Solange die Liebe bleibt
Roman. Deutsche Erstausgabe
Manchmal muss man gehen, um zu bleiben. Das denkt sich Elizabeth, als sie einen Koffer packt, um sich über die Gefühle zu ihrem Mann klar zu werden. Ist ihre Ehe Gewohnheit, oder lieben sie sich noch so, dass man auch Fehler verzeihen kann?...
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Produktinformationen zu „Solange die Liebe bleibt “
Manchmal muss man gehen, um zu bleiben. Das denkt sich Elizabeth, als sie einen Koffer packt, um sich über die Gefühle zu ihrem Mann klar zu werden. Ist ihre Ehe Gewohnheit, oder lieben sie sich noch so, dass man auch Fehler verzeihen kann? Für einige Wochen hilft sie der jungen Uniprofessorin Carly bei der Pflege ihrer Mutter. Carly ist das Gegenteil der offenen und mitfühlenden Elizabeth. Die ungleichen Frauen freunden sich an und sehen: Wer Liebe zulässt, kann auch Liebe geben.
"Eine Spitzengeschichte einer unglaublich talentierten Autorin." Writers Unlimited über "Vergiss mich nicht" "Ein Roman mit Eleganz und Humor." Romantic Times Bookreview über "Vergiss mich nicht"
"Man kann sich nicht vorstellen, dass Leserinnen dieses Buch ohne ein paar Tränen schließen." Publishers Weekly über "Vergiss mich nicht"
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Lese-Probe zu „Solange die Liebe bleibt “
Solange die Liebe bleibt von Tanya MichnaEins
Holprige Landung
Was mache ich hier eigentlich?
Kaum war Elisabeth Overton aus dem Flugzeug gestiegen, traf sie die Frage wie ein Keulenschlag. Bislang hatte sie noch keine Zeit gefunden, über ihren spontanen Einfall nachzudenken. Gestern Abend war sie viel zu sehr mit den Reisevorbereitungen beschäftigt gewesen und nur einmal kurz stutzig geworden, als ihre Visa-Karte abgelehnt worden war. Das hatte sie dann aber einfach als technisches Problem abgetan und einfach mit American Express gezahlt. Und heute während des Fluges hatte sie ganz andere Sorgen gehabt lieber Gott, lass uns heil ankommen. Zwar versuchte Allen ihr seit Jahren einzutrichtern, dass Flugreisen statistisch gesehen viel sicherer waren als Autofahrten, doch in der Luft hatte sie sich noch nie richtig wohl gefühlt. Im Grunde wusste sie selbst, dass ihre Ängste völlig überzogen waren. Schließlich war ihre eigene Mutter vor vielen Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, während Allen im Laufe ihrer langen Ehe unzählige Vielflieger-Meilen gesammelt und dabei höchstens ein paar Turbulenzen miterlebt hatte. Beth dagegen war erst ein paar Mal geflogen, die Premiere war damals mit Mitte zwanzig, und Flüge verband sie in erster Linie mit den Geschäftsreisen ihres Mannes, weniger mit exotischen Urlauben oder romantischen Kurztrips. Bis heute. Denn dieser Ausflug nach Houston fiel eindeutig in die Kategorie romantisches Abenteuer auch wenn Allen dort gerade bei einer Messe war. Normalerweise neigten sie beide nicht zu spontanen Aktionen, daher war sie gespannt, wie er reagieren würde. Den Flug hatte sie mit reichlich Gottvertrauen, mit zusammengebissenen Zähnen und einer Miniflasche Chardonnay immerhin schon überstanden. Also würde sie sich jetzt auch nicht mehr entmutigen lassen, sondern ihren Plan in die Tat
... mehr
umsetzen. Allerdings erst nach einem kurzen Abstecher zur Damentoilette. Auf wackligen Beinen betrat Beth den Flughafenterminal. Als ihr Blick durch den Wartebereich schweifte, fühlte sie sich an einen Tag erinnert, der schon viele Jahre zurücklag: Es war später Abend an einem bitterkalten dreiundzwanzigsten Dezember, damals, als man seine Lieben noch am Flugsteig erwarten durfte. Joy war noch keine vier Jahre alt. Ungeduldig hielten sie nach den aussteigenden Passagieren Ausschau. Wenige Wochen zuvor hatte Allen seine erste Stelle als Verkäufer angetreten und konnte aus seinem Charme endlich auch beruflich Gewinn schlagen. Wegen der Schlechtwetterwarnungen hatte Beth schon befürchtet, er würde nicht rechtzeitig an Weihnachten zu Hause sein und die Puppe, die der »Weihnachtsmann« für Joy bringen sollte, hätte sicher nicht über das Fehlen des Vater hinweggetröstet. Also hatte Beth ihre Tochter in den kirschroten SecondhandMantel gepackt und sich über die Autobahn zum Flughafen Hartsfield gekämpft. Dass Allens Flug doch noch eine Landerlaubnis erhalten hatte, war für ihre Familie das schönste Weihnachtsgeschenk gewesen. Gemeinsam mit Joy sah sie zu, wie die Maschine über die Landebahn rollte. Selbst jetzt, mehr als zwanzig Jahre später, hörte Beth die Kleine noch freudig nach ihrem »Daddy« rufen. Sie konnte sich genau erinnern, wie Allen strahlend auf sie zugeeilt war. Erst hatte er seine Tochter an sich gedrückt und dann Beth in die Arme geschlossen und innig geküsst. Merkwürdig so viele Ereignisse aus Joys Kindheit kamen ihr vor, als wären sie erst gestern gewesen. Kaum zu glauben, dass meine Kleine nun selbst ein Kind bekommt! Aber was diesen leidenschaftlichen Kuss von Allen betraf, der schien schon eine Ewigkeit zurückzuliegen. Wie hatte Beth sich gefreut, als das junge Paar ihr gestern eröffnet hatte, dass ein Baby unterwegs war! Zugleich hatte ihr die Nachricht einen Stich versetzt. Ich werde Großmutter? Ihr fünfundvierzigster Geburtstag stand kurz bevor. In diesem Alter bekamen andere Frauen selbst noch Kinder! Mit fünfundvierzig gehörte man noch lange nicht zum alten Eisen. Fünfundvierzig war noch nicht zu alt für Leidenschaft. Oder etwa doch? Nachdenklich fuhr sie mit dem Daumen über ihren Ring. Allen war so viel unterwegs, dass sie sich leicht vormachen konnte, in ihrer Ehe wäre alles in Ordnung. Doch seitdem Joy vor zwei Jahren zu Hause ausgezogen war, spürte Beth immer deutlicher, dass ihr etwas fehlte. Sie engagierte sich in der Gemeinde leitete einen wöchentlichen Gebetskreis für Frauen, stellte den monatlichen Rundbrief zusammen und war als Seelsorgerin tätig. Neben der ehrenamtlichen Arbeit in einem Alphabetisierungsprogramm für Erwachsene werkelte sie gern im Garten, veranstaltete Bastelabende und war Mitglied in einem Lesekreis. Und dennoch gab es in ihrem Leben eine Leere, die sich nicht verleugnen ließ. Ihr verstorbener Vater, Reverend Howard, hatte sie zur Demut erzogen. Sie sollte dankbar sein für das, was ihr gegeben war, selbstlos an andere und nicht immer nur an sich denken und Beth war wirklich glücklich darüber, dass ihre Ehe schon so lange hielt. Etliche Paare in ihrem Bekanntenkreis waren längst wieder geschieden, obwohl sie weitaus weniger Anfangsschwierigkeiten gehabt hatten als Allen und sie. Beth bemühte sich Tag für Tag um Dankbarkeit für das Glück, mit dem sie gesegnet war. Dass ihr dies nicht immer gelang, bereitete ihr ein schlechtes Gewissen. Im Stillen hoffte sie, dass diese Reise daran etwas ändern würde. In Gedanken vertieft bog sie nach links zu den Toiletten ab und stieß fast mit einer großen Blondine zusammen. »Oh, Entschuldigung«, stammelte Beth. Die jüngere Frau nickte nur knapp und ging eilig weiter. Sie hatte sicher noch nie im Leben einen peinlichen Moment erlebt. Beth war sonst eigentlich auch nicht so ungeschickt, doch im Augenblick schwirrte ihr der Kopf. Die lange unterdrückten Gedanken und der ungewohnte Alkohol hatten sie ziemlich aus der Spur gebracht. Sie trank so gut wie nie, und nach dem Fläschchen Wein während des Flugs war ihr etwas schwindelig. Eine weitere Erinnerung kam ihr in den Sinn: Allen, der sich bei einem Empfang zu Ehren eines neuen Geschäftsführers von Virtu-Tronix über sie lustig machte. Im Vorbeigehen hatte ein Kellner Beth eine Champagnerflöte gereicht, und Allen hatte sich über ihre tief verwurzelte Abneigung gegen alkoholische Getränke amüsiert. Schließlich hatte Beths Vater seine Gemeinde immer zur Enthaltsamkeit angehalten. Jesus hat doch höchstpersönlich Wasser in Wein verwandelt, hatte Allen sie aufgezogen, ein belustigtes Funkeln in den grauen Augen. Das ist doch geradezu eine Aufforderung. Zu Beths Freude hatte Joy die ausdrucksvollen, hell schimmernden Augen von Allen geerbt und nicht das langweilige Braun ihrer Mutter. Aber wann hatte Beth zuletzt dieses Funkeln in Allens Blick gesehen? Würde sie es heute sehen, wenn sie ihn mit der frohen Botschaft überraschte? Vielleicht konnten sie die Neuigkeit hier in Texas feiern, fernab vom Alltag zu Hause in Alpharetta. Die schönsten romantischen Momente hatte sie immer im Urlaub erlebt zwei herrliche Nächte auf Hilton Head, die seine Firma spendiert hatte, die Kreuzfahrt, mit der er sie zum fünfzehnten Hochzeitstag verwöhnt hatte, oder damals, als er erst keine Zeit für gemeinsame Frühjahrsferien in Beths Heimatort gehabt hatte und dann in letzter Minute alle Termine verschieben konnte, um seine Familie zu begleiten.
Nein, sie bereute es nicht, dass sie hergekommen war. Allen hatte zwar berufliche Verpflichtungen, aber er würde sich sicher freuen, sie zu sehen. Sie an seiner Stelle wäre jedenfalls sehr gerührt, wenn er sie so überraschen würde. Vielleicht war diese ganz spontane Reise genau das, was sie brauchten. Dr. Carlotta Frazer brauchte diese Reise, um sich abzulenken und auf andere Gedanken zu kommen. Vor lauter Ungeduld war sie in den zehn Minuten am Flughafen von Houston schon dreimal nur knapp an einer Kollision vorbeigeschrammt. Da sie in der letzten Zeit kaum geschlafen hatte, war es eigentlich erstaunlich, dass sie noch so schnell reagieren konnte. Doch wenn sie so weiterhetzte, würde es noch Verletzte geben. Zudem war ihre Hektik vollkommen sinnlos, denn selbst wenn sie die Gepäckausgabe in Rekordzeit erreichte, wäre ihr Koffer höchstwahrscheinlich noch gar nicht da. Also drosselte sie das Tempo und bemühte sich um die Gelassenheit, für die sie sonst bekannt war. Übermäßige Gefühlsausbrüche waren nicht ihre Art selbst die Beerdigung hatte sie, ohne sich viel anmerken zu lassen, überstanden. »Überleg es dir doch lieber nochmal, ob du wirklich zu dieser Konferenz fahren willst«, hatte Beverley Murrin bei der Trauerfeier gesagt. Hatte in dem Blick der Dekanin hinter der Gleitsichtbrille bei allem Mitgefühl nicht auch etwas Missbilligung gelegen? »Das würde dir niemand übelnehmen.«
Ganz im Gegenteil. Es hätte sicher einen besseren Eindruck gemacht, wenn Carly während der Zeremonie schluchzend zusammengebrochen wäre, die Präsentation bei der Konferenz abgesagt hätte und zu Hause bei ihrer Mutter geblieben wäre, statt Helene in fremder Obhut zu lassen. Dr. Samuel Frazer wäre wohl der Einzige gewesen, der ihre unsentimentale Flucht in die Arbeit voll und ganz verstanden hätte doch über die Gemeinsamkeiten mit ihrem verstorbenen Vater wollte Carly lieber nicht genauer nachdenken. Schon vor langer Zeit hatte sie sich angewöhnt, alle Kommentare über ihre angebliche Ähnlichkeit zu ignorieren. Solche Bemerkungen waren durchaus schmeichelhaft gemeint: Samuel Frazer hatte an der EmoryUniversität Organische Chemie gelehrt und galt gemeinhin als Genie. Carly selbst hatte sich für die Geisteswissenschaften entschieden; seit über sechs Jahren war sie Dozentin für Geschichte am Ramson Neil, einer kleinen, aber prestigeträchtigen Privathochschule in Georgia. Zu Beginn ihrer Tätigkeit hatte sie noch an ihrer Doktorarbeit geschrieben, jetzt lagen einer Festanstellung als Professorin nur noch wenige Formalitäten im Weg und das mit zweiunddreißig Jahren. Damit wäre sie die jüngste Person, die am Ramson Neil je eine Festanstellung bekommen hatte. Auf dieses Ziel hatte sie, wenn auch unbewusst, seit der Highschool hingearbeitet. Statt ihre Energie für Sportveranstaltungen oder den Abschlussball zu vergeuden, hatte sie in weiterführenden Kursen gepaukt, sodass sie nach dem Schulabschluss natürlich als Jahrgangsbeste direkt ins zweite Studienjahr mit dem Hauptfach Frauenforschung einsteigen konnte. Auf den BachelorAbschluss folgten ein Master-Studiengang in Vergleichender Geschichte und schließlich die Promotion. Aus ihrer Doktorarbeit mit dem Titel Weiblicher Einfluss auf die männliche Vorherrschaft in der europäischen Politik von der Renaissance bis zur Aufklärung waren verschiedene Artikel für renommierte Zeitschriften hervorgegangen. Ihr neuestes Buch beschäftigte sich mit der Frage, ob politisch einflussreiche Frauen in den vergangenen Jahrhunderten tatsächlich Vorkämpferinnen für den Feminismus gewesen waren oder ob sie vielmehr ihre männlichen Vorgänger nachgeahmt und somit den Status Quo unterstützt hatten. Diese Erfolge gaben ihr Halt, sie klammerte sich daran wie ein Schlafloser an einen Becher warme Milch. Wie ein Alkoholiker an die Whiskyflasche, kommentierte ihr Unterbewusstsein zynisch. Carly verdrängte den Gedanken; ihre beruflichen Leistungen waren schließlich keine selbstzerstörerische Sucht. Sondern ... eine Bestätigung. Du bist einfach dämlich, hatte er gebrüllt und der Viertklässlerin den Sachkundetest unter die Nase gehalten, als sei die Drei ein unverzeihliches Kriegsverbrechen. Genau wie die verzogene Debütantin, die dich zur Welt gebracht hat! Carly erschauderte und blieb abrupt stehen, ohne sich um die Unmutsbekundungen der Fußgänger hinter sich zu scheren. Sie hatte doch mit eigenen Augen gesehen, wie man den Sarg mit ihrem Vater ins Grab gesenkt hatte. Wieso fühlte sie sich trotzdem so, als sei der furchteinflößende Mann von beeindruckender Größe nicht wirklich tot? Andererseits stand sie gerade unmittelbar vor einem großen akademischen Erfolg, und es sah Samuel wirklich ähnlich, dass er lieber starb als zugab, dass er sich in ihr geirrt hatte. Welche Ironie des Schicksals, dass ihr Vater ausgerechnet am Steuer eines Wagens ums Leben gekommen war! Als er ihr das Autofahren beibrachte, hatte er sie bei der kleinsten Unaufmerksamkeit immer sofort angeschnauzt. Nun hatte er selbst eine rote Ampel überfahren, weil er sich zu seiner Frau auf der Rückbank umgedreht hatte. Die Familie in dem am Unfall beteiligten Minivan war mit kleineren, wenn auch schmerzhaften Prellungen davongekommen. Weil der Beifahrersitz umgeklappt war, um Platz für einen Mahagonischreibtisch zu schaffen, hatte Helene Frazer den Unfall im Fonds überlebt und sich lediglich eine Gehirnerschütterung und eine schwere Bänderverletzung im rechten Bein zugezogen. Der Seitenbandriss hatte zwar nicht operiert werden müssen, Carlys Mutter würde jedoch eine umfangreiche Physiotherapie benötigen, die angesichts ihres Alters und ihrer emotionalen Verfassung mehrere Wochen oder gar Monate dauern konnte. Samuel war nur gestorben, weil er den Kopf nach hinten gewandt hatte; bei dem Aufprall war sein Genick gebrochen. Er ist tot. Carly versuchte, die Worte in Gedanken auszusprechen. Was würde sie dabei empfinden? Vielleicht sogar Erleichterung? Der Empfehlungsbericht der Kommission, die ihre Festanstellung am Ramson Neil prüfte, beschäftigte sie weitaus mehr als der Verlust ihres Vaters. Man hatte ihr eine Kopie dieses Berichts zukommen lassen. Namen wurden nicht genannt, doch zwei der Kommissionsmitglieder beurteilten sie als »geeignet«, während die dritte Person »Vorbehalte« hatte. Sie war weit mehr als nur »geeignet«. Sie war schließlich Carlotta Frazer, verdammt nochmal, und die Missbilligungen, die ihr Vater ihr als wehrloses Kind an den Kopf geworfen hatte, waren allesamt falsch gewesen. Wenn der Kanzler und das Kuratorium ihr nun die Festanstellung an einer der besten Privathochschulen im Südosten gewährten, dann hatte sie den endgültigen Beweis; Samuel Frazer war nämlich erst mit sechsunddreißig Professor geworden. Immerhin sprach der Kommissionsbericht zwei zu eins für sie, und Carlys eindrucksvolle Laufbahn und ihre Veröffentlichungen waren der Dekanin bestens bekannt. Langsam entspannte sie sich. Sie würde wie geplant an der Internationalen Konferenz zum feministischen Historismus teilnehmen und dort über die Schriftstellerin Christine de Pizan aus dem 14. Jahrhundert sprechen. Dann würde sie nach Hause zurückkehren, für Helenes physiotherapeutische Behandlung sorgen und sich wieder in die Arbeit stürzen. Sie würde Sommerkurse unterrichten, den Entwurf zu ihrem Buch ausarbeiten und weitere Quellen sichten alles war genau geplant. Irgendwann musst du aber auch mal schlafen, meldete sich spöttisch ihre innere Stimme zu Wort. Sofort wurden ihre Schritte länger, als wollte sie den Albträumen entkommen, die wie hungrige Geier auf sie lauerten.
Sie eilte über zwei Rolltreppen, ohne jemanden über den Haufen zu rennen, und erreichte schließlich die Gepäckausgabe. Ihr dunkelblauer Koffer purzelte als eines der ersten Stücke vom Transportband, und Carly war sich sicher, dass sie ihn durch bloße Willenskraft herbeigezaubert hatte. Mit ihrem Gepäck stürmte sie hinaus, wo ihr Glück weiter anhielt und sie sofort ein Taxi erwischte. Im Taxi dann drohte sie die Müdigkeit zu übermannen. Das stetige Rauschen des Windes (natürlich funktionierte die Klimaanlage trotz der dreißig Grad Außentemperatur nicht) lullte sie ein. Wie verlockend schien es, die müden Augen zu schließen; aber es kam auf keinen Fall infrage, in einem fremden Taxi einzuschlafen oder ganz benommen und orientierungslos im Konferenzhotel anzukommen. Carly fiel wieder ein, dass sie versprochen hatte, Helene nach ihrer Ankunft anzurufen. Mit dem Handy wählte sie ihre eigene Nummer, und Daniel Cross hob so prompt ab, als würde er noch immer dort wohnen. »Hier bei Frazer.« Die vertraute Stimme ihres Exmannes versetzte Carly einen heftigen Stich. »Das klingt ja richtig professionell«, entgegnete sie nach einem fast unmerklichen Zögern. »Du würdest eine erstklassige Empfangsdame abgeben.« »Carly. Du bist also in Houston angekommen.« »Gerade eben. Der Flug hatte etwas Verspätung.« Vor ihr erhob sich die Skyline wie eine Oase aus einer Betonwüste. »Ich wollte mich nur vergewissern, dass Helene sich keine Sorgen macht.«
»Sie schläft gerade. Ich kann sie wecken, wenn du möchtest«, bot er etwas zögerlich an. »Nein, sie kann etwas Ruhe gut gebrauchen.« Carly wusste, dass es Helene in Daniels fürsorglicher Obhut weit besser ging als bei ihrer eigenen Tochter. Auch wenn Helene nie offen darüber sprach in ihrer eigenen langen Ehe hatte sie sich angewöhnt, ihre Meinung für sich zu behalten , mochte sie ihren ehemaligen Schwiegersohn sehr und ließ Carly deutlich spüren, wie enttäuscht sie wegen der Scheidung war. Carlys Schwiegereltern dagegen hatten wahrscheinlich einen Freudentanz aufgeführt. Sie waren nie richtig warm mit ihr geworden. Bereits am Verlobungsabend hatte Carly unfreiwillig mit anhören müssen, wie Mrs Cross sie als »kalten Fisch« bezeichnete. Bei der Scheidung hatte Daniel ihr das Haus überlassen, und sie war Familie Cross ein für alle Mal los. Jeder Anwalt hätte ihr zu diesem Geschäft gratuliert. Carly schämte sich ein wenig für diesen schäbigen Gedanken, denn schließlich hatte Daniel ihr selbstlos die Teilnahme an dieser Konferenz ermöglicht. Sie sollte ihm wirklich dankbar sein. »Bei euch ist also alles in Ordnung?« »Ich glaube, sie steht noch unter Schock, aber wir kommen zurecht. Die Nachbarn haben für uns gekocht, wir sind also nicht auf meine Kochkünste angewiesen. Vielleicht kannst du später nochmal anrufen, das würde sie bestimmt freuen. Ansonsten wünsche ich dir eine gute Reise.« »Nachdem du mir das letzte Mal eine gute Reise gewünscht hast, hast du dir hinter meinem Rücken einen Anwalt genommen.« Mist. So viel zum Thema Dankbarkeit. »Carly.« Daniel hatte den schrecklich mitfühlenden Tonfall angeschlagen, den sie so verabscheute. »Ich ...« »Bitte entschuldige.« Auf sein Mitleid konnte sie verzichten. Darum war sie auch allen Gesprächen ausgewichen, die er nach der Trennung mit ihr hatte führen wollen. »Das war fies von mir. Zu meiner Entschuldigung kann ich nur sagen, dass ich wenig geschlafen habe und mit den Gedanken ganz woanders bin.« »Ich richte Helene aus, dass du angerufen hast.« »Danke. Tschüss, Daniel.« Sie klappte das Telefon zu und dachte zurück an die Studienreise, die sie vor anderthalb Jahren nach Europa geführt hatte. Daniel hatte sie zum Flughafen gebracht. Ihre Beziehung hatte damals in einer schwierigen Phase gesteckt das war selbst ihr klar gewesen, obwohl sie bis über beide Ohren in ihrer Forschungsarbeit gesteckt hatte. Doch als er ihr eine gute Reise gewünscht hatte, war der Kuss so gewesen wie immer. Ihr Kuss. Der Kuss, mit dem er sie bei ihrem ersten gemeinsamen Abend überrascht hatte, der Kuss, der den Heiratsantrag besiegelte. Sie hatte niemals ernsthaft geglaubt ... Ja, die Ehe war gescheitert, aber es war Daniel, der sie verlassen hatte. Ihr zuverlässiger, mitfühlender Mann hatte sich als Drückeberger entpuppt. Aber sie war Dr. Carly Frazer, und sie war ein Siegertyp.
Beth wippte ungeduldig auf den Zehen und hielt auf dem Gepäckförderband nach Allens blauem Koffer Ausschau. Joy und Peter wollten das Wochenende bei seiner Familie verbringen und hatten Beth erlaubt, Allen von dem Baby zu berichten. Nach ihrem Entschluss, dies persönlich zu tun, hatte sie das Gepäckset herausgesucht, mit dem ihn die Firma einst für rekordverdächtige Verkaufszahlen belohnt hatte. Zu Beginn ihrer Ehe waren sie nur dank eines großzügigen Darlehens von Allens Eltern über die Runden gekommen, doch mittlerweile verdiente er sehr ordentlich. Seit vielen Jahren war er bei VirtuTronix beschäftigt, wo man ihn vor kurzem zum Vertriebsleiter befördert hatte. Sicher hatte er eine anstrengende Woche hier bei der Messe, auf der SoftwareAnbieter wie seine Firma potenzielle Kunden umwarben. Ich werde ihn auf keinen Fall bei der Arbeit stören. Nein, sie würde ihn im Hotel überraschen. In fremder Umgebung war es sicher leichter, das alte Feuer neu zu entfachen. Wenn sie nicht ständig an ihre alltäglichen Pflichten als Ehefrau, Mutter und Herausgeberin des Kirchenblättchens erinnert wurde, war Beth immer ein bisschen abenteuerlustiger. Während der Karibik-Kreuzfahrt hatte sie ihren Mann eines Abends regelrecht verführt das war er von ihr sonst wirklich nicht gewöhnt. Mit der Sinnlichkeit hatte Beth so ihre Schwierigkeiten. Schon ihr Vater hatte in seinen Predigten stets vor den Versuchungen des Fleisches gewarnt. Und als sie dann mit neunzehn Jahren auf dem College trotz aller Warnungen doch Allens Charme erlegen war, hatte das natürlich prompt die prophezeiten Folgen gehabt. Sie würde wohl nie vergessen, wie außer sich vor Zorn Allen gewesen war, als sie ihm von der Schwangerschaft erzählte. Er hatte wahrlich andere Pläne gehabt, als wenige Monate vor dem College-Abschluss zu heiraten. Dennoch war er ein vorbildlicher Ehemann und Vater geworden, der seine Tochter über alles liebte. Wenn er nicht beruflich unterwegs war, spielte er gern mit Freunden Poker, leistete Beth bei der Gartenarbeit Gesellschaft und konnte seinen väterlichen Stolz nicht verbergen, sobald Joy das Zimmer betrat. An diesem Wochenende wollte Beth etwas von dem nachholen, was sie damals versäumt hatten. Ihre eigene Schwangerschaft hatte sie nicht genießen können, doch jetzt wollte sie sich gemeinsam mit Allen auf den Familienzuwachs freuen und stolz auf ihre Tochter sein. Da ist er ja! Beth murmelte eine Entschuldigung und drängte sich lächelnd an zwei Leuten vorbei zu ihrem Koffer. Einer der Männer lächelte zurück und hob das Gepäck für sie vom Band. »Bitte sehr, Miss.« »Vielen Dank.« Ihr Gesicht erhellte sich noch mehr. Wie würde Allen wohl auf die fliederfarbenen Seidendessous in diesem Koffer reagieren? Vor dem Flughafen warteten Taxis in einer langen Reihe. Beth fischte einen Zettel aus der Tasche. Für gewöhnlich rief sie Allen zwar nicht im Hotel, sondern auf dem Handy an, doch seit Joys Kindertagen bestand sie darauf, für Notfälle immer seinen genauen Aufenthaltsort zu kennen. Der Taxifahrer nickte mehrmals bestätigend, als Beth ihm die Adresse vorlas.
Ihr Herz klopfte heftig. Jetzt wurde es ernst! Beth strich ihren Rock glatt; so jung und hübsch hatte sie sich seit Jahren nicht mehr gefühlt. Der Rock hatte zwar einen Stretchbund schließlich war sie nicht mehr neunzehn! , doch das bunte, feminine Muster stand ihr gut und erinnerte sie an die impressionistischen Bilder, deren weiche Konturen sie im High Museum so bewundert hatte. In ihrem Überschwang bedachte sie den Taxifahrer mit einem großzügigen Trinkgeld und betrat dann samt Koffer das Hotel. Dort erwartete sie kein prachtvolles Foyer, sondern eine Atmosphäre wie in einer Bankfiliale: Die Kunden warten in einer Reihe zwischen Absperrpfosten und gelegentlich ertönt die Frage »Wer ist der Nächste?«. Guten Tag, ich möchte gerne in meine Zukunft investieren. Doch Beth war heute so gut aufgelegt, dass nichts ihre Laune trüben konnte. »Guten Tag.« Ein Hotelmitarbeiter im grünen Jackett begrüßte sie. »Haben Sie bei uns reserviert?« »Nicht direkt. Mein Mann hat eine Reservierung.« »Dann finde ich Ihr Zimmer also unter seinem Namen?« Der junge Mann wirkte sichtlich verwirrt. Er erinnerte Beth an den Cockerspaniel, der ihnen zugelaufen war und den Joy unbedingt behalten wollte, bis sich die Besitzer bei ihnen meldeten. »Mein Mann ist schon Anfang der Woche angereist. Ich brauche nur einen Schlüssel, denn ich möchte ihn überraschen. Er heißt Allen Overton«, sagte sie. »O-v-e-rt-o-n.«
Der Mann gab den Namen in den Computer ein. »Ah, ja. Er ist vor ein paar Tagen angekommen. Aber in seiner Reservierung ist kein zweiter Gast aufgeführt.« »Es soll ja auch eine Überraschung sein«, erklärte sie fröhlich. Der Hotelangestellte musterte sie misstrauisch. »Es tut mir leid, aber ich darf keine Hotelschlüssel an irgendjemanden ausgeben, der unangemeldet und ohne Reservierung auftaucht.« »Ich bin nicht irgendjemand, ich bin seine Ehefrau!« Beth zog ihren Ausweis hervor. »Hier, Elisabeth Overton.« Er verzog das Gesicht. »Nehmen Sie es mir nicht übel, aber die Tatsache, dass Sie den gleichen Nachnamen haben, beweist doch gar nichts. Die Privatsphäre unserer Gäste ist uns sehr wichtig. Wer sagt mir denn, dass Sie keine verrückte Ex sind, die sich irgendwie rächen will?« So eine lächerliche Unterstellung war ihr wirklich noch nie zu Ohren gekommen. »Sehe ich etwa verrückt aus?« »Ich rufe jetzt mal in seinem Zimmer an, dann können Sie selbst mit ihm sprechen.« Er griff nach dem dunkelgrünen Haustelefon. Du ruinierst meinen ganzen Plan. Mit vorwurfsvoller Miene nahm sie den Hörer entgegen. Es klingelte ein paar Mal, dann verkündete eine Stimme vom Band, der gewünschte Hotelgast sei im Augenblick nicht im Zimmer. Und jetzt? »Können Sie mir sagen, wo hier die DDS-Messe stattfindet?« fragte sie.
»DDS sind das die Zahnärzte?« »Nein, das ist eine Software-Veranstaltung.« »Also, bei uns im Haus jedenfalls nicht.« Er konsultierte wieder den Computer und schüttelte dann bestimmt den Kopf. »Nein.« Sie hatte gehofft, die Veranstaltung sei direkt im Hotel, aber manchmal musste die Firma aus Platzgründen auf andere Räumlichkeiten ausweichen. Und hin und wieder wurden die Mitarbeiter nicht in den teuren Messehotels, sondern in günstigeren Quartieren untergebracht. Dieses Haus sah in der Tat ziemlich nach Sparkurs aus. »Könnte ich bitte mit Ihrem Vorgesetzten sprechen?«, bat Beth. Sie wollte keine Schwierigkeiten machen, aber irgendjemand musste ihr doch weiterhelfen können. Es war zwar erst früher Nachmittag, aber sie hatte schon einen langen Tag hinter sich. Jedenfalls hatte sie nicht die Absicht, mehrere Stunden in der Lobby herumzusitzen und an ihren Plänen zu zweifeln. »Ähm, der ist noch beim Mittagessen. Aber da drüben hinter den Aufzügen haben wir ein nettes Restaurant. Vielleicht möchten Sie dort warten.« »Gut. Danke.« Ein kleiner Imbiss würde ihr gut tun. Bis auf eine Minipackung Brezeln während des Flugs hatte sie noch nichts gegessen, und normalerweise legte sie Wert auf regelmäßige Malzeiten. Also begab sich Beth mit ihrem Koffer in Richtung Restaurant. Nachdem sie eine Weile vergeblich darauf gewartet hatte, dass ihr jemand einen Platz zuwies, betrat sie zögernd den Speisesaal und sah sich nach einer Bedienung um. Plötzlich blieb ihr Blick hängen. Er fiel auf einen ihr wohlbekannten blonden Haarschopf mit Silbersträhnen. Allen! Was für ein glücklicher Zufall! Er saß mit dem Rücken zu ihr über den kleinen Tisch gebeugt, in eine angeregte Diskussion mit einer aparten Rothaarigen vertieft. Vielleicht eine Kollegin von VirtuTronix? Doch Beth kannte die Frau weder von der letzten Weihnachtsfeier noch von Betriebsausflügen. Als sie näher herankam, bemerkte sie, dass Allen und die Unbekannte heftig stritten. Beths Begrüßung fiel reichlich unsicher aus. »Allen?« Er wirbelte herum. »Elisabeth!« Die Farbe wich ihm aus dem Gesicht. Sofort fuhr sein Blick zu der Rothaarigen, dann zurück zu seiner Frau. Dann war die kurze Verunsicherung vorüber, und seine Miene wurde zornig. »Was zum Teufel machst du denn hier?«
Vollständige deutsche Taschenbuchausgabe 03/2010
Copyright © by Tanya Michna
Copyright © 2010 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München in
der Verlagsgruppe Random House GmbH Printed in Germany
Übersetzung: Annika Tschöpe
Nein, sie bereute es nicht, dass sie hergekommen war. Allen hatte zwar berufliche Verpflichtungen, aber er würde sich sicher freuen, sie zu sehen. Sie an seiner Stelle wäre jedenfalls sehr gerührt, wenn er sie so überraschen würde. Vielleicht war diese ganz spontane Reise genau das, was sie brauchten. Dr. Carlotta Frazer brauchte diese Reise, um sich abzulenken und auf andere Gedanken zu kommen. Vor lauter Ungeduld war sie in den zehn Minuten am Flughafen von Houston schon dreimal nur knapp an einer Kollision vorbeigeschrammt. Da sie in der letzten Zeit kaum geschlafen hatte, war es eigentlich erstaunlich, dass sie noch so schnell reagieren konnte. Doch wenn sie so weiterhetzte, würde es noch Verletzte geben. Zudem war ihre Hektik vollkommen sinnlos, denn selbst wenn sie die Gepäckausgabe in Rekordzeit erreichte, wäre ihr Koffer höchstwahrscheinlich noch gar nicht da. Also drosselte sie das Tempo und bemühte sich um die Gelassenheit, für die sie sonst bekannt war. Übermäßige Gefühlsausbrüche waren nicht ihre Art selbst die Beerdigung hatte sie, ohne sich viel anmerken zu lassen, überstanden. »Überleg es dir doch lieber nochmal, ob du wirklich zu dieser Konferenz fahren willst«, hatte Beverley Murrin bei der Trauerfeier gesagt. Hatte in dem Blick der Dekanin hinter der Gleitsichtbrille bei allem Mitgefühl nicht auch etwas Missbilligung gelegen? »Das würde dir niemand übelnehmen.«
Ganz im Gegenteil. Es hätte sicher einen besseren Eindruck gemacht, wenn Carly während der Zeremonie schluchzend zusammengebrochen wäre, die Präsentation bei der Konferenz abgesagt hätte und zu Hause bei ihrer Mutter geblieben wäre, statt Helene in fremder Obhut zu lassen. Dr. Samuel Frazer wäre wohl der Einzige gewesen, der ihre unsentimentale Flucht in die Arbeit voll und ganz verstanden hätte doch über die Gemeinsamkeiten mit ihrem verstorbenen Vater wollte Carly lieber nicht genauer nachdenken. Schon vor langer Zeit hatte sie sich angewöhnt, alle Kommentare über ihre angebliche Ähnlichkeit zu ignorieren. Solche Bemerkungen waren durchaus schmeichelhaft gemeint: Samuel Frazer hatte an der EmoryUniversität Organische Chemie gelehrt und galt gemeinhin als Genie. Carly selbst hatte sich für die Geisteswissenschaften entschieden; seit über sechs Jahren war sie Dozentin für Geschichte am Ramson Neil, einer kleinen, aber prestigeträchtigen Privathochschule in Georgia. Zu Beginn ihrer Tätigkeit hatte sie noch an ihrer Doktorarbeit geschrieben, jetzt lagen einer Festanstellung als Professorin nur noch wenige Formalitäten im Weg und das mit zweiunddreißig Jahren. Damit wäre sie die jüngste Person, die am Ramson Neil je eine Festanstellung bekommen hatte. Auf dieses Ziel hatte sie, wenn auch unbewusst, seit der Highschool hingearbeitet. Statt ihre Energie für Sportveranstaltungen oder den Abschlussball zu vergeuden, hatte sie in weiterführenden Kursen gepaukt, sodass sie nach dem Schulabschluss natürlich als Jahrgangsbeste direkt ins zweite Studienjahr mit dem Hauptfach Frauenforschung einsteigen konnte. Auf den BachelorAbschluss folgten ein Master-Studiengang in Vergleichender Geschichte und schließlich die Promotion. Aus ihrer Doktorarbeit mit dem Titel Weiblicher Einfluss auf die männliche Vorherrschaft in der europäischen Politik von der Renaissance bis zur Aufklärung waren verschiedene Artikel für renommierte Zeitschriften hervorgegangen. Ihr neuestes Buch beschäftigte sich mit der Frage, ob politisch einflussreiche Frauen in den vergangenen Jahrhunderten tatsächlich Vorkämpferinnen für den Feminismus gewesen waren oder ob sie vielmehr ihre männlichen Vorgänger nachgeahmt und somit den Status Quo unterstützt hatten. Diese Erfolge gaben ihr Halt, sie klammerte sich daran wie ein Schlafloser an einen Becher warme Milch. Wie ein Alkoholiker an die Whiskyflasche, kommentierte ihr Unterbewusstsein zynisch. Carly verdrängte den Gedanken; ihre beruflichen Leistungen waren schließlich keine selbstzerstörerische Sucht. Sondern ... eine Bestätigung. Du bist einfach dämlich, hatte er gebrüllt und der Viertklässlerin den Sachkundetest unter die Nase gehalten, als sei die Drei ein unverzeihliches Kriegsverbrechen. Genau wie die verzogene Debütantin, die dich zur Welt gebracht hat! Carly erschauderte und blieb abrupt stehen, ohne sich um die Unmutsbekundungen der Fußgänger hinter sich zu scheren. Sie hatte doch mit eigenen Augen gesehen, wie man den Sarg mit ihrem Vater ins Grab gesenkt hatte. Wieso fühlte sie sich trotzdem so, als sei der furchteinflößende Mann von beeindruckender Größe nicht wirklich tot? Andererseits stand sie gerade unmittelbar vor einem großen akademischen Erfolg, und es sah Samuel wirklich ähnlich, dass er lieber starb als zugab, dass er sich in ihr geirrt hatte. Welche Ironie des Schicksals, dass ihr Vater ausgerechnet am Steuer eines Wagens ums Leben gekommen war! Als er ihr das Autofahren beibrachte, hatte er sie bei der kleinsten Unaufmerksamkeit immer sofort angeschnauzt. Nun hatte er selbst eine rote Ampel überfahren, weil er sich zu seiner Frau auf der Rückbank umgedreht hatte. Die Familie in dem am Unfall beteiligten Minivan war mit kleineren, wenn auch schmerzhaften Prellungen davongekommen. Weil der Beifahrersitz umgeklappt war, um Platz für einen Mahagonischreibtisch zu schaffen, hatte Helene Frazer den Unfall im Fonds überlebt und sich lediglich eine Gehirnerschütterung und eine schwere Bänderverletzung im rechten Bein zugezogen. Der Seitenbandriss hatte zwar nicht operiert werden müssen, Carlys Mutter würde jedoch eine umfangreiche Physiotherapie benötigen, die angesichts ihres Alters und ihrer emotionalen Verfassung mehrere Wochen oder gar Monate dauern konnte. Samuel war nur gestorben, weil er den Kopf nach hinten gewandt hatte; bei dem Aufprall war sein Genick gebrochen. Er ist tot. Carly versuchte, die Worte in Gedanken auszusprechen. Was würde sie dabei empfinden? Vielleicht sogar Erleichterung? Der Empfehlungsbericht der Kommission, die ihre Festanstellung am Ramson Neil prüfte, beschäftigte sie weitaus mehr als der Verlust ihres Vaters. Man hatte ihr eine Kopie dieses Berichts zukommen lassen. Namen wurden nicht genannt, doch zwei der Kommissionsmitglieder beurteilten sie als »geeignet«, während die dritte Person »Vorbehalte« hatte. Sie war weit mehr als nur »geeignet«. Sie war schließlich Carlotta Frazer, verdammt nochmal, und die Missbilligungen, die ihr Vater ihr als wehrloses Kind an den Kopf geworfen hatte, waren allesamt falsch gewesen. Wenn der Kanzler und das Kuratorium ihr nun die Festanstellung an einer der besten Privathochschulen im Südosten gewährten, dann hatte sie den endgültigen Beweis; Samuel Frazer war nämlich erst mit sechsunddreißig Professor geworden. Immerhin sprach der Kommissionsbericht zwei zu eins für sie, und Carlys eindrucksvolle Laufbahn und ihre Veröffentlichungen waren der Dekanin bestens bekannt. Langsam entspannte sie sich. Sie würde wie geplant an der Internationalen Konferenz zum feministischen Historismus teilnehmen und dort über die Schriftstellerin Christine de Pizan aus dem 14. Jahrhundert sprechen. Dann würde sie nach Hause zurückkehren, für Helenes physiotherapeutische Behandlung sorgen und sich wieder in die Arbeit stürzen. Sie würde Sommerkurse unterrichten, den Entwurf zu ihrem Buch ausarbeiten und weitere Quellen sichten alles war genau geplant. Irgendwann musst du aber auch mal schlafen, meldete sich spöttisch ihre innere Stimme zu Wort. Sofort wurden ihre Schritte länger, als wollte sie den Albträumen entkommen, die wie hungrige Geier auf sie lauerten.
Sie eilte über zwei Rolltreppen, ohne jemanden über den Haufen zu rennen, und erreichte schließlich die Gepäckausgabe. Ihr dunkelblauer Koffer purzelte als eines der ersten Stücke vom Transportband, und Carly war sich sicher, dass sie ihn durch bloße Willenskraft herbeigezaubert hatte. Mit ihrem Gepäck stürmte sie hinaus, wo ihr Glück weiter anhielt und sie sofort ein Taxi erwischte. Im Taxi dann drohte sie die Müdigkeit zu übermannen. Das stetige Rauschen des Windes (natürlich funktionierte die Klimaanlage trotz der dreißig Grad Außentemperatur nicht) lullte sie ein. Wie verlockend schien es, die müden Augen zu schließen; aber es kam auf keinen Fall infrage, in einem fremden Taxi einzuschlafen oder ganz benommen und orientierungslos im Konferenzhotel anzukommen. Carly fiel wieder ein, dass sie versprochen hatte, Helene nach ihrer Ankunft anzurufen. Mit dem Handy wählte sie ihre eigene Nummer, und Daniel Cross hob so prompt ab, als würde er noch immer dort wohnen. »Hier bei Frazer.« Die vertraute Stimme ihres Exmannes versetzte Carly einen heftigen Stich. »Das klingt ja richtig professionell«, entgegnete sie nach einem fast unmerklichen Zögern. »Du würdest eine erstklassige Empfangsdame abgeben.« »Carly. Du bist also in Houston angekommen.« »Gerade eben. Der Flug hatte etwas Verspätung.« Vor ihr erhob sich die Skyline wie eine Oase aus einer Betonwüste. »Ich wollte mich nur vergewissern, dass Helene sich keine Sorgen macht.«
»Sie schläft gerade. Ich kann sie wecken, wenn du möchtest«, bot er etwas zögerlich an. »Nein, sie kann etwas Ruhe gut gebrauchen.« Carly wusste, dass es Helene in Daniels fürsorglicher Obhut weit besser ging als bei ihrer eigenen Tochter. Auch wenn Helene nie offen darüber sprach in ihrer eigenen langen Ehe hatte sie sich angewöhnt, ihre Meinung für sich zu behalten , mochte sie ihren ehemaligen Schwiegersohn sehr und ließ Carly deutlich spüren, wie enttäuscht sie wegen der Scheidung war. Carlys Schwiegereltern dagegen hatten wahrscheinlich einen Freudentanz aufgeführt. Sie waren nie richtig warm mit ihr geworden. Bereits am Verlobungsabend hatte Carly unfreiwillig mit anhören müssen, wie Mrs Cross sie als »kalten Fisch« bezeichnete. Bei der Scheidung hatte Daniel ihr das Haus überlassen, und sie war Familie Cross ein für alle Mal los. Jeder Anwalt hätte ihr zu diesem Geschäft gratuliert. Carly schämte sich ein wenig für diesen schäbigen Gedanken, denn schließlich hatte Daniel ihr selbstlos die Teilnahme an dieser Konferenz ermöglicht. Sie sollte ihm wirklich dankbar sein. »Bei euch ist also alles in Ordnung?« »Ich glaube, sie steht noch unter Schock, aber wir kommen zurecht. Die Nachbarn haben für uns gekocht, wir sind also nicht auf meine Kochkünste angewiesen. Vielleicht kannst du später nochmal anrufen, das würde sie bestimmt freuen. Ansonsten wünsche ich dir eine gute Reise.« »Nachdem du mir das letzte Mal eine gute Reise gewünscht hast, hast du dir hinter meinem Rücken einen Anwalt genommen.« Mist. So viel zum Thema Dankbarkeit. »Carly.« Daniel hatte den schrecklich mitfühlenden Tonfall angeschlagen, den sie so verabscheute. »Ich ...« »Bitte entschuldige.« Auf sein Mitleid konnte sie verzichten. Darum war sie auch allen Gesprächen ausgewichen, die er nach der Trennung mit ihr hatte führen wollen. »Das war fies von mir. Zu meiner Entschuldigung kann ich nur sagen, dass ich wenig geschlafen habe und mit den Gedanken ganz woanders bin.« »Ich richte Helene aus, dass du angerufen hast.« »Danke. Tschüss, Daniel.« Sie klappte das Telefon zu und dachte zurück an die Studienreise, die sie vor anderthalb Jahren nach Europa geführt hatte. Daniel hatte sie zum Flughafen gebracht. Ihre Beziehung hatte damals in einer schwierigen Phase gesteckt das war selbst ihr klar gewesen, obwohl sie bis über beide Ohren in ihrer Forschungsarbeit gesteckt hatte. Doch als er ihr eine gute Reise gewünscht hatte, war der Kuss so gewesen wie immer. Ihr Kuss. Der Kuss, mit dem er sie bei ihrem ersten gemeinsamen Abend überrascht hatte, der Kuss, der den Heiratsantrag besiegelte. Sie hatte niemals ernsthaft geglaubt ... Ja, die Ehe war gescheitert, aber es war Daniel, der sie verlassen hatte. Ihr zuverlässiger, mitfühlender Mann hatte sich als Drückeberger entpuppt. Aber sie war Dr. Carly Frazer, und sie war ein Siegertyp.
Beth wippte ungeduldig auf den Zehen und hielt auf dem Gepäckförderband nach Allens blauem Koffer Ausschau. Joy und Peter wollten das Wochenende bei seiner Familie verbringen und hatten Beth erlaubt, Allen von dem Baby zu berichten. Nach ihrem Entschluss, dies persönlich zu tun, hatte sie das Gepäckset herausgesucht, mit dem ihn die Firma einst für rekordverdächtige Verkaufszahlen belohnt hatte. Zu Beginn ihrer Ehe waren sie nur dank eines großzügigen Darlehens von Allens Eltern über die Runden gekommen, doch mittlerweile verdiente er sehr ordentlich. Seit vielen Jahren war er bei VirtuTronix beschäftigt, wo man ihn vor kurzem zum Vertriebsleiter befördert hatte. Sicher hatte er eine anstrengende Woche hier bei der Messe, auf der SoftwareAnbieter wie seine Firma potenzielle Kunden umwarben. Ich werde ihn auf keinen Fall bei der Arbeit stören. Nein, sie würde ihn im Hotel überraschen. In fremder Umgebung war es sicher leichter, das alte Feuer neu zu entfachen. Wenn sie nicht ständig an ihre alltäglichen Pflichten als Ehefrau, Mutter und Herausgeberin des Kirchenblättchens erinnert wurde, war Beth immer ein bisschen abenteuerlustiger. Während der Karibik-Kreuzfahrt hatte sie ihren Mann eines Abends regelrecht verführt das war er von ihr sonst wirklich nicht gewöhnt. Mit der Sinnlichkeit hatte Beth so ihre Schwierigkeiten. Schon ihr Vater hatte in seinen Predigten stets vor den Versuchungen des Fleisches gewarnt. Und als sie dann mit neunzehn Jahren auf dem College trotz aller Warnungen doch Allens Charme erlegen war, hatte das natürlich prompt die prophezeiten Folgen gehabt. Sie würde wohl nie vergessen, wie außer sich vor Zorn Allen gewesen war, als sie ihm von der Schwangerschaft erzählte. Er hatte wahrlich andere Pläne gehabt, als wenige Monate vor dem College-Abschluss zu heiraten. Dennoch war er ein vorbildlicher Ehemann und Vater geworden, der seine Tochter über alles liebte. Wenn er nicht beruflich unterwegs war, spielte er gern mit Freunden Poker, leistete Beth bei der Gartenarbeit Gesellschaft und konnte seinen väterlichen Stolz nicht verbergen, sobald Joy das Zimmer betrat. An diesem Wochenende wollte Beth etwas von dem nachholen, was sie damals versäumt hatten. Ihre eigene Schwangerschaft hatte sie nicht genießen können, doch jetzt wollte sie sich gemeinsam mit Allen auf den Familienzuwachs freuen und stolz auf ihre Tochter sein. Da ist er ja! Beth murmelte eine Entschuldigung und drängte sich lächelnd an zwei Leuten vorbei zu ihrem Koffer. Einer der Männer lächelte zurück und hob das Gepäck für sie vom Band. »Bitte sehr, Miss.« »Vielen Dank.« Ihr Gesicht erhellte sich noch mehr. Wie würde Allen wohl auf die fliederfarbenen Seidendessous in diesem Koffer reagieren? Vor dem Flughafen warteten Taxis in einer langen Reihe. Beth fischte einen Zettel aus der Tasche. Für gewöhnlich rief sie Allen zwar nicht im Hotel, sondern auf dem Handy an, doch seit Joys Kindertagen bestand sie darauf, für Notfälle immer seinen genauen Aufenthaltsort zu kennen. Der Taxifahrer nickte mehrmals bestätigend, als Beth ihm die Adresse vorlas.
Ihr Herz klopfte heftig. Jetzt wurde es ernst! Beth strich ihren Rock glatt; so jung und hübsch hatte sie sich seit Jahren nicht mehr gefühlt. Der Rock hatte zwar einen Stretchbund schließlich war sie nicht mehr neunzehn! , doch das bunte, feminine Muster stand ihr gut und erinnerte sie an die impressionistischen Bilder, deren weiche Konturen sie im High Museum so bewundert hatte. In ihrem Überschwang bedachte sie den Taxifahrer mit einem großzügigen Trinkgeld und betrat dann samt Koffer das Hotel. Dort erwartete sie kein prachtvolles Foyer, sondern eine Atmosphäre wie in einer Bankfiliale: Die Kunden warten in einer Reihe zwischen Absperrpfosten und gelegentlich ertönt die Frage »Wer ist der Nächste?«. Guten Tag, ich möchte gerne in meine Zukunft investieren. Doch Beth war heute so gut aufgelegt, dass nichts ihre Laune trüben konnte. »Guten Tag.« Ein Hotelmitarbeiter im grünen Jackett begrüßte sie. »Haben Sie bei uns reserviert?« »Nicht direkt. Mein Mann hat eine Reservierung.« »Dann finde ich Ihr Zimmer also unter seinem Namen?« Der junge Mann wirkte sichtlich verwirrt. Er erinnerte Beth an den Cockerspaniel, der ihnen zugelaufen war und den Joy unbedingt behalten wollte, bis sich die Besitzer bei ihnen meldeten. »Mein Mann ist schon Anfang der Woche angereist. Ich brauche nur einen Schlüssel, denn ich möchte ihn überraschen. Er heißt Allen Overton«, sagte sie. »O-v-e-rt-o-n.«
Der Mann gab den Namen in den Computer ein. »Ah, ja. Er ist vor ein paar Tagen angekommen. Aber in seiner Reservierung ist kein zweiter Gast aufgeführt.« »Es soll ja auch eine Überraschung sein«, erklärte sie fröhlich. Der Hotelangestellte musterte sie misstrauisch. »Es tut mir leid, aber ich darf keine Hotelschlüssel an irgendjemanden ausgeben, der unangemeldet und ohne Reservierung auftaucht.« »Ich bin nicht irgendjemand, ich bin seine Ehefrau!« Beth zog ihren Ausweis hervor. »Hier, Elisabeth Overton.« Er verzog das Gesicht. »Nehmen Sie es mir nicht übel, aber die Tatsache, dass Sie den gleichen Nachnamen haben, beweist doch gar nichts. Die Privatsphäre unserer Gäste ist uns sehr wichtig. Wer sagt mir denn, dass Sie keine verrückte Ex sind, die sich irgendwie rächen will?« So eine lächerliche Unterstellung war ihr wirklich noch nie zu Ohren gekommen. »Sehe ich etwa verrückt aus?« »Ich rufe jetzt mal in seinem Zimmer an, dann können Sie selbst mit ihm sprechen.« Er griff nach dem dunkelgrünen Haustelefon. Du ruinierst meinen ganzen Plan. Mit vorwurfsvoller Miene nahm sie den Hörer entgegen. Es klingelte ein paar Mal, dann verkündete eine Stimme vom Band, der gewünschte Hotelgast sei im Augenblick nicht im Zimmer. Und jetzt? »Können Sie mir sagen, wo hier die DDS-Messe stattfindet?« fragte sie.
»DDS sind das die Zahnärzte?« »Nein, das ist eine Software-Veranstaltung.« »Also, bei uns im Haus jedenfalls nicht.« Er konsultierte wieder den Computer und schüttelte dann bestimmt den Kopf. »Nein.« Sie hatte gehofft, die Veranstaltung sei direkt im Hotel, aber manchmal musste die Firma aus Platzgründen auf andere Räumlichkeiten ausweichen. Und hin und wieder wurden die Mitarbeiter nicht in den teuren Messehotels, sondern in günstigeren Quartieren untergebracht. Dieses Haus sah in der Tat ziemlich nach Sparkurs aus. »Könnte ich bitte mit Ihrem Vorgesetzten sprechen?«, bat Beth. Sie wollte keine Schwierigkeiten machen, aber irgendjemand musste ihr doch weiterhelfen können. Es war zwar erst früher Nachmittag, aber sie hatte schon einen langen Tag hinter sich. Jedenfalls hatte sie nicht die Absicht, mehrere Stunden in der Lobby herumzusitzen und an ihren Plänen zu zweifeln. »Ähm, der ist noch beim Mittagessen. Aber da drüben hinter den Aufzügen haben wir ein nettes Restaurant. Vielleicht möchten Sie dort warten.« »Gut. Danke.« Ein kleiner Imbiss würde ihr gut tun. Bis auf eine Minipackung Brezeln während des Flugs hatte sie noch nichts gegessen, und normalerweise legte sie Wert auf regelmäßige Malzeiten. Also begab sich Beth mit ihrem Koffer in Richtung Restaurant. Nachdem sie eine Weile vergeblich darauf gewartet hatte, dass ihr jemand einen Platz zuwies, betrat sie zögernd den Speisesaal und sah sich nach einer Bedienung um. Plötzlich blieb ihr Blick hängen. Er fiel auf einen ihr wohlbekannten blonden Haarschopf mit Silbersträhnen. Allen! Was für ein glücklicher Zufall! Er saß mit dem Rücken zu ihr über den kleinen Tisch gebeugt, in eine angeregte Diskussion mit einer aparten Rothaarigen vertieft. Vielleicht eine Kollegin von VirtuTronix? Doch Beth kannte die Frau weder von der letzten Weihnachtsfeier noch von Betriebsausflügen. Als sie näher herankam, bemerkte sie, dass Allen und die Unbekannte heftig stritten. Beths Begrüßung fiel reichlich unsicher aus. »Allen?« Er wirbelte herum. »Elisabeth!« Die Farbe wich ihm aus dem Gesicht. Sofort fuhr sein Blick zu der Rothaarigen, dann zurück zu seiner Frau. Dann war die kurze Verunsicherung vorüber, und seine Miene wurde zornig. »Was zum Teufel machst du denn hier?«
Vollständige deutsche Taschenbuchausgabe 03/2010
Copyright © by Tanya Michna
Copyright © 2010 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München in
der Verlagsgruppe Random House GmbH Printed in Germany
Übersetzung: Annika Tschöpe
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Autoren-Porträt von Tanya Michna
Tanya Michna schreibt seit ihrem Studium an der University of Houston-Victoria. Sie lebt mit ihrem Ehemann und zwei Kindern in der Nähe von Atlanta.
Bibliographische Angaben
- Autor: Tanya Michna
- 2010, 368 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Annika Tschöpe
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453407512
- ISBN-13: 9783453407510
Rezension zu „Solange die Liebe bleibt “
"Man kann sich nicht vorstellen, dass Leserinnen dieses Buch ohne ein paar Tränen schließen." (zu Vergiss mich nicht)
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