Sonnentaube
Madeleine war schon öfter verliebt, aber noch nie so wie in Kai. Sonnentaube nennt er sie, und ihre Knie werden weich, wenn er sie küsst. Wunderschön ist das, aber auch kompliziert. Schließlich ist sie erst 14, er dagegen schon Student...
Und auch zu Hause...
Und auch zu Hause...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Sonnentaube “
Madeleine war schon öfter verliebt, aber noch nie so wie in Kai. Sonnentaube nennt er sie, und ihre Knie werden weich, wenn er sie küsst. Wunderschön ist das, aber auch kompliziert. Schließlich ist sie erst 14, er dagegen schon Student...
Und auch zu Hause schlagen die Wogen hoch: Das Glück der Eltern, Madeleines eigenes - plötzlich steht alles auf dem Spiel.
Und auch zu Hause schlagen die Wogen hoch: Das Glück der Eltern, Madeleines eigenes - plötzlich steht alles auf dem Spiel.
Lese-Probe zu „Sonnentaube “
Mit vierzehn weiß man schon lange, dass man kein Kind mehr ist. Unter anderem merkt man es daran, dass man anfängt, sich eine Chance auszurechnen, wenn man in jemand viel Älteren verknallt ist. Mir ist es nämlich mit Ulrich Falkenhauser so ergangen, unserem Musikreferendar. Der Altersunterschied muss doch nicht unbedingt ein Hindernis sein, dachte ich, und was nicht ist, kann ja noch werden. Wir machen zusammen Musik, ich singe, er spielt Klavier ...Natürlich habe ich solche Wünsche und Ansichten schön für mich behalten. Außerdem war Ulrich Falkenhauser leider bereits verlobt. Und jetzt ist er sowieso an einer anderen Schule.
Die Wahrscheinlichkeit, dass einer, der mir gefällt, etwas mit Musik zu tun hat, ist übrigens sehr groß. Die Musikrichtung ist vielleicht egal, aber gut sollte er schon sein. Wobei mir sofort Kai Schilling einfällt, der Sänger, der donnerstags immer nach mir Gesangsstunde hat. Der Nachfolger von Ulrich Falkenhauser dagegen ist eine Katastrophe. Es lohnt nicht, sich seinen Namen zu merken, und ich gebe mir Mühe, diesen Menschen sofort wieder zu vergessen, wenn wir bei ihm Musik hatten, wie jetzt eben in der sechsten Stunde.
Bei mir zu Hause schließe ich die Eingangstür auf.
"Habe ich schon erwähnt, dass der neue Musikreferendar stinklangweilig ist?", rufe ich beim Jackeausziehen.
Keine Antwort. Ich höre auch kein Klavierspiel, also stecke ich den Kopf in die Küche, wo es um diese Zeit brutzeln sollte, jedenfalls ist das in den meisten Familien der Fall.
Niemand da. Es riecht nichtssagend nach dem, was mich erwartet: Salat mit Käsebrot.
Ich finde meine Mutter im Musikzimmer, das bei anderen Leuten Wohnzimmer heißt. Sie sitzt an ihrem Schreibtisch. Weil sie nicht aufsieht, wiederhole ich meine Frage.
"Wie? O ja, Madeleine, ungefähr fünfmal täglich in den letzten drei Wochen."
"Echt? Wenn's aber doch wahr ist!"
Wäre meine Oma nicht Klavierlehrerin an der Musikschule und mein Vater nicht Klavierlehrer am Konservatorium
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und meine Mutter nicht Konzertpianistin, dann würde ich mich beim neuen Referendar vielleicht auch von seinem hübschen Gesicht und dem aufregenden Pulli blenden lassen, wie Britta und die anderen in der Klasse.
Meine Mutter schiebt irgendwelche Unterlagen in ihren Schreibtisch. Mir fällt ihr abwesender Ausdruck auf. Er beunruhigt mich ein wenig, denn er erinnert mich an letzten Sommer, als sie verliebt war, aber leider nicht in meinen Vater, sondern in den Sänger Kenneth Smith. Zum Glück haben wir nichts mehr von Kenneth gehört, meine Mutter hat mit ihm Schluss gemacht. Schon den ganzen letzten Herbst hat sie sich völlig auf ihre Arbeit konzentriert und an ihren Beethovensonaten gefeilt. Im Dezember hat sie dann Konzerte in verschiedenen Städten gegeben. Mein Vater ist fast immer dabei gewesen. Nur weil er in Hamburg nicht an ihrer Seite war, habe sie dort diesen unerklärlichen Aussetzer gehabt, behauptet er. Eine Konzentrationsschwäche. Es soll ewig gedauert haben, bis ihr der Anfang vom zweiten Satz einfiel.
Wer einmal versucht hat, die Noten einer Beethovensonate zu zählen, kann sich ungefähr vorstellen, welches Gedächtnis man braucht, um mehrere Sonaten auswendig zu spielen. Meine Mutter ist doch kein Übermensch. Ich finde, sie darf sich auch mal eine kleine Schwäche erlauben. Was sind schon zwanzig Sekunden!
Sie hat aber unter der Sache sehr gelitten und die Veranstalter brüskiert, indem sie sich nach dem Konzert sofort in ihr Hotel zurückzog. Noch nach Weihnachten wurde sie blass, wenn sie auf der Wetterkarte Hamburg sah.
Doch jetzt ist sie von einer neuen Aufgabe erfüllt: Sie wird die Klavierstücke eines lebenden Komponisten auf CD einspielen. Sehr schwierige Sachen. Matteo Sciancalepore, Schankalepore gesprochen, hörte meine Mutter eine moderne Zugabe spielen und wollte sie daraufhin gleich als seine Interpretin haben. Auf dem Cover wird neben seinem auch ihr Name stehen, Alicia Rada. Die Produktionsfirma ist gefunden, das Aufnahmestudio auch. Seitdem wechselt meine Mutter zwischen Übungsstunden am Flügel und klärenden Gesprächen mit dem Komponisten hin und her. Die klärenden Gespräche finden meistens am Telefon statt und kosten Auslandstarif. Sie werden von Sciancalepore bezahlt.
"Wie war's heute?", frage ich meine Mutter. Vielleicht lässt sich ihr abwesender Ausdruck damit erklären, dass sie keinen guten Vormittag am Flügel oder eine quälende Besprechung mit dem Komponisten hatte.
Meine Mutter wendet sich vom Schreibtisch ab und steht auf. Sie runzelt die Stirn. "Was meinst du?"
"Na, deine modernen Stücke."
"Ach so." Sie dreht sich um zur Küche. "Ich habe heute gar nicht geübt. Ich musste zum Arzt."
"Wieso? Bist du krank?", frage ich alarmiert und laufe hinter ihr her.
"Nein, nein, Madeleine. Nur eine Routineuntersuchung. In meinem Alter fängt man an, einmal im Jahr zur Vorsorge zu gehen."
Seit meine Mutter mit Ken Schluss gemacht hat, der zehn Jahre jünger war als sie, redet sie manchmal so daher. Dabei sieht sie mit ihren sechsunddreißig Jahren aus der Ferne noch immer wie ein Mädchen aus. Wenn sie auch keines mehr ist, klar. Von mir zum Beispiel ist sie zweiundzwanzig Jahre entfernt.
"Warum übst du nicht mal am Abend?", schlage ich vor. Sie ärgert sich über den Zeitverlust, ich kenne das. Der Abend wäre sowieso ihre kreativste Arbeitszeit. Künstler haben einen anderen Rhythmus als normale Leute. Musiker müssen abends, wenn andere freihaben, ihre Höchstleistung erbringen, dafür schlafen sie gern bis zum Mittag; meine Mutter dagegen passt sich dem Rhythmus der Familie an, sie steht morgens mit mir und meinem Vater auf und zwingt sich zu arbeiten, solange wir weg sind, damit sie bei unserer Rückkehr Zeit für uns hat. Alles Gewohnheitssache, sagt sie, wenn die Rede darauf kommt. Aber manchmal merkt man ihr an, dass es ihr anders lieber wäre.
"Ja, vielleicht übe ich heute Abend."
Wir setzen uns in der Küche an unser karges Mittagessen. Richtig gekocht wird erst, wenn mein Vater heimkommt. Kochen ist sein Hobby, Essen auch. Wenn meine Mutter ihn nicht bremsen würde, hätte er in Kürze die paar Kilo, die er sich letzten Sommer während ihrer Affäre weggehungert hat, wieder auf den Rippen.
Jetzt essen wir ihr Lieblingsmenü: Salat, Trauben, Käse, Joghurt und Brot. Dabei hat meine Mutter schon die Traumfigur, an der ich wahrscheinlich die nächsten tausend Jahre basteln darf!
Heute sieht sie noch dünner aus als sonst schon.
"Und wenn du dir vielleicht auch mal Butter aufs Brot streichst, Mama?", schlage ich vor und versuche meinen Heißhunger zu bremsen.
"Ach nein", antwortet sie. "Mir reicht das schwere Essen am Abend." Sie stochert genügsam in ihrem Salat und nagt ein wenig am Brot.
Themenwechsel. Und langsam kauen, das soll besser satt machen. "Mama? Erinnerst du dich an die kleine Seejungfrau in unserem Schulmusical? Weißt du noch, wer die Titelrolle gesungen hat?"
Meine Mutter schüttelt den Kopf. "Nein, Madeleine. Ich erinnere mich nur an eine sehr schöne Stimme."
"Regina war das, sie geht in die Neunte", kläre ich sie auf.
Meine Mutter schiebt irgendwelche Unterlagen in ihren Schreibtisch. Mir fällt ihr abwesender Ausdruck auf. Er beunruhigt mich ein wenig, denn er erinnert mich an letzten Sommer, als sie verliebt war, aber leider nicht in meinen Vater, sondern in den Sänger Kenneth Smith. Zum Glück haben wir nichts mehr von Kenneth gehört, meine Mutter hat mit ihm Schluss gemacht. Schon den ganzen letzten Herbst hat sie sich völlig auf ihre Arbeit konzentriert und an ihren Beethovensonaten gefeilt. Im Dezember hat sie dann Konzerte in verschiedenen Städten gegeben. Mein Vater ist fast immer dabei gewesen. Nur weil er in Hamburg nicht an ihrer Seite war, habe sie dort diesen unerklärlichen Aussetzer gehabt, behauptet er. Eine Konzentrationsschwäche. Es soll ewig gedauert haben, bis ihr der Anfang vom zweiten Satz einfiel.
Wer einmal versucht hat, die Noten einer Beethovensonate zu zählen, kann sich ungefähr vorstellen, welches Gedächtnis man braucht, um mehrere Sonaten auswendig zu spielen. Meine Mutter ist doch kein Übermensch. Ich finde, sie darf sich auch mal eine kleine Schwäche erlauben. Was sind schon zwanzig Sekunden!
Sie hat aber unter der Sache sehr gelitten und die Veranstalter brüskiert, indem sie sich nach dem Konzert sofort in ihr Hotel zurückzog. Noch nach Weihnachten wurde sie blass, wenn sie auf der Wetterkarte Hamburg sah.
Doch jetzt ist sie von einer neuen Aufgabe erfüllt: Sie wird die Klavierstücke eines lebenden Komponisten auf CD einspielen. Sehr schwierige Sachen. Matteo Sciancalepore, Schankalepore gesprochen, hörte meine Mutter eine moderne Zugabe spielen und wollte sie daraufhin gleich als seine Interpretin haben. Auf dem Cover wird neben seinem auch ihr Name stehen, Alicia Rada. Die Produktionsfirma ist gefunden, das Aufnahmestudio auch. Seitdem wechselt meine Mutter zwischen Übungsstunden am Flügel und klärenden Gesprächen mit dem Komponisten hin und her. Die klärenden Gespräche finden meistens am Telefon statt und kosten Auslandstarif. Sie werden von Sciancalepore bezahlt.
"Wie war's heute?", frage ich meine Mutter. Vielleicht lässt sich ihr abwesender Ausdruck damit erklären, dass sie keinen guten Vormittag am Flügel oder eine quälende Besprechung mit dem Komponisten hatte.
Meine Mutter wendet sich vom Schreibtisch ab und steht auf. Sie runzelt die Stirn. "Was meinst du?"
"Na, deine modernen Stücke."
"Ach so." Sie dreht sich um zur Küche. "Ich habe heute gar nicht geübt. Ich musste zum Arzt."
"Wieso? Bist du krank?", frage ich alarmiert und laufe hinter ihr her.
"Nein, nein, Madeleine. Nur eine Routineuntersuchung. In meinem Alter fängt man an, einmal im Jahr zur Vorsorge zu gehen."
Seit meine Mutter mit Ken Schluss gemacht hat, der zehn Jahre jünger war als sie, redet sie manchmal so daher. Dabei sieht sie mit ihren sechsunddreißig Jahren aus der Ferne noch immer wie ein Mädchen aus. Wenn sie auch keines mehr ist, klar. Von mir zum Beispiel ist sie zweiundzwanzig Jahre entfernt.
"Warum übst du nicht mal am Abend?", schlage ich vor. Sie ärgert sich über den Zeitverlust, ich kenne das. Der Abend wäre sowieso ihre kreativste Arbeitszeit. Künstler haben einen anderen Rhythmus als normale Leute. Musiker müssen abends, wenn andere freihaben, ihre Höchstleistung erbringen, dafür schlafen sie gern bis zum Mittag; meine Mutter dagegen passt sich dem Rhythmus der Familie an, sie steht morgens mit mir und meinem Vater auf und zwingt sich zu arbeiten, solange wir weg sind, damit sie bei unserer Rückkehr Zeit für uns hat. Alles Gewohnheitssache, sagt sie, wenn die Rede darauf kommt. Aber manchmal merkt man ihr an, dass es ihr anders lieber wäre.
"Ja, vielleicht übe ich heute Abend."
Wir setzen uns in der Küche an unser karges Mittagessen. Richtig gekocht wird erst, wenn mein Vater heimkommt. Kochen ist sein Hobby, Essen auch. Wenn meine Mutter ihn nicht bremsen würde, hätte er in Kürze die paar Kilo, die er sich letzten Sommer während ihrer Affäre weggehungert hat, wieder auf den Rippen.
Jetzt essen wir ihr Lieblingsmenü: Salat, Trauben, Käse, Joghurt und Brot. Dabei hat meine Mutter schon die Traumfigur, an der ich wahrscheinlich die nächsten tausend Jahre basteln darf!
Heute sieht sie noch dünner aus als sonst schon.
"Und wenn du dir vielleicht auch mal Butter aufs Brot streichst, Mama?", schlage ich vor und versuche meinen Heißhunger zu bremsen.
"Ach nein", antwortet sie. "Mir reicht das schwere Essen am Abend." Sie stochert genügsam in ihrem Salat und nagt ein wenig am Brot.
Themenwechsel. Und langsam kauen, das soll besser satt machen. "Mama? Erinnerst du dich an die kleine Seejungfrau in unserem Schulmusical? Weißt du noch, wer die Titelrolle gesungen hat?"
Meine Mutter schüttelt den Kopf. "Nein, Madeleine. Ich erinnere mich nur an eine sehr schöne Stimme."
"Regina war das, sie geht in die Neunte", kläre ich sie auf.
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Autoren-Porträt von Irma Krauß
Irma Krauß, 1949 geboren, arbeitete nach dem Pädagogikstudium zunächst als Lehrerin an einer Grund- und Hauptschule. Als ihre drei Kinder größer wurden, begann sie zu schreiben. Seither hat sie zahlreiche Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht. 1998 wurde Irma Krauß mit dem "Peter-Härtling-Preis" für Kinder- und Jugendliteratur ausgezeichnet. Irma Krauß lebt in der Nähe von Augsburg.
Bibliographische Angaben
- Autor: Irma Krauß
- Altersempfehlung: 12 - 15 Jahre
- 2008, 254 Seiten, Maße: 12,6 x 18,1 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: cbt
- ISBN-10: 3570303756
- ISBN-13: 9783570303757
Rezension zu „Sonnentaube “
"Ein Buch voller Liebe und Musik, mal in Dur, aber häufig auch in Moll. Irma Krauß, die schon im ersten Band 'Meerhexe' ihre Sensibilität unter Beweis gestellt hat, zeigt auch in der Fortsetzung ein gutes Fingerspitzengefühl in puncto Liebesdingen. Auf ihre spezielle einfühlsame Art und Weise erzählt sie von einer jungen Liebe, von Hochgefühlen, von geweckter Leidenschaft, aber auch von Angst und Zweifeln. (...) Aber sie lässt ihre jungen Leser nicht im Moll versinken. Mit Kais Rückkehr führen zarte Modulationen zurück ins Dur und zum Hoffen auf ein wunderbares Leben."
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