Taco und Kaninchen- Fette Beute
Taco und Kaninchen - Fette Beute von AmelieFried und Peter Probst
LESEPROBE
1. Wenn unsere Mutter geahnt hätte, was passiert, hätte sieTaco und mich garantiert nicht allein gelassen. Aber erstens war sie keineHellseherin und zweitens war die Eröffnung der neuen Flirtschule total wichtig fürsie. Mami hatte tatsächlich nicht übertrieben - was sie sonst ganz gern tut. Eswar wirklich ein Typ zu ihr gekommen und hatte ihr eine Menge Geld für die Ideemit der Flirtschule bezahlt. Er wollte, dass es bald in allen großen deutschenStädten solche Schulen gab, weil die Leute es bitter nötig hatten, richtigflirten zu lernen. »Das größte Problem heutzutage ist die Einsamkeit«, sagteMami immer, »und mein Job ist es, den Menschen da rauszuhelfen.« Wäre es nachmeinem Bruder Taco gegangen, hätte sie längst einen Orden gekriegt, dass sie soviele Leute glücklich machte; also ihnen zumindest zeigte, wie sie was für ihrGlück tun konnten. Damit auch die Berliner eine Chance kriegten, glücklich zuwerden, sollte dort die zweite Flirtschule eröffnet werden. Sie sollte genausoheißen wie die in München: »Ankas Flirtschule« - nach unserer Mutter. Wir warenziemlich aufgeregt, besonders weil Mami uns versprochen hatte, dass wir baldnicht nur reich, sondern auch berühmt sein würden. »Wir kommen garantiert insFernsehen.« Taco fand es typisch Mädchen, dass ich mir jetzt schon den Kopfzerbrach, welche Klamotten ich bei meinem ersten TV-Auftritt anziehen sollte. »Kaninchen,für uns beide interessiert sich kein Schwein.« Da war ich anderer Meinung. Diezeigten im Fernsehen oft die ganze Familie, weil ihnen klar war, dass keinVater und keine Mutter irgendwas Großes zustande brachten, wenn ihre Kindernicht mitzogen. Mami hatte es begriffen. »Was wäre ich ohne euch?«, sagte sieoft. Wenn wir ihr das Leben absichtlich schwer gemacht hätten, wäre aus ihrerFlirtschule nie was geworden. Sie wäre ständig damit beschäftigt gewesen, unsvon irgendwelchen Dummheiten abzuhalten und hätte keine Zeit für ihre Schülergehabt. Nicht für die traurigen Typen, die schwitzend und stotternd prahlen,was für tolle Hechte sie sind, und nicht für Frauen, die schon beim erstenTreffen ausplaudern, dass sie eigentlich gar keinen Mann wollen, sondernKinder. Sicher würde Mami den Leuten vom Fernsehen klipp und klar sagen, dasssie nur mit Taco und mir kommt oder gar nicht. Aber ganz so weit war es nochnicht mit unserer Berühmtheit. Erst mal musste Mami nach Berlin fahren, um zukontrollieren, wie sie die neue Flirtschule aufbauten. Mit Ankas Flirtschulesollte es nämlich genau so sein wie mit McDonald s: Man kommt hin und weißsofort, wo man ist.
2. Mami bombardierte uns mit Ermahnungen: »Denkt dienstagsan euer Turnzeug! Und du musst regelmäßig Zähne putzen, Taco! Und vergesstnicht, die Katze zu füttern.« Dann raste sie zum Telefon und rief Wolle an, um ihmlauter Sachen zu sagen, die er garantiert vergessen würde. Wolle war immer nochin unsere Mutter verliebt, deswegen passte er auf uns auf, solange sie weg war.Wir waren uns sicher, dass er nie bei ihr landen würde, aber als Aufpasser warer okay. Er war immer so mit seinem eigenen Kram beschäftigt, dass wir machenkonnten, was wir wollten. Außerdem liebte er Pommes und Pizza und hielt unskeine nervigen Predigten, wie schrecklich ungesund das Zeug ist. »Mach dirkeine Sorgen«, versuchte Taco Mami zu beruhigen, »wir finden es geil, dass duuns allein lässt. Und mit der Flirtschule, das geht schon klar. Wir sind sowiesojeden Tag da und schauen « » dass keiner den Unterricht stört«, fiel ich ihm insWort.Er war wohl verrückt geworden.Um ein Haar hätte er uns verraten! Mamidurfte nie im Leben erfahren, dass wir von den Kindern aus derDonnersbergerstraße und Umgebung Eintritt verlangten und sie heimlich beimFlirtunterricht zugucken ließen. Aber unsere Mutter war viel zu sehr mit ihrer Abreisebeschäftigt, als dass sie was mitgekriegt hätte. Wenn wir gesagt hätten, dasswir an einer Bombe bastelten, hätte sie auch nur »hmm, hmm« gemacht und weiterin ihren Klamotten gewühlt. Zu guter Letzt konnten wir sie endlich zum Bahnhofbringen. Wir kauften ihr einen Packen Zeitschriften, was zu trinken und ganzviel Schokolade, weil die beruhigt. Obwohl wir echt gestresst waren von unsererMutter, begann Taco zu schniefen, als sich der Zug in Bewegung setzte. »Wasist, wenn er entgleist?« »Züge entgleisen fast nie«, sagte Wolle und legte denArm um meinen kleinen Bruder, während wir zum Auto zurückgingen. »Aber manchmalschon, oder?« »Ganz, ganz selten. Autofahren ist hundertmal gefährlicher.« Wolleschloss die Tür seines Wagens auf. »Dann geh ich zu Fuß.« Mein Bruderverschränkte trotzig die Arme und rührte sich nicht von der Stelle. »Schade«,sagte Wolle, »dann muss ich das neue Computerspiel allein installieren.« Wieder Blitz war Taco im Wagen. Zu Hause verschwand er sofort mit Wolle; ich schmiertemir ein superdickes Nutellabrot und setzte mich zu Fat Girl - so heißt unsereKatze - ans Fenster. Es war kurz nach zwei, ein verspäteter Schüler hastete soschnell Richtung Flirtschule, dass seine Krawatte hinter ihm her flatterte.Selma, die als Vertretung für unsere Mutter eingesprungen war, begrüßte ihn miteinem Lächeln wie aus der Zahnpastawerbung. Sie war Mamis Lieblingsschülerinund beim Flirten ein Naturtalent. Wir hatten uns immer gefragt, wieso sieüberhaupt Flirtkurse belegte, bis Mami uns erklärte, dass Selma keinen Mannsuchte. Sie fand Flirten spannend und nicht die Kerle, mit denen sie flirtete.
Im Hinterhof war alles ruhig. Die Kinder, die sonst auf denGittern über den Oberlichtern der Flirtschule kauerten, mussten sonntagslangweilige Sachen mit ihren Eltern machen, Spaziergänge und Verwandtenbesuche.Taco stürmte ins Zimmer. »Ich geh Kuchen holen. Was willst du?« Er wedelte miteinem Zehn-Euro-Schein. Mir war zwar schon schlecht von meinem Nutellabrot,trotzdem bestellte ich noch zwei Erdbeerrollen. Taco lief aus der Wohnung, ichholte mir ein Glas Milch und kehrte an meinen Platz am Fenster zurück.
Im allerletzten Moment sah ich noch, wie jemand über denHinterhof flitzte und hinter den Müllcontainern verschwand. Sicher ein Kind ausdem Nachbarhaus, dachte ich, das sich einen lustigen Nachmittag machen will.Kurz überlegte ich, ob ich runter gehen und abkassieren sollte; aber irgendwiehatte ich schon genug Stress gehabt an diesem Tag. Ich blieb, wo ich war, unddas war ein großer Fehler.
© cbj, München 2006
- Autoren: Amelie Fried , Peter Probst
- Altersempfehlung: 10 - 12 Jahre
- 2006, 1, 157 Seiten, Maße: 14 x 21 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: cbj
- ISBN-10: 3570131289
- ISBN-13: 9783570131282
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