Tod in der Datscha
Roman
Die junge Künstlerin Sascha ist verzweifelt: Versehentlich hat sie das Gemälde, das sie restaurieren sollte, zerstört. In ihrer Not versucht sie, den Maler zu finden. Vielleicht malt er das Bild ein zweites Mal. Auf der Suche nach der Datscha, die auf dem...
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Produktinformationen zu „Tod in der Datscha “
Die junge Künstlerin Sascha ist verzweifelt: Versehentlich hat sie das Gemälde, das sie restaurieren sollte, zerstört. In ihrer Not versucht sie, den Maler zu finden. Vielleicht malt er das Bild ein zweites Mal. Auf der Suche nach der Datscha, die auf dem Bild dargestellt ist, kommt Sascha einer schrecklichen Tragödie auf die Spur, die tief in der jüngsten russischen Geschichte begründet ist. Es geht um Mord - und unversehens gerät Sascha selbst in Lebensgefahr.
Lese-Probe zu „Tod in der Datscha “
"Sascha, das ist für dich!"Die junge Frau zuckte zusammen und schloss eilig das Portemonnaie. Sie schaffte es gerade noch, das Portemonnaie auf den Tisch, von dem sie es genommen hatte, zu werfen, als Fjodor schon in das Zimmer hineinschaute.
"Irgendeine Madame Sowieso verlangt dich am Telefon. Willst du mit ihr sprechen?"
"Wer ist es denn?" Sascha spürte, wie ihre Wangen brannten. Nie in ihrem Leben hatte sie in fremden Taschen oder Portemonnaies gewühlt. Und jetzt, im Alter von achtundzwanzig Jahren, war es passiert. Aber anscheinend hatte Fjodor nichts gemerkt. Er zuckte mit den Schultern.
"Ich habe nicht nachgefragt. Sie hat deinen Familiennamen genannt. Also kommst du nun, oder soll ich sagen, dass du nicht zu Hause bist?"
Sascha ging in die Küche und nahm den Telefonhörer. Die weibliche Stimme, die sie hörte, kannte sie nicht.
"Ich möchte mit Aleksandra Mordwinowa sprechen."
"Am Apparat. Und Sie sind bitte ..."
Sie schaffte es nicht, den Satz zu beenden. Die Frau unterbrach sie energisch.
"Sie kennen mich nicht, im Übrigen ich Sie auch nicht. Bekannte haben mir gesagt, dass Sie Gemälde zur Restaurierung annehmen. Ist das richtig?"
"Nun, im Allgemeinen ..." Sascha stockte. Seit dem frühen
Morgen beschäftigten sie ganz andere Dinge. An die Arbeit dachte sie am allerwenigsten.
"Also ja oder nein?", fragte die Frau gereizt.
"Ich würde schon etwas annehmen", bestätigte Sascha unentschlossen. "Was haben Sie denn?"
Ohne ins Detail zu gehen, sagte die Frau, dass sie in einer Stunde komme und das Bild mitbringe. Dann könnten sie über alles reden. Zu guter Letzt äußerte sie einen merkwürdigen Wunsch: "Um eines möchte ich Sie allerdings bitten, nämlich, dass kein Fremder bei unserem Gespräch anwesend ist."
Sascha brummelte zustimmend, und ihre Gesprächsteilnehmerin beendete das Telefonat. Sie legte den Telefonhörer auf. Nach einer Minute ertappte sie sich dabei, wie sie noch immer auf derselben Stelle stand und stumpfsinnig
... mehr
aus dem Fenster starrte. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Ihr war so elend zumute, dass sie sogar anfing, ihre Gedanken zu fürchten. Und dieser Anruf war keineswegs der Grund dafür.
"Und, wer hat nun angerufen?", fragte Fjodor.
Sascha antwortete nicht und stierte weiter durchs Fenster. Sie hörte, wie Fjodor das Regal mit dem Geschirr durchwühlte, wie er sich Leitungswasser einschenkte, gierig trank, die Tasse scheppernd zurückstellte und wegging. Als sie ihm so zuhörte, spürte sie plötzlich etwas Neues, und das war Hass. In dieser Minute hasste Sascha ihn so, dass sie nur noch eines wollte: dass er verschwand. Und als habe der junge Mann ihre stumme Bitte gehört, schlug nach einer Weile die Eingangstür zu. Er hatte nicht gesagt, wann er zurück sein wollte, hatte sie nicht informiert, wohin er überhaupt ging. Die junge Frau betete bei sich, dass er überhaupt nicht zurückkäme. Und erschrak sofort über diesen Wunsch.
Sascha hatte Fjodor vor anderthalb Jahren kennen gelernt. Es war in Petersburg gewesen. Sascha hatte gerade ihr Studium an der Akademie der Künste abgeschlossen und wollte nach Hause, nach Moskau, zurück. Fjodor hatte eben erst in der Klasse für Bildhauerei angefangen. Er kam aus Archangelsk und erzählte Sascha gleich bei ihrem ersten Treffen, dass alle in seiner Familie seit Generationen Schnitzer von Walrosszahn seien. Genauso wie bei seinem berühmten Landsmann Fedot Iwanowitsch Schubin. Da wusste Sascha, dass er ihr etwas vorgelogen hatte, vergab ihm aber dennoch. War es wirklich so wichtig, welche Vorfahren er hatte, wenn er selber zweifelsohne begabt war?
Sie hatten sich in der Mensa kennen gelernt, als sie beide zufällig am selben Tisch saßen. Wenn dieser Zufall nicht gewesen wäre, hätte wohl kaum einer vom anderen erfahren. Verschiedene Spezialisierungen, verschiedenes Studienjahr, und sie lebten auch noch in verschiedenen Stadtteilen. Fjodor wohnte in einem Studentenheim auf der Wassiljewinsel. Sascha hatte ein Zimmer am Fontanka-Ufer gemietet. Die Eltern schickten ihr Geld. Sascha nahm sich zwar ständig vor, sich etwas dazuzuverdienen - beispielsweise, ihre Bilder auf dem Newskij-Prospekt zu verkaufen -, aber sie setzte die Idee nie in die Tat um: Dort gab es schon mehr als genug Künstler wie sie. Und warum sollte sie sich auch mit dieser Massenware beschäftigen, wenn sie auch so leben konnte? Als Fjodor ihre Überlegungen hörte, stimmte er ihr ganz und gar zu.
"Eine Menge Leute leben von Gott weiß was, und es macht ihnen nichts aus. Sie gehen nicht unter!"
Er selber lebte von "Gott weiß was". Schließlich schickten sie ihm aus Archangelsk keine müde Kopeke. Sascha konnte sich gut vorstellen, wie es dort aussah. Ein "historisches", baufälliges Holzhaus auf der Solombalstraße. Morsche, altersschwache Bretterdielen. Der Vater, ein ehemaliger Fischer - infolge des Alkohols ein Frührentner. Die Mutter - eine vertrocknete Frau mit aufgedunsener Schilddrüse und weit aufgerissenen, grimmigen Augen. Und die Ehefrau - tja, da waren ein Kind und eine Frau.
Aber in den ersten Wochen ihrer Bekanntschaft war weder von Frau noch von Kind die Rede. Überhaupt war Fjodors Heimatstadt nach seinen Worten ein absolutes Wunder, und er versprach Sascha, auf jeden Fall einmal mit ihr dorthin zu fahren.
Zu diesem Zeitpunkt machten sie schon alles zusammen. Sie wohnten gemeinsam in dem Zimmer auf der Fontanka, sie kauften gemeinsam Piroggen mit Kartoffel- oder Moosbeerenfüllung, gingen gemeinsam ins Kino oder Museum. Fjodor war nur ein Jahr jünger als sie, aber Sascha verhielt sich ihm gegenüber etwas gönnerhaft, fast mütterlich. Es war eher Mitleid als Liebe, das sie für ihn empfand. Mit der Liebe, so dachte sie damals, war es für sie vorbei.
Ihre erste Liebe hatte sie in Moskau erlebt, in der letzten Klasse, die zweite Liebesbeziehung dann im ersten Studienjahr an der Akademie der Künste. Sie endete mit einem Nervenzusammenbruch ihrerseits, einer Abtreibung und fünf Kilo weniger. Danach hatte sie noch einige Beziehungen, mehr oder weniger ernsthafte, ohne dass es zu derartigen Folgen gekommen wäre. Und damals, nicht lange bevor sie Fjodor traf, entschied Sascha, all diese Dummheiten hinter sich zu lassen und sich ausschließlich mit dem Studium und sich selbst zu beschäftigen. Sie schnitt sich das kastanienbraune Haar und färbte es mit einem Kupferton. Zum ersten Mal in ihrem Leben kaufte sie sich einen Lippenstift. Sascha saß an ihrer Diplomarbeit, schmiedete Pläne für die Zukunft und beachtete den Jungen kaum. Fjodor aber...Er schien ihr ein großes Kind zu sein - naiv, zärtlich, lebensunfähig. Sogar in seinem Äußeren war etwas Kindliches: die leichte Stupsnase, die verträumten blauen Augen und dieses ewige fragende Lächeln. Und die kindliche Sorglosigkeit. Das Geld, wenn er mal welches hatte, stopfte er in seine löchrigste Tasche, bei Frost lief er ohne Mütze und Schal auf die Straße hinaus, vergaß immer irgendwo seine Schlüssel, die Jacke, Zigaretten und Feuerzeuge. Merkwürdigerweise ärgerte das Sascha nicht. Ihr selber waren Ordnung oder Geld fast egal. Sie freute sich, eine verwandte Seele getroffen zu haben. Mit keinem Mann war ihr bisher so leicht und froh zumute gewesen. Fjodor war zärtlich, aufmerksam, ordnete sich ihr gern unter und war, wie es schien, ganz abhängig von ihr geworden. Außerdem konnte Fjodor bei all seiner Hilflosigkeit in praktischen Dingen überraschend gut kochen. Sascha kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, als er eines Abends zwei Eimer Weißkohl einlegte, Buckellachs einsalzte und Kohlsuppe kochte. Sie selbst war an der Kocherei weniger interessiert, aber sein Eifer war ansteckend. Von da an wechselten sie sich beim Kochen ab. Wenn sich die Überweisung der Eltern verspätete und nichts da war, woraus ein richtiges Mittagessen hätte gekocht werden können, schlugen sie sich mit selbst gemachten Piroggen durch. Sie gingen zusammen zu den Lehrveranstaltungen und kehrten gemeinsam zurück. Wenn die Veranstaltungen von Fjodor früher zu Ende waren, wartete er auf Sascha gegenüber der Akademie, an der Uferstraße bei den Sphinxen.
"Und, wer hat nun angerufen?", fragte Fjodor.
Sascha antwortete nicht und stierte weiter durchs Fenster. Sie hörte, wie Fjodor das Regal mit dem Geschirr durchwühlte, wie er sich Leitungswasser einschenkte, gierig trank, die Tasse scheppernd zurückstellte und wegging. Als sie ihm so zuhörte, spürte sie plötzlich etwas Neues, und das war Hass. In dieser Minute hasste Sascha ihn so, dass sie nur noch eines wollte: dass er verschwand. Und als habe der junge Mann ihre stumme Bitte gehört, schlug nach einer Weile die Eingangstür zu. Er hatte nicht gesagt, wann er zurück sein wollte, hatte sie nicht informiert, wohin er überhaupt ging. Die junge Frau betete bei sich, dass er überhaupt nicht zurückkäme. Und erschrak sofort über diesen Wunsch.
Sascha hatte Fjodor vor anderthalb Jahren kennen gelernt. Es war in Petersburg gewesen. Sascha hatte gerade ihr Studium an der Akademie der Künste abgeschlossen und wollte nach Hause, nach Moskau, zurück. Fjodor hatte eben erst in der Klasse für Bildhauerei angefangen. Er kam aus Archangelsk und erzählte Sascha gleich bei ihrem ersten Treffen, dass alle in seiner Familie seit Generationen Schnitzer von Walrosszahn seien. Genauso wie bei seinem berühmten Landsmann Fedot Iwanowitsch Schubin. Da wusste Sascha, dass er ihr etwas vorgelogen hatte, vergab ihm aber dennoch. War es wirklich so wichtig, welche Vorfahren er hatte, wenn er selber zweifelsohne begabt war?
Sie hatten sich in der Mensa kennen gelernt, als sie beide zufällig am selben Tisch saßen. Wenn dieser Zufall nicht gewesen wäre, hätte wohl kaum einer vom anderen erfahren. Verschiedene Spezialisierungen, verschiedenes Studienjahr, und sie lebten auch noch in verschiedenen Stadtteilen. Fjodor wohnte in einem Studentenheim auf der Wassiljewinsel. Sascha hatte ein Zimmer am Fontanka-Ufer gemietet. Die Eltern schickten ihr Geld. Sascha nahm sich zwar ständig vor, sich etwas dazuzuverdienen - beispielsweise, ihre Bilder auf dem Newskij-Prospekt zu verkaufen -, aber sie setzte die Idee nie in die Tat um: Dort gab es schon mehr als genug Künstler wie sie. Und warum sollte sie sich auch mit dieser Massenware beschäftigen, wenn sie auch so leben konnte? Als Fjodor ihre Überlegungen hörte, stimmte er ihr ganz und gar zu.
"Eine Menge Leute leben von Gott weiß was, und es macht ihnen nichts aus. Sie gehen nicht unter!"
Er selber lebte von "Gott weiß was". Schließlich schickten sie ihm aus Archangelsk keine müde Kopeke. Sascha konnte sich gut vorstellen, wie es dort aussah. Ein "historisches", baufälliges Holzhaus auf der Solombalstraße. Morsche, altersschwache Bretterdielen. Der Vater, ein ehemaliger Fischer - infolge des Alkohols ein Frührentner. Die Mutter - eine vertrocknete Frau mit aufgedunsener Schilddrüse und weit aufgerissenen, grimmigen Augen. Und die Ehefrau - tja, da waren ein Kind und eine Frau.
Aber in den ersten Wochen ihrer Bekanntschaft war weder von Frau noch von Kind die Rede. Überhaupt war Fjodors Heimatstadt nach seinen Worten ein absolutes Wunder, und er versprach Sascha, auf jeden Fall einmal mit ihr dorthin zu fahren.
Zu diesem Zeitpunkt machten sie schon alles zusammen. Sie wohnten gemeinsam in dem Zimmer auf der Fontanka, sie kauften gemeinsam Piroggen mit Kartoffel- oder Moosbeerenfüllung, gingen gemeinsam ins Kino oder Museum. Fjodor war nur ein Jahr jünger als sie, aber Sascha verhielt sich ihm gegenüber etwas gönnerhaft, fast mütterlich. Es war eher Mitleid als Liebe, das sie für ihn empfand. Mit der Liebe, so dachte sie damals, war es für sie vorbei.
Ihre erste Liebe hatte sie in Moskau erlebt, in der letzten Klasse, die zweite Liebesbeziehung dann im ersten Studienjahr an der Akademie der Künste. Sie endete mit einem Nervenzusammenbruch ihrerseits, einer Abtreibung und fünf Kilo weniger. Danach hatte sie noch einige Beziehungen, mehr oder weniger ernsthafte, ohne dass es zu derartigen Folgen gekommen wäre. Und damals, nicht lange bevor sie Fjodor traf, entschied Sascha, all diese Dummheiten hinter sich zu lassen und sich ausschließlich mit dem Studium und sich selbst zu beschäftigen. Sie schnitt sich das kastanienbraune Haar und färbte es mit einem Kupferton. Zum ersten Mal in ihrem Leben kaufte sie sich einen Lippenstift. Sascha saß an ihrer Diplomarbeit, schmiedete Pläne für die Zukunft und beachtete den Jungen kaum. Fjodor aber...Er schien ihr ein großes Kind zu sein - naiv, zärtlich, lebensunfähig. Sogar in seinem Äußeren war etwas Kindliches: die leichte Stupsnase, die verträumten blauen Augen und dieses ewige fragende Lächeln. Und die kindliche Sorglosigkeit. Das Geld, wenn er mal welches hatte, stopfte er in seine löchrigste Tasche, bei Frost lief er ohne Mütze und Schal auf die Straße hinaus, vergaß immer irgendwo seine Schlüssel, die Jacke, Zigaretten und Feuerzeuge. Merkwürdigerweise ärgerte das Sascha nicht. Ihr selber waren Ordnung oder Geld fast egal. Sie freute sich, eine verwandte Seele getroffen zu haben. Mit keinem Mann war ihr bisher so leicht und froh zumute gewesen. Fjodor war zärtlich, aufmerksam, ordnete sich ihr gern unter und war, wie es schien, ganz abhängig von ihr geworden. Außerdem konnte Fjodor bei all seiner Hilflosigkeit in praktischen Dingen überraschend gut kochen. Sascha kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, als er eines Abends zwei Eimer Weißkohl einlegte, Buckellachs einsalzte und Kohlsuppe kochte. Sie selbst war an der Kocherei weniger interessiert, aber sein Eifer war ansteckend. Von da an wechselten sie sich beim Kochen ab. Wenn sich die Überweisung der Eltern verspätete und nichts da war, woraus ein richtiges Mittagessen hätte gekocht werden können, schlugen sie sich mit selbst gemachten Piroggen durch. Sie gingen zusammen zu den Lehrveranstaltungen und kehrten gemeinsam zurück. Wenn die Veranstaltungen von Fjodor früher zu Ende waren, wartete er auf Sascha gegenüber der Akademie, an der Uferstraße bei den Sphinxen.
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Autoren-Porträt von Anna Malyschewa
Anna Malyschewa wurde 1973 in Karaganda geboren. Sie ist eine der jüngsten Bestsellerautoren Russlands.
Bibliographische Angaben
- Autor: Anna Malyschewa
- 2003, 478 Seiten, Maße: 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Aus d. Russ. v. Olaf Terpitz
- Verlag: BTB
- ISBN-10: 3442730988
- ISBN-13: 9783442730988
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