Tilly - Die Katze, die niemand haben wollte
Die hässlichste Katze des Tierheims
Im Tierheim findet Celia die Katze Tilly, doch das Tier ist nicht nur furchtbar hässlich, sondern auch vollkommen verstört und halb wild. Niemand kann sich vorstellen, Tilly mit...
Im Tierheim findet Celia die Katze Tilly, doch das Tier ist nicht nur furchtbar hässlich, sondern auch vollkommen verstört und halb wild. Niemand kann sich vorstellen, Tilly mit...
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Produktinformationen zu „Tilly - Die Katze, die niemand haben wollte “
Die hässlichste Katze des Tierheims
Im Tierheim findet Celia die Katze Tilly, doch das Tier ist nicht nur furchtbar hässlich, sondern auch vollkommen verstört und halb wild. Niemand kann sich vorstellen, Tilly mit nach Hause zu nehmen. Doch Celia spürt, dass etwas Besonderes an dieser Katze ist. Während sie sich daran macht, aus der wilden Tilly ein Haustier zu machen, trifft sie ein Schicksalsschlag nach dem anderen. Und sie stellt fest, dass die Katze, die niemand haben wollte, ihr dabei hilft, ein ganzer Mensch zu werden.
Eine herzerwärmende wahre Geschichte für alle, die Katzen lieben...
Im Tierheim findet Celia die Katze Tilly, doch das Tier ist nicht nur furchtbar hässlich, sondern auch vollkommen verstört und halb wild. Niemand kann sich vorstellen, Tilly mit nach Hause zu nehmen. Doch Celia spürt, dass etwas Besonderes an dieser Katze ist. Während sie sich daran macht, aus der wilden Tilly ein Haustier zu machen, trifft sie ein Schicksalsschlag nach dem anderen. Und sie stellt fest, dass die Katze, die niemand haben wollte, ihr dabei hilft, ein ganzer Mensch zu werden.
Eine herzerwärmende wahre Geschichte für alle, die Katzen lieben...
Lese-Probe zu „Tilly - Die Katze, die niemand haben wollte “
Tilly - Die Katze, die niemand haben wollte von Celia Haddon1
Die hässliche Katze
Das muss die hässlichste Katze in ganz Oxfordshire sein«, sagte mein Mann Ronnie, als er das kleine Foto in meiner Kamera betrachtete.
»So hässlich ist sie nun auch wieder nicht«, protestierte ich.
»Ihr Fell hat die Farbe von Jauche, und erst die Ohren! Sie sieht richtig unsympathisch aus.«
»Nicht Jauche. Schlamm vielleicht, aber nicht Jauche«, entgegnete ich.
Das war im Sommer 2010. Ronnie lag in einem Bett im Krankenhaus und wartete auf eine Operation, bei der Haut auf eine entzündete Wunde am Bein transplantiert werden sollte. Er war die Treppe hinuntergefallen und hatte sich das Bein an einem Bilderrahmen aufgerissen, der mit ihm abgestürzt war. Die Wunde war tief, und da er bereits vierundachtzig Jahre alt war, scheuten sich die Ärzte, ihn zu operieren. Für ihn als ehemaligen Marinesoldaten hätten sie längst loslegen sollen.
Ich besuchte ihn jeden Nachmittag. Die Krankenstation war mit Männern über fünfzig belegt. Ihm gegenüber lag Adam, ein pensionierter, verwirrter Gärtner Mitte achtzig, der nur mit den Fingern essen konnte. Der Mann nebenan sah sehr krank aus und lag nur still im Bett. John dagegen, der Mann schräg gegenüber, schien ein lebenslustiger Typ zu sein, stand kurz vor einer Operation und hatte Ärger mit den Schwestern, weil er am Tag zuvor heimlich hinausgeschlichen und in die Kneipe gegangen war.
... mehr
Zwei Tage lang hatte ich die neue Katze im Gästezimmer verschwiegen, weil Ronnie so krank war und zuweilen richtig neben sich stand. An einem Abend rief er andauernd, die Schwestern versuchten, ihn umzubringen, und die Station sei von einer Terroristenzelle unterwandert. Seine Jahre als Experte für Terrorismus und Kriegsberichterstatter waren ihm wieder in den Sinn gekommen. Die Entzündung brachte anscheinend die falschen Hirnzellen zum Glühen. In jener Nacht war er ein sehr schwieriger Patient.
Am nächsten Tag sah es nicht viel besser aus. Er hatte entsetzliche Halluzinationen, ausgerechnet über den ehemaligen US-Präsidenten George Bush. Dann war er plötzlich wieder Kriegsberichterstatter in der Redaktion des Daily Telegraph und rief die Krankenschwestern zu sich: »Ihr Bericht über diese Geschichte ist nicht richtig. Warum schicken Sie mich nicht?« John von der anderen Seite des Zimmers war nachsichtig gegenüber der vielen Schimpferei. Er nahm mit einer gewissen Befriedigung zur Kenntnis, dass die Schwestern, die ihn wegen seines Ausflugs in die Kneipe zurechtgewiesen hatten, ihrerseits wegen schlechter journalistischer Arbeit getadelt wurden!
Jedenfalls wollte ich lieber warten, bis Ronnie etwas besser zurechtkam, bevor ich ihm von Tottie erzählte.
Auch ich stand ziemlich unter Strom. Ronnie ist die Liebe meines Lebens, und wir waren seit über vierzig Jahren zusammen. Ich sah ihn nur ungern auf einer Krankenstation, besonders in der geriatrischen Abteilung. In meinen Augen ist er noch immer der schmucke Kriegsberichterstatter, den ich damals kennenlernte, kein alter Mann.
Ich vertraue Krankenhäusern nicht - weder Ärzten, noch Schwestern, noch der Nahrung. Jeden Tag brachte ich ihm etwas zu essen mit und versuchte, ihn ein wenig aufzumuntern.
Ich bemühte mich auch, seine Krankenakten zu lesen, um mich über seine Medikamente schlau zu machen. Ich quetschte die Schwestern aus und prüfte alles, was sie mir mitteilten, zu Hause noch einmal im Internet nach.
Meine Stresshormone hatten jedenfalls ein hohes Level erreicht - ich schwamm in Adrenalin. Natürlich konnte ich nachts nicht schlafen, da meine Gedanken wie besessen um Ronnie kreisten. Nach jeder Woche täglicher Krankenhausbesuche bin ich das unter Hochspannung stehende, immer singende und tanzende Wrack einer Ehefrau. Von diesen Wochen habe ich inzwischen mehr hinter mir, als mir lieb ist.
An dem Tag, an dem ich beschloss, die Nachricht von Tottie zu überbringen, erholte Ronnie sich gerade ein wenig. Er konnte geradeaus denken - ein gutes Zeichen. Ich hatte meine Kamera mitgebracht, um ihm meine neue Pflegekatze zu zeigen.
Verrückt, dass ich daran gedacht hatte, eine Pflegekatze zu übernehmen, während Ronnie eine gesundheitliche Krise durchmachte. Klug war diese Entscheidung keineswegs. Ich stand ohnehin schon derart unter Stress, dass eine neue und schwierige Katze meine Lage nur noch schlimmer machen würde.
Manche Menschen fangen an zu trinken, um mit Stress klarzukommen. Andere essen sich durch Berge von Kohlehydraten. Wieder andere verlassen sich auf verschreibungspflichtige Medikamente oder sogar auf illegale Drogen. Wenn ich unter Stress stehe, wende ich mich entweder wissenschaftlichen Abhandlungen über Katzen zu (ich liebe Quellenangaben) oder gleich den Katzen selbst. Ich hatte weder ein bestimmtes Schreibprojekt noch einen wissenschaftlichen Auftrag zur Hand, daher musste es diesmal eine Katze sein. Ein herausforderndes Katzenprojekt war genau das, was ich brauchte. Zumindest redete ich mir das ein. Wie Katzenliebhaber wissen, gibt es immer eine Ausrede für eine neue Katze!
Ronnie war jedoch nicht scharf auf eine neue Katze. Im Lauf unserer gemeinsamen Jahre hatte ich ihn unter Schwierigkeiten zu Katzen bekehrt. Doch er war noch immer kein zuverlässiger Haustierfreund. Vor dreißig Jahren war eine schwarzweiße Katzenmutter in unserem Garten aufgetaucht und hatte dort ein Kätzchen zur Welt gebracht. Später nannten wir sie Ada, weil sie wie eine Hausangestellte in einer schicken schwarz-weißen Uniform aussah.
Ich hatte Ronnie dazu verleitet, sie zu adoptieren, oder, besser gesagt, mich unsere erste Katze Ada adoptieren zu lassen. Er war katzenneutral, denn er war in einem Haushalt ohne jegliches Haustier aufgewachsen - keine Katzen, keine Hunde, nicht einmal ein Kaninchen. Ich betrachtete das als eine Entbehrung für jedes Kind, womit er jedoch nicht einverstanden war. »Mir ist nie in den Sinn gekommen, eine Katze oder einen Hund haben zu wollen«, sagte er mir. »Als Kind habe ich einen Hund ausgeführt, aber nur für Taschengeld. Ich wollte keinen eigenen haben.«
»Im Übrigen«, fügte er hinzu, »genieße ich eine katzenfreie Umgebung.« Sein späteres Leben als Erwachsener ließ ohnehin nur wenig Raum für Katzen. Einer katzenfreien (sein Ausdruck, nicht meiner) Kindheit folgten gleichermaßen katzenfreie Jahre. Den Zweiten Weltkrieg verbrachte er bei der Royal Marine, danach war er Student an der Oxford University, und schließlich arbeitete er als Auslandskorrespondent und Kriegsberichterstatter für den Daily Telegraph. Die Frontlinie war kein Platz für Menschen mit Katzen.
Daher würde er über die Aufnahme von Tottie nicht gerade begeistert sein. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten hatte er wieder ein paar Wochen in einer »katzenfreien« Umgebung genossen. Mein Ausdruck dafür lautete »Katzenentzug«. Unser letzter Kater, William, hatte an Zungenkrebs gelitten und war im Herbst vorigen Jahres eingeschläfert worden. Seit seinem Tod hatten wir keine ständige Katze mehr angenommen. Ich war vom Abschluss einer wissenschaftlichen Abhandlung über Tierverhalten zu sehr in Anspruch genommen, sammelte, las und verarbeitete wissenschaftliche Berichte wie eine Maschine. Meine Forschungsbesessenheit hatte vorübergehend die Stelle der Katzensucht eingenommen.
Nur ein paar Tage nach meiner Abschlussprüfung stürzte Ronnie und landete im Krankenhaus. Obwohl ich es kaum glauben konnte, hatte er die vorangegangenen Wochen ohne Katze tatsächlich genossen. Er war nicht wild darauf, wieder eine Katze zu besitzen, am wenigsten diese besonders hässliche.
Ich glaube nicht, dass Ronnie sich von Williams Verlust sieben Monate zuvor ganz erholt hatte. Er hatte William geliebt. Wir hatten ihn von einem Haushalt in Somerset adoptiert, in dem vierundfünfzig Katzen lebten. Das Haus war zwar sauber und frei von Fäkalien, aber auf jeder freien Fläche befand sich mindestens eine Katze. Sie saßen und faulenzten oder schliefen auf Tischen, Regalen, Stühlen, Sesseln und Arbeitsflächen in der Küche, meistens mit nur wenigen Zentimetern Raum zwischen sich. Fast ebenso viele Katzen blieben auf dem Boden, versteckten sich unter Betten, Sofas, hinter dem Fernseher und zwängten sich unter Kommoden. Die Katzen waren sehr unglücklich und völlig durchgedreht wegen der Gegenwart so vieler anderer Artgenossen. Für sie musste es sich anfühlen, als wären sie mitten in eine Menge feindlicher Gegner geworfen worden - die Gerüche, der Anblick und der Lärm so vieler anderer Katzen jagte ihnen Angst ein.
Ronnie wählte William aus einem Korb mit Jungkatzen aus. »Mir gefiel, wie er ständig auf den Korbrand kletterte«, erklärte er. »Er fiel dauernd in den Korb zurück und begann von neuem. Er war wirklich hartnäckig.«
Irgendwann in Williams vierzehn Lebensjahren begann Ronnie, von ihm zu träumen. Ein Traum war besonders lebhaft. »William trug eine Marinekappe«, berichtete Ronnie. »Und ich hörte, wie jemand neben ihm sagte, wahrscheinlich ich, ›Er ist ein sehr tapferer Offizier.‹« Als er mir das erzählte, wurde mir klar, dass Ronnie dem Kater William hörig war. Sein Unterbewusstsein hatte William zu einem Angehörigen seines Regiments gemacht. Die grüne Uniformmütze war das Zeichen absoluter Anerkennung!
William war zu einem prächtigen, weiß getigerten Kater herangewachsen. Er hatte längeres Fell, gerade so lang, dass es schön aussah, aber nicht so lang, dass man ihn zweimal am Tag bürsten musste. Er besaß herrliche Schnurrhaare, einen hübschen, buschigen Schwanz, große weiche Pfoten mit Fell zwischen den Ballen und ein sehr freundliches Temperament. Er sah so gut aus, dass ich mit einer Aufnahme von ihm sogar einen Fotowettbewerb gewann. An Eleganz und Schönheit war William nur schwer zu überbieten.
Von der äußeren Erscheinung her konnte Tottie ihm nicht das Wasser reichen. Sie sah einfach hässlich aus. Das Foto in meiner Kamera zeigte eine Katze, die zusammengekauert in der hintersten Ecke des Katzengeheges saß. Die Ohren hatte sie zurückgelegt, die Augen vor Angst weit aufgerissen. Ihr Fell war eher strähnig als flauschig, braun mit gelben Flecken, kein Weiß. Nur die dunklen Haarbüschel, die aus ihren Ohren kamen, wirkten hübsch. Ansonsten gab sie kein nettes Bild ab, obwohl ich versucht hatte, sie besser aussehen zu lassen, als sie tatsächlich war. Der Kamerablitz hatte ihren Pupillen einen goldenen Glanz verliehen, in Wirklichkeit hatten ihre Augen jedoch ein helles Froschgrün.
»Du wartest, bis ich hilflos im Krankenhaus liege, um mich dann mit dieser hässlichen Katze zu überfallen«, knurrte Ronnie.
»Das ist nur eine Pflegekatze«, erklärte ich ihm, denn ich wusste, über ihr Aussehen zu streiten war zwecklos. »Sie kommt zur Resozialisierung zu uns. Ich werde ihr helfen, sich an ein häusliches Leben zu gewöhnen. Dann wird sie ein neues Zuhause finden. Ich werde sie nicht adoptieren. Ich gebe sie weiter.«
»Das ist nicht fair«, erwiderte er. »Wenn du unbedingt eine Katze als Pensionsgast bei uns einquartieren willst, warum können wir dann kein süßes Kätzchen haben? Kardinal Richelieu hat es richtig gemacht. Er hatte hübsche Kätzchen in seinen Wohnungen, keine ausgewachsenen Katzen. Wenn wir schon eine neue Katze haben müssen, möchte ich wieder so eine wie William.«
In einem hatte er recht. Ich hatte tatsächlich so lange gewartet, bis er im Krankenhaus war, bevor ich Tottie mit nach Hause nahm. Ich wusste, wenn er auch nur ein Wörtchen mitzureden gehabt hätte, wäre Tottie niemals in unser Haus eingezogen. Sie war nicht nur hässlich, sondern zudem eine der ängstlichsten Katzen, denen ich je begegnet war. Das Foto, das ich Ronnie zeigte, war das Beste von vielen, die ich aufgenommen hatte. Sie sah auf allen schrecklich aus.
Wie die meisten Menschen beurteilt Ronnie Katzen nach ihrem Aussehen. Sie sah grässlich aus. Auch gegen ihren Namen hatte er etwas. »Klingt wie der Name eines edwardianischen Varietésängers«, lautete sein gereizter Kommentar. »Und eines schlechten obendrein.« Dann fügte er hinzu: »Die sieht aus wie George Bush. Sie hat seine Augen und sein Gesicht!« Nach seinen Halluzinationen über George Bush war das kein Kompliment. Unter anderen Umständen würde Ronnie George Bush vielleicht bewundern, aber bei dieser Gelegenheit eben nicht.
Ich warf einen zweiten Blick auf mein Foto in der Kamera. Hatten Augen und Gesicht Ähnlichkeit? Ihre Wangen mit den Schnurrhaaren hatten nichts von Bushs glatt rasierten Wangen an sich. Wie hätte der frühere Präsident ausgesehen, wenn er schwarze Schnurrhaare und Fell mit Schildpattzeichnung im Gesicht gehabt hätte? Sich das vorzustellen fiel schwer.
»Ich finde, sie sieht überhaupt nicht aus wie George Bush«, sagte ich entschieden. »Die Ähnlichkeit hast du frei erfunden. «
Das Foto hatte nicht dazu beigetragen, ihn mit unserem neuen Gast im Haus zu versöhnen. Ein gutes Foto verkauft eine schwierige Katze, sie war als Haustier jedoch schwer zu verkaufen. Ähnlich einem Dauerpatienten im Krankenhaus hatte Tottie zu viel Zeit in der Fürsorge unserer Katzenschutzeinrichtungen verbracht. Ich hatte mir die größte Mühe gegeben, ihr für das Bild auf der Webseite ein gutes Aussehen zu verleihen und sie dreimal besucht, um ein Foto aufzunehmen, auf dem sie einigermaßen reizvoll aussah. Ohne Erfolg.
Ich bin Mitglied einer kleinen Zweigstelle dieses gemeinnützigen Vereins. Wir beherbergen jedes Jahr etwa einhundertsiebzig ausgewachsene Katzen und Jungtiere. Unsere Abteilung kämpft ums Überleben. Schwer arbeitende Freiwillige veranstalten Trödelmärkte, stellen sich an Stände bei Dorffesten, organisieren Verlosungen und Tombolas, um Geld aufzutreiben. Meistens ermutigen Fotos auf der Webseite die Menschen, eine unserer Katzen zu adoptieren. Unerwünschte Katzen wie Tottie zu retten, ist ein teures Unterfangen. Je länger sie bei uns bleiben, desto mehr kosten sie. Jede Katze muss von einem Tierarzt untersucht, gegen Flöhe und Milben behandelt sowie sterilisiert oder kastriert werden, bevor sie untergebracht wird. Streunende Katzen, die von der Straße aufgelesen oder eingefangen werden, wenn sie durch ländliche Gegenden stromern, brauchen häufig viel medizinische Behandlung, sodass sich die Rechnung auf eine vierstellige Summe belaufen kann. Manchmal werden diese unerwünschten und bereits kranken Katzen absichtlich ausgesetzt und sich selbst überlassen, weil die Besitzer ihnen keine Behandlung beim Tierarzt zukommen lassen können oder wollen.
Als ich Tottie zum ersten Mal sah, lebte sie in einem Gehege mit einer langhaarigen, herrlichen Schildpatt und weiß getigerten Katze namens Lottie zusammen. Die Verschläge befanden sich im Garten von Ann, einer Freiwilligen. Cats Protection, der Katzenschutzbund, hat große Adoptionszentren in ganz Großbritannien. Kleine Zweigstellen wie unsere haben Pfleger und Pflegerinnen, die Katzen mit zu sich nach Hause nehmen oder ein oder zwei Katzenghege im Garten besitzen.
Die beiden Katzen stammten ursprünglich aus demselben Haus und sollten eigentlich befreundet sein. Doch da Tottie die meiste Zeit versuchte, sich an ihrem Schlafplatz zu verstecken, sah es nicht so aus, als wäre ihre Freundschaft sehr innig. Menschen überschätzen oft den Grad der Freundschaft zwischen Katzen. Über dieses Paar konnte man bestenfalls sagen, dass sie nicht miteinander kämpften.
Lottie war freundlich zu Menschen, und ihr gefiel, wenn Ann sie streichelte und bürstete. Ann wohnt in einem Dorf im Herzen Englands an einem für Katzen idealen Fleck, fern vom Autoverkehr. Wenn man sich in ihrer Auffahrt umdreht, sieht man für gewöhnlich eine Katze herumstromern. Das sind ihre eigenen Haustiere, hauptsächlich Katzen, die kein Zuhause gefunden haben. Sie besitzt einige davon, hat es aber nicht übertrieben. Ihr Haus grenzt an grüne Felder, auf denen sie viel Auslauf haben. Auch der Garten ist groß und langgestreckt. Ihr Haus ist immer makellos sauber, trotz der Katzen - sauberer und aufgeräumter als meins. Ann liebt Katzen, geht aber vernünftig mit ihnen um. Sie führt das Kassenbuch für unsere Zweigstelle und ist einer der fleißigsten und freundlichsten Menschen, die ich kenne.
Manche Katzenpfleger haben am Ende zu viele Katzen, weil sie es nicht ertragen, ihre Schutzbefohlenen abzugeben. Sie verlieben sich in sie und können sich nicht von ihnen trennen. Ann bewahrt sich in dieser Hinsicht den gesunden Menschenverstand - auch wenn Moses, der im Moment bei ihr lebt, ein schwarz-weißer verwilderter Kater ist, der um Menschen einen großen Bogen macht.
Als ich mit meiner Kamera auftauchte, um Bilder für die Webseite zu schießen, sah Lottie wirklich prächtig aus. Sie hatte ein weißes Gesicht mit goldenen Augen, langes, schimmerndes Fell, eine kleine rosa Nase und lange, weiße Schnurrhaare. Interessiert kam sie auf mich zu. Sie war eindeutig eine Schmusekatze.
»Die Fotos sind nicht sehr gut«, sagte ich zu Ann. »Ich komme an einem anderen Tag wieder und probiere es noch einmal, wenn ich mehr Zeit habe.«
Ich beschloss, dass ich bei meinem nächsten Besuch lange genug im Gehege sitzen würde, damit beide Katzen sich an mich gewöhnten. Als ich eintraf, war Ann nicht zu Hause. Ihr Mann ließ mich ins Gehege und mähte weiter den Rasen.
Der Fototermin lief nicht so gut. Lottie interessierte sich sofort für die Kamera und kam immer wieder nah an sie heran. Tottie, offenbar nervös geworden durch den Lärm des Rasenmähers, schien noch ängstlicher als bisher. Ihr Fell stand förmlich in Stacheln ab, wie bei einer Katze aus einem Cartoon. Die Ohren lagen noch platter an ihrem Kopf, wenn das überhaupt möglich war.
Wenn man diese Fotos ansah - und ich habe nur eins davon aufgehoben -, dachte man: »Was für eine hübsche Katze«, sobald der Blick auf Lottie fiel. Dann entdeckte man Tottie, die im Hintergrund kauerte. Die Fotos zeigten eine verdreckt aussehende, verschreckte Katze - sicher keine, die man haben wollte.
Die beiden sollten zusammen untergebracht werden, und niemand wollte beide nehmen. Selbst mit Lotties gutem Aussehen war Tottie nicht an den Mann oder die Frau zu bringen. Die beiden lebten seit anderthalb Jahren in dem Gehege. Lottie wurde nicht adoptiert, denn der Preis dafür war, Tottie ebenfalls zu nehmen.
Die meisten Adoptionswilligen wollen Jungkatzen, keine ausgewachsenen. Daran ist nichts auszusetzen, und in jedem Sommer findet Cats Protection für zahlreiche Jungkatzen ein Zuhause. Sie sind die Stars jeder Katzenhilfe. Wenn wir eine Mutter mit Jungen haben, werden diese für gewöhnlich vor der Mutter angenommen. Kätzchen sind der Renner!
Die Leute ziehen uns hinzu, wenn sie auf eine streunende Katze treffen, die unter einem Busch oder in ihrem Schuppen im Garten oder hinter den Mülleimern geworfen hat.
Wir nehmen die Mutter und ihre Jungen auf und suchen für alle eine Unterkunft. Die Jungkatzen würden sonst zu Wildtieren heranwachsen, nicht zu Hauskatzen. Solche Tiere nennen wir verwilderte Katzen. Sie sind schwer zu zähmen und geben nur selten gute Haustiere ab.
Weder Tottie noch Lottie hatten die herausragende Eigenschaft von Jungkatzen, obwohl sie das Glück hatten, noch relativ jung zu sein. Ältere Katzen haben die geringste Chance, angenommen zu werden. Nur wenige, besonders liebevolle Menschen wollen ihnen für den Rest ihres Lebens einen warmen Platz am Herd geben. Obwohl sie sehr gute Hauskatzen abgeben, müssen die älteren Tiere häufig monatelang auf ein Zuhause warten. Da Tottie sehr jung war, hätte sie theoretisch viel schneller adoptiert werden sollen.
Dass niemand sie haben wollte, konnte nur an ihrer schmuddeligen Farbe und der verängstigten Körpersprache gelegen haben. Nach dem Alter spielt die Farbe bei Adoptionswilligen eine große Rolle. Die meisten wählen Katzen nach ihrer äußeren Erscheinung aus, besonders nach ihrer Farbe. Aufgrund von Vorurteilen der Interessenten sind alle dunklen Tiere bei der Suche nach einem Zuhause deutlich benachteiligt. Alle Tierheime wissen, dass große schwarze, hässliche Hunde und kleine schwarze, hässliche Katzen schwierig unterzubringen sind.
Jungkatzen mit hellem Fell werden stets zuerst ausgewählt. Rauchfarbene oder Siamkatzen sind beliebt. Weiße, rotbraune oder rotbraun-weiß getigerte Katzen finden auch schnell ein Zuhause. Dann kommen die weiß gescheckten und die Tigerkatzen. Dabei sind besonders die hellen bei fast allen beliebt. Vielleicht liegt es an den Streifen und Flecken.
Dann folgen schwarz-weiße Katzen. Dabei hängt viel von ihrer Zeichnung ab. Eine hübsche weiße Brust mit dazu passenden weißen Pfoten lässt manche Katzen so schick aussehen wie Fred Astaire im Smoking. Diese Katzen haben Stil. Andere schwarz-weiße Katzen haben Zeichnungen, die
Menschen dazu bringen, zu lachen und sie zu adoptieren. Schwarze oder braune Katzen sind die unbeliebtesten. Sogar Tigerkatzen werden doppelt so häufig adoptiert. In den Vereinigten Staaten ist man der Meinung, dass schwarze Katzen Unglück bringen, daher sind sie dort sehr unbeliebt. Ich habe einmal die Arzthelferin eines Tierarztes kennengelernt, die in den 1990ern in einem amerikanischen Katzenpflegeheim gearbeitet hatte. Sie erzählte mir, dass die Unbeliebtheit schwarzer Katzen zu Halloween besonders ärgerlich sei. Offenbar glaubt man in Amerika, dass schwarze Katzen an Halloween von Anhängern schwarzer Magie lebendig verbrannt würden. Wohlmeinende Mitmenschen hätten dann schwarze Katzen in ihr Tierheim gebracht, um sie vor einem schrecklichen Tod zu bewahren. Stattdessen wurden diese »geretteten« Katzen sofort eingeschläfert. In Großbritannien, wo gut geführte, gemeinnützige Vereine, so wie zum Beispiel Cats Protection, gesunde Katzen nicht abweisen, werden schwarze Katzen nicht getötet. Sie verbringen nur Monate in einem kleinen Katzengehege und warten auf jemanden, der bereit ist, sie zu sich zu nehmen.
Wo stehen also Schildpatt-Katzen wie Lottie und Tottie in der Beliebtheitsskala? Wenn sie etwas Weiß im Fell haben, sind sie so beliebt wie Tigerkatzen. Schildpatt-Katzen mit weißer Zeichnung wie Lottie sind in der Regel weiblich, rotbraune Katzen meist männlich. Sie werden schnell adoptiert, wenn sie eine hübsche Zeichnung haben. Lottie sah prächtig aus. Wäre sie nicht im Doppelpack mit Tottie angeboten worden, hätte sie rasch ein neues Zuhause gefunden.
Braune Schildpatt-Katzen ohne jegliches Weiß wie Tottie sind unbeliebt. Diese dunklen Tiere sehen von weitem braun aus, und braune Katzen werden laut einer amerikanischen Studie noch seltener adoptiert als schwarze.
Daher würde Tottie auf der Adoptionsliste immer ganz unten rangieren. Adoptionswillige, denen das Aussehen einer Katze gefällt, sprechen davon, sich in ihre Traumkatze »verliebt« zu haben. Wie das Verlieben in einen Menschen ist die Adoption einer Katze keine rationale Entscheidung, sondern vielmehr eine emotionale. Hässliche braune Katzen erobern einfach nicht die Herzen der Interessenten.
Dass Tottie eine Katze war, half ebenfalls nichts. Kater werden schneller adoptiert als Katzen. Ihr langes Fell war ebenso wenig nützlich. Während langhaarige Rassekatzen durchaus beliebt sind, werden langhaarige Hausmiezen eher nicht genommen. Das tägliche Bürsten schreckt ab.
Deshalb waren Totties Aussichten schlecht. Selbst die schwarzen Katzen, die zu unserer Zweigstelle gebracht wurden, fanden vor Lottie und Tottie ein Zuhause. Das lag nicht nur daran, dass Tottie eine Farbe hatte, die keiner mochte. Hätte sie sich nett verhalten und wäre im Gehege schnurrend nach vorn gekommen, hätte bestimmt jemand aufgrund Lotties guter Erscheinung beide Katzen genommen, Doch ein Blick auf Tottie, wie sie sich in ihrem Katzenbett versteckte, überzeugte jeden Adoptionswilligen davon, auf beide Katzen zu verzichten. Sie wirkte aggressiv und misstrauisch. Tatsächlich war sie schlicht und einfach verängstigt.
Verzweifelt beschloss Cats Protection schließlich, die beiden Katzen getrennt adoptieren zu lassen. Wenigstens würde auf diese Art und Weise eine der Katzen ein Zuhause finden. Lottie wurde fast sofort angenommen. Tottie blieb bei Cats Protection. Das überraschte weder Ann noch mich. Aber es war gut zu wissen, dass Lottie endlich ein eigenes Zuhause gefunden hatte. Ihr neuer Besitzer rief sogar bei uns an und teilte uns mit, was für eine wunderbare Katze sie sei. Für Lottie war dies ein glücklicher Ausgang nach ihren anfänglichen Schwierigkeiten, und, wie wir hoffen, der Beginn eines Lebens in einem behüteten, liebevollen Zuhause.
Nun war Tottie ganz allein. Leider veränderte sich ihr Verhalten dadurch nicht. Sie zitterte noch immer ängstlich in ihrem Bett, wenn ein unbekannter Besucher in die Nähe kam. Wir fragten uns allmählich, ob sie verwildert war.
Cats Protection schläfert verwilderte Katzen nicht ein. Für gewöhnlich findet unsere Zweigstelle für diese ungezähmten Katzen ein Zuhause als Mäusefänger. Bauern und Stallbesitzer meinen, dass zwei gesunde Katzen Ratten und Mäuse dezimieren.
Unsere verwilderten Katzen werden sterilisiert, auf Würmer und Flöhe untersucht und behandelt und hinausgeschickt, um in einer guten Unterkunft das Leben eines Jägers zu führen. Auch sie müssen richtig ernährt werden, da gefütterte Katzen mehr Mäuse fangen. Hunger schwächt sie nur und macht sie zu weniger erfolgreichen Jägern. Für verwilderte Katzen, die Angst vor Menschen haben, ist das Leben auf einem Bauernhof oder in einem Stall das Beste überhaupt. Mäuse zu jagen ist ihnen von der Natur vorbestimmt.
Dieses Leben hätte Tottie haben können, bis auf ein Problem - ihr langhaariges, flauschiges Fell. Ihr Fell ist typisch für reinrassige Birma-Katzen. Die langen, rauen Schutzhaare, die sonst die Oberfläche des Katzenfells schützen, fehlten bei ihr jedoch. Stattdessen bestand ihr Fell ausschließlich aus Unterhaar, den weichen, flauschigen Haaren, die nicht wetterfest sind. Dieses flauschige Fell verfilzt sehr schnell und bedarf regelmäßiger Pflege.
Verwilderte Stallkatzen lassen niemanden nah genug an sich heran, um sie zu bürsten. Wenn wir Tottie einfach in den Außengebäuden oder einem Stall wohnen ließen, würde sie völlig verfilzen. Dieses Verfilzen führt bei einer Katze zu gesundheitlichen Problemen. Wenn das Fell sich verknotet und verheddert, zieht es sich zusammen. Die Haut darunter wird wund, kann sogar aufreißen und bluten.
Daher konnte Tottie nicht an einen Bauernhof gegeben werden, aber niemand wollte sie als Haustier. Sie verhielt sich, als wollte auch sie kein Haustier sein. Ihre Zukunft sah nicht gerade rosig aus. Wäre sie in einem amerikanischen Tierheim gewesen, hätte man sie wahrscheinlich schon eingeschläfert.
Manche Tierheime in den USA schläfern die Hälfte ihrer Katzen ein, weil man nur für wenige ein Zuhause findet. Doch dank der Grundregel von Cats Protection, Tiere nicht zu töten, lebte Tottie noch achtzehn Monate, nachdem sie bei uns abgegeben worden war. Doch sie führte ein erbärmliches Dasein.
Während manche Katzen in einem Tierheim gut zurechtkommen, fühlte sich Tottie offensichtlich sehr gestresst. Und nun sah es ganz so aus, als würde sie ihr Leben lang dort festsitzen. Wer um alles in der Welt wollte schon eine hässliche Katze haben, die vor Menschen zurückschrak?
»Ich dachte, du könntest vielleicht helfen«, sagte Ann zögernd, als wir über Totties Misere sprachen. Ich war gekommen, um den dritten Versuch zu starten, ein reizvolles oder wenigstens weniger hässliches Foto von der kleinen Katze aufzunehmen.
Ann hatte den grünen Katzenkorb aus Plastik entfernt und die Decke in der Schlafecke gelassen, damit Tottie besser zu sehen war. Man konnte ihren Katzenbuckel, den gesenkten Kopf und die flach anliegenden Ohren deutlich erkennen. Sie sah aus wie die klassische verängstigte Katze, die versuchte, sich so klein wie möglich zu machen. Sie drückte sich platt auf den Boden, die Pfoten hatte sie unter sich gesteckt. Ihr Schwanz war fest um den Körper gelegt, und die Ohren hatte sie zurückgelegt. Ihre Augen waren vor Schreck geweitet. Fotografisch gesehen ein hoffnungsloser Fall. Sie sah furchtbar aus.
»Vielleicht«, meinte Ann vorsichtig, »könntest du sie bei dir zu Hause pflegen. Dort gewöhnt sie sich eventuell schneller an Menschen. Dann hat sie womöglich bessere Aussichten, adoptiert zu werden.«
»Mit einem besseren Namen wären ihre Chancen auch größer, adoptiert zu werden«, erwiderte ich. »Den Namen Tottie kann ich nicht ausstehen. Darf ich sie stattdessen nicht Tilly nennen? Das könnte helfen.« Nachdem ich sie also mit nach Hause genommen und Ronnie mir klargemacht hatte, dass auch er den Namen verabscheute, wurde Tottie zu Tilly. Die Umbenennung war der erste Schritt zu einer besseren Zukunft - hofften wir jedenfalls.
Das nächste Problem war ihr verängstigtes Verhalten. Die Vorstellung, das zu ändern, fand ich verlockend. Ich hatte gerade mein Studium in angewandter Verhaltenstherapie für Tiere abgeschlossen und wollte meine neu erlernten Fähigkeiten unbedingt in die Praxis umsetzen, während ich auf mein Diplom wartete.
Tottie, jetzt Tilly, war ein interessanter Fall. Wenn sie sich nicht änderte, hätte sie eine trostlose Zukunft vor sich. Manche Organisationen zur Rettung von Katzen wären versucht gewesen, sie aufzugeben. Selbst wenn ich ihr Verhalten nicht vollständig verändern könnte, würde sie wenigstens lernen, wie es war, mit Menschen zusammenzuleben. Vielleicht würde sie es sogar schaffen, sich an Menschen in ihrer weiteren Umgebung zu gewöhnen.
Dass sie je lernen würde, uns zu mögen, schien mir unwahrscheinlich. Das war zu viel der Hoffnung. Außerdem würde auch ich nicht lernen, eine so unsympathische Katze zu lieben. Stattdessen konnte ich als frisch diplomierte Verhaltensforscherin für Katzen ihr Verhalten auf distanzierte, wissenschaftliche Weise bearbeiten. Sie wäre eine Herausforderung. Wir hatten beide nicht viel zu gewinnen, doch die Sache war interessant für mich und könnte ihr vielleicht guttun.
»Warum eigentlich nicht?«, sagte ich zu Ann. So kam es, dass ich die hässlichste und ängstlichste Katze unserer Zweigstelle von Cats Protection mit nach Hause nahm.
2
Katzenwahl
Warum Tilly? Vermutlich beinhaltet diese Frage drei unterschiedliche Sichtweisen. Die erste ist einfach: Warum haben wir Menschen überhaupt Haustiere? Die zweite: Warum halte ich Katzen und keine Pferde, Hunde, Kaninchen oder auch nur Wellensittiche? Und schließlich: Warum um alles in der Welt habe ich Tilly ein Zuhause gegeben, der hässlichsten Katze im Tierheim, der Katze, die niemand haben wollte?
Zunächst einmal bin ich, wie die meisten Menschen, eine Haustiere haltende Kreatur. Wenn man es recht bedenkt, dann ist es doch eigenartig, dass wir eine andere Gattung in unsere Familie aufnehmen. Die meisten Haustiere, darunter auch Hunde und Katzen, haben keinen Nutzen für uns. Es kostet Zeit und Energie, sie aufzuziehen und zu versorgen, und in der westlichen Gesellschaft sind sie kostspielige Konsumenten von Tiernahrung und tierärztlicher Behandlung.
Überall auf der Welt gibt es Menschen, die Tiere bei sich aufnehmen - nicht nur Hunde und Katzen, sondern auch Affen, Flusspferde, Giraffen, Lämmer, Eichhörnchen, Lamas, Wasserschweine, Mäuse und Spatzen. Besonders Jungtiere sprechen anscheinend einen Instinkt im Menschen an. Allein der Anblick des Gesichts eines Jungtiers - rund, mit großen Augen, einer kleinen Nase und einem rosa Mäulchen - erweckt in uns den Wunsch, für das winzige Geschöpf zu sorgen. Wir sind darauf programmiert, auf Babygesichter zu reagieren. Deshalb gurren Erwachsene über einem Kinderwagen. Die Natur versorgt Babys mit einem Gesicht, das bei Erwachsenen ankommt, weil hilflose Babys der Bemutterung bedürfen, um überleben zu können.
Welpen und Jungkatzen habe ganz ähnliche Babygesichter, wenn sie klein sind - rundlich, mit großen Augen und kleinen Nasen. Aufgrund des Kindchenschemas mögen wir Tiere, die Babys ähnlich sehen. Das erklärt zum Teil, warum ich Haustiere mag. Ich fühle mich instinktiv zu ihnen hingezogen. Es liegt in meiner menschlichen Natur.
Dazu kommt meine Erziehung. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, umgeben von Haustieren. In meiner Kindheit hielt meine Familie Hunde, Kaninchen, Meerschweinchen, weiße Mäuse, Kanarienvögel, einen zahmen Raben, Tauben, Reisfinken, Schildkröten, Ponys, Pferde und Esel. Ich verbrachte auch Zeit mit den Jungtieren des Hofes - Ferkel, Lämmer, Kälber und Küken. Einmal habe ich sogar regelmäßig eine wilde Ratte gefüttert, die über einem der Schweinekoben lebte.
Samuel Whiskers, wie ich die Ratte nach einer Figur aus einem Buch von Beatrix Potter taufte, tauchte aus ihrem Loch auf und lief über einen Sims über dem Schweinestall. Sie schnappte sich das Futter, das ich für sie dort hingelegt hatte, und flitzte in ihr Loch zurück. Im Lauf der Wochen wurde sie geschmeidig, kam hervor und nahm das Futter mit wachsendem Zutrauen. Ich wusste, dass sonst niemand Ratten mochte, aber ich musste einfach mit ihr angeben.
»Ich habe ein neues Haustier«, verkündete ich der Familie beim Mittagstisch. Zwei Tage danach tauchte Samuel Whiskers nicht mehr auf. Ich hätte ihn vor den feindlich gesinnten Erwachsenen geheim halten sollen.
Natürlich gab es in meinem Elternhaus auch Katzen. Alle Bauernhöfe hatten damals Katzen. Man kam auf einen Hof, und vier oder fünf Katzen stoben in die Scheunen. Das waren die halb verwilderten Hofkatzen, mehr oder weniger Freigänger, denen aber mit einer Schale Milch oder Essensresten an der Hintertür zur Milchkammer ausgeholfen wurde. Im Haus selbst herrschte für gewöhnlich eine zahme Küchenkatze, doppelt so groß und doppelt so dick wie Hofkatzen. Dieses glückliche Tier war in der Regel als Jungtier von der Bäuerin angenommen worden.
Unser Bauernhof war einer von dreien in einem Dorf in Berkshire im flachen, fruchtbaren Tal der Themse. Die Felder wurden seit der Zeit der Sachsen bearbeitet. Anfang der 1950er, vor dem Aufkommen von Kunstdünger, hielt der Hof mehr oder weniger einen Dreijahresrhythmus beim Bewirtschaften der Felder ein. Zwei Jahre lang wurde auf einem Feld Getreide angebaut. Das Stroh verwendete man, um das Vieh (und die Pferde meines Vaters) im Winter darauf zu betten. Im dritten Jahr wurde das Feld Luzernen oder Steckrüben überlassen, mit denen das Vieh in den Winterquartieren gefüttert wurde.
Wir bauten Weizen und Hafer für die Pferde an. Außerdem hatten wir eine Herde Milchkühe, ein paar Schweine sowie Hühner, die draußen im Hof herumliefen. Hinter den alten Hofgebäuden waren verschiedene Pferche errichtet worden. Im Zentrum des Hofes, der inzwischen völlig zugebaut ist, lag zur Rechten ein Heuschober mit altmodischen Viehställen und in der Mitte eine große Scheune, in der heute eine moderne Getreidetrocknungsanlage steht. Zur Linken befand sich der Garten, der bis zu dem aus dem siebzehnten Jahrhundert stammenden Wohnhaus reichte. Die später im georgianischen Stil eingerichteten Zimmer gingen zum Garten hinaus. Dahinter befanden sich eine geflieste Milchkammer zur Herstellung von Butter und Käse, eine große Küche und eine ebenso geräumige Vorratskammer. An der Milchkammer vorbei gelangte man zu einer Sattelkammer neben den Schweineställen und sechs wackeligen Boxen für die Jagdpferde meines Vaters.
Das Haus und die Nebengebäude waren das Revier einer ganzen Dynastie weißer Katzen. Die Gründerin und Matriarchin war Simpkin, die Katze meiner älteren Schwester. Sie saß meistens nah am Kohleherd in der rot gefliesten Küche. Vor Einführung der Zentralheizung war die Küche immer der wärmste Raum im Haus gewesen. Simpkin war sterilisiert worden. In den 1950ern waren wir unserer Zeit voraus, da wir nicht nur unsere Kater kastrieren, sondern auch unsere Katzen sterilisieren ließen.
Rückblickend beeindruckt mich das. Katzen zu sterilisieren war neu, obwohl Kater schon seit Jahren kastriert wurden. Die Pionierin in Großbritannien nach dem Krieg war Miss Nerea de Clifford, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Katzen und Autorin des Buches Was britische Katzen vom Fernsehen halten. Ihre Schlussfolgerung lautete, dass »die meisten Katzen ein gewisses Interesse zeigen, obwohl es häufig feindselig ist«. Ebenso wie andere herausragende Frauen fühlte sich Miss de Clifford zu Katzen hingezogen. Sie hat bei Cats Protection ihre Spuren hinterlassen. Wenn ihr Name in einer Unterhaltung fiel, wurde er mit Achtung und Ehrfurcht ausgesprochen.
Miss Clifford schlug 1946 zum ersten Mal ihrem Tierarzt eine Operation für Katzen vor. »Er zögerte und sagte mir, er habe sie an seiner eigenen Katze vorgenommen, und es sei einfach wie eine Totaloperation«, erzählte sie mir viel später. Auf ihr Betreiben hin wurde Cats Protection zum Fürsprecher einer neuen Form der Geburtenkontrolle, und die Idee dieser bemerkenswerten Frau war in den 1950ern irgendwie zu uns in das kleine Dorf in Berkshire durchgesickert. Ich kann mir nicht vorstellen wie. Vielleicht hatten wir einen fortschrittlich denkenden Tierarzt.
Daher ließen wir unsere Katzen sterilisieren, doch wir glaubten wie alle anderen an den Mythos, dass jede Katze aus gesundheitlichen Gründen wenigstens einen Wurf haben sollte. Als Simpkin trächtig wurde, sollten ihre Jungen von einem unserer Arbeiter auf dem Hof ertränkt werden. Das war damals das traditionelle Schicksal für unerwünschte Jungkatzen. Meine Mutter, die ein Herz für Tiere hatte, bestand darauf, dass eine kleine Katze übrig bleiben sollte. »Simpkin muss ein Junges haben, das sie versorgt«, wandte sie ein. So bekam Simpkin die Chance, einen Sohn großzuziehen, Moppet. Er wurde mir zugewiesen, als ich acht Jahre alt war - »mein« Kater.
Ich mochte ihn sehr, obwohl ich mich nicht daran erinnern kann, dass er mir in irgendeiner Weise den Vorzug gab. Seine Tochter Scrappy, die von ihm gezeugt wurde, bevor er es mit einer Katze aus dem Dorf trieb, war die kleinste der drei weißen Katzen und wurde meinem jüngeren Bruder zugeteilt. Wir drei Kinder haben vielleicht geglaubt, die Katzen gehörten uns, doch in Wirklichkeit gehörten sie keinem bestimmten Besitzer.
Simpkin, Moppet und Scrappy führten ein unabhängiges Leben, verbrachten die meiste Zeit auf Mäusejagd in den Hofgebäuden und kamen nur zum Fressen und Schlafen herein. Während die Hunde der Familie meinem Vater mit bewundernswerter Ergebenheit überallhin folgten, hielten die Katzen bewusst Abstand von ihm. Im Winter jedoch schliefen sie im Bett des Kindes, das gerade Platz hatte. Mein Bett war manchmal mit Tieren überfüllt - mit zwei Katzen, die in verschiedenen Bereichen des Bettes ruhten, und häufig einem der drei Hunde, falls mein Vater an dem Abend nicht im Haus war.
Katzen können verspielt sein, aber Moppet, Simpkin und Scrappy weigerten sich, meine kindlichen Spiele zu spielen. Ich nahm die Kamingitter von den offenen Kaminen mit in den Garten und stellte sie zu einem Gehege auf. Die Hunde saßen dann immer glücklich in meinem kleinen Privatzoo. Die Katzen sprangen sofort heraus, so oft ich sie auch hineinsetzte.
Gelegentlich zog ich die Familienhunde an. Das ließ keine unserer drei Katzen zu. Schicke Kleidung fanden sie nicht besonders lustig. Trotzdem haben diese weißen Katzen, die mich vom siebten bis zum dreizehnten Lebensjahr begleiteten, ihre zarten Pfotenabdrücke auf meinem Herzen hinterlassen. Moppet hat sogar mehr als das getan. Er hinterließ eine nicht verheilte Narbe auf meinem Herzen. Sein unglückliches Schicksal bringt mich auch heute noch fast zum Weinen, ein halbes Jahrhundert später. Moppet hatte das Pech, mit meinem Vater in Konflikt zu geraten.
Ich liebte meinen Vater, aber er schüchterte mich auch ein. Er hatte nicht viel Zeit für seine zweite Tochter. »Frauen«, pflegte er mit verächtlicher Stimme zu sagen. »Gib ihnen einen Platz, auf dem sie ihre Handtasche ablegen können, und sie tun jede langweilige Arbeit.« Eine zweite Tochter statt des langersehnten Sohns war nicht das, was er gewollt hatte. Ich war für ihn überflüssig wie ein Kropf.
Ich hatte das Gefühl, dass er mich verachtete. Wenn ich über irgendetwas weinte, spottete er: »Ich werde dir zwei Marmeladengläser um den Hals binden und sehen, welches zuerst vollläuft.« Meine Schwester und mein Bruder waren tapfer. Ich nicht. »Du bist der Feigling der Familie«, sagte er immer zu mir. Er verabscheute jegliche Art Schwäche. In meinen ersten sechs oder sieben Lebensjahren war ich oft krank und ein paar Mal im Krankenhaus. »Du bist die Schwächste aus dem Wurf«, sagte er dann.
Kein Wunder also, dass mir das wirklich Schwächste aus dem Wurf in unserem Schweinestall neben den Stallungen besonders leidtat. Vernünftige Bauern behalten die besten Ferkel, nicht die schwachen. Das schwächste wird geschlachtet. Es eignet sich nicht für die Zucht. Ich schnorrte für Hoggie, wie ich das Ferkel nannte, immer Reste in der Küche. Ich habe ein Foto von mir, wie ich in einer Latzhose im Pferch hocke und Ferkel sich um mich herum drängen, während ich sorgsam darauf achte, dass Hoggie sein Fressen bekommt. Ich hoffte, es zu mästen, damit ihm die Schlachtung erspart und es vielleicht zur Zucht behalten wurde. Ich konnte Hoggie aber nicht retten.
Trotzdem blieb der Vorwurf »die Schwächste aus dem Wurf« tief in meinem Herzen verwurzelt. Die achtlose Herabsetzung durch meinen Vater bedeutete, dass ich mich mit unerwünschten Tieren identifizierte und das Bedürfnis hatte, sie zu retten. Ich habe mich gefragt, ob dieser Ausdruck auch eine Rolle dabei gespielt hat, warum ich nie Kinder hatte und mich als Mutter ungeeignet fühlte. Wie bei ungeliebten Kindern und unglücklichen Erwachsenen üblich, versuchte ich, den Tieren in meiner Umgebung die Liebe und Hilfe zukommen zu lassen, die ich brauchte. Die Saat für meinen Entschluss, Tilly zu retten, war in meiner Kindheit ausgebracht und gehegt worden. Achtzehn Monate lang war Tilly unerwünscht gewesen und nicht adoptiert worden. Im Grunde meines Herzens wusste ich, wie sich das anfühlte.
Mein Vater tolerierte die Familienkatzen. Er wusste ihre Rolle als Kammerjäger zu schätzen. Die Katzen, der Hof und seine Familie waren sein Eigentum. Lässige Nachsicht wechselte ab mit wildem Zorn. In seinem Körper fühlte er sich wohl. Sein Charakter war komplizierter. Er war ein Alphamännchen, daran besteht kein Zweifel. Ich hatte Angst vor ihm, ebenso einige seiner Arbeiter.
Seine guten Seiten bestanden in seiner überschwänglichen Energie, seiner Begeisterungsfähigkeit, seiner Freude an Essen und seinem Spaß am Leben sowie in einem forschenden, wenn auch undisziplinierten Geist. Er war völlig furchtlos. Seine Lieblingsbeschäftigung war die Fuchsjagd, hin und wieder jagte er auch Hirsche oder Otter. Wenn eine Fuchsjagd nicht möglich war, fuhr er nach Schottland auf die Pirsch oder zur Fasanenjagd. An einem schönen Tag ging er im Allgemeinen hinaus und tötete etwas. Darin war er den Katzen ähnlich. Er mochte einen gewissen Respekt vor den Jagdfähigkeiten von Katzen gehabt haben, doch im Grunde waren Tiere Dinge, die er benutzte und besaß. Ich glaube, seine Hunde hat er geliebt, obwohl Liebe ein Gefühl war, das er selten zeigte. Ein oder zwei Pferde mögen ihm am Herzen gelegen haben. Meistens jedoch ritt er einfach darauf.
Tiere strafte er, ohne darüber nachzudenken. Die Pferde schlug er an den Kopf, wenn ihr Verhalten ihn ärgerte, die Hunde trat er. Als kleines Kind sei er, wie er sagte, in der Vorschule und auch später regelmäßig geschlagen worden. Er verhielt sich also Tieren gegenüber genauso, wie man mit ihm umgesprungen war. Das ist der Kreislauf der Misshandlung.
Menschen, die ihn gut kannten, sagen mir, er habe mich geliebt. Heute, als Erwachsene, kann ich das auch erkennen. Als nervöses Kind kam mir das sehr unwahrscheinlich vor. Ich dachte, er bringe mir hauptsächlich Verachtung entgegen. Er war kein Mann, den man verärgern sollte. Verzeihung gab es für ihn nicht. Mit Mitte achtzig, als er mutig und ohne Klagen oder Selbstmitleid dem Tod ins Auge sah, fragte ich ihn, ob er einen Vetter sehen wollte, mit dem er sich zerstritten hatte. Er antwortete: »Ich habe ihm nicht verziehen.«
Moppet geriet mit seinem Zorn in Konflikt. »Dieser verdammte Kater«, wütete mein Vater, als er in die Küche des Hofes stürmte. »Er hat eine meiner Tauben getötet. Dafür wird er bezahlen. Das macht er nie wieder, wenn ich mit ihm fertig bin.«
Die preisgekrönten Tauben meines Vaters, Deutsche Nönnchen mit schwarzem Kopf und Schwanz, lebten im Taubenschlag in einer Scheune. Mein Vater hatte Moppet mir einer toten Taube im Mund erwischt. Die Tatsache, dass Katzen im Allgemeinen instinktiv Vögel töten und dass auch unsere drei gelegentlich welche fingen, rettete Moppet nicht vor der Bestrafung. Er hatte etwas getötet, das meinem Vater gehörte. Er musste leiden.
Die Bestrafung war grauenvoll. Die tote Taube wurde in Petroleum getränkt und Moppet fest um den Hals gebunden. Jeder, der jemals einer Katze ein Halsband angelegt hat, weiß, wie nervös sie das machen kann. Der arme Moppet, schleppte sich und die tote Taube elend und zu Tode erschrocken durch den Hof. Er lebte unter dem Joch des scheußlich stinkenden Leichnams. Weder meine Mutter noch ich wagten, ihm zuliebe einzuschreiten.
»Komm mit nach oben«, sagte meine Mutter am nächsten Morgen leise zu mir, als mein Vater draußen war und niemand uns belauschen konnte. »Ich möchte dir etwas zeigen. Du musst dir um Moppet keine Sorgen mehr machen. Ihm geht es gut. Ich habe ihn gerettet.«
Sie nahm mich mit in ein nicht benutztes Zimmer, einen Raum voller Gerümpel auf der Rückseite des Hauses, den niemand betrat. Moppet lag erschöpft auf einer Decke in einem Karton. Sein Fell war mit Petroleum getränkt, und er versuchte vergeblich, es abzulecken. Meine Mutter hatte den ganzen Hof nach ihm abgesucht und ihn schließlich eingerollt in einer Scheune gefunden, den Kadaver noch immer um den Hals. Sie hatte ihm die Taube vom lädierten Hals abgeschnitten und ihn in dem Zimmer versteckt, in dem er sich von seinen Qualen erholen konnte, ohne dass mein Vater davon erfuhr.
Die Erfahrung hatte Moppet gebrochen. Von diesem Zeitpunkt an lebte er in einem Zustand chronischer Angst. Er hörte auf, sein Fell richtig zu pflegen und sah allmählich dreckig aus. Er fing an, in dem verzweifelten Versuch ins Haus zu pinkeln, seinen Zustand durch die Markierung seines Reviers zu verbessern. Kurz darauf wurde er auf der vielbefahrenen Hauptstraße überfahren, die an unserer Gartenmauer entlangführte.
Mein Vater nahm mich mit, damit ich mir die Leiche anschaute. »Komm schon. Du guckst dir am besten an, was passiert ist«, sagte er zu mir. Moppets schlaffer Leichnam lag draußen vor dem Gartentor. Vielleicht hatte er mit letzter Kraft versucht, sich nach Hause zu schleppen.
Mein Vater wollte, dass ich den Kadaver sah. Er glaubte daran, Kinder zu stählen, um sie auf harte Zeiten im späteren Leben vorzubereiten. Als Junge hätte man von mir erwartet, dass ich Tiere aus Spaß tötete, so wie er. Frauen mussten zum Glück keine Tiere erschießen, sondern sie nur jagen. Ich hatte bereits auf dem Rücken meiner Ponys Angst gezeigt und mich geweigert, auf Fuchsjagd zu gehen. Da ich eindeutig der Feigling der Familie war, dachte er vielleicht, ich brauchte zusätzliche Stärkung.
Moppets Leiche zu sehen härtete mein Herz nicht ab. Stattdessen war diese Erfahrung eine Warnung für mich. Ich hatte das Gefühl, in einem Haushalt zu leben, in dem es keine wirkliche Sicherheit gab. Ich musste aufpassen, vorsichtiger auftreten, als der arme Moppet es getan hatte. Meine Beziehung zu meinem Vater bestand darin, dass ich ihm möglichst aus dem Weg ging und mich unterwürfig seiner Autorität fügte.
»Ich werde dir meinen Stempel aufdrücken, Celia«, sagte mein Vater oft und funkelte mich wütend von seinem Platz am Kopfende des Esstisches an, wenn wir unsere Mahlzeiten einnahmen. »Du wirst versuchen auszuweichen, aber meine Art wird dich prägen, ob du willst oder nicht.«
Tatsächlich hat er mich für immer gezeichnet, wenn auch nicht in der Weise, die er beabsichtigt hatte. Ich sah, wie er Pferde schlug, wenn sie nicht machten, was er wollte. Ich sah, wie er Geld sparte, als er seine Kühe von einem Tierarzt behandeln ließ, der ihre Hörner ohne Betäubung abtrennte, sodass der Hof voller Blut war und die Tiere gequält muhten.
Heute ist mir klar, dass diese Grausamkeit seiner Verbitterung und seinem Elend entsprang. Er saß in einer unglücklichen Ehe fest, war als Kind geschlagen und misshandelt worden. Das hatte ihn ungewöhnlich empfänglich für jegliche Art von Geringschätzung oder Beleidigung gemacht. Er war unfähig, anders als mit Zorn auf Meinungsverschiedenheiten zu reagieren. Und er besaß die Fähigkeit, Schmerz auszublenden, sei es den eigenen oder den eines anderen. In seinem späteren Leben und in einer glücklichen zweiten Ehe war er zufriedener und ging demzufolge freundlicher mit Tieren um. Als Kind konnte ich diese Feinheiten jedoch nicht begreifen. Ich identifizierte mich einfach mit seinen Opfern.
Er hat mir seinen Stempel aufgedrückt, wie versprochen. Doch das hat mich eher weicher als härter gemacht. Die Identifizierung mit misshandelten Tieren hat mich für mein Leben geprägt. Mir fällt es schwer, über die verletzten, halb verhungerten, misshandelten und unglücklichen Tieren in unserer Gesellschaft hinwegzusehen. Ich kann so tun, als wären sie nicht da. Ich kann sie ignorieren, wenn ich genug zu tun oder genug getrunken habe oder wenn ich sie einfach leugne. Häufig habe ich jedoch das Gefühl, als würde ich im Stillen mit ihnen leiden, besonders wenn ich ihr Leid tatsächlich sehe. Deshalb spürte ich auch die Not der kleinen Katze, die in Anns Gehege kauerte.
Meine Kindheit hat in mir das Bedürfnis entstehen lassen, Tieren nah zu sein, aber das war für die betroffenen Tiere nicht immer gut. Ich war nicht immer eine verantwortungsvolle Besitzerin. Im Internat bekam ich Probleme, weil ich heimlich eine weiße Maus in meinem Kleiderschrank hielt. Eine andere weiße Maus hat mich eine Zeitlang an der Universität in Cambridge begleitet. Doch als mir klar wurde, dass mein Freund zu viel meiner Zeit in Anspruch nahm, verschenkte ich sie mitsamt ihrem Käfig an jemandem, der sie haben wollte.
Als ich in den 1960ern in London eintraf, schenkte man mir eine Jungkatze, eine Birma-Katze, die ich Tunku nannte. Sie verschwand eines Tages, als sie sich alt genug dafür fühlte. Ich führte ein Leben, das für die Haltung von Haustieren nicht geeignet war. Mit zwei anderen Mietern wohnte ich in einem Hinterhaus. Ich hörte laut Musik. Freunde kamen und gingen, da ich anscheinend unfähig war, ein vernünftiges Sexualleben zu führen. Ich trank zu viel, trug Miniröcke und kniehohe Stiefel, ging in Nachtklubs, die von Popstars wie Mick Jagger unterstützt wurden, und kam oft erst in den frühen Morgenstunden nach Hause. Tunku war sehr vernünftig, als er ging. Das tun Katzen nämlich, wenn sie das Gefühl haben, dass ihr Zuhause nicht wirklich für sie geeignet ist.
Mein nächstes Haustier war Jelly, ein bezaubernder Mischlingshund, der in meiner ersten Ehe zu mir kam. Ich drehte mit ihm jeden Morgen eine Runde, bevor ich zur Arbeit ging. Als meine Ehe auseinanderging, nahm ich Jelly mit. Ich übergab den Ärmsten verschiedenen Betreuern, bis mir klar wurde, dass ich nicht richtig für ihn sorgen konnte. Also gab ich eine Annonce auf und fand ein gutes Zuhause für ihn. Langsam und allmählich lernte ich, mehr Verantwortung für das Wohlergehen meiner Tiere zu übernehmen.
Meine Erfahrungen lehrten mich, dass ich mit Haustieren nicht gut umgehen konnte. Ich hatte mich wie die typische verantwortungslose Tierhalterin benommen - Tiere erworben und dann nicht richtig für sie gesorgt. Das wollte ich nicht mehr und beschloss, mir kein Haustier mehr zuzulegen. Wenn man Tiere wirklich liebt, ist es durchaus möglich, auf ein eigenes zu verzichten.
Jahrelang versagte ich mir den Erwerb eines Haustiers. Meine Arbeit in der Fleet Street war zeitaufwendig, und ich kam oft erst spät abends nach Hause. Dann heiratete ich wieder. Mein zweiter Mann, Ronnie, wollte auch keine Tiere haben. Als hochkarätiger Auslandskorrespondent und Kriegsberichterstatter musste er häufig von einem Augenblick auf den anderen buchstäblich in ein Flugzeug springen. Ich kam dann nach Hause und fand eine hingekritzelte Botschaft vor: »Bin unterwegs nach Zypern wg. türkischer Invasion. Alles Liebe, Ronnie.«
Ich hatte nie vor, mir eine Katze zuzulegen. Und wäre Ada nicht in mein Leben getreten, hätte ich auch nie eine bekommen. Dennoch entschied sie, dass der Schuppen am Ende meines Gartens in London der ideale Platz für ihr Kätzchen sei. Warum sie den Schuppen auswählte, weiß ich nicht. Vielleicht, weil ich so wenig im Garten tat?
Zunächst dachte ich, dort lebten zwei Katzen, denn ich sah sie in Begleitung eines größeren schwarzen Katers draußen vor dem Schuppen sitzen. Der schwarze Kater kam und ging nach Belieben, aber sie blieb im Garten, in der Nähe des Schuppens. Als ich schließlich nachforschte, fand ich ein Kätzchen in einer leeren Pappschachtel, die sie ausgesucht hatte. Sie hatte ihr Fell ausgerupft, um die Schachtel als Nest herzurichten.
Ich verlegte sie mit dem Jungtier ins Haus. Das war zu einem Zeitpunkt, als ich meinen Bürojob aufgab und freiberuflich von zu Hause aus arbeitete. Die Haltung einer Katze war also durchaus im Bereich des Möglichen. Ich sagte meinem Mann, dies sei eine vorübergehende Maßnahme, bis ich ein gutes Zuhause für sie finden würde. Wir tauften die kleine Katze wegen ihres wilden Temperaments Billy Fury.
Ada war eine gute Mutter - viel zu gut. Sie hatte beschlossen, Billy als Wildkatze aufzuziehen, nicht als Haustier. Sie brachte ihm bei, wie man sich verstecken konnte, wenn man hinter die Abflussrohre unter dem Spülbecken in der Küche kletterte. Eine menschliche Hand konnte ihn dort nicht herausziehen, und der winzige Spalt war auch nicht leicht zu versperren. Wenn ich auch nur in die Nähe der Küche kam, schnalzte Ada und schickte ihn zurück in seine Zuflucht.
Etwa eine Woche lang versuchte ich, ihn zu zähmen, doch mit wenig Erfolg. Seine Mutter lehrte ihn, allen Menschen aus dem Weg zu gehen. Wenn er sich auf den Weg zu mir machte, rief sie ihn auf der Stelle zurück. Ich musste ihn von ihr trennen, aber ein Zuhause für ihn zu finden war schwer.
Damals entledigten sich viele der gemeinnützigen Tierheime vor Ort eines Großteils der Katzen, die ihnen übergeben wurden. Jede Katze mit unbeliebter Farbe oder unsympathischen Charakterzügen wurde eingeschläfert. Ich fürchtete, das könnte auch Billy zustoßen. Ich schätzte seine Chancen eher gering ein.
Die Tierhandlung am Ort erklärte sich bereit, ihn in Zahlung zu nehmen, aber ich wollte nicht, dass eine lebende Kreatur einfach wie eine Dose Katzenfutter über den Ladentisch gereicht wurde. Ich hängte Zettel in jeden Zeitschriftenladen und in jedes kleine Geschäft und fand schließlich jemanden, der bereit war, ihn zu adoptieren. Ich übergab ihn mit einem Beutel Futter und Katzenstreu.
Ich hoffe, er war jung genug, um sich einem häuslichen Leben anzupassen. Hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß, dann hätte ich dafür gesorgt, ihn richtig zu sozialisieren, das heißt, ihn mit Menschen und einem menschlichen Haushalt vertraut zu machen. Aber ich wusste nicht, dass ich das hätte tun sollen. Mein Instinkt, ihn aus dem Schuppen in die Küche zu holen, war richtig, aber dass ich mich in seiner ersten Zeit nicht genug um ihn kümmerte, bedeutete für sein zukünftiges Leben als Haustier ein Risiko. Das macht mir heute noch zu schaffen.
Ada blieb in meinem Haus, was ich auch wollte, im Gegensatz zu Ronnie. Anscheinend mochte sie ihn nicht, wie eigentlich überhaupt keine Männer, und das fand er verletzend. Sie war besonders verängstigt, wenn er nach ein paar Drinks mit den Jungs am Ende eines Arbeitstags in der Fleet Street nach Hause kam. Sie beurteilte den Grad seiner Trunkenheit an seinen Schritten in unserer kleinen Londoner Straße und verschwand aus dem Wohnzimmer, bevor er die Haustür erreichte.
Eines Abends kam er schlecht gelaunt nach Hause. Ich saß auf dem Boden und kommunizierte mit Ada. Sie hockte unter dem Fensterbrett, und ich unterhielt mich mit ihr wie mit einem Menschen. Obwohl ich den Katzenbestand in unserem Haus halbiert hatte, als ich den Jungkater adoptieren ließ, war Ronnie nicht in der Stimmung, meine Beschäftigung mit einer Katze lustig oder auch nur angenehm zu finden.
»Diese verdammte Katze. Wieso hast du sie nicht weggegeben? Ich sag dir, Celia, wenn die Katze nicht verschwindet, gehe ich«, verkündete er.
Ich reagiere auf Autorität entweder aggressiv oder absolut hinterlistig. Am liebsten hätte ich zu Ronnie gesagt: »Dann geh doch.« Doch in diesem Fall war eindeutig Hinterlist angesagt. Daher unterdrückte ich den Wunsch, ihm zu sagen, dass lieber er als Ada das Haus verlassen solle, und log stattdessen.
»Ich suche verzweifelt nach einem Zuhause für sie, Ronnie. Lass mir einfach noch ein paar Wochen Zeit«, sagte ich sanft.
Natürlich blieb sie.
Etwa einen Monat lang erzählte ich Ronnie wiederholt, wie angestrengt ich nach einem neuen Zuhause für Ada suchte. Ich führte alle Leute an, die mir gesagt hatten, sie wollten keine Katze haben. Ich berichtete, dass die verschiedenen Tierheime sie wahrscheinlich einschläfern müssten, weil sie nervös und unattraktiv war - was leider stimmte. Ich bat um mehr Zeit und sein Verständnis.
Ronnie ist ein freundlicher Mann mit weichem Herzen. Seine Drohung, das Haus zu verlassen, falls ich Ada behalten würde, war lediglich der vorübergehende Ärger eines Mannes, der einen schlechten Tag gehabt hatte. Ich setzte darauf, dass seine Freundlichkeit den Widerwillen bezwingen würde, Katzenbesitzer zu werden.
Es funktionierte. Ein paar Monate später gab er sich damit ab, dass ich eine Katze hatte. Dann nahm er hin, dass wir eine Katze hatten.
Ada war mein Gesellenstück in Sachen Katzen. Ich wusste nichts, als ich ihr zum ersten Mal begegnete. Ich hatte nicht vor, eine Katze zu haben, bis Ada in mein Leben trat. Ich hatte nicht sie gewählt, sondern sie mich. Zuerst mochte ich sie, dann liebte ich sie, dann betete ich sie an.
Durch Ada war ich voll und ganz dem Zauber der Katzen erlegen.
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Zwei Tage lang hatte ich die neue Katze im Gästezimmer verschwiegen, weil Ronnie so krank war und zuweilen richtig neben sich stand. An einem Abend rief er andauernd, die Schwestern versuchten, ihn umzubringen, und die Station sei von einer Terroristenzelle unterwandert. Seine Jahre als Experte für Terrorismus und Kriegsberichterstatter waren ihm wieder in den Sinn gekommen. Die Entzündung brachte anscheinend die falschen Hirnzellen zum Glühen. In jener Nacht war er ein sehr schwieriger Patient.
Am nächsten Tag sah es nicht viel besser aus. Er hatte entsetzliche Halluzinationen, ausgerechnet über den ehemaligen US-Präsidenten George Bush. Dann war er plötzlich wieder Kriegsberichterstatter in der Redaktion des Daily Telegraph und rief die Krankenschwestern zu sich: »Ihr Bericht über diese Geschichte ist nicht richtig. Warum schicken Sie mich nicht?« John von der anderen Seite des Zimmers war nachsichtig gegenüber der vielen Schimpferei. Er nahm mit einer gewissen Befriedigung zur Kenntnis, dass die Schwestern, die ihn wegen seines Ausflugs in die Kneipe zurechtgewiesen hatten, ihrerseits wegen schlechter journalistischer Arbeit getadelt wurden!
Jedenfalls wollte ich lieber warten, bis Ronnie etwas besser zurechtkam, bevor ich ihm von Tottie erzählte.
Auch ich stand ziemlich unter Strom. Ronnie ist die Liebe meines Lebens, und wir waren seit über vierzig Jahren zusammen. Ich sah ihn nur ungern auf einer Krankenstation, besonders in der geriatrischen Abteilung. In meinen Augen ist er noch immer der schmucke Kriegsberichterstatter, den ich damals kennenlernte, kein alter Mann.
Ich vertraue Krankenhäusern nicht - weder Ärzten, noch Schwestern, noch der Nahrung. Jeden Tag brachte ich ihm etwas zu essen mit und versuchte, ihn ein wenig aufzumuntern.
Ich bemühte mich auch, seine Krankenakten zu lesen, um mich über seine Medikamente schlau zu machen. Ich quetschte die Schwestern aus und prüfte alles, was sie mir mitteilten, zu Hause noch einmal im Internet nach.
Meine Stresshormone hatten jedenfalls ein hohes Level erreicht - ich schwamm in Adrenalin. Natürlich konnte ich nachts nicht schlafen, da meine Gedanken wie besessen um Ronnie kreisten. Nach jeder Woche täglicher Krankenhausbesuche bin ich das unter Hochspannung stehende, immer singende und tanzende Wrack einer Ehefrau. Von diesen Wochen habe ich inzwischen mehr hinter mir, als mir lieb ist.
An dem Tag, an dem ich beschloss, die Nachricht von Tottie zu überbringen, erholte Ronnie sich gerade ein wenig. Er konnte geradeaus denken - ein gutes Zeichen. Ich hatte meine Kamera mitgebracht, um ihm meine neue Pflegekatze zu zeigen.
Verrückt, dass ich daran gedacht hatte, eine Pflegekatze zu übernehmen, während Ronnie eine gesundheitliche Krise durchmachte. Klug war diese Entscheidung keineswegs. Ich stand ohnehin schon derart unter Stress, dass eine neue und schwierige Katze meine Lage nur noch schlimmer machen würde.
Manche Menschen fangen an zu trinken, um mit Stress klarzukommen. Andere essen sich durch Berge von Kohlehydraten. Wieder andere verlassen sich auf verschreibungspflichtige Medikamente oder sogar auf illegale Drogen. Wenn ich unter Stress stehe, wende ich mich entweder wissenschaftlichen Abhandlungen über Katzen zu (ich liebe Quellenangaben) oder gleich den Katzen selbst. Ich hatte weder ein bestimmtes Schreibprojekt noch einen wissenschaftlichen Auftrag zur Hand, daher musste es diesmal eine Katze sein. Ein herausforderndes Katzenprojekt war genau das, was ich brauchte. Zumindest redete ich mir das ein. Wie Katzenliebhaber wissen, gibt es immer eine Ausrede für eine neue Katze!
Ronnie war jedoch nicht scharf auf eine neue Katze. Im Lauf unserer gemeinsamen Jahre hatte ich ihn unter Schwierigkeiten zu Katzen bekehrt. Doch er war noch immer kein zuverlässiger Haustierfreund. Vor dreißig Jahren war eine schwarzweiße Katzenmutter in unserem Garten aufgetaucht und hatte dort ein Kätzchen zur Welt gebracht. Später nannten wir sie Ada, weil sie wie eine Hausangestellte in einer schicken schwarz-weißen Uniform aussah.
Ich hatte Ronnie dazu verleitet, sie zu adoptieren, oder, besser gesagt, mich unsere erste Katze Ada adoptieren zu lassen. Er war katzenneutral, denn er war in einem Haushalt ohne jegliches Haustier aufgewachsen - keine Katzen, keine Hunde, nicht einmal ein Kaninchen. Ich betrachtete das als eine Entbehrung für jedes Kind, womit er jedoch nicht einverstanden war. »Mir ist nie in den Sinn gekommen, eine Katze oder einen Hund haben zu wollen«, sagte er mir. »Als Kind habe ich einen Hund ausgeführt, aber nur für Taschengeld. Ich wollte keinen eigenen haben.«
»Im Übrigen«, fügte er hinzu, »genieße ich eine katzenfreie Umgebung.« Sein späteres Leben als Erwachsener ließ ohnehin nur wenig Raum für Katzen. Einer katzenfreien (sein Ausdruck, nicht meiner) Kindheit folgten gleichermaßen katzenfreie Jahre. Den Zweiten Weltkrieg verbrachte er bei der Royal Marine, danach war er Student an der Oxford University, und schließlich arbeitete er als Auslandskorrespondent und Kriegsberichterstatter für den Daily Telegraph. Die Frontlinie war kein Platz für Menschen mit Katzen.
Daher würde er über die Aufnahme von Tottie nicht gerade begeistert sein. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten hatte er wieder ein paar Wochen in einer »katzenfreien« Umgebung genossen. Mein Ausdruck dafür lautete »Katzenentzug«. Unser letzter Kater, William, hatte an Zungenkrebs gelitten und war im Herbst vorigen Jahres eingeschläfert worden. Seit seinem Tod hatten wir keine ständige Katze mehr angenommen. Ich war vom Abschluss einer wissenschaftlichen Abhandlung über Tierverhalten zu sehr in Anspruch genommen, sammelte, las und verarbeitete wissenschaftliche Berichte wie eine Maschine. Meine Forschungsbesessenheit hatte vorübergehend die Stelle der Katzensucht eingenommen.
Nur ein paar Tage nach meiner Abschlussprüfung stürzte Ronnie und landete im Krankenhaus. Obwohl ich es kaum glauben konnte, hatte er die vorangegangenen Wochen ohne Katze tatsächlich genossen. Er war nicht wild darauf, wieder eine Katze zu besitzen, am wenigsten diese besonders hässliche.
Ich glaube nicht, dass Ronnie sich von Williams Verlust sieben Monate zuvor ganz erholt hatte. Er hatte William geliebt. Wir hatten ihn von einem Haushalt in Somerset adoptiert, in dem vierundfünfzig Katzen lebten. Das Haus war zwar sauber und frei von Fäkalien, aber auf jeder freien Fläche befand sich mindestens eine Katze. Sie saßen und faulenzten oder schliefen auf Tischen, Regalen, Stühlen, Sesseln und Arbeitsflächen in der Küche, meistens mit nur wenigen Zentimetern Raum zwischen sich. Fast ebenso viele Katzen blieben auf dem Boden, versteckten sich unter Betten, Sofas, hinter dem Fernseher und zwängten sich unter Kommoden. Die Katzen waren sehr unglücklich und völlig durchgedreht wegen der Gegenwart so vieler anderer Artgenossen. Für sie musste es sich anfühlen, als wären sie mitten in eine Menge feindlicher Gegner geworfen worden - die Gerüche, der Anblick und der Lärm so vieler anderer Katzen jagte ihnen Angst ein.
Ronnie wählte William aus einem Korb mit Jungkatzen aus. »Mir gefiel, wie er ständig auf den Korbrand kletterte«, erklärte er. »Er fiel dauernd in den Korb zurück und begann von neuem. Er war wirklich hartnäckig.«
Irgendwann in Williams vierzehn Lebensjahren begann Ronnie, von ihm zu träumen. Ein Traum war besonders lebhaft. »William trug eine Marinekappe«, berichtete Ronnie. »Und ich hörte, wie jemand neben ihm sagte, wahrscheinlich ich, ›Er ist ein sehr tapferer Offizier.‹« Als er mir das erzählte, wurde mir klar, dass Ronnie dem Kater William hörig war. Sein Unterbewusstsein hatte William zu einem Angehörigen seines Regiments gemacht. Die grüne Uniformmütze war das Zeichen absoluter Anerkennung!
William war zu einem prächtigen, weiß getigerten Kater herangewachsen. Er hatte längeres Fell, gerade so lang, dass es schön aussah, aber nicht so lang, dass man ihn zweimal am Tag bürsten musste. Er besaß herrliche Schnurrhaare, einen hübschen, buschigen Schwanz, große weiche Pfoten mit Fell zwischen den Ballen und ein sehr freundliches Temperament. Er sah so gut aus, dass ich mit einer Aufnahme von ihm sogar einen Fotowettbewerb gewann. An Eleganz und Schönheit war William nur schwer zu überbieten.
Von der äußeren Erscheinung her konnte Tottie ihm nicht das Wasser reichen. Sie sah einfach hässlich aus. Das Foto in meiner Kamera zeigte eine Katze, die zusammengekauert in der hintersten Ecke des Katzengeheges saß. Die Ohren hatte sie zurückgelegt, die Augen vor Angst weit aufgerissen. Ihr Fell war eher strähnig als flauschig, braun mit gelben Flecken, kein Weiß. Nur die dunklen Haarbüschel, die aus ihren Ohren kamen, wirkten hübsch. Ansonsten gab sie kein nettes Bild ab, obwohl ich versucht hatte, sie besser aussehen zu lassen, als sie tatsächlich war. Der Kamerablitz hatte ihren Pupillen einen goldenen Glanz verliehen, in Wirklichkeit hatten ihre Augen jedoch ein helles Froschgrün.
»Du wartest, bis ich hilflos im Krankenhaus liege, um mich dann mit dieser hässlichen Katze zu überfallen«, knurrte Ronnie.
»Das ist nur eine Pflegekatze«, erklärte ich ihm, denn ich wusste, über ihr Aussehen zu streiten war zwecklos. »Sie kommt zur Resozialisierung zu uns. Ich werde ihr helfen, sich an ein häusliches Leben zu gewöhnen. Dann wird sie ein neues Zuhause finden. Ich werde sie nicht adoptieren. Ich gebe sie weiter.«
»Das ist nicht fair«, erwiderte er. »Wenn du unbedingt eine Katze als Pensionsgast bei uns einquartieren willst, warum können wir dann kein süßes Kätzchen haben? Kardinal Richelieu hat es richtig gemacht. Er hatte hübsche Kätzchen in seinen Wohnungen, keine ausgewachsenen Katzen. Wenn wir schon eine neue Katze haben müssen, möchte ich wieder so eine wie William.«
In einem hatte er recht. Ich hatte tatsächlich so lange gewartet, bis er im Krankenhaus war, bevor ich Tottie mit nach Hause nahm. Ich wusste, wenn er auch nur ein Wörtchen mitzureden gehabt hätte, wäre Tottie niemals in unser Haus eingezogen. Sie war nicht nur hässlich, sondern zudem eine der ängstlichsten Katzen, denen ich je begegnet war. Das Foto, das ich Ronnie zeigte, war das Beste von vielen, die ich aufgenommen hatte. Sie sah auf allen schrecklich aus.
Wie die meisten Menschen beurteilt Ronnie Katzen nach ihrem Aussehen. Sie sah grässlich aus. Auch gegen ihren Namen hatte er etwas. »Klingt wie der Name eines edwardianischen Varietésängers«, lautete sein gereizter Kommentar. »Und eines schlechten obendrein.« Dann fügte er hinzu: »Die sieht aus wie George Bush. Sie hat seine Augen und sein Gesicht!« Nach seinen Halluzinationen über George Bush war das kein Kompliment. Unter anderen Umständen würde Ronnie George Bush vielleicht bewundern, aber bei dieser Gelegenheit eben nicht.
Ich warf einen zweiten Blick auf mein Foto in der Kamera. Hatten Augen und Gesicht Ähnlichkeit? Ihre Wangen mit den Schnurrhaaren hatten nichts von Bushs glatt rasierten Wangen an sich. Wie hätte der frühere Präsident ausgesehen, wenn er schwarze Schnurrhaare und Fell mit Schildpattzeichnung im Gesicht gehabt hätte? Sich das vorzustellen fiel schwer.
»Ich finde, sie sieht überhaupt nicht aus wie George Bush«, sagte ich entschieden. »Die Ähnlichkeit hast du frei erfunden. «
Das Foto hatte nicht dazu beigetragen, ihn mit unserem neuen Gast im Haus zu versöhnen. Ein gutes Foto verkauft eine schwierige Katze, sie war als Haustier jedoch schwer zu verkaufen. Ähnlich einem Dauerpatienten im Krankenhaus hatte Tottie zu viel Zeit in der Fürsorge unserer Katzenschutzeinrichtungen verbracht. Ich hatte mir die größte Mühe gegeben, ihr für das Bild auf der Webseite ein gutes Aussehen zu verleihen und sie dreimal besucht, um ein Foto aufzunehmen, auf dem sie einigermaßen reizvoll aussah. Ohne Erfolg.
Ich bin Mitglied einer kleinen Zweigstelle dieses gemeinnützigen Vereins. Wir beherbergen jedes Jahr etwa einhundertsiebzig ausgewachsene Katzen und Jungtiere. Unsere Abteilung kämpft ums Überleben. Schwer arbeitende Freiwillige veranstalten Trödelmärkte, stellen sich an Stände bei Dorffesten, organisieren Verlosungen und Tombolas, um Geld aufzutreiben. Meistens ermutigen Fotos auf der Webseite die Menschen, eine unserer Katzen zu adoptieren. Unerwünschte Katzen wie Tottie zu retten, ist ein teures Unterfangen. Je länger sie bei uns bleiben, desto mehr kosten sie. Jede Katze muss von einem Tierarzt untersucht, gegen Flöhe und Milben behandelt sowie sterilisiert oder kastriert werden, bevor sie untergebracht wird. Streunende Katzen, die von der Straße aufgelesen oder eingefangen werden, wenn sie durch ländliche Gegenden stromern, brauchen häufig viel medizinische Behandlung, sodass sich die Rechnung auf eine vierstellige Summe belaufen kann. Manchmal werden diese unerwünschten und bereits kranken Katzen absichtlich ausgesetzt und sich selbst überlassen, weil die Besitzer ihnen keine Behandlung beim Tierarzt zukommen lassen können oder wollen.
Als ich Tottie zum ersten Mal sah, lebte sie in einem Gehege mit einer langhaarigen, herrlichen Schildpatt und weiß getigerten Katze namens Lottie zusammen. Die Verschläge befanden sich im Garten von Ann, einer Freiwilligen. Cats Protection, der Katzenschutzbund, hat große Adoptionszentren in ganz Großbritannien. Kleine Zweigstellen wie unsere haben Pfleger und Pflegerinnen, die Katzen mit zu sich nach Hause nehmen oder ein oder zwei Katzenghege im Garten besitzen.
Die beiden Katzen stammten ursprünglich aus demselben Haus und sollten eigentlich befreundet sein. Doch da Tottie die meiste Zeit versuchte, sich an ihrem Schlafplatz zu verstecken, sah es nicht so aus, als wäre ihre Freundschaft sehr innig. Menschen überschätzen oft den Grad der Freundschaft zwischen Katzen. Über dieses Paar konnte man bestenfalls sagen, dass sie nicht miteinander kämpften.
Lottie war freundlich zu Menschen, und ihr gefiel, wenn Ann sie streichelte und bürstete. Ann wohnt in einem Dorf im Herzen Englands an einem für Katzen idealen Fleck, fern vom Autoverkehr. Wenn man sich in ihrer Auffahrt umdreht, sieht man für gewöhnlich eine Katze herumstromern. Das sind ihre eigenen Haustiere, hauptsächlich Katzen, die kein Zuhause gefunden haben. Sie besitzt einige davon, hat es aber nicht übertrieben. Ihr Haus grenzt an grüne Felder, auf denen sie viel Auslauf haben. Auch der Garten ist groß und langgestreckt. Ihr Haus ist immer makellos sauber, trotz der Katzen - sauberer und aufgeräumter als meins. Ann liebt Katzen, geht aber vernünftig mit ihnen um. Sie führt das Kassenbuch für unsere Zweigstelle und ist einer der fleißigsten und freundlichsten Menschen, die ich kenne.
Manche Katzenpfleger haben am Ende zu viele Katzen, weil sie es nicht ertragen, ihre Schutzbefohlenen abzugeben. Sie verlieben sich in sie und können sich nicht von ihnen trennen. Ann bewahrt sich in dieser Hinsicht den gesunden Menschenverstand - auch wenn Moses, der im Moment bei ihr lebt, ein schwarz-weißer verwilderter Kater ist, der um Menschen einen großen Bogen macht.
Als ich mit meiner Kamera auftauchte, um Bilder für die Webseite zu schießen, sah Lottie wirklich prächtig aus. Sie hatte ein weißes Gesicht mit goldenen Augen, langes, schimmerndes Fell, eine kleine rosa Nase und lange, weiße Schnurrhaare. Interessiert kam sie auf mich zu. Sie war eindeutig eine Schmusekatze.
»Die Fotos sind nicht sehr gut«, sagte ich zu Ann. »Ich komme an einem anderen Tag wieder und probiere es noch einmal, wenn ich mehr Zeit habe.«
Ich beschloss, dass ich bei meinem nächsten Besuch lange genug im Gehege sitzen würde, damit beide Katzen sich an mich gewöhnten. Als ich eintraf, war Ann nicht zu Hause. Ihr Mann ließ mich ins Gehege und mähte weiter den Rasen.
Der Fototermin lief nicht so gut. Lottie interessierte sich sofort für die Kamera und kam immer wieder nah an sie heran. Tottie, offenbar nervös geworden durch den Lärm des Rasenmähers, schien noch ängstlicher als bisher. Ihr Fell stand förmlich in Stacheln ab, wie bei einer Katze aus einem Cartoon. Die Ohren lagen noch platter an ihrem Kopf, wenn das überhaupt möglich war.
Wenn man diese Fotos ansah - und ich habe nur eins davon aufgehoben -, dachte man: »Was für eine hübsche Katze«, sobald der Blick auf Lottie fiel. Dann entdeckte man Tottie, die im Hintergrund kauerte. Die Fotos zeigten eine verdreckt aussehende, verschreckte Katze - sicher keine, die man haben wollte.
Die beiden sollten zusammen untergebracht werden, und niemand wollte beide nehmen. Selbst mit Lotties gutem Aussehen war Tottie nicht an den Mann oder die Frau zu bringen. Die beiden lebten seit anderthalb Jahren in dem Gehege. Lottie wurde nicht adoptiert, denn der Preis dafür war, Tottie ebenfalls zu nehmen.
Die meisten Adoptionswilligen wollen Jungkatzen, keine ausgewachsenen. Daran ist nichts auszusetzen, und in jedem Sommer findet Cats Protection für zahlreiche Jungkatzen ein Zuhause. Sie sind die Stars jeder Katzenhilfe. Wenn wir eine Mutter mit Jungen haben, werden diese für gewöhnlich vor der Mutter angenommen. Kätzchen sind der Renner!
Die Leute ziehen uns hinzu, wenn sie auf eine streunende Katze treffen, die unter einem Busch oder in ihrem Schuppen im Garten oder hinter den Mülleimern geworfen hat.
Wir nehmen die Mutter und ihre Jungen auf und suchen für alle eine Unterkunft. Die Jungkatzen würden sonst zu Wildtieren heranwachsen, nicht zu Hauskatzen. Solche Tiere nennen wir verwilderte Katzen. Sie sind schwer zu zähmen und geben nur selten gute Haustiere ab.
Weder Tottie noch Lottie hatten die herausragende Eigenschaft von Jungkatzen, obwohl sie das Glück hatten, noch relativ jung zu sein. Ältere Katzen haben die geringste Chance, angenommen zu werden. Nur wenige, besonders liebevolle Menschen wollen ihnen für den Rest ihres Lebens einen warmen Platz am Herd geben. Obwohl sie sehr gute Hauskatzen abgeben, müssen die älteren Tiere häufig monatelang auf ein Zuhause warten. Da Tottie sehr jung war, hätte sie theoretisch viel schneller adoptiert werden sollen.
Dass niemand sie haben wollte, konnte nur an ihrer schmuddeligen Farbe und der verängstigten Körpersprache gelegen haben. Nach dem Alter spielt die Farbe bei Adoptionswilligen eine große Rolle. Die meisten wählen Katzen nach ihrer äußeren Erscheinung aus, besonders nach ihrer Farbe. Aufgrund von Vorurteilen der Interessenten sind alle dunklen Tiere bei der Suche nach einem Zuhause deutlich benachteiligt. Alle Tierheime wissen, dass große schwarze, hässliche Hunde und kleine schwarze, hässliche Katzen schwierig unterzubringen sind.
Jungkatzen mit hellem Fell werden stets zuerst ausgewählt. Rauchfarbene oder Siamkatzen sind beliebt. Weiße, rotbraune oder rotbraun-weiß getigerte Katzen finden auch schnell ein Zuhause. Dann kommen die weiß gescheckten und die Tigerkatzen. Dabei sind besonders die hellen bei fast allen beliebt. Vielleicht liegt es an den Streifen und Flecken.
Dann folgen schwarz-weiße Katzen. Dabei hängt viel von ihrer Zeichnung ab. Eine hübsche weiße Brust mit dazu passenden weißen Pfoten lässt manche Katzen so schick aussehen wie Fred Astaire im Smoking. Diese Katzen haben Stil. Andere schwarz-weiße Katzen haben Zeichnungen, die
Menschen dazu bringen, zu lachen und sie zu adoptieren. Schwarze oder braune Katzen sind die unbeliebtesten. Sogar Tigerkatzen werden doppelt so häufig adoptiert. In den Vereinigten Staaten ist man der Meinung, dass schwarze Katzen Unglück bringen, daher sind sie dort sehr unbeliebt. Ich habe einmal die Arzthelferin eines Tierarztes kennengelernt, die in den 1990ern in einem amerikanischen Katzenpflegeheim gearbeitet hatte. Sie erzählte mir, dass die Unbeliebtheit schwarzer Katzen zu Halloween besonders ärgerlich sei. Offenbar glaubt man in Amerika, dass schwarze Katzen an Halloween von Anhängern schwarzer Magie lebendig verbrannt würden. Wohlmeinende Mitmenschen hätten dann schwarze Katzen in ihr Tierheim gebracht, um sie vor einem schrecklichen Tod zu bewahren. Stattdessen wurden diese »geretteten« Katzen sofort eingeschläfert. In Großbritannien, wo gut geführte, gemeinnützige Vereine, so wie zum Beispiel Cats Protection, gesunde Katzen nicht abweisen, werden schwarze Katzen nicht getötet. Sie verbringen nur Monate in einem kleinen Katzengehege und warten auf jemanden, der bereit ist, sie zu sich zu nehmen.
Wo stehen also Schildpatt-Katzen wie Lottie und Tottie in der Beliebtheitsskala? Wenn sie etwas Weiß im Fell haben, sind sie so beliebt wie Tigerkatzen. Schildpatt-Katzen mit weißer Zeichnung wie Lottie sind in der Regel weiblich, rotbraune Katzen meist männlich. Sie werden schnell adoptiert, wenn sie eine hübsche Zeichnung haben. Lottie sah prächtig aus. Wäre sie nicht im Doppelpack mit Tottie angeboten worden, hätte sie rasch ein neues Zuhause gefunden.
Braune Schildpatt-Katzen ohne jegliches Weiß wie Tottie sind unbeliebt. Diese dunklen Tiere sehen von weitem braun aus, und braune Katzen werden laut einer amerikanischen Studie noch seltener adoptiert als schwarze.
Daher würde Tottie auf der Adoptionsliste immer ganz unten rangieren. Adoptionswillige, denen das Aussehen einer Katze gefällt, sprechen davon, sich in ihre Traumkatze »verliebt« zu haben. Wie das Verlieben in einen Menschen ist die Adoption einer Katze keine rationale Entscheidung, sondern vielmehr eine emotionale. Hässliche braune Katzen erobern einfach nicht die Herzen der Interessenten.
Dass Tottie eine Katze war, half ebenfalls nichts. Kater werden schneller adoptiert als Katzen. Ihr langes Fell war ebenso wenig nützlich. Während langhaarige Rassekatzen durchaus beliebt sind, werden langhaarige Hausmiezen eher nicht genommen. Das tägliche Bürsten schreckt ab.
Deshalb waren Totties Aussichten schlecht. Selbst die schwarzen Katzen, die zu unserer Zweigstelle gebracht wurden, fanden vor Lottie und Tottie ein Zuhause. Das lag nicht nur daran, dass Tottie eine Farbe hatte, die keiner mochte. Hätte sie sich nett verhalten und wäre im Gehege schnurrend nach vorn gekommen, hätte bestimmt jemand aufgrund Lotties guter Erscheinung beide Katzen genommen, Doch ein Blick auf Tottie, wie sie sich in ihrem Katzenbett versteckte, überzeugte jeden Adoptionswilligen davon, auf beide Katzen zu verzichten. Sie wirkte aggressiv und misstrauisch. Tatsächlich war sie schlicht und einfach verängstigt.
Verzweifelt beschloss Cats Protection schließlich, die beiden Katzen getrennt adoptieren zu lassen. Wenigstens würde auf diese Art und Weise eine der Katzen ein Zuhause finden. Lottie wurde fast sofort angenommen. Tottie blieb bei Cats Protection. Das überraschte weder Ann noch mich. Aber es war gut zu wissen, dass Lottie endlich ein eigenes Zuhause gefunden hatte. Ihr neuer Besitzer rief sogar bei uns an und teilte uns mit, was für eine wunderbare Katze sie sei. Für Lottie war dies ein glücklicher Ausgang nach ihren anfänglichen Schwierigkeiten, und, wie wir hoffen, der Beginn eines Lebens in einem behüteten, liebevollen Zuhause.
Nun war Tottie ganz allein. Leider veränderte sich ihr Verhalten dadurch nicht. Sie zitterte noch immer ängstlich in ihrem Bett, wenn ein unbekannter Besucher in die Nähe kam. Wir fragten uns allmählich, ob sie verwildert war.
Cats Protection schläfert verwilderte Katzen nicht ein. Für gewöhnlich findet unsere Zweigstelle für diese ungezähmten Katzen ein Zuhause als Mäusefänger. Bauern und Stallbesitzer meinen, dass zwei gesunde Katzen Ratten und Mäuse dezimieren.
Unsere verwilderten Katzen werden sterilisiert, auf Würmer und Flöhe untersucht und behandelt und hinausgeschickt, um in einer guten Unterkunft das Leben eines Jägers zu führen. Auch sie müssen richtig ernährt werden, da gefütterte Katzen mehr Mäuse fangen. Hunger schwächt sie nur und macht sie zu weniger erfolgreichen Jägern. Für verwilderte Katzen, die Angst vor Menschen haben, ist das Leben auf einem Bauernhof oder in einem Stall das Beste überhaupt. Mäuse zu jagen ist ihnen von der Natur vorbestimmt.
Dieses Leben hätte Tottie haben können, bis auf ein Problem - ihr langhaariges, flauschiges Fell. Ihr Fell ist typisch für reinrassige Birma-Katzen. Die langen, rauen Schutzhaare, die sonst die Oberfläche des Katzenfells schützen, fehlten bei ihr jedoch. Stattdessen bestand ihr Fell ausschließlich aus Unterhaar, den weichen, flauschigen Haaren, die nicht wetterfest sind. Dieses flauschige Fell verfilzt sehr schnell und bedarf regelmäßiger Pflege.
Verwilderte Stallkatzen lassen niemanden nah genug an sich heran, um sie zu bürsten. Wenn wir Tottie einfach in den Außengebäuden oder einem Stall wohnen ließen, würde sie völlig verfilzen. Dieses Verfilzen führt bei einer Katze zu gesundheitlichen Problemen. Wenn das Fell sich verknotet und verheddert, zieht es sich zusammen. Die Haut darunter wird wund, kann sogar aufreißen und bluten.
Daher konnte Tottie nicht an einen Bauernhof gegeben werden, aber niemand wollte sie als Haustier. Sie verhielt sich, als wollte auch sie kein Haustier sein. Ihre Zukunft sah nicht gerade rosig aus. Wäre sie in einem amerikanischen Tierheim gewesen, hätte man sie wahrscheinlich schon eingeschläfert.
Manche Tierheime in den USA schläfern die Hälfte ihrer Katzen ein, weil man nur für wenige ein Zuhause findet. Doch dank der Grundregel von Cats Protection, Tiere nicht zu töten, lebte Tottie noch achtzehn Monate, nachdem sie bei uns abgegeben worden war. Doch sie führte ein erbärmliches Dasein.
Während manche Katzen in einem Tierheim gut zurechtkommen, fühlte sich Tottie offensichtlich sehr gestresst. Und nun sah es ganz so aus, als würde sie ihr Leben lang dort festsitzen. Wer um alles in der Welt wollte schon eine hässliche Katze haben, die vor Menschen zurückschrak?
»Ich dachte, du könntest vielleicht helfen«, sagte Ann zögernd, als wir über Totties Misere sprachen. Ich war gekommen, um den dritten Versuch zu starten, ein reizvolles oder wenigstens weniger hässliches Foto von der kleinen Katze aufzunehmen.
Ann hatte den grünen Katzenkorb aus Plastik entfernt und die Decke in der Schlafecke gelassen, damit Tottie besser zu sehen war. Man konnte ihren Katzenbuckel, den gesenkten Kopf und die flach anliegenden Ohren deutlich erkennen. Sie sah aus wie die klassische verängstigte Katze, die versuchte, sich so klein wie möglich zu machen. Sie drückte sich platt auf den Boden, die Pfoten hatte sie unter sich gesteckt. Ihr Schwanz war fest um den Körper gelegt, und die Ohren hatte sie zurückgelegt. Ihre Augen waren vor Schreck geweitet. Fotografisch gesehen ein hoffnungsloser Fall. Sie sah furchtbar aus.
»Vielleicht«, meinte Ann vorsichtig, »könntest du sie bei dir zu Hause pflegen. Dort gewöhnt sie sich eventuell schneller an Menschen. Dann hat sie womöglich bessere Aussichten, adoptiert zu werden.«
»Mit einem besseren Namen wären ihre Chancen auch größer, adoptiert zu werden«, erwiderte ich. »Den Namen Tottie kann ich nicht ausstehen. Darf ich sie stattdessen nicht Tilly nennen? Das könnte helfen.« Nachdem ich sie also mit nach Hause genommen und Ronnie mir klargemacht hatte, dass auch er den Namen verabscheute, wurde Tottie zu Tilly. Die Umbenennung war der erste Schritt zu einer besseren Zukunft - hofften wir jedenfalls.
Das nächste Problem war ihr verängstigtes Verhalten. Die Vorstellung, das zu ändern, fand ich verlockend. Ich hatte gerade mein Studium in angewandter Verhaltenstherapie für Tiere abgeschlossen und wollte meine neu erlernten Fähigkeiten unbedingt in die Praxis umsetzen, während ich auf mein Diplom wartete.
Tottie, jetzt Tilly, war ein interessanter Fall. Wenn sie sich nicht änderte, hätte sie eine trostlose Zukunft vor sich. Manche Organisationen zur Rettung von Katzen wären versucht gewesen, sie aufzugeben. Selbst wenn ich ihr Verhalten nicht vollständig verändern könnte, würde sie wenigstens lernen, wie es war, mit Menschen zusammenzuleben. Vielleicht würde sie es sogar schaffen, sich an Menschen in ihrer weiteren Umgebung zu gewöhnen.
Dass sie je lernen würde, uns zu mögen, schien mir unwahrscheinlich. Das war zu viel der Hoffnung. Außerdem würde auch ich nicht lernen, eine so unsympathische Katze zu lieben. Stattdessen konnte ich als frisch diplomierte Verhaltensforscherin für Katzen ihr Verhalten auf distanzierte, wissenschaftliche Weise bearbeiten. Sie wäre eine Herausforderung. Wir hatten beide nicht viel zu gewinnen, doch die Sache war interessant für mich und könnte ihr vielleicht guttun.
»Warum eigentlich nicht?«, sagte ich zu Ann. So kam es, dass ich die hässlichste und ängstlichste Katze unserer Zweigstelle von Cats Protection mit nach Hause nahm.
2
Katzenwahl
Warum Tilly? Vermutlich beinhaltet diese Frage drei unterschiedliche Sichtweisen. Die erste ist einfach: Warum haben wir Menschen überhaupt Haustiere? Die zweite: Warum halte ich Katzen und keine Pferde, Hunde, Kaninchen oder auch nur Wellensittiche? Und schließlich: Warum um alles in der Welt habe ich Tilly ein Zuhause gegeben, der hässlichsten Katze im Tierheim, der Katze, die niemand haben wollte?
Zunächst einmal bin ich, wie die meisten Menschen, eine Haustiere haltende Kreatur. Wenn man es recht bedenkt, dann ist es doch eigenartig, dass wir eine andere Gattung in unsere Familie aufnehmen. Die meisten Haustiere, darunter auch Hunde und Katzen, haben keinen Nutzen für uns. Es kostet Zeit und Energie, sie aufzuziehen und zu versorgen, und in der westlichen Gesellschaft sind sie kostspielige Konsumenten von Tiernahrung und tierärztlicher Behandlung.
Überall auf der Welt gibt es Menschen, die Tiere bei sich aufnehmen - nicht nur Hunde und Katzen, sondern auch Affen, Flusspferde, Giraffen, Lämmer, Eichhörnchen, Lamas, Wasserschweine, Mäuse und Spatzen. Besonders Jungtiere sprechen anscheinend einen Instinkt im Menschen an. Allein der Anblick des Gesichts eines Jungtiers - rund, mit großen Augen, einer kleinen Nase und einem rosa Mäulchen - erweckt in uns den Wunsch, für das winzige Geschöpf zu sorgen. Wir sind darauf programmiert, auf Babygesichter zu reagieren. Deshalb gurren Erwachsene über einem Kinderwagen. Die Natur versorgt Babys mit einem Gesicht, das bei Erwachsenen ankommt, weil hilflose Babys der Bemutterung bedürfen, um überleben zu können.
Welpen und Jungkatzen habe ganz ähnliche Babygesichter, wenn sie klein sind - rundlich, mit großen Augen und kleinen Nasen. Aufgrund des Kindchenschemas mögen wir Tiere, die Babys ähnlich sehen. Das erklärt zum Teil, warum ich Haustiere mag. Ich fühle mich instinktiv zu ihnen hingezogen. Es liegt in meiner menschlichen Natur.
Dazu kommt meine Erziehung. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, umgeben von Haustieren. In meiner Kindheit hielt meine Familie Hunde, Kaninchen, Meerschweinchen, weiße Mäuse, Kanarienvögel, einen zahmen Raben, Tauben, Reisfinken, Schildkröten, Ponys, Pferde und Esel. Ich verbrachte auch Zeit mit den Jungtieren des Hofes - Ferkel, Lämmer, Kälber und Küken. Einmal habe ich sogar regelmäßig eine wilde Ratte gefüttert, die über einem der Schweinekoben lebte.
Samuel Whiskers, wie ich die Ratte nach einer Figur aus einem Buch von Beatrix Potter taufte, tauchte aus ihrem Loch auf und lief über einen Sims über dem Schweinestall. Sie schnappte sich das Futter, das ich für sie dort hingelegt hatte, und flitzte in ihr Loch zurück. Im Lauf der Wochen wurde sie geschmeidig, kam hervor und nahm das Futter mit wachsendem Zutrauen. Ich wusste, dass sonst niemand Ratten mochte, aber ich musste einfach mit ihr angeben.
»Ich habe ein neues Haustier«, verkündete ich der Familie beim Mittagstisch. Zwei Tage danach tauchte Samuel Whiskers nicht mehr auf. Ich hätte ihn vor den feindlich gesinnten Erwachsenen geheim halten sollen.
Natürlich gab es in meinem Elternhaus auch Katzen. Alle Bauernhöfe hatten damals Katzen. Man kam auf einen Hof, und vier oder fünf Katzen stoben in die Scheunen. Das waren die halb verwilderten Hofkatzen, mehr oder weniger Freigänger, denen aber mit einer Schale Milch oder Essensresten an der Hintertür zur Milchkammer ausgeholfen wurde. Im Haus selbst herrschte für gewöhnlich eine zahme Küchenkatze, doppelt so groß und doppelt so dick wie Hofkatzen. Dieses glückliche Tier war in der Regel als Jungtier von der Bäuerin angenommen worden.
Unser Bauernhof war einer von dreien in einem Dorf in Berkshire im flachen, fruchtbaren Tal der Themse. Die Felder wurden seit der Zeit der Sachsen bearbeitet. Anfang der 1950er, vor dem Aufkommen von Kunstdünger, hielt der Hof mehr oder weniger einen Dreijahresrhythmus beim Bewirtschaften der Felder ein. Zwei Jahre lang wurde auf einem Feld Getreide angebaut. Das Stroh verwendete man, um das Vieh (und die Pferde meines Vaters) im Winter darauf zu betten. Im dritten Jahr wurde das Feld Luzernen oder Steckrüben überlassen, mit denen das Vieh in den Winterquartieren gefüttert wurde.
Wir bauten Weizen und Hafer für die Pferde an. Außerdem hatten wir eine Herde Milchkühe, ein paar Schweine sowie Hühner, die draußen im Hof herumliefen. Hinter den alten Hofgebäuden waren verschiedene Pferche errichtet worden. Im Zentrum des Hofes, der inzwischen völlig zugebaut ist, lag zur Rechten ein Heuschober mit altmodischen Viehställen und in der Mitte eine große Scheune, in der heute eine moderne Getreidetrocknungsanlage steht. Zur Linken befand sich der Garten, der bis zu dem aus dem siebzehnten Jahrhundert stammenden Wohnhaus reichte. Die später im georgianischen Stil eingerichteten Zimmer gingen zum Garten hinaus. Dahinter befanden sich eine geflieste Milchkammer zur Herstellung von Butter und Käse, eine große Küche und eine ebenso geräumige Vorratskammer. An der Milchkammer vorbei gelangte man zu einer Sattelkammer neben den Schweineställen und sechs wackeligen Boxen für die Jagdpferde meines Vaters.
Das Haus und die Nebengebäude waren das Revier einer ganzen Dynastie weißer Katzen. Die Gründerin und Matriarchin war Simpkin, die Katze meiner älteren Schwester. Sie saß meistens nah am Kohleherd in der rot gefliesten Küche. Vor Einführung der Zentralheizung war die Küche immer der wärmste Raum im Haus gewesen. Simpkin war sterilisiert worden. In den 1950ern waren wir unserer Zeit voraus, da wir nicht nur unsere Kater kastrieren, sondern auch unsere Katzen sterilisieren ließen.
Rückblickend beeindruckt mich das. Katzen zu sterilisieren war neu, obwohl Kater schon seit Jahren kastriert wurden. Die Pionierin in Großbritannien nach dem Krieg war Miss Nerea de Clifford, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Katzen und Autorin des Buches Was britische Katzen vom Fernsehen halten. Ihre Schlussfolgerung lautete, dass »die meisten Katzen ein gewisses Interesse zeigen, obwohl es häufig feindselig ist«. Ebenso wie andere herausragende Frauen fühlte sich Miss de Clifford zu Katzen hingezogen. Sie hat bei Cats Protection ihre Spuren hinterlassen. Wenn ihr Name in einer Unterhaltung fiel, wurde er mit Achtung und Ehrfurcht ausgesprochen.
Miss Clifford schlug 1946 zum ersten Mal ihrem Tierarzt eine Operation für Katzen vor. »Er zögerte und sagte mir, er habe sie an seiner eigenen Katze vorgenommen, und es sei einfach wie eine Totaloperation«, erzählte sie mir viel später. Auf ihr Betreiben hin wurde Cats Protection zum Fürsprecher einer neuen Form der Geburtenkontrolle, und die Idee dieser bemerkenswerten Frau war in den 1950ern irgendwie zu uns in das kleine Dorf in Berkshire durchgesickert. Ich kann mir nicht vorstellen wie. Vielleicht hatten wir einen fortschrittlich denkenden Tierarzt.
Daher ließen wir unsere Katzen sterilisieren, doch wir glaubten wie alle anderen an den Mythos, dass jede Katze aus gesundheitlichen Gründen wenigstens einen Wurf haben sollte. Als Simpkin trächtig wurde, sollten ihre Jungen von einem unserer Arbeiter auf dem Hof ertränkt werden. Das war damals das traditionelle Schicksal für unerwünschte Jungkatzen. Meine Mutter, die ein Herz für Tiere hatte, bestand darauf, dass eine kleine Katze übrig bleiben sollte. »Simpkin muss ein Junges haben, das sie versorgt«, wandte sie ein. So bekam Simpkin die Chance, einen Sohn großzuziehen, Moppet. Er wurde mir zugewiesen, als ich acht Jahre alt war - »mein« Kater.
Ich mochte ihn sehr, obwohl ich mich nicht daran erinnern kann, dass er mir in irgendeiner Weise den Vorzug gab. Seine Tochter Scrappy, die von ihm gezeugt wurde, bevor er es mit einer Katze aus dem Dorf trieb, war die kleinste der drei weißen Katzen und wurde meinem jüngeren Bruder zugeteilt. Wir drei Kinder haben vielleicht geglaubt, die Katzen gehörten uns, doch in Wirklichkeit gehörten sie keinem bestimmten Besitzer.
Simpkin, Moppet und Scrappy führten ein unabhängiges Leben, verbrachten die meiste Zeit auf Mäusejagd in den Hofgebäuden und kamen nur zum Fressen und Schlafen herein. Während die Hunde der Familie meinem Vater mit bewundernswerter Ergebenheit überallhin folgten, hielten die Katzen bewusst Abstand von ihm. Im Winter jedoch schliefen sie im Bett des Kindes, das gerade Platz hatte. Mein Bett war manchmal mit Tieren überfüllt - mit zwei Katzen, die in verschiedenen Bereichen des Bettes ruhten, und häufig einem der drei Hunde, falls mein Vater an dem Abend nicht im Haus war.
Katzen können verspielt sein, aber Moppet, Simpkin und Scrappy weigerten sich, meine kindlichen Spiele zu spielen. Ich nahm die Kamingitter von den offenen Kaminen mit in den Garten und stellte sie zu einem Gehege auf. Die Hunde saßen dann immer glücklich in meinem kleinen Privatzoo. Die Katzen sprangen sofort heraus, so oft ich sie auch hineinsetzte.
Gelegentlich zog ich die Familienhunde an. Das ließ keine unserer drei Katzen zu. Schicke Kleidung fanden sie nicht besonders lustig. Trotzdem haben diese weißen Katzen, die mich vom siebten bis zum dreizehnten Lebensjahr begleiteten, ihre zarten Pfotenabdrücke auf meinem Herzen hinterlassen. Moppet hat sogar mehr als das getan. Er hinterließ eine nicht verheilte Narbe auf meinem Herzen. Sein unglückliches Schicksal bringt mich auch heute noch fast zum Weinen, ein halbes Jahrhundert später. Moppet hatte das Pech, mit meinem Vater in Konflikt zu geraten.
Ich liebte meinen Vater, aber er schüchterte mich auch ein. Er hatte nicht viel Zeit für seine zweite Tochter. »Frauen«, pflegte er mit verächtlicher Stimme zu sagen. »Gib ihnen einen Platz, auf dem sie ihre Handtasche ablegen können, und sie tun jede langweilige Arbeit.« Eine zweite Tochter statt des langersehnten Sohns war nicht das, was er gewollt hatte. Ich war für ihn überflüssig wie ein Kropf.
Ich hatte das Gefühl, dass er mich verachtete. Wenn ich über irgendetwas weinte, spottete er: »Ich werde dir zwei Marmeladengläser um den Hals binden und sehen, welches zuerst vollläuft.« Meine Schwester und mein Bruder waren tapfer. Ich nicht. »Du bist der Feigling der Familie«, sagte er immer zu mir. Er verabscheute jegliche Art Schwäche. In meinen ersten sechs oder sieben Lebensjahren war ich oft krank und ein paar Mal im Krankenhaus. »Du bist die Schwächste aus dem Wurf«, sagte er dann.
Kein Wunder also, dass mir das wirklich Schwächste aus dem Wurf in unserem Schweinestall neben den Stallungen besonders leidtat. Vernünftige Bauern behalten die besten Ferkel, nicht die schwachen. Das schwächste wird geschlachtet. Es eignet sich nicht für die Zucht. Ich schnorrte für Hoggie, wie ich das Ferkel nannte, immer Reste in der Küche. Ich habe ein Foto von mir, wie ich in einer Latzhose im Pferch hocke und Ferkel sich um mich herum drängen, während ich sorgsam darauf achte, dass Hoggie sein Fressen bekommt. Ich hoffte, es zu mästen, damit ihm die Schlachtung erspart und es vielleicht zur Zucht behalten wurde. Ich konnte Hoggie aber nicht retten.
Trotzdem blieb der Vorwurf »die Schwächste aus dem Wurf« tief in meinem Herzen verwurzelt. Die achtlose Herabsetzung durch meinen Vater bedeutete, dass ich mich mit unerwünschten Tieren identifizierte und das Bedürfnis hatte, sie zu retten. Ich habe mich gefragt, ob dieser Ausdruck auch eine Rolle dabei gespielt hat, warum ich nie Kinder hatte und mich als Mutter ungeeignet fühlte. Wie bei ungeliebten Kindern und unglücklichen Erwachsenen üblich, versuchte ich, den Tieren in meiner Umgebung die Liebe und Hilfe zukommen zu lassen, die ich brauchte. Die Saat für meinen Entschluss, Tilly zu retten, war in meiner Kindheit ausgebracht und gehegt worden. Achtzehn Monate lang war Tilly unerwünscht gewesen und nicht adoptiert worden. Im Grunde meines Herzens wusste ich, wie sich das anfühlte.
Mein Vater tolerierte die Familienkatzen. Er wusste ihre Rolle als Kammerjäger zu schätzen. Die Katzen, der Hof und seine Familie waren sein Eigentum. Lässige Nachsicht wechselte ab mit wildem Zorn. In seinem Körper fühlte er sich wohl. Sein Charakter war komplizierter. Er war ein Alphamännchen, daran besteht kein Zweifel. Ich hatte Angst vor ihm, ebenso einige seiner Arbeiter.
Seine guten Seiten bestanden in seiner überschwänglichen Energie, seiner Begeisterungsfähigkeit, seiner Freude an Essen und seinem Spaß am Leben sowie in einem forschenden, wenn auch undisziplinierten Geist. Er war völlig furchtlos. Seine Lieblingsbeschäftigung war die Fuchsjagd, hin und wieder jagte er auch Hirsche oder Otter. Wenn eine Fuchsjagd nicht möglich war, fuhr er nach Schottland auf die Pirsch oder zur Fasanenjagd. An einem schönen Tag ging er im Allgemeinen hinaus und tötete etwas. Darin war er den Katzen ähnlich. Er mochte einen gewissen Respekt vor den Jagdfähigkeiten von Katzen gehabt haben, doch im Grunde waren Tiere Dinge, die er benutzte und besaß. Ich glaube, seine Hunde hat er geliebt, obwohl Liebe ein Gefühl war, das er selten zeigte. Ein oder zwei Pferde mögen ihm am Herzen gelegen haben. Meistens jedoch ritt er einfach darauf.
Tiere strafte er, ohne darüber nachzudenken. Die Pferde schlug er an den Kopf, wenn ihr Verhalten ihn ärgerte, die Hunde trat er. Als kleines Kind sei er, wie er sagte, in der Vorschule und auch später regelmäßig geschlagen worden. Er verhielt sich also Tieren gegenüber genauso, wie man mit ihm umgesprungen war. Das ist der Kreislauf der Misshandlung.
Menschen, die ihn gut kannten, sagen mir, er habe mich geliebt. Heute, als Erwachsene, kann ich das auch erkennen. Als nervöses Kind kam mir das sehr unwahrscheinlich vor. Ich dachte, er bringe mir hauptsächlich Verachtung entgegen. Er war kein Mann, den man verärgern sollte. Verzeihung gab es für ihn nicht. Mit Mitte achtzig, als er mutig und ohne Klagen oder Selbstmitleid dem Tod ins Auge sah, fragte ich ihn, ob er einen Vetter sehen wollte, mit dem er sich zerstritten hatte. Er antwortete: »Ich habe ihm nicht verziehen.«
Moppet geriet mit seinem Zorn in Konflikt. »Dieser verdammte Kater«, wütete mein Vater, als er in die Küche des Hofes stürmte. »Er hat eine meiner Tauben getötet. Dafür wird er bezahlen. Das macht er nie wieder, wenn ich mit ihm fertig bin.«
Die preisgekrönten Tauben meines Vaters, Deutsche Nönnchen mit schwarzem Kopf und Schwanz, lebten im Taubenschlag in einer Scheune. Mein Vater hatte Moppet mir einer toten Taube im Mund erwischt. Die Tatsache, dass Katzen im Allgemeinen instinktiv Vögel töten und dass auch unsere drei gelegentlich welche fingen, rettete Moppet nicht vor der Bestrafung. Er hatte etwas getötet, das meinem Vater gehörte. Er musste leiden.
Die Bestrafung war grauenvoll. Die tote Taube wurde in Petroleum getränkt und Moppet fest um den Hals gebunden. Jeder, der jemals einer Katze ein Halsband angelegt hat, weiß, wie nervös sie das machen kann. Der arme Moppet, schleppte sich und die tote Taube elend und zu Tode erschrocken durch den Hof. Er lebte unter dem Joch des scheußlich stinkenden Leichnams. Weder meine Mutter noch ich wagten, ihm zuliebe einzuschreiten.
»Komm mit nach oben«, sagte meine Mutter am nächsten Morgen leise zu mir, als mein Vater draußen war und niemand uns belauschen konnte. »Ich möchte dir etwas zeigen. Du musst dir um Moppet keine Sorgen mehr machen. Ihm geht es gut. Ich habe ihn gerettet.«
Sie nahm mich mit in ein nicht benutztes Zimmer, einen Raum voller Gerümpel auf der Rückseite des Hauses, den niemand betrat. Moppet lag erschöpft auf einer Decke in einem Karton. Sein Fell war mit Petroleum getränkt, und er versuchte vergeblich, es abzulecken. Meine Mutter hatte den ganzen Hof nach ihm abgesucht und ihn schließlich eingerollt in einer Scheune gefunden, den Kadaver noch immer um den Hals. Sie hatte ihm die Taube vom lädierten Hals abgeschnitten und ihn in dem Zimmer versteckt, in dem er sich von seinen Qualen erholen konnte, ohne dass mein Vater davon erfuhr.
Die Erfahrung hatte Moppet gebrochen. Von diesem Zeitpunkt an lebte er in einem Zustand chronischer Angst. Er hörte auf, sein Fell richtig zu pflegen und sah allmählich dreckig aus. Er fing an, in dem verzweifelten Versuch ins Haus zu pinkeln, seinen Zustand durch die Markierung seines Reviers zu verbessern. Kurz darauf wurde er auf der vielbefahrenen Hauptstraße überfahren, die an unserer Gartenmauer entlangführte.
Mein Vater nahm mich mit, damit ich mir die Leiche anschaute. »Komm schon. Du guckst dir am besten an, was passiert ist«, sagte er zu mir. Moppets schlaffer Leichnam lag draußen vor dem Gartentor. Vielleicht hatte er mit letzter Kraft versucht, sich nach Hause zu schleppen.
Mein Vater wollte, dass ich den Kadaver sah. Er glaubte daran, Kinder zu stählen, um sie auf harte Zeiten im späteren Leben vorzubereiten. Als Junge hätte man von mir erwartet, dass ich Tiere aus Spaß tötete, so wie er. Frauen mussten zum Glück keine Tiere erschießen, sondern sie nur jagen. Ich hatte bereits auf dem Rücken meiner Ponys Angst gezeigt und mich geweigert, auf Fuchsjagd zu gehen. Da ich eindeutig der Feigling der Familie war, dachte er vielleicht, ich brauchte zusätzliche Stärkung.
Moppets Leiche zu sehen härtete mein Herz nicht ab. Stattdessen war diese Erfahrung eine Warnung für mich. Ich hatte das Gefühl, in einem Haushalt zu leben, in dem es keine wirkliche Sicherheit gab. Ich musste aufpassen, vorsichtiger auftreten, als der arme Moppet es getan hatte. Meine Beziehung zu meinem Vater bestand darin, dass ich ihm möglichst aus dem Weg ging und mich unterwürfig seiner Autorität fügte.
»Ich werde dir meinen Stempel aufdrücken, Celia«, sagte mein Vater oft und funkelte mich wütend von seinem Platz am Kopfende des Esstisches an, wenn wir unsere Mahlzeiten einnahmen. »Du wirst versuchen auszuweichen, aber meine Art wird dich prägen, ob du willst oder nicht.«
Tatsächlich hat er mich für immer gezeichnet, wenn auch nicht in der Weise, die er beabsichtigt hatte. Ich sah, wie er Pferde schlug, wenn sie nicht machten, was er wollte. Ich sah, wie er Geld sparte, als er seine Kühe von einem Tierarzt behandeln ließ, der ihre Hörner ohne Betäubung abtrennte, sodass der Hof voller Blut war und die Tiere gequält muhten.
Heute ist mir klar, dass diese Grausamkeit seiner Verbitterung und seinem Elend entsprang. Er saß in einer unglücklichen Ehe fest, war als Kind geschlagen und misshandelt worden. Das hatte ihn ungewöhnlich empfänglich für jegliche Art von Geringschätzung oder Beleidigung gemacht. Er war unfähig, anders als mit Zorn auf Meinungsverschiedenheiten zu reagieren. Und er besaß die Fähigkeit, Schmerz auszublenden, sei es den eigenen oder den eines anderen. In seinem späteren Leben und in einer glücklichen zweiten Ehe war er zufriedener und ging demzufolge freundlicher mit Tieren um. Als Kind konnte ich diese Feinheiten jedoch nicht begreifen. Ich identifizierte mich einfach mit seinen Opfern.
Er hat mir seinen Stempel aufgedrückt, wie versprochen. Doch das hat mich eher weicher als härter gemacht. Die Identifizierung mit misshandelten Tieren hat mich für mein Leben geprägt. Mir fällt es schwer, über die verletzten, halb verhungerten, misshandelten und unglücklichen Tieren in unserer Gesellschaft hinwegzusehen. Ich kann so tun, als wären sie nicht da. Ich kann sie ignorieren, wenn ich genug zu tun oder genug getrunken habe oder wenn ich sie einfach leugne. Häufig habe ich jedoch das Gefühl, als würde ich im Stillen mit ihnen leiden, besonders wenn ich ihr Leid tatsächlich sehe. Deshalb spürte ich auch die Not der kleinen Katze, die in Anns Gehege kauerte.
Meine Kindheit hat in mir das Bedürfnis entstehen lassen, Tieren nah zu sein, aber das war für die betroffenen Tiere nicht immer gut. Ich war nicht immer eine verantwortungsvolle Besitzerin. Im Internat bekam ich Probleme, weil ich heimlich eine weiße Maus in meinem Kleiderschrank hielt. Eine andere weiße Maus hat mich eine Zeitlang an der Universität in Cambridge begleitet. Doch als mir klar wurde, dass mein Freund zu viel meiner Zeit in Anspruch nahm, verschenkte ich sie mitsamt ihrem Käfig an jemandem, der sie haben wollte.
Als ich in den 1960ern in London eintraf, schenkte man mir eine Jungkatze, eine Birma-Katze, die ich Tunku nannte. Sie verschwand eines Tages, als sie sich alt genug dafür fühlte. Ich führte ein Leben, das für die Haltung von Haustieren nicht geeignet war. Mit zwei anderen Mietern wohnte ich in einem Hinterhaus. Ich hörte laut Musik. Freunde kamen und gingen, da ich anscheinend unfähig war, ein vernünftiges Sexualleben zu führen. Ich trank zu viel, trug Miniröcke und kniehohe Stiefel, ging in Nachtklubs, die von Popstars wie Mick Jagger unterstützt wurden, und kam oft erst in den frühen Morgenstunden nach Hause. Tunku war sehr vernünftig, als er ging. Das tun Katzen nämlich, wenn sie das Gefühl haben, dass ihr Zuhause nicht wirklich für sie geeignet ist.
Mein nächstes Haustier war Jelly, ein bezaubernder Mischlingshund, der in meiner ersten Ehe zu mir kam. Ich drehte mit ihm jeden Morgen eine Runde, bevor ich zur Arbeit ging. Als meine Ehe auseinanderging, nahm ich Jelly mit. Ich übergab den Ärmsten verschiedenen Betreuern, bis mir klar wurde, dass ich nicht richtig für ihn sorgen konnte. Also gab ich eine Annonce auf und fand ein gutes Zuhause für ihn. Langsam und allmählich lernte ich, mehr Verantwortung für das Wohlergehen meiner Tiere zu übernehmen.
Meine Erfahrungen lehrten mich, dass ich mit Haustieren nicht gut umgehen konnte. Ich hatte mich wie die typische verantwortungslose Tierhalterin benommen - Tiere erworben und dann nicht richtig für sie gesorgt. Das wollte ich nicht mehr und beschloss, mir kein Haustier mehr zuzulegen. Wenn man Tiere wirklich liebt, ist es durchaus möglich, auf ein eigenes zu verzichten.
Jahrelang versagte ich mir den Erwerb eines Haustiers. Meine Arbeit in der Fleet Street war zeitaufwendig, und ich kam oft erst spät abends nach Hause. Dann heiratete ich wieder. Mein zweiter Mann, Ronnie, wollte auch keine Tiere haben. Als hochkarätiger Auslandskorrespondent und Kriegsberichterstatter musste er häufig von einem Augenblick auf den anderen buchstäblich in ein Flugzeug springen. Ich kam dann nach Hause und fand eine hingekritzelte Botschaft vor: »Bin unterwegs nach Zypern wg. türkischer Invasion. Alles Liebe, Ronnie.«
Ich hatte nie vor, mir eine Katze zuzulegen. Und wäre Ada nicht in mein Leben getreten, hätte ich auch nie eine bekommen. Dennoch entschied sie, dass der Schuppen am Ende meines Gartens in London der ideale Platz für ihr Kätzchen sei. Warum sie den Schuppen auswählte, weiß ich nicht. Vielleicht, weil ich so wenig im Garten tat?
Zunächst dachte ich, dort lebten zwei Katzen, denn ich sah sie in Begleitung eines größeren schwarzen Katers draußen vor dem Schuppen sitzen. Der schwarze Kater kam und ging nach Belieben, aber sie blieb im Garten, in der Nähe des Schuppens. Als ich schließlich nachforschte, fand ich ein Kätzchen in einer leeren Pappschachtel, die sie ausgesucht hatte. Sie hatte ihr Fell ausgerupft, um die Schachtel als Nest herzurichten.
Ich verlegte sie mit dem Jungtier ins Haus. Das war zu einem Zeitpunkt, als ich meinen Bürojob aufgab und freiberuflich von zu Hause aus arbeitete. Die Haltung einer Katze war also durchaus im Bereich des Möglichen. Ich sagte meinem Mann, dies sei eine vorübergehende Maßnahme, bis ich ein gutes Zuhause für sie finden würde. Wir tauften die kleine Katze wegen ihres wilden Temperaments Billy Fury.
Ada war eine gute Mutter - viel zu gut. Sie hatte beschlossen, Billy als Wildkatze aufzuziehen, nicht als Haustier. Sie brachte ihm bei, wie man sich verstecken konnte, wenn man hinter die Abflussrohre unter dem Spülbecken in der Küche kletterte. Eine menschliche Hand konnte ihn dort nicht herausziehen, und der winzige Spalt war auch nicht leicht zu versperren. Wenn ich auch nur in die Nähe der Küche kam, schnalzte Ada und schickte ihn zurück in seine Zuflucht.
Etwa eine Woche lang versuchte ich, ihn zu zähmen, doch mit wenig Erfolg. Seine Mutter lehrte ihn, allen Menschen aus dem Weg zu gehen. Wenn er sich auf den Weg zu mir machte, rief sie ihn auf der Stelle zurück. Ich musste ihn von ihr trennen, aber ein Zuhause für ihn zu finden war schwer.
Damals entledigten sich viele der gemeinnützigen Tierheime vor Ort eines Großteils der Katzen, die ihnen übergeben wurden. Jede Katze mit unbeliebter Farbe oder unsympathischen Charakterzügen wurde eingeschläfert. Ich fürchtete, das könnte auch Billy zustoßen. Ich schätzte seine Chancen eher gering ein.
Die Tierhandlung am Ort erklärte sich bereit, ihn in Zahlung zu nehmen, aber ich wollte nicht, dass eine lebende Kreatur einfach wie eine Dose Katzenfutter über den Ladentisch gereicht wurde. Ich hängte Zettel in jeden Zeitschriftenladen und in jedes kleine Geschäft und fand schließlich jemanden, der bereit war, ihn zu adoptieren. Ich übergab ihn mit einem Beutel Futter und Katzenstreu.
Ich hoffe, er war jung genug, um sich einem häuslichen Leben anzupassen. Hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß, dann hätte ich dafür gesorgt, ihn richtig zu sozialisieren, das heißt, ihn mit Menschen und einem menschlichen Haushalt vertraut zu machen. Aber ich wusste nicht, dass ich das hätte tun sollen. Mein Instinkt, ihn aus dem Schuppen in die Küche zu holen, war richtig, aber dass ich mich in seiner ersten Zeit nicht genug um ihn kümmerte, bedeutete für sein zukünftiges Leben als Haustier ein Risiko. Das macht mir heute noch zu schaffen.
Ada blieb in meinem Haus, was ich auch wollte, im Gegensatz zu Ronnie. Anscheinend mochte sie ihn nicht, wie eigentlich überhaupt keine Männer, und das fand er verletzend. Sie war besonders verängstigt, wenn er nach ein paar Drinks mit den Jungs am Ende eines Arbeitstags in der Fleet Street nach Hause kam. Sie beurteilte den Grad seiner Trunkenheit an seinen Schritten in unserer kleinen Londoner Straße und verschwand aus dem Wohnzimmer, bevor er die Haustür erreichte.
Eines Abends kam er schlecht gelaunt nach Hause. Ich saß auf dem Boden und kommunizierte mit Ada. Sie hockte unter dem Fensterbrett, und ich unterhielt mich mit ihr wie mit einem Menschen. Obwohl ich den Katzenbestand in unserem Haus halbiert hatte, als ich den Jungkater adoptieren ließ, war Ronnie nicht in der Stimmung, meine Beschäftigung mit einer Katze lustig oder auch nur angenehm zu finden.
»Diese verdammte Katze. Wieso hast du sie nicht weggegeben? Ich sag dir, Celia, wenn die Katze nicht verschwindet, gehe ich«, verkündete er.
Ich reagiere auf Autorität entweder aggressiv oder absolut hinterlistig. Am liebsten hätte ich zu Ronnie gesagt: »Dann geh doch.« Doch in diesem Fall war eindeutig Hinterlist angesagt. Daher unterdrückte ich den Wunsch, ihm zu sagen, dass lieber er als Ada das Haus verlassen solle, und log stattdessen.
»Ich suche verzweifelt nach einem Zuhause für sie, Ronnie. Lass mir einfach noch ein paar Wochen Zeit«, sagte ich sanft.
Natürlich blieb sie.
Etwa einen Monat lang erzählte ich Ronnie wiederholt, wie angestrengt ich nach einem neuen Zuhause für Ada suchte. Ich führte alle Leute an, die mir gesagt hatten, sie wollten keine Katze haben. Ich berichtete, dass die verschiedenen Tierheime sie wahrscheinlich einschläfern müssten, weil sie nervös und unattraktiv war - was leider stimmte. Ich bat um mehr Zeit und sein Verständnis.
Ronnie ist ein freundlicher Mann mit weichem Herzen. Seine Drohung, das Haus zu verlassen, falls ich Ada behalten würde, war lediglich der vorübergehende Ärger eines Mannes, der einen schlechten Tag gehabt hatte. Ich setzte darauf, dass seine Freundlichkeit den Widerwillen bezwingen würde, Katzenbesitzer zu werden.
Es funktionierte. Ein paar Monate später gab er sich damit ab, dass ich eine Katze hatte. Dann nahm er hin, dass wir eine Katze hatten.
Ada war mein Gesellenstück in Sachen Katzen. Ich wusste nichts, als ich ihr zum ersten Mal begegnete. Ich hatte nicht vor, eine Katze zu haben, bis Ada in mein Leben trat. Ich hatte nicht sie gewählt, sondern sie mich. Zuerst mochte ich sie, dann liebte ich sie, dann betete ich sie an.
Durch Ada war ich voll und ganz dem Zauber der Katzen erlegen.
© Weltbild
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Autoren-Porträt von Celia Haddon
Celia Haddon ist eine bekannte englische Journalistin. Sie hat zahlreiche Bücher über Katzen veröffentlicht und schreibt regelmäßig als Tierexpertin in der Zeitung Daily Telegraph. Mehr über die Autorin erfahren Sie unter www.celiahaddon.com.
Bibliographische Angaben
- Autor: Celia Haddon
- 2013, 1, 208 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Flex. Einband
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3863659864
- ISBN-13: 9783863659868
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