Verführt von einer Lady
Roman
Thomas Cavendish ist von seiner Verlobten Lady Amelia fasziniert. Doch gerade, als er sich in sie verliebt, taucht ein anderer auf.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Verführt von einer Lady “
Thomas Cavendish ist von seiner Verlobten Lady Amelia fasziniert. Doch gerade, als er sich in sie verliebt, taucht ein anderer auf.
Klappentext zu „Verführt von einer Lady “
Ist das tatsächlich die brave Lady Amelia, mit der er seit Jahren verlobt ist? Thomas Cavendish, Duke of Wyndham, verspürt eine ungewohnte Faszination: Bei einer Abendgesellschaft auf Belgrave Castle entpuppt seine Braut sich als so frech und geistreich, dass er sich Hals über Kopf in sie verliebt. Doch kaum kommt er ihr endlich näher, kostet sinnliche Küsse von ihren Lippen, gerät das neu entdeckte Glück auch schon in Gefahr. Ein lang verschollener Cousin taucht auf, anscheinend ist er der wahre Duke of Wyndham und damit der Mann, dem Amelia offiziell versprochen wurde! Und Thomas muss sich fragen: Wird sie am Ende einen anderen heiraten?
Ist das tatsächlich die brave Lady Amelia, mit der er seit Jahren verlobt ist? Thomas Cavendish, Duke of Wyndham, verspürt eine ungewohnte Faszination: Bei einer Abendgesellschaft auf Belgrave Castle entpuppt seine Braut sich als so frech und geistreich, dass er sich Hals über Kopf in sie verliebt. Doch kaum kommt er ihr endlich näher, kostet sinnliche Küsse von ihren Lippen, gerät das neu entdeckte Glück auch schon in Gefahr. Ein lang verschollener Cousin taucht auf, anscheinend ist er der wahre Duke of Wyndham - und damit der Mann, dem Amelia offiziell versprochen wurde! Und Thomas muss sich fragen: Wird sie am Ende einen anderen heiraten?
Lese-Probe zu „Verführt von einer Lady “
Verführt von einer Lady von Julia Quinn1. KAPITEL
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Es war einfach ein Verbrechen, dass Amelia Willoughby nicht verheiratet war.
Zumindest sagte ihre Mutter das immer. Amelia - oder, korrekter, Lady Amelia - war die zweitälteste Tochter des Earl of Crowland, an ihrer Abstammung gab es also nichts auszusetzen. Ihre Erscheinung war mehr als nur passabel, wenn man eine Vorliebe für bodenständige englische Schönheiten hatte, die, zu Amelias Glück, im Ton weitverbreitet war. Ihr Haar war rechtschaffen blond, ihre Augen irgendwie grünlich-gräulich, und ihr Teint war klar und makellos, solange sie nicht vergaß, aus der Sonne zu gehen. (Sommersprossen zählten nicht zu ihren Freundinnen.)
Zudem verfügte sie, wie ihre Mutter gern aufzählte, über ausreichend Intelligenz, war bewandert im Pianoforte-Spiel und in der Aquarellmalerei, und - an dieser Stelle unterstrich ihre Mutter ihren Katalog mit einer begeisterten Geste - sie war noch im Besitz sämtlicher Zähne.
Und darüber hinaus waren ihre Zähne vollkommen ebenmäßig, was Jacinda Lennox nicht von sich behaupten konnte - obwohl sie doch die Partie des Jahres 1818 gemacht und den Marquis of Beresford an Land gezogen hatte. (Nicht ohne, wie Mutter Lennox nicht müde wurde zu berichten, vorher noch zwei Viscounts und einem Earl einen Korb gegeben zu haben.)
Doch all diese Eigenschaften verblassten neben dem wichtigsten und überwältigendsten Aspekt von Amelia Willoughbys Dasein: ihrer langjährigen Verlobung mit dem Duke of Wyndham.
Wenn Amelia nicht schon in der Wiege mit Thomas Cavendish verlobt worden wäre, damals dem nächsten Anwärter auf die Herzogswürde und selbst kaum dem Gängelband entwachsen, hätte sie das unattraktive Alter von einundzwanzig Jahren gewiss nicht als alte Jungfer erreicht.
Sie war in Lincolnshire in die Gesellschaft eingeführt worden, da man der Ansicht gewesen war, sie brauche die Mühen einer Saison in London gar nicht erst auf sich zu nehmen. Zur nächsten Saison war sie nur deswegen in die Hauptstadt gefahren, weil der ebenfalls in der Wiege versprochene Verlobte ihrer Schwester das Pech gehabt hatte, im Alter von zwölf Jahren an einem Fieber zu sterben und seine Familie ohne Erben und Elizabeth Willoughby ohne Verlobten zurückzulassen.
Und die Saison danach - Elizabeth war zu dem Zeitpunkt beinahe, so gut wie, "Wir rechnen jeden Augenblick damit", verlobt gewesen, während Amelia immer noch dem Duke versprochen war - gingen sie trotzdem nach London, denn inzwischen wäre es peinlich gewesen, auf dem Land zu bleiben.
Amelia mochte London. Sie genoss die Gespräche, sie liebte das Tanzen, und wenn man sich länger als fünf Minuten mit ihrer Mutter unterhalten hätte, hätte man erfahren, dass Amelia mindestens ein halbes Dutzend Heiratsanträge erhalten hätte, wäre sie noch frei gewesen.
Was bedeutete, dass Jacinda Lennox immer noch Jacinda Lennox gewesen wäre und nicht die Marchioness of Beresford. Und, was noch wichtiger gewesen wäre, Lady Crowland und ihre Töchter hätten gesellschaftlich immer noch höher gestanden als dieses lästige kleine Ding.
Aber schließlich war das Leben, wie Amelias Vater gern anmerkte, nicht immer gerecht. Eigentlich sogar ausgesprochen selten. Man sehe sich ihn doch nur an, um Himmels willen. Fünf Töchter. Fünf! Und nun fiele die Earls-Würde, die in ungebrochener Linie vom Vater auf den Sohn übergegangen war, seit die Prinzen aus dem Tower verschwunden waren, an die Krone zurück, da nirgendwo ein männlicher Anverwandter in Sicht war, der sie auf irgendeine Weise für sich beanspruchen konnte.
Nur auf seine vorausschauende Planung war es zurückzuführen - wie er seine Frau gern erinnerte -, dass eine ihrer fünf Töchter bereits unter der Haube war und sie sich nur mehr Gedanken über die anderen vier zu machen brauchten - da könnte sie doch bitte mal damit aufhören, ständig über den armen Duke of Wyndham und dessen schleppenden Fortschritt zum Traualtar zu jammern.
Lord Crowland gingen seine Ruhe und sein Frieden wirklich über alles, ein Umstand, den er in Betracht hätte ziehen sollen, bevor er Anthea Grantham zur Frau nahm.
Niemand glaubte ernsthaft, der Herzog könnte sein Versprechen Amelia und ihrer Familie gegenüber brechen. Im Gegenteil, es war allgemein bekannt, dass der Duke of Wyndham Wort hielt, und wenn er gesagt hatte, dass er Amelia Willoughby heiraten würde, dann würde er das auch tun.
Allerdings beabsichtigte er, dies zu einem Zeitpunkt zu erledigen, der ihm gelegen kam. Was nicht unbedingt bedeutete, dass er ihr gelegen kam. Oder auch ihrer Mutter.
Und so war sie wieder in Lincolnshire.
Und war immer noch Lady Amelia Willoughby.
"Es macht mir überhaupt nichts aus", erklärte sie, als Grace Eversleigh auf die Tanzgesellschaft in den Lincolnshire-Sälen zu sprechen kam. Grace Eversleigh war nicht nur die beste Freundin von Amelias Schwester Elizabeth, sie war auch die Gesellschafterin der Dowager Duchess of Wyndham und stand als solche in weitaus engerem Kontakt zu Amelias Verlobtem als Amelia selbst.
"O nein", versicherte Grace ihr rasch. "Das wollte ich damit nicht andeuten."
"Sie hat doch nur gesagt", ergänzte Elizabeth und warf ihrer Schwester einen merkwürdigen Blick zu, "dass Seine Gnaden vorhat, mindestens ein halbes Jahr auf Belgrave zu bleiben. Woraufhin du gesagt hast ..."
"Ich weiß, was ich gesagt habe", fuhr Amelia sie errötend an. Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber fast. Sie hätte ihre kleine Ansprache sicher nicht Wort für Wort wiederholen können, doch wenn sie es versucht hätte, wäre wohl etwas herausgekommen wie: Na, das ist ja erfreulich, aber ich würde da nicht allzu viel hineininterpretieren, und außerdem heiratet Elizabeth nächsten Monat, daher würde ich nicht mal im Traum daran denken, mich in absehbarer Zeit auf irgendetwas festlegen zu lassen, und egal, was die anderen sagen, ich habe es nicht so eilig damit, ihn zu heiraten. Rhabarber, Rhabarber, Rhabarber. Ich kenne den Mann doch kaum. Mehr Rhabarber, mehr Rhabarber, mehr Rhabarber, ich bin immer noch Amelia Willoughby. Und es macht mir überhaupt nichts aus.
Was nicht die Art von Ansprache war, die man im Geiste unbedingt noch einmal durchgehen wollte.
Nach einem kurzen Moment der Verlegenheit räusperte Grace sich und meinte: "Er hat gesagt, dass er heute Abend herkommen würde."
"Wirklich?", fragte Amelia und sah Grace rasch an.
Grace nickte. "Ich habe ihn beim Abendessen gesehen. Das heißt, ich habe ihn gesehen, als er an dem Raum vorbeiging, in dem wir zu Abend gegessen haben. Er wollte nicht mit uns essen. Ich glaube, er und seine Großmutter liegen gerade im Streit", fügte sie hinzu. "Wie so oft."
Amelia presste die Lippen zusammen. Nicht vor Zorn. Nicht einmal vor Ärger. Eigentlich war es hauptsächlich Resignation. "Ich nehme an, die Dowager Duchess hat ihn meinetwegen bedrängt."
Grace sah aus, als hätte sie darauf lieber nicht geantwortet, aber am Ende erklärte sie: "Also ... ja."
Was zu erwarten stand. Es war allgemein bekannt, dass die Dowager Duchess of Wyndham noch erpichter auf die Hochzeit war als Amelias Mutter. Ebenfalls allgemein bekannt war, dass der Herzog seine Großmutter bestenfalls irritierend fand, und so überraschte es Amelia nicht weiter, dass er sich bereit erklärt hatte, zum Ball zu kommen, damit sie ihn endlich in Ruhe ließ.
Und da außerdem allgemein bekannt war, dass der Duke keine leichtherzigen Versprechungen machte, war Amelia ziemlich sicher, dass er tatsächlich zum Tanz erscheinen würde. Was für sie bedeutete, dass der Abend einem wohlbekannten Muster folgen würde: Nach Ankunft des Herzogs würden alle erst auf ihn und dann auf sie schauen, und schließlich würde er zu ihr hingehen, sie würden ein paar Minuten verlegene Konversation treiben, er würde sie um einen Tanz bitten, sie würde ihm den Tanz gewähren, danach würde er ihr die Hand küssen und sich verabschieden.
Vermutlich, um zu einer anderen Frau zu gehen. Einer ganz anderen Sorte
Frau.
Der Sorte, die man nicht heiratete.
Amelia dachte nicht gern über diese Dinge nach, aber das hielt sie nicht davon ab, es zu tun. Durfte man von einem Mann verlangen, dass er einem schon vor der Ehe treu war? Darüber hatte sie mit ihrer Schwester bereits oft diskutiert, mit dem immer gleichen deprimierenden Ergebnis: Nein. Nicht, wenn der fragliche Gentleman als Kind verlobt worden war. Es war nicht fair, von ihm zu erwarten, auf all die Freuden zu verzichten, die seinen Freunden offenstanden, nur weil sein Vater vor zwei Jahrzehnten einen Vertrag unterzeichnet hatte. Die Lage würde sich erst dann ändern, wenn ein Datum für die Hochzeit festgesetzt worden war.
Wenn es den Willoughbys je gelingen würde, Wyndham dazu zu bringen, ein Datum zu nennen.
"Du siehst nicht so aus, als wärst du ungeheuer aufgeregt, ihn zu sehen", bemerkte Elizabeth.
Amelia seufzte. "Bin ich auch nicht. Um die Wahrheit zu sagen, kann ich den Abend viel mehr genießen, wenn er nicht da ist."
"Ach, so schlimm ist er gar nicht", versicherte Grace ihr. "Wenn man ihn erst einmal näher kennt, ist er wirklich ziemlich süß."
"Süß?", wiederholte Amelia zweifelnd. Sie hatte den Mann schon lächeln sehen, aber nie mehr als zwei Mal während eines Gesprächs. "Wyndham?"
"Nun ja", schränkte Grace ein, "vielleicht habe ich übertrieben. Aber der Duke wird dir ein guter Ehemann sein, Amelia, das verspreche ich dir. Wenn er will, kann er sehr amüsant sein."
Amelia und Elizabeth starrten sie dermaßen ungläubig an, dass Grace zu lachen anfing und hinzufügte: "Ich lüge nicht! Wirklich nicht! Er hat einen wunderbaren Sinn für Humor."
Grace meinte es gut, das war Amelia klar, aber irgendwie konnte sie das nicht beruhigen. Es war nicht so, dass sie eifersüchtig gewesen wäre. Sie war nicht in Wyndham verliebt, da war sie sich ganz sicher. Wie könnte sie auch? Sie hatte bisher kaum Gelegenheit gehabt, mehr als zwei Worte mit dem Mann zu wechseln. Trotzdem empfand sie es als beunruhigend, dass Grace Eversleigh ihn inzwischen so gut kannte.
Und Elizabeth, der sie normalerweise alles anvertraute, konnte sie das auch nicht sagen. Elizabeth und Grace waren Busenfreundinnen, seit sie sich mit sechs Jahren kennengelernt hatten. Elizabeth würde ihr nur sagen, dass sie albern sei. Oder sie würde ihr einen dieser schrecklichen Blicke zuwerfen, die mitfühlend gemeint waren, letztendlich aber immer mitleidig waren.
Dieser Tage bekam Amelia eine Menge solcher Blicke ab. Normalerweise immer dann, wenn es ums Heiraten ging. Wenn sie Wetten abschließen würde (sie glaubte fast, dass ihr das Spaß machen würde), hätte sie darauf gewettet, dass sie diese Blicke mindestens von der Hälfte der jungen Damen des ton erhalten hatte. Und von allen Müttern.
"Machen wir es doch diesen Herbst zu unserer Mission", schlug Grace plötzlich vor, und ihre Augen glänzten entschlossen. "Amelia und Wyndham sollen sich endlich kennenlernen."
"Grace, nicht, bitte ...", sagte Amelia und wurde rot. Lieber Gott, war das demütigend. Jetzt war sie sogar schon ein Projekt.
"Irgendwann musst du ihn doch kennenlernen", meinte Elizabeth.
"Eigentlich nicht", widersprach Amelia augenzwinkernd. "Wie viele Räume gibt es auf Belgrave? Zweihundert?"
"Dreiundsiebzig", murmelte Grace.
"Ich könnte Wochen dort verbringen, ohne ihm zu begegnen", erwiderte Amelia. "Jahre."
"Jetzt bist du aber albern", sagte ihre Schwester. "Komm doch morgen mit mir nach Belgrave. Ich habe mir den Vorwand zurechtgelegt, dass Mama der Herzoginwitwe ein paar Bücher zurückgeben will, damit ich Grace besuchen kann."
Grace bedachte Elizabeth mit einem überraschten Blick. "Hat deine Mutter wirklich Bücher von der Herzoginwitwe ausgeliehen?"
"Ja, wirklich", erwiderte Elizabeth und fügte sittsam hinzu: "Auf meine Bitte hin."
Amelia hob die Brauen. "Mutter liest doch gar nicht viel."
"Na, das Pianoforte hätte ich wohl kaum borgen können", gab Elizabeth zurück.
Amelia war der Ansicht, dass ihre Mutter auch auf dem Klavier nicht viel zu bieten hatte, aber sie sah keinen Grund, dieser Ansicht Ausdruck zu verleihen, und außerdem kam das Gespräch zu einem abrupten Ende.
Er war eingetroffen.
Amelia mochte mit dem Rücken zur Tür stehen, aber sie spürte genau, in welchem Augenblick Thomas Cavendish den Saal betrat, denn sie hatte das alles - zum Kuckuck damit - schon mehrfach erlebt.
Als Nächstes verstummten die Gespräche.
Und schließlich - sie zählte bis fünf; sie hatte die Erfahrung gemacht, dass bei Herzögen länger als die üblichen drei Sekunden geschwiegen wurde - begann das Getuschel.
An dieser Stelle stieß Elizabeth sie immer in die Rippen, als hätte sie dieser Warnung noch bedurft.
Und dann - oh, sie konnte es alles vor sich sehen - teilte sich die Menge wie das Rote Meer, und der Duke schritt hindurch, mit breiten Schultern und hocherhobenem Kopf, und dann war er beinahe, beinahe, beinahe da ...
"Lady Amelia."
Sie setzte eine ruhige Miene auf. Drehte sich um. "Euer Gnaden", sagte sie mit dem ausdruckslosen Lächeln, das von ihr erwartet wurde.
Er ergriff ihre Hand und hauchte einen Kuss darauf. "Sie sehen bezaubernd aus heute Abend."
Das sagte er jedes Mal.
Amelia dankte ihm höflich und wartete geduldig ab, während er ihrer Schwester ein Kompliment machte und zu Grace sagte: "Ich sehe, dass meine Großmutter Sie für heute Abend aus ihren Fängen gelassen hat."
"Ja", erwiderte Grace und seufzte glücklich, "ist das nicht wunderbar?"
Er lächelte, und Amelia bemerkte, dass dies nicht dasselbe für die Öffentlichkeit bestimmte Lächeln war, mit dem er sie immer bedachte. Es war ein freundschaftliches Lächeln.
"Sie sind eine richtige Heilige, Miss Eversleigh", sagte er.
Amelia sah zum Herzog und dann zu Grace und fragte sich: Wie kommt er jetzt darauf? Es war schließlich nicht so, dass Grace das alles freiwillig auf sich nahm. Wenn er Grace wirklich für eine Heilige hielt, sollte er sie mit einer Mitgift ausstatten und einen Ehemann für sie suchen, damit sie nicht den Rest ihres Lebens damit zubringen musste, seine Großmutter von vorn bis hinten zu bedienen.
Aber natürlich sagte sie das nicht. Niemand sprach so mit einem Duke.
"Grace erwähnte, dass Sie vorhaben, ein paar Monate auf dem Land zu verbringen", meinte Elizabeth.
Amelia hätte sie am liebsten getreten. Genauso gut hätte Elizabeth auch sagen können, wenn er Zeit habe, auf dem Land zu bleiben, müsste er doch auch die Zeit finden, endlich ihre Schwester zu heiraten.
Und tatsächlich schimmerte in den Augen des Herzogs ein ironischer Ausdruck auf, als er murmelte: "O ja."
"Ich bin bis mindestens November überaus beschäftigt", platzte Amelia heraus, denn er sollte unbedingt wissen, dass sie ihre Tage nicht damit verbrachte, am Fenster zu sitzen, müßig an irgendeiner Stickarbeit zu sticheln und sich nach ihm zu verzehren.
"Tatsächlich?", murmelte er.
Sie straffte die Schultern. "Tatsächlich."
Seine Augen, die von einem ziemlich spektakulären Blau waren, verengten sich. Belustigt, nicht verärgert, was vermutlich noch schlimmer war. Er lachte sie aus. Amelia wusste nicht, warum sie so lange gebraucht hatte, das zu erkennen. All die Jahre, in denen sie gedacht hatte, dass er sie schlicht ignorierte ...
Ach, du lieber Gott.
"Lady Amelia", sagte er und neigte den Kopf ein wenig, offenbar alles, was sie ihm an Verbeugung wert war, "würden Sie mir die Ehre erweisen, Sie zum nächsten Tanz führen zu dürfen?"
Elizabeth und Grace drehten sich zu ihr um, beide mit einem heiteren Lächeln der Erwartung. Auch sie hatten diese Szene schon mehrfach durchgespielt, sie alle. Und sie alle wussten, wie sie sich entwickeln würde.
Vor allem Amelia.
"Nein", sagte sie, ehe sie es sich anders überlegen konnte.
Er blinzelte. "Nein?"
"Nein, danke, hätte ich wohl sagen sollen." Sie lächelte freundlich, weil sie die Höflichkeit immer gern wahrte.
Fassungslos sah er sie an. "Sie möchten nicht tanzen?"
"Heute Abend nicht, nein." Amelia warf ihrer Schwester und Grace einen verstohlenen Blick zu. Die beiden jungen Frauen wirkten völlig überrascht.
Amelia hingegen fühlte sich einfach herrlich.
Sie fühlte sich im Einklang mit sich selbst, was sie in seiner Anwesenheit sonst nie empfinden konnte. Oder in Vorbereitung auf seine Gegenwart. Oder danach.
Alles drehte sich immer nur um ihn. Wyndham dies und Wyndham das, und wie glücklich sie sich schätzen durfte, dass sie den attraktivsten Duke weit und breit an Land gezogen hatte, ohne einen Finger krumm machen zu müssen.
Das eine Mal, da sich ihr recht trockener Humor Bahn gebrochen und sie gesagt hatte: "Wenn ich keinen Finger krumm gemacht hätte, hätte ich ja meine Babyrassel verloren!", war sie mit zwei verständnislosen Blicken und einem gemurmelten "Undankbares Ding!" bedacht worden.
Das war Jacinda Lennox' Mutter gewesen, drei Wochen bevor Jacinda mit Heiratsanträgen überschüttet worden war.
...
Übersetzung: Petra Lingsminat
© MIRA Taschenbuch
Es war einfach ein Verbrechen, dass Amelia Willoughby nicht verheiratet war.
Zumindest sagte ihre Mutter das immer. Amelia - oder, korrekter, Lady Amelia - war die zweitälteste Tochter des Earl of Crowland, an ihrer Abstammung gab es also nichts auszusetzen. Ihre Erscheinung war mehr als nur passabel, wenn man eine Vorliebe für bodenständige englische Schönheiten hatte, die, zu Amelias Glück, im Ton weitverbreitet war. Ihr Haar war rechtschaffen blond, ihre Augen irgendwie grünlich-gräulich, und ihr Teint war klar und makellos, solange sie nicht vergaß, aus der Sonne zu gehen. (Sommersprossen zählten nicht zu ihren Freundinnen.)
Zudem verfügte sie, wie ihre Mutter gern aufzählte, über ausreichend Intelligenz, war bewandert im Pianoforte-Spiel und in der Aquarellmalerei, und - an dieser Stelle unterstrich ihre Mutter ihren Katalog mit einer begeisterten Geste - sie war noch im Besitz sämtlicher Zähne.
Und darüber hinaus waren ihre Zähne vollkommen ebenmäßig, was Jacinda Lennox nicht von sich behaupten konnte - obwohl sie doch die Partie des Jahres 1818 gemacht und den Marquis of Beresford an Land gezogen hatte. (Nicht ohne, wie Mutter Lennox nicht müde wurde zu berichten, vorher noch zwei Viscounts und einem Earl einen Korb gegeben zu haben.)
Doch all diese Eigenschaften verblassten neben dem wichtigsten und überwältigendsten Aspekt von Amelia Willoughbys Dasein: ihrer langjährigen Verlobung mit dem Duke of Wyndham.
Wenn Amelia nicht schon in der Wiege mit Thomas Cavendish verlobt worden wäre, damals dem nächsten Anwärter auf die Herzogswürde und selbst kaum dem Gängelband entwachsen, hätte sie das unattraktive Alter von einundzwanzig Jahren gewiss nicht als alte Jungfer erreicht.
Sie war in Lincolnshire in die Gesellschaft eingeführt worden, da man der Ansicht gewesen war, sie brauche die Mühen einer Saison in London gar nicht erst auf sich zu nehmen. Zur nächsten Saison war sie nur deswegen in die Hauptstadt gefahren, weil der ebenfalls in der Wiege versprochene Verlobte ihrer Schwester das Pech gehabt hatte, im Alter von zwölf Jahren an einem Fieber zu sterben und seine Familie ohne Erben und Elizabeth Willoughby ohne Verlobten zurückzulassen.
Und die Saison danach - Elizabeth war zu dem Zeitpunkt beinahe, so gut wie, "Wir rechnen jeden Augenblick damit", verlobt gewesen, während Amelia immer noch dem Duke versprochen war - gingen sie trotzdem nach London, denn inzwischen wäre es peinlich gewesen, auf dem Land zu bleiben.
Amelia mochte London. Sie genoss die Gespräche, sie liebte das Tanzen, und wenn man sich länger als fünf Minuten mit ihrer Mutter unterhalten hätte, hätte man erfahren, dass Amelia mindestens ein halbes Dutzend Heiratsanträge erhalten hätte, wäre sie noch frei gewesen.
Was bedeutete, dass Jacinda Lennox immer noch Jacinda Lennox gewesen wäre und nicht die Marchioness of Beresford. Und, was noch wichtiger gewesen wäre, Lady Crowland und ihre Töchter hätten gesellschaftlich immer noch höher gestanden als dieses lästige kleine Ding.
Aber schließlich war das Leben, wie Amelias Vater gern anmerkte, nicht immer gerecht. Eigentlich sogar ausgesprochen selten. Man sehe sich ihn doch nur an, um Himmels willen. Fünf Töchter. Fünf! Und nun fiele die Earls-Würde, die in ungebrochener Linie vom Vater auf den Sohn übergegangen war, seit die Prinzen aus dem Tower verschwunden waren, an die Krone zurück, da nirgendwo ein männlicher Anverwandter in Sicht war, der sie auf irgendeine Weise für sich beanspruchen konnte.
Nur auf seine vorausschauende Planung war es zurückzuführen - wie er seine Frau gern erinnerte -, dass eine ihrer fünf Töchter bereits unter der Haube war und sie sich nur mehr Gedanken über die anderen vier zu machen brauchten - da könnte sie doch bitte mal damit aufhören, ständig über den armen Duke of Wyndham und dessen schleppenden Fortschritt zum Traualtar zu jammern.
Lord Crowland gingen seine Ruhe und sein Frieden wirklich über alles, ein Umstand, den er in Betracht hätte ziehen sollen, bevor er Anthea Grantham zur Frau nahm.
Niemand glaubte ernsthaft, der Herzog könnte sein Versprechen Amelia und ihrer Familie gegenüber brechen. Im Gegenteil, es war allgemein bekannt, dass der Duke of Wyndham Wort hielt, und wenn er gesagt hatte, dass er Amelia Willoughby heiraten würde, dann würde er das auch tun.
Allerdings beabsichtigte er, dies zu einem Zeitpunkt zu erledigen, der ihm gelegen kam. Was nicht unbedingt bedeutete, dass er ihr gelegen kam. Oder auch ihrer Mutter.
Und so war sie wieder in Lincolnshire.
Und war immer noch Lady Amelia Willoughby.
"Es macht mir überhaupt nichts aus", erklärte sie, als Grace Eversleigh auf die Tanzgesellschaft in den Lincolnshire-Sälen zu sprechen kam. Grace Eversleigh war nicht nur die beste Freundin von Amelias Schwester Elizabeth, sie war auch die Gesellschafterin der Dowager Duchess of Wyndham und stand als solche in weitaus engerem Kontakt zu Amelias Verlobtem als Amelia selbst.
"O nein", versicherte Grace ihr rasch. "Das wollte ich damit nicht andeuten."
"Sie hat doch nur gesagt", ergänzte Elizabeth und warf ihrer Schwester einen merkwürdigen Blick zu, "dass Seine Gnaden vorhat, mindestens ein halbes Jahr auf Belgrave zu bleiben. Woraufhin du gesagt hast ..."
"Ich weiß, was ich gesagt habe", fuhr Amelia sie errötend an. Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber fast. Sie hätte ihre kleine Ansprache sicher nicht Wort für Wort wiederholen können, doch wenn sie es versucht hätte, wäre wohl etwas herausgekommen wie: Na, das ist ja erfreulich, aber ich würde da nicht allzu viel hineininterpretieren, und außerdem heiratet Elizabeth nächsten Monat, daher würde ich nicht mal im Traum daran denken, mich in absehbarer Zeit auf irgendetwas festlegen zu lassen, und egal, was die anderen sagen, ich habe es nicht so eilig damit, ihn zu heiraten. Rhabarber, Rhabarber, Rhabarber. Ich kenne den Mann doch kaum. Mehr Rhabarber, mehr Rhabarber, mehr Rhabarber, ich bin immer noch Amelia Willoughby. Und es macht mir überhaupt nichts aus.
Was nicht die Art von Ansprache war, die man im Geiste unbedingt noch einmal durchgehen wollte.
Nach einem kurzen Moment der Verlegenheit räusperte Grace sich und meinte: "Er hat gesagt, dass er heute Abend herkommen würde."
"Wirklich?", fragte Amelia und sah Grace rasch an.
Grace nickte. "Ich habe ihn beim Abendessen gesehen. Das heißt, ich habe ihn gesehen, als er an dem Raum vorbeiging, in dem wir zu Abend gegessen haben. Er wollte nicht mit uns essen. Ich glaube, er und seine Großmutter liegen gerade im Streit", fügte sie hinzu. "Wie so oft."
Amelia presste die Lippen zusammen. Nicht vor Zorn. Nicht einmal vor Ärger. Eigentlich war es hauptsächlich Resignation. "Ich nehme an, die Dowager Duchess hat ihn meinetwegen bedrängt."
Grace sah aus, als hätte sie darauf lieber nicht geantwortet, aber am Ende erklärte sie: "Also ... ja."
Was zu erwarten stand. Es war allgemein bekannt, dass die Dowager Duchess of Wyndham noch erpichter auf die Hochzeit war als Amelias Mutter. Ebenfalls allgemein bekannt war, dass der Herzog seine Großmutter bestenfalls irritierend fand, und so überraschte es Amelia nicht weiter, dass er sich bereit erklärt hatte, zum Ball zu kommen, damit sie ihn endlich in Ruhe ließ.
Und da außerdem allgemein bekannt war, dass der Duke keine leichtherzigen Versprechungen machte, war Amelia ziemlich sicher, dass er tatsächlich zum Tanz erscheinen würde. Was für sie bedeutete, dass der Abend einem wohlbekannten Muster folgen würde: Nach Ankunft des Herzogs würden alle erst auf ihn und dann auf sie schauen, und schließlich würde er zu ihr hingehen, sie würden ein paar Minuten verlegene Konversation treiben, er würde sie um einen Tanz bitten, sie würde ihm den Tanz gewähren, danach würde er ihr die Hand küssen und sich verabschieden.
Vermutlich, um zu einer anderen Frau zu gehen. Einer ganz anderen Sorte
Frau.
Der Sorte, die man nicht heiratete.
Amelia dachte nicht gern über diese Dinge nach, aber das hielt sie nicht davon ab, es zu tun. Durfte man von einem Mann verlangen, dass er einem schon vor der Ehe treu war? Darüber hatte sie mit ihrer Schwester bereits oft diskutiert, mit dem immer gleichen deprimierenden Ergebnis: Nein. Nicht, wenn der fragliche Gentleman als Kind verlobt worden war. Es war nicht fair, von ihm zu erwarten, auf all die Freuden zu verzichten, die seinen Freunden offenstanden, nur weil sein Vater vor zwei Jahrzehnten einen Vertrag unterzeichnet hatte. Die Lage würde sich erst dann ändern, wenn ein Datum für die Hochzeit festgesetzt worden war.
Wenn es den Willoughbys je gelingen würde, Wyndham dazu zu bringen, ein Datum zu nennen.
"Du siehst nicht so aus, als wärst du ungeheuer aufgeregt, ihn zu sehen", bemerkte Elizabeth.
Amelia seufzte. "Bin ich auch nicht. Um die Wahrheit zu sagen, kann ich den Abend viel mehr genießen, wenn er nicht da ist."
"Ach, so schlimm ist er gar nicht", versicherte Grace ihr. "Wenn man ihn erst einmal näher kennt, ist er wirklich ziemlich süß."
"Süß?", wiederholte Amelia zweifelnd. Sie hatte den Mann schon lächeln sehen, aber nie mehr als zwei Mal während eines Gesprächs. "Wyndham?"
"Nun ja", schränkte Grace ein, "vielleicht habe ich übertrieben. Aber der Duke wird dir ein guter Ehemann sein, Amelia, das verspreche ich dir. Wenn er will, kann er sehr amüsant sein."
Amelia und Elizabeth starrten sie dermaßen ungläubig an, dass Grace zu lachen anfing und hinzufügte: "Ich lüge nicht! Wirklich nicht! Er hat einen wunderbaren Sinn für Humor."
Grace meinte es gut, das war Amelia klar, aber irgendwie konnte sie das nicht beruhigen. Es war nicht so, dass sie eifersüchtig gewesen wäre. Sie war nicht in Wyndham verliebt, da war sie sich ganz sicher. Wie könnte sie auch? Sie hatte bisher kaum Gelegenheit gehabt, mehr als zwei Worte mit dem Mann zu wechseln. Trotzdem empfand sie es als beunruhigend, dass Grace Eversleigh ihn inzwischen so gut kannte.
Und Elizabeth, der sie normalerweise alles anvertraute, konnte sie das auch nicht sagen. Elizabeth und Grace waren Busenfreundinnen, seit sie sich mit sechs Jahren kennengelernt hatten. Elizabeth würde ihr nur sagen, dass sie albern sei. Oder sie würde ihr einen dieser schrecklichen Blicke zuwerfen, die mitfühlend gemeint waren, letztendlich aber immer mitleidig waren.
Dieser Tage bekam Amelia eine Menge solcher Blicke ab. Normalerweise immer dann, wenn es ums Heiraten ging. Wenn sie Wetten abschließen würde (sie glaubte fast, dass ihr das Spaß machen würde), hätte sie darauf gewettet, dass sie diese Blicke mindestens von der Hälfte der jungen Damen des ton erhalten hatte. Und von allen Müttern.
"Machen wir es doch diesen Herbst zu unserer Mission", schlug Grace plötzlich vor, und ihre Augen glänzten entschlossen. "Amelia und Wyndham sollen sich endlich kennenlernen."
"Grace, nicht, bitte ...", sagte Amelia und wurde rot. Lieber Gott, war das demütigend. Jetzt war sie sogar schon ein Projekt.
"Irgendwann musst du ihn doch kennenlernen", meinte Elizabeth.
"Eigentlich nicht", widersprach Amelia augenzwinkernd. "Wie viele Räume gibt es auf Belgrave? Zweihundert?"
"Dreiundsiebzig", murmelte Grace.
"Ich könnte Wochen dort verbringen, ohne ihm zu begegnen", erwiderte Amelia. "Jahre."
"Jetzt bist du aber albern", sagte ihre Schwester. "Komm doch morgen mit mir nach Belgrave. Ich habe mir den Vorwand zurechtgelegt, dass Mama der Herzoginwitwe ein paar Bücher zurückgeben will, damit ich Grace besuchen kann."
Grace bedachte Elizabeth mit einem überraschten Blick. "Hat deine Mutter wirklich Bücher von der Herzoginwitwe ausgeliehen?"
"Ja, wirklich", erwiderte Elizabeth und fügte sittsam hinzu: "Auf meine Bitte hin."
Amelia hob die Brauen. "Mutter liest doch gar nicht viel."
"Na, das Pianoforte hätte ich wohl kaum borgen können", gab Elizabeth zurück.
Amelia war der Ansicht, dass ihre Mutter auch auf dem Klavier nicht viel zu bieten hatte, aber sie sah keinen Grund, dieser Ansicht Ausdruck zu verleihen, und außerdem kam das Gespräch zu einem abrupten Ende.
Er war eingetroffen.
Amelia mochte mit dem Rücken zur Tür stehen, aber sie spürte genau, in welchem Augenblick Thomas Cavendish den Saal betrat, denn sie hatte das alles - zum Kuckuck damit - schon mehrfach erlebt.
Als Nächstes verstummten die Gespräche.
Und schließlich - sie zählte bis fünf; sie hatte die Erfahrung gemacht, dass bei Herzögen länger als die üblichen drei Sekunden geschwiegen wurde - begann das Getuschel.
An dieser Stelle stieß Elizabeth sie immer in die Rippen, als hätte sie dieser Warnung noch bedurft.
Und dann - oh, sie konnte es alles vor sich sehen - teilte sich die Menge wie das Rote Meer, und der Duke schritt hindurch, mit breiten Schultern und hocherhobenem Kopf, und dann war er beinahe, beinahe, beinahe da ...
"Lady Amelia."
Sie setzte eine ruhige Miene auf. Drehte sich um. "Euer Gnaden", sagte sie mit dem ausdruckslosen Lächeln, das von ihr erwartet wurde.
Er ergriff ihre Hand und hauchte einen Kuss darauf. "Sie sehen bezaubernd aus heute Abend."
Das sagte er jedes Mal.
Amelia dankte ihm höflich und wartete geduldig ab, während er ihrer Schwester ein Kompliment machte und zu Grace sagte: "Ich sehe, dass meine Großmutter Sie für heute Abend aus ihren Fängen gelassen hat."
"Ja", erwiderte Grace und seufzte glücklich, "ist das nicht wunderbar?"
Er lächelte, und Amelia bemerkte, dass dies nicht dasselbe für die Öffentlichkeit bestimmte Lächeln war, mit dem er sie immer bedachte. Es war ein freundschaftliches Lächeln.
"Sie sind eine richtige Heilige, Miss Eversleigh", sagte er.
Amelia sah zum Herzog und dann zu Grace und fragte sich: Wie kommt er jetzt darauf? Es war schließlich nicht so, dass Grace das alles freiwillig auf sich nahm. Wenn er Grace wirklich für eine Heilige hielt, sollte er sie mit einer Mitgift ausstatten und einen Ehemann für sie suchen, damit sie nicht den Rest ihres Lebens damit zubringen musste, seine Großmutter von vorn bis hinten zu bedienen.
Aber natürlich sagte sie das nicht. Niemand sprach so mit einem Duke.
"Grace erwähnte, dass Sie vorhaben, ein paar Monate auf dem Land zu verbringen", meinte Elizabeth.
Amelia hätte sie am liebsten getreten. Genauso gut hätte Elizabeth auch sagen können, wenn er Zeit habe, auf dem Land zu bleiben, müsste er doch auch die Zeit finden, endlich ihre Schwester zu heiraten.
Und tatsächlich schimmerte in den Augen des Herzogs ein ironischer Ausdruck auf, als er murmelte: "O ja."
"Ich bin bis mindestens November überaus beschäftigt", platzte Amelia heraus, denn er sollte unbedingt wissen, dass sie ihre Tage nicht damit verbrachte, am Fenster zu sitzen, müßig an irgendeiner Stickarbeit zu sticheln und sich nach ihm zu verzehren.
"Tatsächlich?", murmelte er.
Sie straffte die Schultern. "Tatsächlich."
Seine Augen, die von einem ziemlich spektakulären Blau waren, verengten sich. Belustigt, nicht verärgert, was vermutlich noch schlimmer war. Er lachte sie aus. Amelia wusste nicht, warum sie so lange gebraucht hatte, das zu erkennen. All die Jahre, in denen sie gedacht hatte, dass er sie schlicht ignorierte ...
Ach, du lieber Gott.
"Lady Amelia", sagte er und neigte den Kopf ein wenig, offenbar alles, was sie ihm an Verbeugung wert war, "würden Sie mir die Ehre erweisen, Sie zum nächsten Tanz führen zu dürfen?"
Elizabeth und Grace drehten sich zu ihr um, beide mit einem heiteren Lächeln der Erwartung. Auch sie hatten diese Szene schon mehrfach durchgespielt, sie alle. Und sie alle wussten, wie sie sich entwickeln würde.
Vor allem Amelia.
"Nein", sagte sie, ehe sie es sich anders überlegen konnte.
Er blinzelte. "Nein?"
"Nein, danke, hätte ich wohl sagen sollen." Sie lächelte freundlich, weil sie die Höflichkeit immer gern wahrte.
Fassungslos sah er sie an. "Sie möchten nicht tanzen?"
"Heute Abend nicht, nein." Amelia warf ihrer Schwester und Grace einen verstohlenen Blick zu. Die beiden jungen Frauen wirkten völlig überrascht.
Amelia hingegen fühlte sich einfach herrlich.
Sie fühlte sich im Einklang mit sich selbst, was sie in seiner Anwesenheit sonst nie empfinden konnte. Oder in Vorbereitung auf seine Gegenwart. Oder danach.
Alles drehte sich immer nur um ihn. Wyndham dies und Wyndham das, und wie glücklich sie sich schätzen durfte, dass sie den attraktivsten Duke weit und breit an Land gezogen hatte, ohne einen Finger krumm machen zu müssen.
Das eine Mal, da sich ihr recht trockener Humor Bahn gebrochen und sie gesagt hatte: "Wenn ich keinen Finger krumm gemacht hätte, hätte ich ja meine Babyrassel verloren!", war sie mit zwei verständnislosen Blicken und einem gemurmelten "Undankbares Ding!" bedacht worden.
Das war Jacinda Lennox' Mutter gewesen, drei Wochen bevor Jacinda mit Heiratsanträgen überschüttet worden war.
...
Übersetzung: Petra Lingsminat
© MIRA Taschenbuch
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Autoren-Porträt von Julia Quinn
Julia Quinn wird auch als zeitgenössische Jane Austen bezeichnet. Sie studierte zunächst Kunstgeschichte an der Harvard Universität, ehe sie die Liebe zum Schreiben entdeckte. Ihre überaus erfolgreichen historischen Romane präsentieren den Zauber einer vergangenen Epoche und begeistern durch ihre warmherzigen, humorvollen Schilderungen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Julia Quinn
- 2012, 332 Seiten, Maße: 12,5 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Petra Lingsminat
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3862783502
- ISBN-13: 9783862783502
- Erscheinungsdatum: 14.08.2012
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