Schneller als die Lichtgeschwindigkeit
Der Entwurf einer neuen Kosmologie. »Die Geschwindigkeit des Lichts ist nicht konstant, sondern variabel.« Mit diesem ketzerischen Gedanken stürzte Magueijo nicht nur die »heilige Kuh« der Physik vom Sockel Einsteins Relativitätstheorie. Sein
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Produktinformationen zu „Schneller als die Lichtgeschwindigkeit “
Der Entwurf einer neuen Kosmologie. »Die Geschwindigkeit des Lichts ist nicht konstant, sondern variabel.« Mit diesem ketzerischen Gedanken stürzte Magueijo nicht nur die »heilige Kuh« der Physik vom Sockel Einsteins Relativitätstheorie. Sein
Ansatz (für den er hier Beweise vorlegt) könnte auch unseren Blick auf die Welt und das Universum grundlegend verändern und sich als so bahnbrechend erweisen, wie Einstein es vor hundert Jahren war. Ein erfrischend und verständlich geschriebenes Buch, das neue Einsichten gewährt.
Ansatz (für den er hier Beweise vorlegt) könnte auch unseren Blick auf die Welt und das Universum grundlegend verändern und sich als so bahnbrechend erweisen, wie Einstein es vor hundert Jahren war. Ein erfrischend und verständlich geschriebenes Buch, das neue Einsichten gewährt.
Klappentext zu „Schneller als die Lichtgeschwindigkeit “
Gerade 33 Lenze zählt der bereits international bekannte Astrophysiker, der es wagt, ein physikalisches Gesetz zu brechen und an dem Denkmal von Albert Einstein zu rütteln. Der Portugiese Joao Magueijo hat sich mit den Ungereimtheiten in Einsteins Relativitätstheorie nicht abgefunden und eine neue Theorie der variablen Lichtgeschwindigkeit entwickelt. Und es scheint tatsächlich, dass sie dazu beitragen könnte, einige der größten Rätsel der modernen Astrophysik, z.B. das der Schwarzen Löcher, verblüffend leicht zu lösen. Mehr noch: Geschichte und Zukunft unseres Universums müssten neu geschrieben werden.Erste empirische Belege sprechen eindeutig für Magueijos Theorie.
Lese-Probe zu „Schneller als die Lichtgeschwindigkeit “
Sehr dummVon Beruf bin ich theoretischer Physiker, ein in jeder Hinsicht ausgewiesener Wissenschaftler: Magisterabschluss und Promotion in Cambridge, anschließend Inhaber eines sehr renommierten Forschungsstipendiums am St. John's College, Cambridge (frühere Stipendiaten waren Paul Dirac und Abdus Salam), dann Royal Society Research Fellow. Heute bin ich Dozent (also das, was in den Vereinigten Staaten ein fest angestellter Professor ist) am Imperial College in London.
Ich schicke dies vorweg - nicht, um anzugeben, sondern weil in diesem Buch von einer ganz ungewöhnlich kontroversen Spekulation die Rede ist. In der Naturwissenschaft gelten nur wenige Dinge als so hundertprozentig gesichert wie Einsteins Relativitätstheorie. Doch genau sie wird durch meine These infrage gestellt, und zwar so radikal, dass es für einen Physiker eigentlich einem beruflichen Selbstmord gleichkommt. Wie nicht anders zu erwarten, versah dann auch ein sehr bekanntes populärwissenschaftliches Blatt einen Artikel über diese Arbeit mit der Überschrift "Ketzerei".
Aus der wegwerfenden Art, wie der Ausdruck Spekulation oft verwendet wird, um Ideen abzutun, mit denen man nicht übereinstimmt, könnte man schließen, dass die Spekulation in den Naturwissenschaften keine Rolle spielt. Das Gegenteil ist der Fall. In der theoretischen Physik, besonders in der Kosmologie, dem Gebiet, auf dem ich arbeite, widmen meine Kollegen und ich einen Gutteil unserer Tage dem Versuch, Breschen in vorhandene Theorien zu schlagen und spekulative neue Theorien zu erörtern, die vielleicht genauso gut oder besser mit den empirischen Daten übereinstimmen. Wir werden dafür bezahlt, alles zu bezweifeln, was jemals vorgeschlagen wurde, verrückte Alternativen anzubieten und uns endlos zu streiten.
In diese Tradition wurde ich eingeführt, als ich 1990 mein Magisterstudium in Cambridge aufnahm. Rasch begriff ich, dass man als theoretischer Wissenschaftler den größten Teil seiner Zeit im Umgang und in der
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Auseinandersetzung mit seinen Kollegen zubringt. In gewissem Sinn treten sie an die Stelle von Experimenten. In Cambridge wurden halb informelle wöchentliche Treffen anberaumt, bei denen wir über alles stritten, was uns beschäftigte. Ferner gab es die britische Institution der so genannten kosmologischen Wanderkonferenzen. Bei ihnen kamen damals Wissenschaftler aus Cambridge, London und Sussex zusammen, um all die Projekte zu erörtern, die sie in den Wahnsinn trieben. Erdgebundener war da die zwanglose Atmosphäre meines Büros, das ich mit fünf anderen Leuten teilte, hoffnungsvollen Jungakademikern, die nie einer Meinung waren und sich ständig anbrüllten.
Manchmal ging es dabei um allgemeine Themen, etwa eine Arbeit, die einer von uns gerade veröffentlicht hatte. Dann wieder liefen wir im Zimmer auf und ab und diskutierten keine neuen Ideen, die wir aus Experimenten, mathematischen Berechnungen oder Computersimulationen gewonnen hatten, sondern spekulierten. Das heißt, wir erörterten Ideen, die sich nicht an bereits vorgelegten experimentellen oder mathematischen Arbeiten orientierten, sondern die uns einfach in den Kopf kamen, wobei wir uns nur auf eine umfassende Kenntnis der theoretischen Physik stützten.
So etwas macht sehr viel Spaß, vor allem wenn man sich, nachdem man endlos diskutiert und seine skeptischen Zuhörer endlich überzeugt hat, plötzlich mit der Hand an die Stirn schlägt und erkennt, dass man in seiner Spekulation einen peinlich simplen Fehler begangen hat und dass man auf geradezu blödsinnige Weise alle anderen eine Stunde lang in die Irre geführt hat - oder umgekehrt: dass man auf kindlich naive Weise auf die blödsinnige Spekulation eines anderen hereingefallen ist.
Diese Diskussions- und Streitkultur setzt Studienanfänger unter erheblichen Druck. Sie kann sehr entmutigend sein, vor allem wenn man mitten in einer Diskussion merkt, dass jemand beschlagener ist als man selbst und man seinen Argumenten überhaupt nicht mehr folgen kann. Und unter den Cambridge-Dozenten herrschte kein Mangel an ungeheuer schlauen Leuten, die sich mit Vergnügen produzierten - Leuten, die sich nicht damit begnügten, einem nachzuweisen, dass man Unrecht hatte, sondern die einem auch unter die Nase rieben, dass der Aspekt, den man übersehen hatte, äußerst trivial war, so trivial, dass jeder durchschnittlich begabte Studienanfänger in Cambridge den Fehler mühelos entdeckt hätte. So demütigend diese Erfahrungen auch waren, sie entmutigten mich nie. Im Gegenteil, sie spornten mich an. Man gewinnt das Gefühl, dass man sich seinen Platz in der wissenschaftlichen Gemeinschaft nur erobern kann, wenn man sich etwas wirklich Neues und Verrücktes einfallen lässt.
Bei diesen Treffen war eines der Themen, die immer wieder diskutiert wurden, die Inflation. Sie gehört zu den zentralen Ideen in der heutigen Kosmologie, dem Gebiet der Physik, in dem wir uns bemühen, so fundamentale Fragen zu beantworten wie: Woher kommt das Universum? Wie entstand Materie? Wie wird die Welt enden? Lange Zeit fielen diese Fragen in den Zuständigkeitsbereich von Religion, Mythos oder Philosophie. Heute haben wir eine wissenschaftliche Antwort in Gestalt der Urknalltheorie gefunden, die besagt, dass unser expandierendes Universum aus einer gewaltigen Explosion entstanden ist.
Vorgeschlagen wurde die Inflationstheorie von Alan Guth, einem renommierten Physiker am Massachusetts Institute of Technology. In der Folge wurde sie von anderen Wissenschaftlern überarbeitet, weil sich eine Reihe von Schwierigkeiten ergab, die wir in der theoretischen Physik als "kosmologische Probleme" bezeichnen. Obwohl heute praktisch jeder Kosmologe von der Annahme ausgeht, dass der Kosmos mit einem "Urknall" begonnen hat, bleiben noch immer Aspekte des Universums, die sich durch die Urknalltheorie in ihrer heutigen Form nicht erklären lassen. Kurz gesagt, diese Probleme haben damit zu tun, dass das Urknallmodell instabil ist. So, wie sich das Universum uns heute präsentiert, kann es nur existieren, wenn sein Anfangszustand, der Augenblick des Knalls, ganz bestimmte, komplizierte Voraussetzungen erfüllt. Winzige Abweichungen münden rasch in eine Katastrophe (etwa ein früher Tod des Universums), und diese höchst unwahrscheinlichen Anfangsbedingungen müssen "von Hand" eingesetzt werden, statt dass sie sich aus irgendeinem konkreten und berechenbaren physikalischen Prozess ergeben. Dieser Sachverhalt ist für Kosmologen sehr unbefriedigend.
Die Inflation, nach der das Baby-Universum mit einer unvorstellbar größeren Geschwindigkeit expandierte als heute - sodass sich seine Größe "aufblähte" [engl.: inflated] -, ist gegenwärtig die beste Antwort auf diese kosmologischen Probleme und auf die Frage, warum der Kosmos heute so aussieht, wie er aussieht. Es gibt Gründe für die Annahme, dass die Inflation die richtige Antwort sein könnte; doch noch liegt kein experimenteller Beweis für die Inflation vor. Streng wissenschaftlich gesehen folgt daraus, dass die Inflation noch immer eine Spekulation ist.
Während dieser Umstand die meisten Wissenschaftler nicht daran hindert, die Inflationstheorie begeistert zu übernehmen, hat sich die britische Gemeinschaft der theoretischen Physiker nie so ganz zu der Überzeugung durchringen können, sie sei die Antwort schlechthin. Vielleicht war es Chauvinismus (schließlich wurde die Theorie von einem Amerikaner entwickelt), vielleicht Dickköpfigkeit, vielleicht wissenschaftliche Gründlichkeit, jedenfalls kam bei jedem dieser Treffen unvermeidlich das Thema der Inflation zur Sprache, wobei die Diskussion von der Überzeugung beherrscht wurde, dass die Inflationstheorie in ihrer derzeitigen Form bestimmte kosmologische Probleme von entscheidender Bedeutung nicht lösen könne.
Ursprünglich schenkte ich der Inflation nicht viel Beachtung, weil mein Spezialgebiet in einem anderen Bereich angesiedelt war: dem der topologischen Defekte, die eine Erklärung für den Ursprung von Galaxien und anderen Strukturen des Universums liefern. (Die Defekte sind zwar eine Alternative zur inflationären Erklärung dieser Strukturen, bieten aber leider keine Lösung für die kosmologischen Probleme.) Doch nachdem ich immer und immer wieder gehört hatte, dass die Inflationstheorie absolut keine Basis in der uns bekannten Teilchenphysik habe und im Grunde genommen nur ein amerikanischer Hype sei, begann auch ich - das liegt nun einmal in der menschlichen Natur -, über alternative Erklärungen nachzudenken.
Für den Laien ist vielleicht nicht ersichtlich, warum die Inflation die kosmologischen Probleme zu lösen vermag. Noch unklarer ist für ihn wahrscheinlich, warum sie sich ohne Inflation so schwer lösen lassen. Doch für den gelernten Kosmologen ergibt sich hier eine enorme Schwierigkeit, die ärgerlicherweise so groß ist, dass es noch niemandem gelungen ist, eine alternative Erklärung zu finden. Die Inflation hatte mangels einer besseren Theorie den Sieg davongetragen. Viele Jahre lang beschäftigte mich im Hintergrund meines Denkens, und gelegentlich auch im Vordergrund, die Frage, ob es nicht doch einen anderen Weg, irgendeine andere Möglichkeit gebe, die kosmologischen Probleme zu lösen.
Ich absolvierte mein zweites Jahr als Fellow des St. John's College (und mein sechstes Jahr in Cambridge), als mir eines Tages aus heiterem Himmel die Antwort in den Schoß zu fallen schien. An einem scheußlichen regnerischen Morgen - typisches englisches Wetter - ging ich über die Sportplätze des College und hatte mit einem bösen Kater zu kämpfen, als mir plötzlich klar wurde, dass man nur eine einfache Spielregel, wenn auch eine geheiligte, übertreten musste, um diese Probleme ohne Inflation zu lösen. Die Idee war wunderbar einfach, tatsächlich einfacher als die Inflation. Doch sogleich stellten sich Bedenken ein, sie als Erklärung zu präsentieren. Sie enthielt eine Annahme, die für einen gelernten Physiker an Irrsinn grenzt, eine Annahme, die die womöglich fundamentalste Regel der modernen Physik infrage stellt: dass die Lichtgeschwindigkeit konstant ist.
Wenn es eines gibt, was jedes Schulkind über Einstein und seine Relativitätstheorie weiß, dann ist es die Tatsache, dass die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum konstant ist.* Unter allen Bedingungen breitet sich Licht im Vakuum mit ein und derselben Geschwindigkeit aus - eine Konstante, die Physiker durch den Buchstaben c bezeichnen: 300000 Kilometer pro Sekunde. Die Lichtgeschwindigkeit ist der Hauptpfeiler der Physik, das scheinbar sichere Fundament, auf dem jede moderne kosmologische Theorie aufgebaut ist, der Maßstab, an dem alles im Universum gemessen wird.
* Wenn wir Licht durch entsprechende Stoffe schicken, können wir es verlangsamen, zum Stillstand bringen oder, in gewissem Sinn, beschleunigen. Dies steht nicht im Widerspruch zur Grundannahme der Relativitätstheorie, die die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum betrifft.
1887 zeigten die amerikanischen Wissenschaftler Albert Michelson und Edward Morley in einem der wichtigsten Experimente der gesamten Wissenschaftsgeschichte, dass die scheinbare Lichtgeschwindigkeit von der Bewegung der Erde nicht beeinflusst wird. Damals war dieses Experiment für alle Experten äußerst verwirrend, denn es widersprach der allgemeinen Vorstellung, dass sich Geschwindigkeiten stets addieren. Eine Rakete, die von einem Flugzeug abgeschossen wird, bewegt sich rascher, weil sich ihre Geschwindigkeit und die des Flugzeugs addieren. Wenn ich einen Gegenstand in einem fahrenden Zug nach vorn werfe, ist seine Geschwindigkeit in Relation zum Bahnsteig die Geschwindigkeit des Objekts plus der des Zuges. Man sollte meinen, dass es sich mit dem Licht genauso verhält. Licht, das von einem Zug emittiert wird, müsste sich schneller bewegen. Doch die Michelson-Morley-Experimente zeigten, dass es nicht der Fall ist. Licht bewegt sich stur immer mit der derselben Geschwindigkeit. Nehmen wir also an, ich wähle einen Lichtstrahl aus und bitte mehrere Beobachter, die sich relativ zueinander bewegen, die Geschwindigkeit dieses Lichtstrahls zu messen - sie werden alle dieselbe scheinbare Geschwindigkeit messen!
Einsteins spezielle Relativitätstheorie aus dem Jahr 1905 war teilweise eine Reaktion auf dieses verblüffende Resultat. Wenn sich c nicht verändert, dann, so erkannte Einstein, musste etwas anderes dran glauben, und zwar die Vorstellung, dass Raum und Zeit universell und unveränderlich seien. Dies ist für den gesunden Menschenverstand schwer zu begreifen. In unserer Alltagswelt erleben wir Raum und Zeit als feststehend und universell. Stattdessen dachte sich Einstein Raum und Zeit - die Raumzeit - als etwas, das sich je nach den relativen Bewegungen des Beobachters und des beobachteten Objekts biegt und verändert, expandiert und schrumpft. Der einzige Aspekt des Universums, der sich laut Einstein nicht wandeln kann, ist die Lichtgeschwindigkeit.
Seither ist die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit in die innerste Struktur der Physik, in den Aufbau ihrer Gleichungen, sogar in ihre Schreibweise verwoben. Die Lichtgeschwindigkeit zu "variieren" ist nicht nur ein verpönter Ausdruck, er kommt im Wortschatz der Physik einfach nicht vor. Hunderte von Experimenten haben diese Grundthese bestätigt, und die Relativitätstheorie hat zentrale Bedeutung für unser Verständnis des Universums gewonnen. Doch genau dazu setzte sich meine Idee in Widerspruch; sie war nämlich die Theorie einer "variablen Lichtgeschwindigkeit".
Vor allem begann ich, Spekulationen über die Möglichkeit anzustellen, dass sich das Licht im frühen Universum schneller ausgebreitet hat als im heutigen. Zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass diese Hypothese offenbar auch ohne Inflation in der Lage war, zumindest einige der kosmologischen Probleme zu lösen. Tatsächlich schien deren Lösung im Kontext der variablen Lichtgeschwindigkeit geradezu unvermeidlich zu sein. Es war, als versuchten die Rätsel des Urknalls uns genau dies zu sagen: dass das Licht im frühen Universum tatsächlich viel schneller war und dass die Physik auf einer sehr fundamentalen Ebene eine komplexere Struktur aufweisen muss als die Relativitätstheorie.
Als ich meine Lösung der kosmologischen Probleme das erste Mal bei einer unserer Diskussionen erwähnte, war peinliches Schweigen die Folge. Mir war klar, dass ich noch viel Arbeit leisten musste, bevor man meine Idee ernst nehmen würde. In ihrer damaligen Gestalt wirkte sie vollkommen verschroben. Trotzdem war meine Begeisterung ungebrochen. So enttäuschte mich die Reaktion eines meiner besten Freunde (eines Physikers, der heute Dozent in Oxford ist), als ich davon erzählte, denn mit allem hatte ich gerechnet, nur nicht mit vollkommener Teilnahmslosigkeit. Er gab noch nicht einmal einen Kommentar ab; da war nur Schweigen und dann ein vorsichtiges "Hmm". Beim besten Willen konnte ich ihn nicht dazu bringen, diese verrückte Idee so zu diskutieren, wie Theoretiker sonst ihre abenteuerlichsten Spekulationen erörtern.
In den folgenden Monaten erntete ich stets die gleiche Reaktion, wenn ich Leuten im Fachbereich von meiner Idee berichtete. Sie schüttelten den Kopf, sagten im günstigsten Fall: "Halt den Mund, und sei nicht blöd." Im ungünstigsten Fall verhielten sie sich "very British" und meinten unverbindlich: "Oh, dazu kann ich wirklich gar nichts sagen." In den sechs Jahren zuvor hatte ich zu unseren Diskussionen sicher einen überproportionalen Anteil an verrückten Ideen beigesteuert, ohne je auf eine solche Reaktion gestoßen zu sein. Als ich begann, meine Idee VSL (Varying Speed of Light) zu nennen, äußerte jemand die Vermutung, es stehe wohl für very silly ("sehr dumm").
Man darf nichts, was auf diesen Treffen geäußert wird, persönlich nehmen. Tatsächlich gibt es in der Wissenschaft keine bessere Methode, verrückt zu werden, als die Zweifel, die von anderen an den eigenen Ideen vorgebracht werden, als persönliche Angriffe anzusehen - selbst wenn die Bemerkungen vor Verachtung oder Bosheit triefen oder wenn man absolut sicher ist, dass alle Anwesenden einen nur für einen ausgemachten Dummkopf halten. So ist das nun einmal in den Naturwissenschaften. Jede neue Idee ist so lange dummes Geschwätz, bis sie jede erbarmungslose Kritik überlebt hat. Schließlich war ja auch meine verrückte Idee aus Zweifeln an der Inflationstheorie geboren.
Gleichgültig, wie viele Leute die Idee einer variablen Lichtgeschwindigkeit für ausgemachten Quatsch hielten, ich war nach wie vor von ihr fasziniert, wenn auch nicht unbedingt überzeugt. Doch je mehr ich über sie nachdachte, desto mehr Gefallen fand ich an ihr. Daher beschloss ich, mich auf sie zu konzentrieren und zu schauen, wohin sie führte.
Manchmal ging es dabei um allgemeine Themen, etwa eine Arbeit, die einer von uns gerade veröffentlicht hatte. Dann wieder liefen wir im Zimmer auf und ab und diskutierten keine neuen Ideen, die wir aus Experimenten, mathematischen Berechnungen oder Computersimulationen gewonnen hatten, sondern spekulierten. Das heißt, wir erörterten Ideen, die sich nicht an bereits vorgelegten experimentellen oder mathematischen Arbeiten orientierten, sondern die uns einfach in den Kopf kamen, wobei wir uns nur auf eine umfassende Kenntnis der theoretischen Physik stützten.
So etwas macht sehr viel Spaß, vor allem wenn man sich, nachdem man endlos diskutiert und seine skeptischen Zuhörer endlich überzeugt hat, plötzlich mit der Hand an die Stirn schlägt und erkennt, dass man in seiner Spekulation einen peinlich simplen Fehler begangen hat und dass man auf geradezu blödsinnige Weise alle anderen eine Stunde lang in die Irre geführt hat - oder umgekehrt: dass man auf kindlich naive Weise auf die blödsinnige Spekulation eines anderen hereingefallen ist.
Diese Diskussions- und Streitkultur setzt Studienanfänger unter erheblichen Druck. Sie kann sehr entmutigend sein, vor allem wenn man mitten in einer Diskussion merkt, dass jemand beschlagener ist als man selbst und man seinen Argumenten überhaupt nicht mehr folgen kann. Und unter den Cambridge-Dozenten herrschte kein Mangel an ungeheuer schlauen Leuten, die sich mit Vergnügen produzierten - Leuten, die sich nicht damit begnügten, einem nachzuweisen, dass man Unrecht hatte, sondern die einem auch unter die Nase rieben, dass der Aspekt, den man übersehen hatte, äußerst trivial war, so trivial, dass jeder durchschnittlich begabte Studienanfänger in Cambridge den Fehler mühelos entdeckt hätte. So demütigend diese Erfahrungen auch waren, sie entmutigten mich nie. Im Gegenteil, sie spornten mich an. Man gewinnt das Gefühl, dass man sich seinen Platz in der wissenschaftlichen Gemeinschaft nur erobern kann, wenn man sich etwas wirklich Neues und Verrücktes einfallen lässt.
Bei diesen Treffen war eines der Themen, die immer wieder diskutiert wurden, die Inflation. Sie gehört zu den zentralen Ideen in der heutigen Kosmologie, dem Gebiet der Physik, in dem wir uns bemühen, so fundamentale Fragen zu beantworten wie: Woher kommt das Universum? Wie entstand Materie? Wie wird die Welt enden? Lange Zeit fielen diese Fragen in den Zuständigkeitsbereich von Religion, Mythos oder Philosophie. Heute haben wir eine wissenschaftliche Antwort in Gestalt der Urknalltheorie gefunden, die besagt, dass unser expandierendes Universum aus einer gewaltigen Explosion entstanden ist.
Vorgeschlagen wurde die Inflationstheorie von Alan Guth, einem renommierten Physiker am Massachusetts Institute of Technology. In der Folge wurde sie von anderen Wissenschaftlern überarbeitet, weil sich eine Reihe von Schwierigkeiten ergab, die wir in der theoretischen Physik als "kosmologische Probleme" bezeichnen. Obwohl heute praktisch jeder Kosmologe von der Annahme ausgeht, dass der Kosmos mit einem "Urknall" begonnen hat, bleiben noch immer Aspekte des Universums, die sich durch die Urknalltheorie in ihrer heutigen Form nicht erklären lassen. Kurz gesagt, diese Probleme haben damit zu tun, dass das Urknallmodell instabil ist. So, wie sich das Universum uns heute präsentiert, kann es nur existieren, wenn sein Anfangszustand, der Augenblick des Knalls, ganz bestimmte, komplizierte Voraussetzungen erfüllt. Winzige Abweichungen münden rasch in eine Katastrophe (etwa ein früher Tod des Universums), und diese höchst unwahrscheinlichen Anfangsbedingungen müssen "von Hand" eingesetzt werden, statt dass sie sich aus irgendeinem konkreten und berechenbaren physikalischen Prozess ergeben. Dieser Sachverhalt ist für Kosmologen sehr unbefriedigend.
Die Inflation, nach der das Baby-Universum mit einer unvorstellbar größeren Geschwindigkeit expandierte als heute - sodass sich seine Größe "aufblähte" [engl.: inflated] -, ist gegenwärtig die beste Antwort auf diese kosmologischen Probleme und auf die Frage, warum der Kosmos heute so aussieht, wie er aussieht. Es gibt Gründe für die Annahme, dass die Inflation die richtige Antwort sein könnte; doch noch liegt kein experimenteller Beweis für die Inflation vor. Streng wissenschaftlich gesehen folgt daraus, dass die Inflation noch immer eine Spekulation ist.
Während dieser Umstand die meisten Wissenschaftler nicht daran hindert, die Inflationstheorie begeistert zu übernehmen, hat sich die britische Gemeinschaft der theoretischen Physiker nie so ganz zu der Überzeugung durchringen können, sie sei die Antwort schlechthin. Vielleicht war es Chauvinismus (schließlich wurde die Theorie von einem Amerikaner entwickelt), vielleicht Dickköpfigkeit, vielleicht wissenschaftliche Gründlichkeit, jedenfalls kam bei jedem dieser Treffen unvermeidlich das Thema der Inflation zur Sprache, wobei die Diskussion von der Überzeugung beherrscht wurde, dass die Inflationstheorie in ihrer derzeitigen Form bestimmte kosmologische Probleme von entscheidender Bedeutung nicht lösen könne.
Ursprünglich schenkte ich der Inflation nicht viel Beachtung, weil mein Spezialgebiet in einem anderen Bereich angesiedelt war: dem der topologischen Defekte, die eine Erklärung für den Ursprung von Galaxien und anderen Strukturen des Universums liefern. (Die Defekte sind zwar eine Alternative zur inflationären Erklärung dieser Strukturen, bieten aber leider keine Lösung für die kosmologischen Probleme.) Doch nachdem ich immer und immer wieder gehört hatte, dass die Inflationstheorie absolut keine Basis in der uns bekannten Teilchenphysik habe und im Grunde genommen nur ein amerikanischer Hype sei, begann auch ich - das liegt nun einmal in der menschlichen Natur -, über alternative Erklärungen nachzudenken.
Für den Laien ist vielleicht nicht ersichtlich, warum die Inflation die kosmologischen Probleme zu lösen vermag. Noch unklarer ist für ihn wahrscheinlich, warum sie sich ohne Inflation so schwer lösen lassen. Doch für den gelernten Kosmologen ergibt sich hier eine enorme Schwierigkeit, die ärgerlicherweise so groß ist, dass es noch niemandem gelungen ist, eine alternative Erklärung zu finden. Die Inflation hatte mangels einer besseren Theorie den Sieg davongetragen. Viele Jahre lang beschäftigte mich im Hintergrund meines Denkens, und gelegentlich auch im Vordergrund, die Frage, ob es nicht doch einen anderen Weg, irgendeine andere Möglichkeit gebe, die kosmologischen Probleme zu lösen.
Ich absolvierte mein zweites Jahr als Fellow des St. John's College (und mein sechstes Jahr in Cambridge), als mir eines Tages aus heiterem Himmel die Antwort in den Schoß zu fallen schien. An einem scheußlichen regnerischen Morgen - typisches englisches Wetter - ging ich über die Sportplätze des College und hatte mit einem bösen Kater zu kämpfen, als mir plötzlich klar wurde, dass man nur eine einfache Spielregel, wenn auch eine geheiligte, übertreten musste, um diese Probleme ohne Inflation zu lösen. Die Idee war wunderbar einfach, tatsächlich einfacher als die Inflation. Doch sogleich stellten sich Bedenken ein, sie als Erklärung zu präsentieren. Sie enthielt eine Annahme, die für einen gelernten Physiker an Irrsinn grenzt, eine Annahme, die die womöglich fundamentalste Regel der modernen Physik infrage stellt: dass die Lichtgeschwindigkeit konstant ist.
Wenn es eines gibt, was jedes Schulkind über Einstein und seine Relativitätstheorie weiß, dann ist es die Tatsache, dass die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum konstant ist.* Unter allen Bedingungen breitet sich Licht im Vakuum mit ein und derselben Geschwindigkeit aus - eine Konstante, die Physiker durch den Buchstaben c bezeichnen: 300000 Kilometer pro Sekunde. Die Lichtgeschwindigkeit ist der Hauptpfeiler der Physik, das scheinbar sichere Fundament, auf dem jede moderne kosmologische Theorie aufgebaut ist, der Maßstab, an dem alles im Universum gemessen wird.
* Wenn wir Licht durch entsprechende Stoffe schicken, können wir es verlangsamen, zum Stillstand bringen oder, in gewissem Sinn, beschleunigen. Dies steht nicht im Widerspruch zur Grundannahme der Relativitätstheorie, die die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum betrifft.
1887 zeigten die amerikanischen Wissenschaftler Albert Michelson und Edward Morley in einem der wichtigsten Experimente der gesamten Wissenschaftsgeschichte, dass die scheinbare Lichtgeschwindigkeit von der Bewegung der Erde nicht beeinflusst wird. Damals war dieses Experiment für alle Experten äußerst verwirrend, denn es widersprach der allgemeinen Vorstellung, dass sich Geschwindigkeiten stets addieren. Eine Rakete, die von einem Flugzeug abgeschossen wird, bewegt sich rascher, weil sich ihre Geschwindigkeit und die des Flugzeugs addieren. Wenn ich einen Gegenstand in einem fahrenden Zug nach vorn werfe, ist seine Geschwindigkeit in Relation zum Bahnsteig die Geschwindigkeit des Objekts plus der des Zuges. Man sollte meinen, dass es sich mit dem Licht genauso verhält. Licht, das von einem Zug emittiert wird, müsste sich schneller bewegen. Doch die Michelson-Morley-Experimente zeigten, dass es nicht der Fall ist. Licht bewegt sich stur immer mit der derselben Geschwindigkeit. Nehmen wir also an, ich wähle einen Lichtstrahl aus und bitte mehrere Beobachter, die sich relativ zueinander bewegen, die Geschwindigkeit dieses Lichtstrahls zu messen - sie werden alle dieselbe scheinbare Geschwindigkeit messen!
Einsteins spezielle Relativitätstheorie aus dem Jahr 1905 war teilweise eine Reaktion auf dieses verblüffende Resultat. Wenn sich c nicht verändert, dann, so erkannte Einstein, musste etwas anderes dran glauben, und zwar die Vorstellung, dass Raum und Zeit universell und unveränderlich seien. Dies ist für den gesunden Menschenverstand schwer zu begreifen. In unserer Alltagswelt erleben wir Raum und Zeit als feststehend und universell. Stattdessen dachte sich Einstein Raum und Zeit - die Raumzeit - als etwas, das sich je nach den relativen Bewegungen des Beobachters und des beobachteten Objekts biegt und verändert, expandiert und schrumpft. Der einzige Aspekt des Universums, der sich laut Einstein nicht wandeln kann, ist die Lichtgeschwindigkeit.
Seither ist die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit in die innerste Struktur der Physik, in den Aufbau ihrer Gleichungen, sogar in ihre Schreibweise verwoben. Die Lichtgeschwindigkeit zu "variieren" ist nicht nur ein verpönter Ausdruck, er kommt im Wortschatz der Physik einfach nicht vor. Hunderte von Experimenten haben diese Grundthese bestätigt, und die Relativitätstheorie hat zentrale Bedeutung für unser Verständnis des Universums gewonnen. Doch genau dazu setzte sich meine Idee in Widerspruch; sie war nämlich die Theorie einer "variablen Lichtgeschwindigkeit".
Vor allem begann ich, Spekulationen über die Möglichkeit anzustellen, dass sich das Licht im frühen Universum schneller ausgebreitet hat als im heutigen. Zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass diese Hypothese offenbar auch ohne Inflation in der Lage war, zumindest einige der kosmologischen Probleme zu lösen. Tatsächlich schien deren Lösung im Kontext der variablen Lichtgeschwindigkeit geradezu unvermeidlich zu sein. Es war, als versuchten die Rätsel des Urknalls uns genau dies zu sagen: dass das Licht im frühen Universum tatsächlich viel schneller war und dass die Physik auf einer sehr fundamentalen Ebene eine komplexere Struktur aufweisen muss als die Relativitätstheorie.
Als ich meine Lösung der kosmologischen Probleme das erste Mal bei einer unserer Diskussionen erwähnte, war peinliches Schweigen die Folge. Mir war klar, dass ich noch viel Arbeit leisten musste, bevor man meine Idee ernst nehmen würde. In ihrer damaligen Gestalt wirkte sie vollkommen verschroben. Trotzdem war meine Begeisterung ungebrochen. So enttäuschte mich die Reaktion eines meiner besten Freunde (eines Physikers, der heute Dozent in Oxford ist), als ich davon erzählte, denn mit allem hatte ich gerechnet, nur nicht mit vollkommener Teilnahmslosigkeit. Er gab noch nicht einmal einen Kommentar ab; da war nur Schweigen und dann ein vorsichtiges "Hmm". Beim besten Willen konnte ich ihn nicht dazu bringen, diese verrückte Idee so zu diskutieren, wie Theoretiker sonst ihre abenteuerlichsten Spekulationen erörtern.
In den folgenden Monaten erntete ich stets die gleiche Reaktion, wenn ich Leuten im Fachbereich von meiner Idee berichtete. Sie schüttelten den Kopf, sagten im günstigsten Fall: "Halt den Mund, und sei nicht blöd." Im ungünstigsten Fall verhielten sie sich "very British" und meinten unverbindlich: "Oh, dazu kann ich wirklich gar nichts sagen." In den sechs Jahren zuvor hatte ich zu unseren Diskussionen sicher einen überproportionalen Anteil an verrückten Ideen beigesteuert, ohne je auf eine solche Reaktion gestoßen zu sein. Als ich begann, meine Idee VSL (Varying Speed of Light) zu nennen, äußerte jemand die Vermutung, es stehe wohl für very silly ("sehr dumm").
Man darf nichts, was auf diesen Treffen geäußert wird, persönlich nehmen. Tatsächlich gibt es in der Wissenschaft keine bessere Methode, verrückt zu werden, als die Zweifel, die von anderen an den eigenen Ideen vorgebracht werden, als persönliche Angriffe anzusehen - selbst wenn die Bemerkungen vor Verachtung oder Bosheit triefen oder wenn man absolut sicher ist, dass alle Anwesenden einen nur für einen ausgemachten Dummkopf halten. So ist das nun einmal in den Naturwissenschaften. Jede neue Idee ist so lange dummes Geschwätz, bis sie jede erbarmungslose Kritik überlebt hat. Schließlich war ja auch meine verrückte Idee aus Zweifeln an der Inflationstheorie geboren.
Gleichgültig, wie viele Leute die Idee einer variablen Lichtgeschwindigkeit für ausgemachten Quatsch hielten, ich war nach wie vor von ihr fasziniert, wenn auch nicht unbedingt überzeugt. Doch je mehr ich über sie nachdachte, desto mehr Gefallen fand ich an ihr. Daher beschloss ich, mich auf sie zu konzentrieren und zu schauen, wohin sie führte.
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Autoren-Porträt von Joao Magueijo
Bereits im Alter von elf Jahren fühlte sich Joao Magueijo, geboren in Portugal, durch "Die Evolution der Physik" von Albert Einstein und Leopold Infeld inspiriert. Heute ist der 33-Jährige Dozent für theoretische Physik am Imperial College, London, wo er zuvor für drei Jahre eine Stelle als Royal Society Research Fellow innehatte. Weitere Stationen seiner Karriere sind Berkeley und die Princeton University. Seinen Doktortitel erhielt er an der Cambridge University.
Bibliographische Angaben
- Autor: Joao Magueijo
- 2003, 1, 316 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: C. Bertelsmann
- ISBN-10: 3570005801
- ISBN-13: 9783570005804
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