit, als wir uns kennen lernten. Du hattest nicht vor, dich mit einem alleinerziehenden Vater eines Teenagers einzulassen. Du hast mehr Geduld aufgebracht, als ich erwarten durfte.«
»Danke«, sagte sie besänftigt. »Aber mein Körper kennt keine Geduld, Dean. Für mich bedeutet jeder verstrichene Monat, dass ein Ei weniger im Körbchen liegt.«
Ihr dezenter Hinweis auf ihre biologische Uhr ließ ihn lächeln. »Ich weiß genau, welche Opfer du für mich erbracht hast. Und weiterhin bringst.«
»Ich bin bereit, noch mehr zu opfern.« Sie strich ihm über die Wange. »Denn das Schlimme an der Sache ist, dass du jedes Opfer wert bist, Dean Malloy.«
Er wusste, dass sie das genauso empfand, aber ihre Aufrichtigkeit trug nicht dazu bei, seine Laune zu bessern, sondern verstärkte nur seine bedrückte Stimmung. »Hab noch etwas Geduld, Liz. Bitte. Gavin führt sich unmöglich auf, aber es gibt Gründe für sein Fehlverhalten. Gib uns noch etwas Zeit. So Gott will, werden wir zu gegebener Zeit einen Ort finden, wo wir zu dritt leben können.«
Sie schnitt eine Grimasse. »Wenn du weiterhin so geschwollen daherredest, könntest du, ehe du dichs versiehst, eine eigene Nachmittagstalkshow haben.«
Er grinste erleichtert, weil sie die ernste Unterhaltung versöhnlich beenden konnten. »Du hast immer noch vor, morgen nach Chicago zu fliegen?«
»Für drei Tage. Ein vertrauliches Treffen mit einer Abordnung aus Kopenhagen. Lauter strammen, blonden Wikingern. Eifersüchtig?«
»Ich bin erbsgrün vor Eifersucht.«
»Wirst du mich vermissen?«
»Was glaubst du?«
»Soll ich dir etwas geben, das dich an mich erinnert?«
Sie schlug die Decke zurück. Nackt und beinahe schnurrend lag sie auf dem zerwühlten Laken, auf dem sie sich vorhin schon einmal geliebt hatten. Im Moment sah Elizabeth Douglas eher nach einer verhätschelten Kurtisane aus, als nach der Marketing-Vizepräsidentin einer internationalen Luxushotelkette.
Sie hatte eine üppige Figur, und ihr gefiel das so. Anders als die meisten ihrer Geschlechtsgenossinnen flippte sie nicht wegen jeder Kalorie aus. Sie betrachtete es bereits als Fitnesstraining, wenn sie ihre Koffer selbst trug, und sie verwehrte sich so gut wie nie ein Dessert. An ihr sahen die Kurven gut aus. Nein, sie sahen atemberaubend aus.
»Verführerisch«, seufzte er. »Äußerst verführerisch. Aber ich werde mich mit einem Kuss begnügen müssen.«
Sie küsste ihn leidenschaftlich und zog seine Zunge dabei so lustvoll in ihren Mund, dass jeder Wikinger vor Neid erblasst wäre. Es blieb ihm überlassen, den Kuss zu beenden. »Ich muss jetzt wirklich los, Liz«, flüsterte er gegen ihre Lippen, ehe er sich von ihr löste. »Eine angenehme Reise.«
Sie zog die Decke wieder hoch, um ihre Nacktheit zu bedecken, und setzte ein Lächeln auf, um ihre Enttäuschung zu überspielen. »Ich rufe dich an, sobald ich angekommen bin.«
»Unbedingt.«
Er verschwand und gab sich dabei alle Mühe, nicht so auszusehen, als wäre er auf der Flucht. Draußen legte sich die Luft wie ein feuchtes Handtuch über ihn. Sogar beim Einatmen war sie schwer und heiß wie nasse Wolle. Noch bevor er den kurzen Weg zu seinem Auto zurückgelegt hatte, klebte ihm das Hemd am Rücken. Er ließ den Motor an und stellte die Klimaanlage auf volle Kraft. Das Radio sprang automatisch an. Elvis' Are You Lonesome Tonight?
Zu dieser Stunde war so gut wie kein Verkehr. Dean bremste vor einer gelben Ampel ab und hielt im selben Moment an, in dem der Song endete.
»Die Nacht bleibt heiß hier im Hill Country. Vielen Dank, dass Sie mir auf 101.3 Gesellschaft geleistet haben.« Die rauchige Frauenstimme hallte durch den Wagen. Die Klangwellen schlugen gegen seine Brust und seinen Bauch. Ihre Stimme wurde von den acht Lautsprechern, die von deutschen Ingenieuren strategisch im Auto platziert worden waren, perfekt moduliert. Dank der ausgeklügelten Soundanlage wirkte Paris Gibson näher, als wenn sie neben ihm auf dem Beifahrersitz gesessen hätte.
»Heute Abend möchte mich mit drei von meinen Lieblingssongs verabschieden. Ich wünsche Ihnen, dass Sie diese Songs gemeinsam mit einem geliebten Menschen hören können. Bleiben Sie einander treu.«
Dean packte das Lenkrad fester und ließ seine Stirn auf die Handrücken sinken, während die Fabulous Four ihr Hohelied auf die Vergangenheit sangen.
...
Übersetzung: Christoph Göhler
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Bis sechs Minuten vor Schluss war es eine ganz normale Sendung gewesen.
»Es ist eine heiße Nacht hier im Hill Country. Vielen Dank, dass Sie mir auf 101.3 Gesellschaft geleistet haben. Es war mir wie jeden Abend von Montag bis Freitag ein Vergnügen, Sie unterhalten zu dürfen. Ich bin Paris Gibson, und ich bringe Ihnen klassische Lovesongs.
Heute Abend möchte ich mich mit drei von meinen Lieblingssongs verabschieden. Ich wünsche Ihnen, dass Sie diese Songs gemeinsam mit einem geliebten Menschen hören können. Bleiben Sie einander treu.«
Sie drückte den Knopf auf dem Mischpult, um ihr Mikrofon zuzumachen. Die drei Stücke würden ohne Unterbrechung bis 1 Uhr 59:30 laufen. Während der dreißig letzten Sekunden vor zwei Uhr würde sie ihren Zuhörern noch einmal danken, ihnen eine gute Nacht wünschen und sich verabschieden.
Während Yesterday spielte, schloss sie die Augen und rollte ihren Kopf hin und her, um die verspannten Schultern zu lockern. Verglichen mit einem acht- bis neunstündigen Arbeitstag könnte man eine vierstündige Radiosendung für einen lockeren Spaziergang halten. Weit gefehlt. Bis zum Ende der Sendung war sie regelmäßig auch mit ihren Kräften am Ende.
Sie arbeitete allein und moderierte die Titel, die sie vor der Show ausgewählt und in die Playlist eingespeichert hatte, auch selbst an. Die eingehenden Zuhörerwünsche erforderten ständige Änderungen der Playlist, weshalb sie die Studiouhr im Auge behalten musste. Obendrein beantwortete sie alle eingehenden Anrufe persönlich.
Die notwendigen Handgriffe erledigte sie dabei wie im Schlaf, aber das galt nicht für ihre Ansagen. Sie erlaubte sich nie, in Routine abzugleiten oder schludrig zu werden. Paris Gibson hatte, teils unterstützt von Stimmlehrern, teils allein, schwer daran gearbeitet, den unverkennbaren »Paris Gibson-Sound« zu perfektionieren, für den sie inzwischen berühmt war.
Diesen perfekten Klang und Tonfall zu treffen, kostete sie mehr Kraft, als sie selbst merkte, denn nach zweihundertvierzig Minuten vor dem Mikrofon schmerzten ihre Nacken- und Schultermuskeln regelmäßig vor Müdigkeit. Dieser brennende Schmerz war ein Beweis dafür, wie gut sie gewesen war.
Etwa nach der Hälfte des Beatles-Klassikers zeigte eine Telefontaste mit einem roten Blinken einen Anruf an. Sie fühlte sich versucht, den Anrufer zu ignorieren, aber offiziell blieben noch sechs Minuten Sendezeit, und sie stand bei ihren Zuhörern im Wort, dass sie ihre Anrufe bis um zwei Uhr morgens entgegennahm. Es war schon zu spät, um den Anrufer noch auf Sendung zu nehmen, aber sie musste das Gespräch zumindest annehmen.
Sie drückte auf die blinkende Taste. »Sie sprechen mit Paris.«
»Hallo, Paris. Ich bin's, Valentino.«
Sie kannte ihn vom Namen her. Er rief in regelmäßigen Abständen an, und sein ungewöhnlicher Name blieb leicht im Gedächtnis haften. Auch seine Stimme war einprägsam, kaum mehr als ein Flüstern, wahrscheinlich um des Effektes willen oder weil er nicht erkannt werden wollte.
Sie sprach in das Mikrofon über dem Mischpult, das gleichzeitig auch als Telefonmikro diente, wenn sie gerade nicht auf Sendung war. Auf diese Weise hatte sie beide Hände zum Arbeiten frei, während sie mit ihren Zuhörern redete.
»Wie geht es Ihnen heute Abend, Valentino?«
»Nicht gut.«
»Das tut mir leid.«
»Allerdings. Das wird es.«
Die Beatles machten Anne Murrays Broken Hearted Me Platz.
Paris warf einen kurzen Blick auf den Monitor im Mischpult und registrierte automatisch, dass damit der zweite der drei Songs begonnen hatte. Sie war nicht sicher, ob sie Valentino richtig verstanden hatte. »Verzeihung?«
»Ich sagte, das wird dir leidtun«, sagte er.
Der dramatische Unterton war typisch für Valentino. Wenn er anrief, war er entweder total aufgedreht oder zu Tode betrübt; so gut wie nie bewegte er sich auf einer emotionalen Zwischenebene. Bei ihm wusste sie nie, was sie erwarten würde, allein schon aus diesem Grund war er ein interessanter Anrufer. Heute Abend klang er jedoch Unheil verkündend, und das war neu.
»Ich verstehe nicht.«
»Ich habe alles genauso gemacht, wie du mir geraten hast, Paris.«
»Ich habe Ihnen etwas geraten? Wann denn?«
»Immer wenn ich angerufen habe. Du sagst doch immer - nicht nur zu mir, sondern zu jedem, der bei dir anruft -, dass wir die Menschen, die wir lieben, respektieren sollen.« »Das stimmt. Ich glaube -«
»Tja, mit Respekt kommt man nicht weiter, deshalb pfeife ich von jetzt an darauf, was du meinst.«
Sie war keine Psychologin und keine staatlich geprüfte Therapeutin, sondern nur Radiomoderatorin. Eine Ausbildung, die darüber hinausgegangen wäre, hatte sie nicht. Trotzdem nahm sie ihre Rolle als spätabendliche Freundin ernst.
Wenn ein Anrufer außer ihr keinen Menschen hatte, mit dem er oder sie reden konnte, war sie seine anonyme Seelentrösterin. Ihre Zuhörer kannten nur ihre Stimme, aber sie vertrauten ihr. Paris diente ihnen als Vertrauensperson, als Ratgeberin, als Beichtpfarrerin.
Die Menschen teilten ihre Freuden mit ihr, sie schilderten ihre Sorgen, und hin und wieder offenbarten sie ihre Seele. Die Anrufe, die sie nach sorgfältiger Überlegung auf Sendung nahm, erweckten das Mitgefühl der anderen Hörer, lösten Glückwünsche aus und bisweilen auch hitzige Kontroversen.
Oft wollten die Anrufer lediglich ihrem Ärger Luft machen. Sie diente als Puffer. Sie war ein praktisches Ventil für Menschen, die schlicht und einfach stinksauer auf diese Welt waren. So gut wie nie war sie die Zielscheibe des Zorns, aber diesmal war das offensichtlich anders, und das war durchaus beunruhigend.
Falls Valentino am Rande eines Nervenzusammenbruchs stand, dann könnte sie zwar nichts an den Ursachen ändern, aber eventuell könnte sie ihn vom Abgrund wegführen und ihn überreden, professionelle Hilfe zu suchen.
»Sprechen wir darüber, Valentino. Was beschäftigt Sie so?«
»Ich respektiere die Frauen. Wenn ich eine feste Freundin habe, dann ist sie meine Göttin. Ich behandle sie wie eine Prinzessin. Aber das reicht ihnen nicht. Frauen können nicht treu sein. Jede einzelne betrügt mich vor meinen Augen. Und wenn sie mich schließlich verlässt, rufe ich bei dir an, und du erklärst mir dann, dass es nicht meine Schuld war.«
»Valentino, ich -«
»Du sagst, ich hätte nichts falsch gemacht, es wäre nicht meine Schuld, dass sie mich verlassen hat. Und weißt du was? Du hast ganz Recht. Ich bin nicht schuld, Paris. Sondern du. Diesmal bist du schuld.«
Paris sah kurz über ihre Schulter auf die schalldichte Studiotür. Natürlich war sie zu. Der Korridor hinter den Fenstern zum Gang hatte noch nie so düster ausgesehen, obwohl das Gebäude während ihrer Nachtsendungen immer im Dunkeln lag.
Sie wünschte, Stan würde zufällig vorbeikommen. Sogar Marvin wäre ihr ein willkommener Anblick gewesen. Sie wünschte, irgendwer, egal wer, würde diesen Anruf mithören und ihr helfen, ihn richtig zu deuten.
Sie überlegte, ob sie einfach auflegen sollte. Niemand wusste, wo sie lebte, niemand wusste auch nur, wie sie aussah. Das hatte sie in ihrem Vertrag mit dem Radiosender zur Bedingung gemacht: Sie hatte keine Liveauftritte. Genauso wenig durfte ihr Bild zu Werbezwecken verwendet werden, worunter Zeitungsanzeigen, Fernsehwerbung und Reklametafeln fielen, ohne dass es sich darauf beschränkt hätte. Paris Gibson war nur ein Name und eine Stimme, sie hatte kein Gesicht.
Trotzdem konnte sie guten Gewissens nicht einfach auflegen.
Wenn er sich etwas zu Herzen genommen hatte, das sie während einer Sendung gesagt hatte, und schlecht damit gefahren war, dann war es verständlich, dass er wütend auf sie war.
Andererseits hätte jeder halbwegs vernünftige Mensch, wenn er mit einem ihrer Ratschläge nicht einverstanden wäre, die Sache schlicht auf sich beruhen lassen. Valentino hatte ihr eine größere Rolle in seinem Leben eingeräumt, als sie einnehmen sollte oder wollte.
»Erklären Sie mir, inwiefern es meine Schuld war, Valentino.«
»Du hast ihr geraten, sie soll mir den Laufpass geben.« »Das habe ich bestimmt nicht -«
»Ich habe es selbst gehört! Sie hat vorgestern Abend angerufen. Ich hatte das Radio an. Sie hat nicht gesagt, wie sie heißt, aber ich habe sie an ihrer Stimme erkannt. Sie hat dir unsere ganze Geschichte erzählt. Dann hat sie gesagt, ich wäre eifersüchtig und besitzergreifend.
Du hast ihr geantwortet, wenn sie das Gefühl hätte, unsere Beziehung würde sie einengen, sollte sie etwas dagegen unternehmen. Mit anderen Worten, du hast ihr geraten, mich in die Wüste zu schicken.« Er verstummte kurz und sagte dann: »Dass du ihr das geraten hast, wird dir noch leid-tun.«
Paris' Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Sie moderierte schon seit vielen Jahren, aber so etwas war ihr noch nie passiert. »Valentino, lassen Sie uns die Sache in aller Ruhe bereden, okay?«
»Ich bin ruhig, Paris. Ganz ruhig. Es gibt nichts zu bereden. Ich habe sie an einen Ort gebracht, wo sie niemand finden wird. Sie kann mir nicht entkommen.«
Diese Bemerkung war nicht mehr bloß Unheil verkündend, sondern geradezu beängstigend. Was er da gesagt hatte, war doch hoffentlich nicht wörtlich gemeint.
Aber noch ehe sie diesen Gedanken aussprechen konnte, erklärte er: »Sie wird in drei Tagen sterben, Paris. Dann werde ich sie töten, und du wirst ihren Tod auf dem Gewissen haben.«
Inzwischen spielte der letzte Song in dem Musikblock. Der Countdown auf der Uhr des Computermonitors tickte dem Ende der Sendung entgegen. Sie warf einen schnellen Blick auf den Vox Pro, um sicherzustellen, dass ihn kein elektronischer Kobold außer Betrieb gesetzt hatte. Aber nein, die hochkomplizierte Maschine arbeitete fehlerfrei. Der Anruf wurde aufgezeichnet.
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und atmete nervös ein. »Valentino, das ist nicht komisch.«
»Das soll es auch nicht sein.«
»Ich weiß, dass Sie nicht wirklich beabsichtigen -«
»Ich beabsichtige, genau das zu tun, was ich gesagt habe. Ich habe mindestens zweiundsiebzig Stunden allein mit ihr verdient, findest du nicht auch? Nachdem ich so nett zu ihr war? Sind da drei Tage ihrer Zeit und Aufmerksamkeit zu viel verlangt?«
»Valentino, bitte hören Sie mir zu -«
»Dir höre ich bestimmt nicht mehr zu. Du quatschst nur Scheiße. Du gibst miese Ratschläge. Ich behandle mein Mädchen mit Respekt, und sie zieht los und macht für andere Kerle die Beine breit. Dann rätst du ihr noch, sie soll mich abservieren, als hätte ich unsere Beziehung kaputtgemacht, als hätte ich sie betrogen. Ich finde das nur gerecht. Erst werde ich sie ficken, bis sie blutet, dann bringe ich sie um. In genau zweiundsiebzig Stunden, Paris. Eine schöne Nacht noch.«
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Dean Malloy stand leise vom Bett auf. Er tastete im Dunkeln auf dem Boden nach seiner Unterwäsche und verschwand damit im Bad. So leise wie möglich zog er die Tür hinter sich zu, bevor er das Licht einschaltete. Liz wachte trotzdem auf.
»Dean?«
Er stützte sich mit beiden Armen am Waschbecken ab und betrachtete sein Spiegelbild. »Komme sofort.« Ob ihn sein Spiegelbild verzweifelt oder voller Abscheu ansah, wusste er selbst nicht. Zumindest tadelnd.
Er starrte noch ein paar Sekunden in den Spiegel, ehe er den Wasserhahn aufdrehte und sich kaltes Wasser ins Gesicht spritzte. Dann benutzte er die Toilette, zog seine Boxershorts an und öffnete die Tür.
Liz hatte die Nachttischlampe eingeschaltet und sich auf einen Ellbogen gestützt. Ihre hellblonden Haare waren verwuschelt. Unter ihrem einen Auge lag verschmierte Mascara. Aber irgendwie schaffte sie es trotzdem, sündig und gleichzeitig aufreizend zu wirken. »Duschst du noch?«
Er schüttelte den Kopf. »Vielleicht später.«
»Ich wasche dir den Rücken.«
»Danke, aber -«
»Soll ich dich lieber vorne waschen?«
Er deutete ein Lächeln an. »Ich werde darauf zurückkommen.«
Seine Hose hing über dem Sessel. Als er die Hand danach ausstreckte, fiel Liz in ihr zusammengeknülltes Kissen zurück. »Du gehst.«
»Obwohl ich gern noch bleiben würde, Liz.«
»Du hast seit Wochen keine ganze Nacht mehr bei mir verbracht.«
»Das gefällt mir genauso wenig wie dir, aber bis auf weiteres lässt sich das nicht ändern.«
»Mein Gott, Dean. Er ist sechzehn.«
»Genau. Sechzehn. Wenn er ein Baby wäre, wüsste ich jederzeit, wo er steckt. Ich wüsste, was er gerade macht und mit wem er zusammen ist. Aber Gavin ist sechzehn und hat den Führerschein. Für einen Vater bedeutet das, in einem einzigen Albtraum zu leben.« »Wahrscheinlich ist er nicht mal zu Hause, wenn du heimkommst.«
»Das möchte ich ihm aber schwer geraten haben«, murmelte er, während er das Hemd in die Hose steckte. »Er ist gestern Abend später als vereinbart heimgekommen, darum habe ich heute Morgen seinen Autoschlüssel einkassiert. Er hat Hausarrest.«
»Und wie lange?«
»Bis er wieder Vernunft annimmt.«
»Und wenn er das nicht will?«
»Im Haus bleiben?«
»Vernunft annehmen.«
Das war eine viel schwerwiegendere Frage. Sie erforderte eine wohl erwogene Antwort, und dafür fehlte ihm heute Abend die Zeit. Er schob die Füße in die Schuhe, setzte sich dann auf die Bettkante und fasste nach ihrer Hand. »Es ist nicht richtig, dass Gavin mit seinem Verhalten deine Zukunft diktiert.«
»Unsere Zukunft.«
»Unsere Zukunft«, wiederholte er leise. »Das ist so ungerecht. Nur seinetwegen müssen wir unsere Pläne auf Eis legen. Das ist einfach unfair.«
Sie küsste ihn auf den Handrücken und sah durch gesenkte Wimpern zu ihm auf. »Ich kann dich nicht mal überreden, eine ganze Nacht bei mir zu bleiben, und dabei hatte ich gehofft, dass wir bis Weihnachten verheiratet wären.«
»Das könnte durchaus passieren. Die Situation könnte sich früher bessern, als wir glauben.«
Ihr Stirnrunzeln ließ erkennen, dass sie da weniger optimistisch war. »Ich war sehr geduldig, Dean. Oder nicht?« »Allerdings.«
»In den zwei Jahren, die wir jetzt zusammen sind, war ich äußerst kompromissbereit. Ich bin, ohne zu meckern, hierher gezogen. Und ich war einverstanden, diese Wohnung zu mieten, obwohl ich überzeugt bin, dass es vernünftiger wäre, wenn wir zusammen wohnen.«
Ihre Erinnerung war selektiv und unkorrekt. Dass sie zusammen wohnten, hatte nie zur Debatte gestanden. Er hätte das nie auch nur in Betracht gezogen, solange Gavin bei ihm lebte. Und genauso wenig hatte sie einen Grund zum Meckern gehabt, als sie nach Austin gezogen war. Er hatte sie nie darum gebeten.
Im Gegenteil, ihm wäre es lieber gewesen, wenn sie in Houston geblieben wäre.
Die Entscheidung zum Umzug hatte Liz damals ganz unabhängig von ihm gefällt. Als sie ihn damit überrascht hatte, musste er einen Anflug von Verärgerung verhehlen und Freude heucheln. Sie hatte sich ihm aufgedrängt, als er keinesfalls eine weitere Belastung brauchen konnte.
Aber statt jetzt diese brisante Tatsache anzusprechen, gestand er ihr lieber zu, dass sie ihm und seinen Anforderungen gegenüber außergewöhnlich geduldig gewesen war.
»Mir ist durchaus bewusst, dass meine Situation ganz anders ist als zu der Zeit, als wir uns kennen lernten. Du hattest nicht vor, dich mit einem alleinerziehenden Vater eines Teenagers einzulassen. Du hast mehr Geduld aufgebracht, als ich erwarten durfte.«
»Danke«, sagte sie besänftigt. »Aber mein Körper kennt keine Geduld, Dean. Für mich bedeutet jeder verstrichene Monat, dass ein Ei weniger im Körbchen liegt.«
Ihr dezenter Hinweis auf ihre biologische Uhr ließ ihn lächeln. »Ich weiß genau, welche Opfer du für mich erbracht hast. Und weiterhin bringst.«
»Ich bin bereit, noch mehr zu opfern.« Sie strich ihm über die Wange. »Denn das Schlimme an der Sache ist, dass du jedes Opfer wert bist, Dean Malloy.«
Er wusste, dass sie das genauso empfand, aber ihre Aufrichtigkeit trug nicht dazu bei, seine Laune zu bessern, sondern verstärkte nur seine bedrückte Stimmung. »Hab noch etwas Geduld, Liz. Bitte. Gavin führt sich unmöglich auf, aber es gibt Gründe für sein Fehlverhalten. Gib uns noch etwas Zeit. So Gott will, werden wir zu gegebener Zeit einen Ort finden, wo wir zu dritt leben können.«
Sie schnitt eine Grimasse. »Wenn du weiterhin so geschwollen daherredest, könntest du, ehe du dichs versiehst, eine eigene Nachmittagstalkshow haben.«
Er grinste erleichtert, weil sie die ernste Unterhaltung versöhnlich beenden konnten. »Du hast immer noch vor, morgen nach Chicago zu fliegen?«
»Für drei Tage. Ein vertrauliches Treffen mit einer Abordnung aus Kopenhagen. Lauter strammen, blonden Wikingern. Eifersüchtig?«
»Ich bin erbsgrün vor Eifersucht.«
»Wirst du mich vermissen?«
»Was glaubst du?«
»Soll ich dir etwas geben, das dich an mich erinnert?«
Sie schlug die Decke zurück. Nackt und beinahe schnurrend lag sie auf dem zerwühlten Laken, auf dem sie sich vorhin schon einmal geliebt hatten. Im Moment sah Elizabeth Douglas eher nach einer verhätschelten Kurtisane aus, als nach der Marketing-Vizepräsidentin einer internationalen Luxushotelkette.
Sie hatte eine üppige Figur, und ihr gefiel das so. Anders als die meisten ihrer Geschlechtsgenossinnen flippte sie nicht wegen jeder Kalorie aus. Sie betrachtete es bereits als Fitnesstraining, wenn sie ihre Koffer selbst trug, und sie verwehrte sich so gut wie nie ein Dessert. An ihr sahen die Kurven gut aus. Nein, sie sahen atemberaubend aus.
»Verführerisch«, seufzte er. »Äußerst verführerisch. Aber ich werde mich mit einem Kuss begnügen müssen.«
Sie küsste ihn leidenschaftlich und zog seine Zunge dabei so lustvoll in ihren Mund, dass jeder Wikinger vor Neid erblasst wäre. Es blieb ihm überlassen, den Kuss zu beenden. »Ich muss jetzt wirklich los, Liz«, flüsterte er gegen ihre Lippen, ehe er sich von ihr löste. »Eine angenehme Reise.«
Sie zog die Decke wieder hoch, um ihre Nacktheit zu bedecken, und setzte ein Lächeln auf, um ihre Enttäuschung zu überspielen. »Ich rufe dich an, sobald ich angekommen bin.«
»Unbedingt.«
Er verschwand und gab sich dabei alle Mühe, nicht so auszusehen, als wäre er auf der Flucht. Draußen legte sich die Luft wie ein feuchtes Handtuch über ihn. Sogar beim Einatmen war sie schwer und heiß wie nasse Wolle. Noch bevor er den kurzen Weg zu seinem Auto zurückgelegt hatte, klebte ihm das Hemd am Rücken. Er ließ den Motor an und stellte die Klimaanlage auf volle Kraft. Das Radio sprang automatisch an. Elvis' Are You Lonesome Tonight?
Zu dieser Stunde war so gut wie kein Verkehr. Dean bremste vor einer gelben Ampel ab und hielt im selben Moment an, in dem der Song endete.
»Die Nacht bleibt heiß hier im Hill Country. Vielen Dank, dass Sie mir auf 101.3 Gesellschaft geleistet haben.« Die rauchige Frauenstimme hallte durch den Wagen. Die Klangwellen schlugen gegen seine Brust und seinen Bauch. Ihre Stimme wurde von den acht Lautsprechern, die von deutschen Ingenieuren strategisch im Auto platziert worden waren, perfekt moduliert. Dank der ausgeklügelten Soundanlage wirkte Paris Gibson näher, als wenn sie neben ihm auf dem Beifahrersitz gesessen hätte.
»Heute Abend möchte mich mit drei von meinen Lieblingssongs verabschieden. Ich wünsche Ihnen, dass Sie diese Songs gemeinsam mit einem geliebten Menschen hören können. Bleiben Sie einander treu.«
Dean packte das Lenkrad fester und ließ seine Stirn auf die Handrücken sinken, während die Fabulous Four ihr Hohelied auf die Vergangenheit sangen.
...
Übersetzung: Christoph Göhler
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
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Autoren-Porträt von Sandra Brown
Sandra Brown ist eine der erfolgreichsten internationalen Autorinnen, die mit jedem ihrer Bücher die Spitzenplätze der Bestsellerlisten erreicht. Ihren großen Durchbruch als Thrillerautorin feierte Sandra Brown mit dem Roman »Die Zeugin«, der auch in Deutschland auf die Bestsellerlisten kletterte - ein Erfolg, den sie mit jedem neuen Roman noch einmal übertreffen konnte. Sandra Brown lebt mit ihrer Familie abwechselnd in Texas und in South Carolina.Mehr Informationen finden Sie unter: www.sandrabrown.com
Bibliographische Angaben
- Autor: Sandra Brown
- 2012, 1, 1712 Seiten, Maße: 13,1 x 19,1 cm, Gebunden
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3863654544
- ISBN-13: 9783863654542
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