Taco und Kaninchen - Hilfe für Ali
"Ein Kinderroman, den man mit enormen Kribbeln in einem Rutsch lesen wird." -- Stern
Taco und Kaninchen - Hilfe für Ali von AmelieFried und Peter Probst
LESEPROBE
1. Jedes Jahr im Oktober kam ein kleiner Zirkus in unser Viertelund baute sein Zelt auf einem brachliegenden Industriegelände am Bahndamm auf. Ichweiß nicht, wie unsere Mutter auf die Idee kam, uns mit Karten zu überraschen. MeinBruder Taco und ich waren keine großen Zirkusfans, weil wir es bei Tierengenauso wie bei Kindern doof fanden, wenn sie auf Befehl etwas vorführenmussten. Von dem Eintrittsgeld hätten wir uns lieber zwei Riesen-Eisbecher imVenezia gekauft. Stattdessen saßen wir nun mit kaum zwei Dutzend anderenKindern und einigen Omas auf harten Bierbänken und beobachteten zerrupfteLamas, die in die Manege kackten, statt ihre Kunststücke zu zeigen. DieserZirkus war so traurig, dass er beinahe schon wieder komisch wirkte. DerHochseilartist hatte sein Seil so niedrig gespannt, dass es fast den Bodenberührte, und die bei den dürren Frauen, die sensationelle Bodenakrobatik zeigensollten, konnten nicht mal den Spagat. Der Zauberer rief mit seinen kläglichenTricks solches Gelächter hervor, dass die dicke Zirkusdirektorin hinterherbehauptete, das sei der Auftritt des Clowns gewesen. Deshalb musste der Clownals Messerwerfer in die Manege. »Lass uns abhauen, Taco. Das wird bloß noch schlimmer.«Mein Bruder nickte und stand auf. »Aha, da haben wir schon ein freiwilligesOpfer«, rief der Clown. Taco erstarrte. »Wir müssen leider nach Hause«, logich. Doch der Mann zerrte Taco schon vor ein großes, mit rotem Stoff bespanntesBrett. Mein Bruder musste die Arme ausbreiten, seine Hände wurden mitLederriemen ans Holz gefesselt. Er war kreidebleich. »Können Sie überhauptMesser werfen?«, fragte ich. Der Clown zuckte grinsend die Achseln und öffneteeine Kiste mit Wurfmessern. »Das dürfen Sie nicht tun! Mein Bruder ist erst neun!«Der Mann ging ein paar Meter rückwärts, dann wieder vorwärts und stolpertedabei ständig über seine viel zu großen Schuhe. Umständlich suchte er nacheinem geeigneten Messer, obwohl alle dieselben silberglänzenden Klingen hatten.Als er endlich zielte, hielt ich den Atem an. »Ich will nach Hause«, schrieTaco. Der Clown ließ den Arm sinken. »Wenn du mich in meiner Konzentrationstörst, mein Lieber, übernehme ich keine Garantie für deine Ohren.« Sein Lachenklang wie das Meckern einer Ziege. Er hörte erst auf, als er damit das ganzePublikum angesteckt hatte. Sogar Taco und ich mussten grinsen und waren uns sicher,dass er nur Show machte und niemals ein Messer werfen würde. Wieder zielte derClown auf Taco. »Soll ich?«, fragte er und kniff ein Auge zu. »Tun Sie, was Sienicht lassen können«, sagte Taco bemüht lässig. Sekunden später schlug dasMesser kaum einen Zentimeter über seinem rechten Arm ein. Taco riss die Augenauf. Er wollte schreien, brachte aber keinen Ton raus. Da summte bereits dasnächste Messer durch die Luft und blieb federnd neben seinem Hals stecken. Danndas nächste. Und noch eins. Ich hielt mir die Hände vor die Augen undverfluchte im Stillen Mami für ihre Idee mit den Karten. Ich schwor mir, niemehr in einen Zirkus zu gehen. Da hörte ich das Publikum klatschen. Ich wagtekaum aufzuschauen. Der Messerwerfer mit dem Clownsgesicht band Taco los, derwie eine Salzsäule dastand. »Du kannst dich wieder rühren«, sagte er. Taco, dervon Messern eingerahmt war, bewegte vorsichtig Kopf und Arme. Zentnerlasten schienenihm von der Seele zu fallen. Er strahlte. »Sie waren super!« »Danke für dieBlumen!«, sagte der Clown und reichte Taco ein Messer. Mein Bruder schaute essich genau an, da schlug ihm der Mann unversehens auf den Arm. Taco schrie auf,das Messer schwirrte durch die Luft und blieb in dem rot bespannten Holzstecken. Der Clown reichte meinem verblüfften Bruder ein weiteres Messer undwiederholte sein Kunststück. »Bin ich nicht entwaffnend?«, lachte er, nachdem aufdiese Weise etwa ein Dutzend Messer ihr Ziel erreicht hatten. Jetzt schrie dasPublikum vor Begeisterung und trampelte mit den Füßen. Aber der Clown hattekeine Lust auf eine Zugabe und verschwand winkend hinter dem Vorhang. Als wirnoch mal zu den Messern schauten, erkannten wir, dass sie ein Wort bildeten. Ciaostand da in ordentlichen Buchstaben. »Wahnsinn«, sagte Taco. Von da anschwärmte er von dem Messerwerfer mit dem Clownsgesicht. »Der war genial!«,erzählte er jedem. »Er hätte auch eine Ameise getroffen.« Außerdem wünschte ersich zum nächsten Geburtstag eigene Wurfmesser und behauptete, in sich eine großeBegabung zum Messerwerfer zu spüren. Unsere Mutter merkte nicht, wie Taco ihreKüchenmesser stibitzte und zum Wurftraining verschwand. Wenige Minuten späterging im Hinterhof klirrend eine Scheibe des Schuppens zu Bruch. Mami lief nachunten und entwaffnete meinen Bruder. Sie drohte, den Schaden von seinenErsparnissen zu begleichen, falls er nicht sofort mit dem Unfug aufhörte. Daswar das Ende von Tacos kurzer Karriere als Messerwerfer. Sein Idol aus demZirkus vergaß er allerdings noch lange nicht.
2. »Ich bin doch nicht blind, Kaninchen! Ich hab genau gesehen,dass es ein Messer war.« »So ein Zufall. Du träumst doch schon von Messern.« MeinBruder, der mir am Ende der großen Pause hinterhergelaufen war, schnappteempört nach Luft. »Taco, ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die sichdas trauen.Vor hunderten von Schülern. Und wieso hat keiner außer dir wasgesehen?« »Weil keiner so scharfe Augen hat wie ich. Deshalb wär ich auchMesserwerfer geworden, wenn Mami es erlaubt hätte.« Ich stöhnte. Das Thema gingmir allmählich auf die Nerven. Mein Bruder hatte wie immer mit seinen Kumpeln aufdem Schulhof gekickt. Sie benutzten einen Tennisball, Fußbälle waren verboten,seit ein Mathelehrer am Kopf getroffen worden war. Plötzlich sah Taco angeblichetwas am Eingang zum Hof in der Sonne aufblitzen. Zwei ihm unbekannte größereJungen nahmen Altan, einen Klassenkameraden von mir, in die Mangel. »Ich schwördir, Kaninchen, einer hat mit einem Springmesser rumgefuchtelt und der anderehat Ali immer wieder voll in den Magen geboxt.« »Er heißt Altan, nicht Ali.« »Ichheiße auch nicht Taco und du nicht Kaninchen.« »Und wieso hat Altan nicht umHilfe gerufen?« »Weiß ich nicht. Er hat nur verzweifelt den Kopf geschüttelt.Da haben die zwei bemerkt, dass ich sie beobachte, und waren für einen Momentabgelenkt.« Taco machte eine Kunstpause. »Und dann?« »Dann war es wie imZirkus. Ali hat dem Typen blitzschnell das Messer aus der Hand geschlagen, es sichin der Luft geschnappt und ist wie der Blitz davongerannt.« Altan war einschneller Läufer, das wusste ich. Als Messerakrobat war er allerdings noch nieaufgefallen. Aber es wäre sinnlos gewesen, darüber mit Taco zu diskutieren. Inseiner Begeisterung für die Messerwerferei brachte er wohl wieder Fantasie undWirklichkeit durcheinander. »Kannst du die beiden Jungen denn beschreiben?« Tacoschüttelte verlegen den Kopf. »Die waren zu weit weg. Aber wenn ich sie sehe, erkennich sie wieder.« »Hast du Altan gefragt, was sie von ihm wollten?« Mein Bruderverneinte. »Wieso nicht? Ich dachte, du willst mal Detektiv werden.« Tacomachte ein beleidigtes Gesicht. »Ich will nicht, ich bin Detektiv. Aber Ali warplötzlich verschwunden. Kannst du ihn nicht fragen, Kaninchen?« Genau das hatteich vor.
© cbj, München 2006
- Autoren: Amelie Fried , Peter Probst
- Altersempfehlung: 10 - 12 Jahre
- 2006, 1, 150 Seiten, Maße: 14 x 21 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: cbj
- ISBN-10: 3570131319
- ISBN-13: 9783570131312
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