Urbi et Orbi
Fatima, Portugal, 1917: Die heilige Jungfrau Maria erscheint drei Schäferkindern und verkündet ihnen drei Botschaften. Die ersten beiden werden von der Kirche schon bald enthüllt, doch die dritte Verkündigung bleibt unter Verschluss ... Rom, Gegenwart: Von irgendetwas zutiefst beunruhigt, betraut Papst Clemens XV. seinen Sekretär, Colin Michener, mit einer äußerst mysteriösen Mission: Pater Michener soll den vermutlich letzten Menschen finden, der die 'wahre dritte Botschaft' von Fatima kennt. Doch bei seinen Nachforschungen gerät Michener allmählich in ein tödliches Gewirr aus Verdächtigungen, Mord und Intrigen. Und schließlich muss der junge Priester entsetzt erkennen, dass in seinen Händen das Schicksal der gesamten katholischen Kirche liegt ...
"Aufregende Action, komplizierte Rätsel und großartige Schauplätze machen Steve Berrys Thriller zu einem überwältigenden Lesevergnügen!" - Library Journal
"Faszinierende Einblicke in die geheime Welt der Kirche!" - Kirkus Reviews
Urbi et Orbi von Steve Berry
LESEPROBE
Vatikanstadt,Gegenwart
Mittwoch,8. November
6.15Uhr
MonsignoreColin Michener hörte wieder das Geräusch und klappte sein Buch zu. Jemand warda, das wusste er genau. Wie schon einmal.
Ererhob sich vom Lesetisch und sah sich zwischen den barocken Regalen um. Dieuralten Bücherregale ragten bis zur Decke, bildeten lange Korridore understreckten sich Reihe um Reihe in beide Richtungen. Eine Aura ging von diesemSaal aus, ein Nimbus, der zum Teil mit seinem Namen verbunden war: L ArchivioSegreto Vaticano. Das Vatikanische Geheimarchiv. Er hatte diesen Namenimmer merkwürdig gefunden, denn nur das Wenigste, was in diesen Büchern stand,war geheim. Die meisten Bände enthielten einfach nur die akribischenAufzeichnungen aus zwei Jahrtausenden Kirchengeschichte, Berichte aus Zeiten,als die Päpste noch Könige, Krieger, Politiker und Liebhaber gewesen waren. Allesin allem waren es fünfundzwanzig Regalmeilen, die viel zu bieten hatten, wenn jemandwusste, wo er suchen musste.
Unddas wusste Michener.
Wiederkonzentrierte er sich auf das Geräusch und ließ den Blick über die FreskenKaiser Konstantins, König Pippins und Friedrich II. hinweg zu dem eisernen Türgitterauf der anderen Seite des Saals schweifen. Hinter dem Gitter war es dunkel und still.Die Riserva durfte nur mit ausdrücklicher päpstlicher Vollmacht betretenwerden, und der Türschlüssel befand sich in der Hand des Archivars. Michenerwar noch nie in dieser Kammer gewesen, hatte aber schon mehrfach pflichtbewusstvor der Tür gewartet, wenn sein Chef, Papst Clemens XV., den Raum betrat. Dennochwusste er Bescheid über einige der kostbaren Dokumente, die in diesemfensterlosen Raum aufbewahrt wurden. Der Letzte Brief der Königin Maria von Schottlandvor ihrer Enthauptung durch Elizabeth I., die Petitionen von fünfundsiebzigenglischen Fürsten, die den Papst um Annullierung der ersten Ehe HeinrichsVIII. baten, Galileos unterschriebener Widerruf und Napoleons Vertrag von Tolentino.Michener betrachtete die Streben und Verzierungen des Eisengitters und dasdarüber ins Metall gehämmerte Fries von Blattwerk und Tieren. Die Tür stammteaus dem vierzehnten Jahrhundert. Nichts in der Vatikanstadt war einfach undgewöhnlich, alles trug die unverkennbare Handschrift eines berühmten Künstlersoder legendären Handwerkers, der im Bemühen, sowohl Gott als auch seinem Papstzu gefallen, jahrelang mit großer Sorgfalt gearbeitet hatte. Michener schrittdurch den Saal, und seine Schritte hallten in der lauen Luft wider. Als er vordem eisernen Türgitter stehen blieb, strömte ihm warme Luft entgegen. An derrechten Seite des Portals befand sich ein mächtiges Türschloss. Er prüfte denRiegel: Dieser saß sicher und fest. Hatte vielleicht einer der Aufseher dasArchiv betreten? Der Dienst habende Aufseher war bei Micheners Eintreffen gegangen,und solange der päpstliche Privatsekretär da war, würde man niemanden in denSaal lassen. Der Vertraute des Papstes brauchte keinen Babysitter. Doch es gabzahlreiche Türen, die zum Geheimarchiv führten, und Michener fragte sich, ob ereben gehört haben könnte, wie die alten Türangeln vorsichtig geöffnet undwieder geschlossen worden waren. Schwer zu sagen. In diesem großen Saal warendie Geräusche ebenso schwer zu orten wie die Dokumente.
Michenertrat rechter Hand in den Pergament-Saal, einen langen Korridor, hinter dem sichder Katalogsaal befand. Über ihm leuchteten Lampen auf und erloschen, sobald erihren Lichtkreis verließ. Er kam sich vor wie in einem unterirdischen Gang,dabei befand er sich im ersten Obergeschoss. Er ging noch ein kleines Stück,hörte aber nichts mehr und kehrte wieder um.
Eswar früh am Vormittag und Mitte der Woche. Michener hatte für seineNachforschungen absichtlich diese Zeit gewählt, um keine anderenZugangsberechtigten zu behindern und möglichst wenig Aufmerksamkeit bei denAngestellten der Kurie zu erregen. Er stellte im Auftrag des Heiligen Vaters geheimeNachforschungen an, doch er war nicht allein. Vor einer Woche hatte er es auchschon gespürt.
Michenerkehrte in den Hauptsaal zurück und trat wieder zum Lesetisch, doch dabeibehielt er den Saal im Auge. Am Boden befand sich eine Darstellung der Sternkreiszeichen.Sie waren an der Sonne ausgerichtet, deren Strahlen durch exakt angeordneteLichtschlitze oben in der Wand eindringen konnten. Vor Jahrhunderten war genauhier der gregorianische Kalender errechnet worden. Doch heute drang keinSonnenlicht herein. Draußen war es kalt und nass, und ein Herbststurm fegteüber Rom hinweg.
DieBände, mit denen Michener sich in den letzten zwei
Stundenbefasst hatte, lagen ordentlich auf dem Lesepult. Ein großer Teil der Schriftenwar in den letzten zwei Jahrzehnten verfasst worden. Vier Bände waren jedochwesentlich älter: zwei davon auf Italienisch geschrieben, der dritte aufSpanisch und der vierte auf Portugiesisch. Er las all diese Sprachen mühelos -mit ein Grund, aus dem Clemens XV. ihn damals nur zu gerne eingestellt hatte.
Die spanischen und italienischen Berichte warenrelativ wertlos, sie waren einfach nur Neuaufgüsse des portugiesischen Werks: Eineumfassende und detaillierte Studie der Berichte über die Erscheinungen derHeiligen Jungfrau Maria in Fatima vom 13. Mai 1917 bis zum 13. Oktober 1917. PapstBenedikt XV. hatte die Studie 1922 als Teil der kirchlichen Untersuchungen zuden angeblichen Vorfällen in einem abgelegenen portugiesischen Gebirgstalangeordnet. Der Band war von Hand geschrieben und die Tinte zu einem warmen Gelbverblasst, das auf den ersten Blick an Blattgold denken ließ. Der Bischof vonLeira hatte eine gründliche Untersuchung durchgeführt, die sich alles in allemüber acht Jahre erstreckt hatte. Bei der Entscheidung des Vatikans im Jahre 1930,die sechs irdischen Erscheinungen der Jungfrau in Fatima als glaubwürdiganzuerkennen, hatten die hier zusammengetragenen Informationen eineentscheidende Rolle gespielt. In den fünfziger, sechziger und siebziger Jahrendes 20. Jahrhunderts waren drei Anhänge entstanden, die nun dem Original beigefügtwaren. (...)
© Blanvalet Verlag
Übersetzung: Barbara Ostrop
- Autor: Steve Berry
- Maße: 13,6 x 20,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Barbara Ostrop
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442364051
- ISBN-13: 9783442364053
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
5 von 5 Sternen
5 Sterne 1Schreiben Sie einen Kommentar zu "Urbi et Orbi".
Kommentar verfassen