Totenkünstler / Detective Robert Hunter Bd.4
Thriller | Hart. Härter. Carter Die Psychothriller-Reihe mit Nervenkitzel pur
Chris Carter weiß, wovon er schreibt: Er studierte forensische Psychologie und beriet jahrelang die Staatsanwaltschaft.
Die Angst geht um in L.A. - und das ausgerechnet bei den sonst so coolen Beamten des Los Angeles Police...
Die Angst geht um in L.A. - und das ausgerechnet bei den sonst so coolen Beamten des Los Angeles Police...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Totenkünstler / Detective Robert Hunter Bd.4 “
Chris Carter weiß, wovon er schreibt: Er studierte forensische Psychologie und beriet jahrelang die Staatsanwaltschaft.
Die Angst geht um in L.A. - und das ausgerechnet bei den sonst so coolen Beamten des Los Angeles Police Departments! Ein ebenso unheimlicher, wie brutaler Killer tötet Polizisten und formt aus ihren Körpern abscheuliche Figuren. Der Unbekannte versteht sich offensichtlich als Künstler mit einer besonderen Begabung … Und genau an diesem Punkt setzen Profiler Robert Hunter und sein Partner Carlos Garcia an: Hunter weiß, wie Killer ticken. Doch der "Totenkünstler" plant bereits ein neues Werk – mit dem Körper von Robert Hunter.
Die Angst geht um in L.A. - und das ausgerechnet bei den sonst so coolen Beamten des Los Angeles Police Departments! Ein ebenso unheimlicher, wie brutaler Killer tötet Polizisten und formt aus ihren Körpern abscheuliche Figuren. Der Unbekannte versteht sich offensichtlich als Künstler mit einer besonderen Begabung … Und genau an diesem Punkt setzen Profiler Robert Hunter und sein Partner Carlos Garcia an: Hunter weiß, wie Killer ticken. Doch der "Totenkünstler" plant bereits ein neues Werk – mit dem Körper von Robert Hunter.
Klappentext zu „Totenkünstler / Detective Robert Hunter Bd.4 “
Die Angst geht um beim Los Angeles Police Department. Wer von ihnen wird das nächste Opfer? Ein brutaler Mörder tötet Polizisten und formt aus ihren Körpern abscheuliche Figuren. Er versteht sich als Künstler. Und genau da setzen Profiler Robert Hunter und sein Partner Carlos Garcia mit ihren Ermittlungen an. Hunter weiß, wie Mörder denken. Und das könnte sein Todesurteil sein.Lese-Probe zu „Totenkünstler / Detective Robert Hunter Bd.4 “
Totenkünstler von Chris Carter »Ach du lieber Gott, ich komme zu spät!«, rief Melinda Wallis und sprang aus dem Bett. Mit müden Augen warf sie einen Blick zum Wecker auf ihrem Nachttisch. Sie war letzte Nacht bis halb vier auf gewesen und hatte für eine Prüfung in Klinischer Pharmakologie gelernt, die sie in drei Tagen schreiben musste.
Schlaftrunken stolperte sie durchs Zimmer, während ihr Gehirn sich darüber klarzuwerden versuchte, was als Erstes zu tun war. Sie lief ins Bad, wo sie einen Blick auf ihr Spiegelbild erhaschte.
»Mist, Mist, Mist!«
Sie griff nach ihrem Schminktäschchen und begann sich das Gesicht zu pudern.
Melinda war dreiundzwanzig Jahre alt und einem Artikel in einem Hochglanzmagazin zufolge, den sie vor einigen Tagen gelesen hatte, für ihre Körpergröße von einem Meter zweiundsechzig ein wenig zu dick. Ihre langen braunen Haare trug sie grundsätzlich zum Pferdeschwanz gebunden, selbst wenn sie abends ins Bett ging, und sie verließ das Haus nie ohne mindestens eine Schicht Abdeckcreme im Gesicht, die die hässliche Akne auf ihren Wangen kaschieren sollte. Statt sich die Zähne zu putzen, quetschte sie sich nur rasch einen Klecks Zahnpasta in den Mund, um den Geschmack der Nacht loszuwerden.
Zurück im Schlafzimmer, fand sie ihre Kleider - weiße Bluse, Strümpfe, knielanger weißer Rock und weiße Schuhe mit flachen Sohlen - ordentlich zusammengelegt auf dem Stuhl neben ihrem Schreibtisch. Sie zog sich in Rekordzeit an und stürzte aus der kleinen Gästewohnung in Richtung Haupthaus.
... mehr
Melinda war Pflegeschülerin im dritten Jahr an der UCLA, der University of California, und um die erforderlichen Praxisstunden abzuleisten, arbeitete sie jedes Wochenende als Krankenschwester in der ambulanten Pflege. Seit mittlerweile dreieinhalb Monaten betreute sie Mr Derek Nicholson in Cheviot Hills, West Los Angeles.
Keine zwei Wochen vor ihrem Jobantritt hatte man bei Mr Nicholson ein Lungenkarzinom im fortgeschrittenen Stadium festgestellt. Der Tumor war bereits so groß wie ein Pflaumenstein und hatte Metastasen gebildet. Inzwischen hatte Mr. Nicholson große Schwierigkeiten beim Gehen, benötigte immer öfter die Hilfe eines Sauerstoffgeräts und konnte kaum noch sprechen. Trotz des Drängens seiner Töchter hatte er eine Chemotherapie abgelehnt. Er sah nicht ein, weshalb er die letzten Tage seines Lebens in einem Krankenzimmer liegen sollte. Lieber wollte er die Zeit, die ihm noch blieb, in seinem eigenen Zuhause verbringen.
Melinda sperrte die Haustür auf und eilte durch die geräumige Eingangshalle, bevor sie das große, aber sparsam möblierte Wohnzimmer betrat. Mr Nicholsons Schlafzimmer lag im ersten Stock. Wie jeden Morgen herrschte im Haus eine fast unheimliche Stille.
Derek Nicholson lebte allein. Seine Frau war zwei Jahre zuvor gestorben. Seine Töchter kamen ihn zwar jeden Tag besuchen, hatten aber ansonsten ihr eigenes Leben.
»Entschuldigung, dass ich mich verspätet habe!«, rief Melinda von unten. Erneut warf sie einen Blick auf die Uhr. Sie war exakt dreiundvierzig Minuten zu spät. »Mist!«, knurrte sie noch einmal. »Derek, sind Sie wach?« Sie hatte die Treppe erreicht und hastete mit großen Schritten die Treppe hinauf.
Gleich an ihrem ersten Wochenende hatte Derek Nicholson sie gebeten, ihn mit seinem Vornamen anzusprechen. Er mochte den förmlichen Klang von »Mr Nicholson« nicht.
Als Melinda sich der Tür zu seinem Schlafzimmer näherte, wehte ihr ein strenger, Übelkeit erregender Geruch entgegen.
Oje, dachte sie. Ganz offensichtlich war es für den ersten Gang zur Toilette bereits zu spät.
»Also, ich mache Sie jetzt erst mal sauber ...«, begann sie, während sie gleichzeitig die Tür öffnete, »... und dann bringe ich Ihnen Ihr Frühst...«
Ihr ganzer Körper versteifte sich, ihre Augen wurden weit vor Entsetzen, und alle Luft wich aus ihren Lungen, als hätte man sie ins Weltall geschossen. Sie merkte, wie ihr der Mageninhalt hochkam, und erbrach sich gleich neben der Tür.
»Gott im Himmel!«, wollte Melinda hervorstoßen, doch kein Laut kam über ihre bebenden Lippen. Die Knie gaben unter ihr nach, alles um sie herum begann sich zu drehen, und sie musste sich mit beiden Händen am Türrahmen festklammern, um aufrecht stehen zu bleiben. In diesem Moment fiel der Blick ihrer schreckensgeweiteten grünen Augen auf die Wand gegenüber. Zuerst konnte ihr Verstand das, was sie dort sah, gar nicht verarbeiten, doch dann brach eine entsetzliche, rasende Angst über sie herein wie ein Gewittersturm.
In der Stadt der Engel hatte kaum der Sommer begonnen, und schon jetzt lagen die Temperaturen bei annähernd dreißig Grad. Detective Robert Hunter vom Raub- und Morddezernat des Los Angeles Police Department hielt seine Stoppuhr an, als er vor seinem Apartmentgebäude in Huntingdon Park, südöstlich von Downtown L. A., zum Stehen kam. Sieben Meilen in achtunddreißig Minuten. Nicht übel, dachte er, allerdings schwitzte er wie ein Truthahn an Thanksgiving und spürte ein höllisches Ziehen in Beinen und Knien. Vielleicht hätte er sich vorher aufwärmen sollen. Selbstverständlich wusste er, dass man sich vor und nach dem Laufen dehnen sollte, erst recht bei längeren Strecken, aber irgendwie war ihm das immer zu umständlich.
Hunter stieg die Treppe in den dritten Stock hinauf. Er mochte keine Fahrstühle, und der in seinem Haus wurde nicht umsonst von den Bewohnern scherzhaft »Sardinenfalle « genannt.
Er schloss die Tür zu seiner Zweizimmerwohnung auf und trat ein. Die Wohnung war klein, aber sauber und gemütlich, auch wenn man keinem Außenstehenden einen Vorwurf hätte machen können, falls dieser Hunters Möbel für eine Spende der Heilsarmee gehalten hätte: ein schwarzes Kunstledersofa, mehrere Stühle, von denen keiner zum anderen passte, ein zerkratzter Esstisch, der gleichzeitig als Computertisch herhalten musste, sowie ein alter Bücherschrank, der aussah, als würde er jeden Moment unter dem Gewicht, das auf seinen überquellenden Regalbrettern lastete, zusammenbrechen.
Hunter zog sich das T-Shirt aus und wischte sich damit den Schweiß von Stirn, Nacken und muskulösem Oberkörper. Seine Atmung hatte sich bereits wieder normalisiert. In der Küche nahm er einen Krug mit Eistee aus dem Kühlschrank und goss sich ein großes Glas ein. Hunter freute sich auf einen geruhsamen Tag fernab des Police Administration Building, in dem seit kurzem das Raub- und Morddezernat untergebracht war. Er hatte nicht oft frei. Vielleicht würde er nach Venice Beach rausfahren und ein bisschen Volleyball spielen. Er hatte seit Ewigkeiten kein Volleyball mehr gespielt. Oder er könnte ins Stadion gehen, bestimmt spielten die Dodgers an diesem Abend. Doch zuerst musste er duschen und dem Waschsalon einen kurzen Besuch abstatten.
Hunter trank seinen Eistee aus, ging ins Bad und warf einen prüfenden Blick in den Spiegel. Eine Rasur wäre auch nicht das Schlechteste. Er wollte gerade nach Rasiergel und Rasierer greifen, als im Schlafzimmer sein Handy klingelte.
Hunter ging hin, nahm es vom Nachttisch und warf einen Blick aufs Display - Carlos Garcia, sein Partner. Erst jetzt sah er den kleinen roten Pfeil am oberen Rand des Displays, der ihn auf mehrere Anrufe in Abwesenheit hinwies. Zehn waren es insgesamt.
»Na toll«, brummte er und nahm das Gespräch an. Er wusste genau, was zehn verpasste Anrufe und sein Partner in der Leitung frühmorgens an einem freien Tag zu bedeuten hatten.
»Carlos«, sagte Hunter, nachdem er das Handy ans Ohr gehoben hatte. »Was gibt's?«
»Meine Güte, wo warst du denn? Ich versuche seit einer halben Stunde, dich zu erreichen!«
Ein Anruf alle drei Minuten, dachte Hunter. Das verhieß nichts Gutes.
»Ich war laufen«, erwiderte er ruhig. »Und hab danach nicht gleich aufs Handy geschaut. Die verpassten Anrufe sind mir eben erst aufgefallen. Also, was ist los?«
»Die reinste Hölle. Sieh zu, dass du herkommst, Robert. So was wie das hier habe ich noch nie gesehen.« Ein kurzes Zögern. »Ich glaube nicht, dass irgendein Mensch auf der Welt so was schon mal gesehen hat.«
Selbst an einem Sonntagmorgen brauchte Hunter für die fünfzehn Meilen zwischen Huntingdon Park und Cheviot Hills annähernd eine Stunde.
Garcia war am Telefon nicht weiter ins Detail gegangen, aber sein offenkundiges Entsetzen und das leichte Stocken in seiner Stimme waren definitiv untypisch.
Hunter und Garcia gehörten innerhalb des Raub- und Morddezernats einer kleinen Sondereinheit an - dem Morddezernat I. Das war dafür eingerichtet worden, um sich ausschließlich mit Serienverbrechen und solchen Morden zu befassen, die stark im Fokus der Öffentlichkeit standen, viel Ermittlungszeit in Anspruch nahmen und spezielles Fachwissen erforderten. Durch Hunters Hintergrund in Kriminalpsychologie kam ihm innerhalb des Dezernats eine ganz besonders wichtige Aufgabe zu. Ungewöhnlich brutale Morde wurden als UV - ultra violent - klassifiziert, dazu gehörten auch solche, bei denen sadistische Gewalt im Spiel war. Robert Hunter und Carlos Garcia bildeten zusammen die UV-Einheit. Entsprechend waren sie nicht leicht zu erschüttern. Sie hatten Dinge gesehen, die sich die meisten Menschen nicht einmal vorstellen konnten.
Hunter hielt neben einem der zahlreichen schwarzweißen Streifenwagen, die vor dem zweigeschossigen Haus in West L. A. parkten. Die Presse war bereits vor Ort und verstopfte die schmale Straße, doch das überraschte ihn nicht weiter. Es war ganz normal, dass die Journalisten vor den Ermittlern am Tatort eintrafen.
Ein Stoß warmer Luft traf ihn, als er aus seinem alten Buick Lesabre stieg. Während er sich die Jacke aufknöpfte und die Dienstmarke an den Gürtel klemmte, ließ er den Blick langsam in die Runde schweifen. Das Haus lag an einem privaten Zufahrtsweg in einer ruhigen Wohngegend, dennoch war die Schar an Zaungästen, die sich hinter der Polizeiabsperrung versammelt hatte, bereits beträchtlich und wuchs stetig weiter.
Hunter wandte sich dem Haus zu. Es war ein hübscher, zweigeschossiger Backsteinbau mit dunkelblau lackierten Fensterrahmen und Walmdach. Der Vorgarten war groß und gepflegt. Rechts neben dem Haus befand sich eine Doppelgarage, jedoch stand - mit Ausnahme weiterer Streifenwagen - kein Fahrzeug in der Einfahrt. Ein Van der Spurensicherung parkte wenige Meter entfernt. Hunter erspähte Garcia, als dieser durch den Vordereingang aus dem Haus trat. Er trug den klassischen weißen Tyvek-Overall. Mit seinen eins achtundachtzig war er gut fünf Zentimeter größer als Hunter.
Vor den Steinstufen, die von der Veranda in den Garten führten, blieb Garcia stehen und schob sich die Kapuze vom Kopf. Seine langen dunklen Haare waren zu einem glatten Pferdeschwanz zurückgebunden. Auch er hatte seinen Partner schnell entdeckt.
Hunter ignorierte die aufgeregte Pressemeute, zeigte dem uniformierten Officer, der am Rand der Absperrung Wache hielt, seine Marke und duckte sich unter das gelbe Flatterband.
In einer Stadt wie Los Angeles galt folgende Regel: Je abscheulicher und blutrünstiger ein Verbrechen, desto glücklicher die Reporter. Die meisten von ihnen kannten Hunter und wussten, in was für Fällen er ermittelte. Ihre Fragen prasselten wie Sperrfeuer auf ihn ein.
»Schlechte Nachrichten verbreiten sich schnell«, sagte Garcia und deutete mit dem Kopf auf die Pressemeute, als Hunter zu ihm trat. »Und eine gute Story noch schneller.« Er reichte seinem Partner einen nagelneuen, in Plastik eingeschweißten Overall.
»Wie ist das zu verstehen?« Hunter nahm den Plastikbeutel, riss ihn auf und begann sich einzukleiden.
»Das Opfer war Jurist«, erklärte Garcia. »Ein Mr Derek Nicholson, Staatsanwalt bei der kalifornischen Bezirksstaatsanwaltschaft. «
»Na großartig.«
»Er hat allerdings nicht mehr gearbeitet.«
Hunter zog den Reißverschluss seines Overalls zu.
»Man hatte bei ihm Lungenkrebs im Endstadium diagnostiziert «, fuhr Garcia fort.
Hunter sah ihn neugierig an.
»Er hatte nicht mehr lange zu leben. Sauerstoffgerät, die Beine wollten nicht mehr ... Die Ärzte hatten ihm höchstens noch ein halbes Jahr gegeben. Das war vor vier Monaten.«
»Wie alt war er?«
»Fünfzig. Es war kein Geheimnis, dass er im Sterben lag. Warum ihn dann noch auf diese Art und Weise ermorden?«
Hunter überlegte. »Und es besteht kein Zweifel, dass es Mord war?«
»O nein, da besteht absolut kein Zweifel.«
Garcia führte Hunter ins Haus und quer durch die Eingangshalle. An der Wand direkt neben der Haustür befand sich das Bedienfeld einer Alarmanlage. Hunter warf seinem Partner einen fragenden Blick zu.
»Der Alarm war nicht aktiviert«, erklärte dieser. »Wie's aussieht, haben sie die Anlage nur selten benutzt.«
Hunter verzog das Gesicht.
»Ich weiß«, sagte Garcia. »Wozu hat man dann überhaupt eine?«
Sie gingen weiter.
Im Wohnzimmer waren zwei Leute von der Kriminaltechnik damit beschäftigt, die Treppe im hinteren Bereich des Raums auf Fingerabdrücke zu untersuchen.
»Wer hat die Leiche gefunden?«, wollte Hunter wissen.
© Verlag Ullstein
Melinda war Pflegeschülerin im dritten Jahr an der UCLA, der University of California, und um die erforderlichen Praxisstunden abzuleisten, arbeitete sie jedes Wochenende als Krankenschwester in der ambulanten Pflege. Seit mittlerweile dreieinhalb Monaten betreute sie Mr Derek Nicholson in Cheviot Hills, West Los Angeles.
Keine zwei Wochen vor ihrem Jobantritt hatte man bei Mr Nicholson ein Lungenkarzinom im fortgeschrittenen Stadium festgestellt. Der Tumor war bereits so groß wie ein Pflaumenstein und hatte Metastasen gebildet. Inzwischen hatte Mr. Nicholson große Schwierigkeiten beim Gehen, benötigte immer öfter die Hilfe eines Sauerstoffgeräts und konnte kaum noch sprechen. Trotz des Drängens seiner Töchter hatte er eine Chemotherapie abgelehnt. Er sah nicht ein, weshalb er die letzten Tage seines Lebens in einem Krankenzimmer liegen sollte. Lieber wollte er die Zeit, die ihm noch blieb, in seinem eigenen Zuhause verbringen.
Melinda sperrte die Haustür auf und eilte durch die geräumige Eingangshalle, bevor sie das große, aber sparsam möblierte Wohnzimmer betrat. Mr Nicholsons Schlafzimmer lag im ersten Stock. Wie jeden Morgen herrschte im Haus eine fast unheimliche Stille.
Derek Nicholson lebte allein. Seine Frau war zwei Jahre zuvor gestorben. Seine Töchter kamen ihn zwar jeden Tag besuchen, hatten aber ansonsten ihr eigenes Leben.
»Entschuldigung, dass ich mich verspätet habe!«, rief Melinda von unten. Erneut warf sie einen Blick auf die Uhr. Sie war exakt dreiundvierzig Minuten zu spät. »Mist!«, knurrte sie noch einmal. »Derek, sind Sie wach?« Sie hatte die Treppe erreicht und hastete mit großen Schritten die Treppe hinauf.
Gleich an ihrem ersten Wochenende hatte Derek Nicholson sie gebeten, ihn mit seinem Vornamen anzusprechen. Er mochte den förmlichen Klang von »Mr Nicholson« nicht.
Als Melinda sich der Tür zu seinem Schlafzimmer näherte, wehte ihr ein strenger, Übelkeit erregender Geruch entgegen.
Oje, dachte sie. Ganz offensichtlich war es für den ersten Gang zur Toilette bereits zu spät.
»Also, ich mache Sie jetzt erst mal sauber ...«, begann sie, während sie gleichzeitig die Tür öffnete, »... und dann bringe ich Ihnen Ihr Frühst...«
Ihr ganzer Körper versteifte sich, ihre Augen wurden weit vor Entsetzen, und alle Luft wich aus ihren Lungen, als hätte man sie ins Weltall geschossen. Sie merkte, wie ihr der Mageninhalt hochkam, und erbrach sich gleich neben der Tür.
»Gott im Himmel!«, wollte Melinda hervorstoßen, doch kein Laut kam über ihre bebenden Lippen. Die Knie gaben unter ihr nach, alles um sie herum begann sich zu drehen, und sie musste sich mit beiden Händen am Türrahmen festklammern, um aufrecht stehen zu bleiben. In diesem Moment fiel der Blick ihrer schreckensgeweiteten grünen Augen auf die Wand gegenüber. Zuerst konnte ihr Verstand das, was sie dort sah, gar nicht verarbeiten, doch dann brach eine entsetzliche, rasende Angst über sie herein wie ein Gewittersturm.
In der Stadt der Engel hatte kaum der Sommer begonnen, und schon jetzt lagen die Temperaturen bei annähernd dreißig Grad. Detective Robert Hunter vom Raub- und Morddezernat des Los Angeles Police Department hielt seine Stoppuhr an, als er vor seinem Apartmentgebäude in Huntingdon Park, südöstlich von Downtown L. A., zum Stehen kam. Sieben Meilen in achtunddreißig Minuten. Nicht übel, dachte er, allerdings schwitzte er wie ein Truthahn an Thanksgiving und spürte ein höllisches Ziehen in Beinen und Knien. Vielleicht hätte er sich vorher aufwärmen sollen. Selbstverständlich wusste er, dass man sich vor und nach dem Laufen dehnen sollte, erst recht bei längeren Strecken, aber irgendwie war ihm das immer zu umständlich.
Hunter stieg die Treppe in den dritten Stock hinauf. Er mochte keine Fahrstühle, und der in seinem Haus wurde nicht umsonst von den Bewohnern scherzhaft »Sardinenfalle « genannt.
Er schloss die Tür zu seiner Zweizimmerwohnung auf und trat ein. Die Wohnung war klein, aber sauber und gemütlich, auch wenn man keinem Außenstehenden einen Vorwurf hätte machen können, falls dieser Hunters Möbel für eine Spende der Heilsarmee gehalten hätte: ein schwarzes Kunstledersofa, mehrere Stühle, von denen keiner zum anderen passte, ein zerkratzter Esstisch, der gleichzeitig als Computertisch herhalten musste, sowie ein alter Bücherschrank, der aussah, als würde er jeden Moment unter dem Gewicht, das auf seinen überquellenden Regalbrettern lastete, zusammenbrechen.
Hunter zog sich das T-Shirt aus und wischte sich damit den Schweiß von Stirn, Nacken und muskulösem Oberkörper. Seine Atmung hatte sich bereits wieder normalisiert. In der Küche nahm er einen Krug mit Eistee aus dem Kühlschrank und goss sich ein großes Glas ein. Hunter freute sich auf einen geruhsamen Tag fernab des Police Administration Building, in dem seit kurzem das Raub- und Morddezernat untergebracht war. Er hatte nicht oft frei. Vielleicht würde er nach Venice Beach rausfahren und ein bisschen Volleyball spielen. Er hatte seit Ewigkeiten kein Volleyball mehr gespielt. Oder er könnte ins Stadion gehen, bestimmt spielten die Dodgers an diesem Abend. Doch zuerst musste er duschen und dem Waschsalon einen kurzen Besuch abstatten.
Hunter trank seinen Eistee aus, ging ins Bad und warf einen prüfenden Blick in den Spiegel. Eine Rasur wäre auch nicht das Schlechteste. Er wollte gerade nach Rasiergel und Rasierer greifen, als im Schlafzimmer sein Handy klingelte.
Hunter ging hin, nahm es vom Nachttisch und warf einen Blick aufs Display - Carlos Garcia, sein Partner. Erst jetzt sah er den kleinen roten Pfeil am oberen Rand des Displays, der ihn auf mehrere Anrufe in Abwesenheit hinwies. Zehn waren es insgesamt.
»Na toll«, brummte er und nahm das Gespräch an. Er wusste genau, was zehn verpasste Anrufe und sein Partner in der Leitung frühmorgens an einem freien Tag zu bedeuten hatten.
»Carlos«, sagte Hunter, nachdem er das Handy ans Ohr gehoben hatte. »Was gibt's?«
»Meine Güte, wo warst du denn? Ich versuche seit einer halben Stunde, dich zu erreichen!«
Ein Anruf alle drei Minuten, dachte Hunter. Das verhieß nichts Gutes.
»Ich war laufen«, erwiderte er ruhig. »Und hab danach nicht gleich aufs Handy geschaut. Die verpassten Anrufe sind mir eben erst aufgefallen. Also, was ist los?«
»Die reinste Hölle. Sieh zu, dass du herkommst, Robert. So was wie das hier habe ich noch nie gesehen.« Ein kurzes Zögern. »Ich glaube nicht, dass irgendein Mensch auf der Welt so was schon mal gesehen hat.«
Selbst an einem Sonntagmorgen brauchte Hunter für die fünfzehn Meilen zwischen Huntingdon Park und Cheviot Hills annähernd eine Stunde.
Garcia war am Telefon nicht weiter ins Detail gegangen, aber sein offenkundiges Entsetzen und das leichte Stocken in seiner Stimme waren definitiv untypisch.
Hunter und Garcia gehörten innerhalb des Raub- und Morddezernats einer kleinen Sondereinheit an - dem Morddezernat I. Das war dafür eingerichtet worden, um sich ausschließlich mit Serienverbrechen und solchen Morden zu befassen, die stark im Fokus der Öffentlichkeit standen, viel Ermittlungszeit in Anspruch nahmen und spezielles Fachwissen erforderten. Durch Hunters Hintergrund in Kriminalpsychologie kam ihm innerhalb des Dezernats eine ganz besonders wichtige Aufgabe zu. Ungewöhnlich brutale Morde wurden als UV - ultra violent - klassifiziert, dazu gehörten auch solche, bei denen sadistische Gewalt im Spiel war. Robert Hunter und Carlos Garcia bildeten zusammen die UV-Einheit. Entsprechend waren sie nicht leicht zu erschüttern. Sie hatten Dinge gesehen, die sich die meisten Menschen nicht einmal vorstellen konnten.
Hunter hielt neben einem der zahlreichen schwarzweißen Streifenwagen, die vor dem zweigeschossigen Haus in West L. A. parkten. Die Presse war bereits vor Ort und verstopfte die schmale Straße, doch das überraschte ihn nicht weiter. Es war ganz normal, dass die Journalisten vor den Ermittlern am Tatort eintrafen.
Ein Stoß warmer Luft traf ihn, als er aus seinem alten Buick Lesabre stieg. Während er sich die Jacke aufknöpfte und die Dienstmarke an den Gürtel klemmte, ließ er den Blick langsam in die Runde schweifen. Das Haus lag an einem privaten Zufahrtsweg in einer ruhigen Wohngegend, dennoch war die Schar an Zaungästen, die sich hinter der Polizeiabsperrung versammelt hatte, bereits beträchtlich und wuchs stetig weiter.
Hunter wandte sich dem Haus zu. Es war ein hübscher, zweigeschossiger Backsteinbau mit dunkelblau lackierten Fensterrahmen und Walmdach. Der Vorgarten war groß und gepflegt. Rechts neben dem Haus befand sich eine Doppelgarage, jedoch stand - mit Ausnahme weiterer Streifenwagen - kein Fahrzeug in der Einfahrt. Ein Van der Spurensicherung parkte wenige Meter entfernt. Hunter erspähte Garcia, als dieser durch den Vordereingang aus dem Haus trat. Er trug den klassischen weißen Tyvek-Overall. Mit seinen eins achtundachtzig war er gut fünf Zentimeter größer als Hunter.
Vor den Steinstufen, die von der Veranda in den Garten führten, blieb Garcia stehen und schob sich die Kapuze vom Kopf. Seine langen dunklen Haare waren zu einem glatten Pferdeschwanz zurückgebunden. Auch er hatte seinen Partner schnell entdeckt.
Hunter ignorierte die aufgeregte Pressemeute, zeigte dem uniformierten Officer, der am Rand der Absperrung Wache hielt, seine Marke und duckte sich unter das gelbe Flatterband.
In einer Stadt wie Los Angeles galt folgende Regel: Je abscheulicher und blutrünstiger ein Verbrechen, desto glücklicher die Reporter. Die meisten von ihnen kannten Hunter und wussten, in was für Fällen er ermittelte. Ihre Fragen prasselten wie Sperrfeuer auf ihn ein.
»Schlechte Nachrichten verbreiten sich schnell«, sagte Garcia und deutete mit dem Kopf auf die Pressemeute, als Hunter zu ihm trat. »Und eine gute Story noch schneller.« Er reichte seinem Partner einen nagelneuen, in Plastik eingeschweißten Overall.
»Wie ist das zu verstehen?« Hunter nahm den Plastikbeutel, riss ihn auf und begann sich einzukleiden.
»Das Opfer war Jurist«, erklärte Garcia. »Ein Mr Derek Nicholson, Staatsanwalt bei der kalifornischen Bezirksstaatsanwaltschaft. «
»Na großartig.«
»Er hat allerdings nicht mehr gearbeitet.«
Hunter zog den Reißverschluss seines Overalls zu.
»Man hatte bei ihm Lungenkrebs im Endstadium diagnostiziert «, fuhr Garcia fort.
Hunter sah ihn neugierig an.
»Er hatte nicht mehr lange zu leben. Sauerstoffgerät, die Beine wollten nicht mehr ... Die Ärzte hatten ihm höchstens noch ein halbes Jahr gegeben. Das war vor vier Monaten.«
»Wie alt war er?«
»Fünfzig. Es war kein Geheimnis, dass er im Sterben lag. Warum ihn dann noch auf diese Art und Weise ermorden?«
Hunter überlegte. »Und es besteht kein Zweifel, dass es Mord war?«
»O nein, da besteht absolut kein Zweifel.«
Garcia führte Hunter ins Haus und quer durch die Eingangshalle. An der Wand direkt neben der Haustür befand sich das Bedienfeld einer Alarmanlage. Hunter warf seinem Partner einen fragenden Blick zu.
»Der Alarm war nicht aktiviert«, erklärte dieser. »Wie's aussieht, haben sie die Anlage nur selten benutzt.«
Hunter verzog das Gesicht.
»Ich weiß«, sagte Garcia. »Wozu hat man dann überhaupt eine?«
Sie gingen weiter.
Im Wohnzimmer waren zwei Leute von der Kriminaltechnik damit beschäftigt, die Treppe im hinteren Bereich des Raums auf Fingerabdrücke zu untersuchen.
»Wer hat die Leiche gefunden?«, wollte Hunter wissen.
© Verlag Ullstein
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Autoren-Porträt von Chris Carter
Chris Carter, geboren 1965, studierte in Michigan forensische Psychologie und beriet viele Jahre die Staatsanwaltschaft. Dann zog er nach Los Angeles, dem Schauplatz seiner Thriller-Serie um Detective Robert Hunter. www.chriscarterbooks.com Chris Carter, geboren 1965, studierte in Michigan forensische Psychologie und beriet viele Jahre die Staatsanwaltschaft. Dann zog er nach Los Angeles, dem Schauplatz seiner Thriller-Serie um Detective Robert Hunter. www.chriscarterbooks.com
Autoren-Interview mit Chris Carter
Wann / warum haben Sie angefangen zu schreiben?Chris Carter: Ich bin eines Tages aufgewacht und hatte eine total verrückte Geschichte im Kopf. Meine Freundin mochte sie und sagte „Ich glaube, du solltest sie aufschreiben." Später am selben Tag beschloss ich, mich tatsächlich hinzusetzen und zumindest das erste Kapitel zu schreiben. Ich wollte sehen, ob die Geschichte überhaupt funktioniert. Das Komische war: Es war kein Krimi oder Thriller. Ich hatte immer gedacht, wenn ich etwas schreibe, dann Spannungsromane. Schließlich bin ich Kriminalpsychologe und habe viel für die Polizei gearbeitet. Also saß ich da und schrieb eine Geschichte, die nichts mit einem Spannungsroman zu tun hat. Das war komisch. Ich habe dann beschlossen, einfach zwei Kapitel zu schreiben: Eins für den Roman und eins für einen Kriminalroman. Am Ende wollte ich sie vergleichen und entscheiden, welches besser ist. Zwei Tage später war ich fertig. Ich gab meiner Freundin beide Kapitel und fragte sie nach ihrer Meinung. Obwohl sie kein Krimi-Fan ist fand sie dieses Kapitel besser und ermutigte mich, weiter zu schreiben. Ich tat es und heraus kam mein erster Thriller, Der Kruzifix-Killer.
Wo schreiben Sie am liebsten?
Chris Carter: Ich schreibe eigentlich überall. Ich brauche nicht viel Platz, nur einen Tisch, einen Stuhl und einen Computer - und schon kann es losgehen. Ich habe das Glück, vom Schreiben leben zu können und arbeite immer zuhause, in meinem kleinen Apartment in einer ruhigen Gegend von London.
Wer ist Ihr persönlicher Lieblingsautor / welches Ihr Lieblingsbuch?
... mehr
Chris Carter: Ein schwer zu beantwortende Frage... Ich schätze Frederick Forsyth und Ken Follett sehr. Sie wissen, wie man Leser mit Geschichten fesselt. Lieblingsbücher habe ich viele, wenn ich fünf nennen müsste wären es:
Kind 44 von Tom Rob Smith
Der Schakal von Frederick Forsyth
Morgen Kinder wird's was geben von James Patterson
Und dann gab's keines mehr von Agatha Christie
Das Schweigen der Lämmer von Thomas Harris
Was tun Sie am liebsten, wenn Sie nicht gerade schreiben?
Chris Carter: Ich war früher professioneller Gitarrist. Ich spiele immer noch gerne; nicht in einer Band, einfach zuhause. Ich lese außerdem sehr gerne und laufe eigentlich immer mit einem Buch unterm Arm durch die Gegend - ich lese, wann immer ich kann.
Haben Sie ein Lebensmotto?
Chris Carter: Das ist eine einfach Frage, weil es immer dasselbe ist, solange ich denken kann: Gib niemals auf!
Chris Carter: Ein schwer zu beantwortende Frage... Ich schätze Frederick Forsyth und Ken Follett sehr. Sie wissen, wie man Leser mit Geschichten fesselt. Lieblingsbücher habe ich viele, wenn ich fünf nennen müsste wären es:
Kind 44 von Tom Rob Smith
Der Schakal von Frederick Forsyth
Morgen Kinder wird's was geben von James Patterson
Und dann gab's keines mehr von Agatha Christie
Das Schweigen der Lämmer von Thomas Harris
Was tun Sie am liebsten, wenn Sie nicht gerade schreiben?
Chris Carter: Ich war früher professioneller Gitarrist. Ich spiele immer noch gerne; nicht in einer Band, einfach zuhause. Ich lese außerdem sehr gerne und laufe eigentlich immer mit einem Buch unterm Arm durch die Gegend - ich lese, wann immer ich kann.
Haben Sie ein Lebensmotto?
Chris Carter: Das ist eine einfach Frage, weil es immer dasselbe ist, solange ich denken kann: Gib niemals auf!
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Bibliographische Angaben
- Autor: Chris Carter
- 2013, 13. Aufl., 464 Seiten, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Sybille Uplegger
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548285392
- ISBN-13: 9783548285399
- Erscheinungsdatum: 07.03.2013
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