Vertrauen ist tödlich
''Hervorragend und für alle Johansen-Fans ein Genuss''.
Booklist
Vertrauen ist tödlich von Iris Johansen
LESEPROBE
Gefängnis von Belim Kolumbien
Eine Küchenschabe krabbelte über ihre nackte Haut. ElenaKyler schüttelte sich, als sie das Insekt von ihrem Arm schlug. Gott, wie sieKüchenschaben verabscheute! In dieser Zelle wimmelte es von den Viechern.Aber immerhin waren sie nicht so schlimm wie die Ratten Nicht darübernachdenken. Das Leben hatte mehr zu bieten als diese Zelle. An etwas Schönesdenken. Pater Dominic hatte ihr immer gesagt, nur so könne man dasUnerträgliche aushalten. Aber die Situation war nicht wirklich unerträglich.Das wäre sie, wenn Elena aufgäbe und zuließe, dass dieser Scheißkerl den Siegdavontrug. Nein, sie würde an nichts Schönes denken. Nichts, was ihr etwasbedeutete, sollte seinen Weg in diese verdreckte Zelle finden. Sie zogdie Decke fester um sich. Schrecklich, diese Kälte. Tagsüber war es warm, abersobald die Sonne unterging, kühlte es drastisch ab. In der Zelle war esfeuchter als in den Hütten, in denen man sie auf dem Weg hierher gefangen gehaltenhatte, und die Decke, die man ihr gegeben hatte, war dünn und fadenscheinig.Sie hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. Hier würde sich vielleicht einegünstige Gelegenheit bieten. Die Wachen schienen mehr mit sich selbst beschäftigtzu sein und sie kannten sie nicht. Sie musste bereit sein. Irgendwann würde derZeitpunkt kommen. Sie warf die Decke beiseite und begann mit demAufwärmtraining. Seit sie sie geschnappt hatten, trainierte sie täglich vierStunden, und mittlerweile war sie verdammt fit. Ohne Waffe musste siesich auf ihre Muskelkraft und Geschicklichkeit verlassen. Um ihre Konditionnicht zu verlieren, hatte sie die mageren Mahlzeiten, die man ihr vorgesetzthatte, bis auf den letzten Krümel verschlungen. Und sie hatte jede wache Minutedamit verbracht, ihre Flucht zu planen. Sie würde bereit sein, wenn derZeitpunkt kam.
San Francisco
»Ist er hier?«, fragte Ben Forbes, als er John Logans Bürobetrat. »Haben Sie Galen erreicht?« »Er ist hier. Das heißt, er wird in wenigenMinuten eintreffen.« Logan lehnte sich in seinem ledernen Chefsessel zurück.»Aber er lässt Ihnen ausrichten, dass er nicht die Absicht hat, den Job zuübernehmen. Er sagt, er hat genug von dem Scheiß, der sich in Kolumbienabspielt.« »Wem hängt das nicht zum Hals raus?«, erwiderte Forbes müde. »Aberes hört einfach nicht auf, und irgendjemand muss schließlich etwas dagegenunternehmen.« »Sagen Sie das Galen. Bei der letzten Befreiungsaktion, die erda unten durchgeführt hat, sind zwei seiner Leute draufgegangen. So was kann erüberhaupt nicht leiden. Außerdem arbeitet er nicht gern mit der Bundesdrogenbehördezusammen. Wahrscheinlich würde er zu diesem Treffen nicht mal erscheinen, wennSie beide sich nicht schon so lange kennen würden.« »Ich kenne ihn nicht solange wie Sie«, entgegnete Forbes. »Können Sie nicht Ihren Einfl ussgeltend machen?« Logan schüttelte den Kopf. »Galen hat seine eigenenVorstellungen, und wer versucht, ihn zu beeinfl ussen, bleibt nicht langesein Freund.« Niemand wusste besser als Forbes, dass Sean Galen nach einer ganzeigenen Logik handelte. Er hatte sich vom Söldner bis zum Schmuggler mit denunterschiedlichsten zwielichtigen Tätigkeiten durchgeschlagen. Aberzwielichtig oder nicht, in seinem Metier war er der Beste. »Ich brauche ihn,Logan.«
»Die Firma Folger s Coffee hat ihm für die Befreiung ihresMitarbeiters über eine Million Dollar gezahlt. Können Sie da mithalten?« »Wohleher nicht«, sagte Galen, der plötzlich in der Tür erschien. »Es sei denn, erhat plötzlich im Lotto gewonnen.« Lässig betrat er das Büro. »Na, wie geht s,Ben?« »Ist schon besser gelaufen.« Er schüttelte Galen die Hand. »Aber eskönnte für mich aufwärts gehen, wenn Sie einwilligen würden, den Auftrag zuübernehmen.« »Ich habe gerade einen schwierigen Auftrag hinter mir. Ich bin imUrlaub.« Galen setzte sich in den Besuchersessel. »Logan und ich wollen zumHochseeangeln rausfahren.« »Sie werden sich langweilen«, meinte Forbes. »Ichhabe was viel Interessanteres für Sie.« »Im Moment würde mir ein bisschenLangeweile ganz gelegen kommen.« Galen grinste. »Außerdem hat meine Mutterschon immer gesagt, ich könnte nicht gut mit anderen zusammenarbeiten. Schongar nicht mit den Leuten von den Bundesbehörden. Die wollen immer das Sagenhaben.« »Soll ich rausgehen?«, fragte Logan. »Warum sollten wir dich aus deinemeigenen Büro vertreiben?«, fragte Galen. »Es wird nicht lange dauern.«
Logan lehnte sich zurück. »Meinetwegen. Tun Sie einfach so,als wäre ich nicht da.« Das würde schwierig werden, dachte Forbes. John Loganwar ein Ausbund an Energie und er neigte nicht gerade dazu, sich imHintergrund zu halten. Andererseits waren das genau die Eigenschaften, die manbrauchte, um wie er in der Geschäftswelt Karriere zu machen. Es war seltsam,Galen und Logan nebeneinander zu sehen. Sie waren so unterschiedlich wie Granitund Quecksilber und dennoch war die Vertrautheit zwischen ihnen deutlich zuspüren. Forbes kannte die Gerüchte, denen zufolge Logan, bevor er einerfolgreicher Geschäftsmann wurde, in einige von Galens äußerst dubiosenUnternehmungen verwickelt gewesen sein sollte. In jener Zeit hatte sichoffenbar eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden Männern entwickelt, diesich über die Jahre erhalten hatte. Würde ihm diese Freundschaft nützen können?»Tun Sie sich keinen Zwang an, John. Ich weiß, dass Sie diesesSuchthilfezentrum in Los Angeles großzügig unterstützen.« Logan schüttelte denKopf. »Das ist Ihre Angelegenheit, da mische ich mich nicht ein.« Forbesseufzte und wandte sich an Galen. »Keine Sorge, Sie würden nichts mit derUS-Regierung zu tun haben. Die DEA wird sich raushalten.« Galen wirkteüberrascht. »Aber Sie gehören doch zur Drogenbehörde.« »Diesmal arbeite ich aufeigene Faust.« »Das wird Uncle Sam aber gar nicht gefallen.« »Pech, aber nichtzu ändern. Es ist das erste Mal in zehn Jahren, dass ich eine Gelegenheitbekomme, Chavez zu schnappen.« Galens Miene blieb unverändert, aber Forbesmeinte einen anderen Ton in seiner Stimme wahrzunehmen. »Chavez?« »Rico Chavez.Das Chavez-Kartell. So viel ich weiß, haben Sie Ihre eigenen Erfahrungen mitihm gemacht.« »Vor zwei Jahren.« »Das war der Auftrag, bei dem zwei Ihrer Leuteumgekommen sind, stimmt s? Sie haben versucht, William Katz, diesenKaffee-Bonzen, aus den Händen der Rebellen zu befreien, die ihn als Geiselgenommen hatten, aber Chavez hat seine Leute geschickt, um den Rebellen zuhelfen. Damit hatten Sie nicht gerechnet.« »Normalerweise lassen dieDrogenbarone sich von den Rebellen beschützen, nicht umgekehrt. Sie haben esalso auf Chavez abgesehen?« »Ich bin seit Jahren hinter ihm her. Ein paar Malhätte ich ihn beinahe erwischt. Diesmal habe ich vielleicht eine Chance -falls Sie mich unterstützen.« Galens Augen wurden schmal. »Ich soll ihn für Sietöten?« »Nein. Ich möchte, dass Sie Chavez in die Vereinigten Staaten locken,damit wir ihn vor Gericht stellen können. Aber ich will nicht nur ihn, ich willwissen, wer seine Ware hier bei uns unter die Leute bringt.« »Chavez wird nichtin die Staaten kommen, der bleibt, wo er in Sicherheit ist.« »Es sei denn, erhat einen verdammt guten Grund herzukommen.« Galen schüttelte den Kopf.»Vergessen Sie s.« »Vielleicht auch nicht. Vor zwei Monaten hat mich eine Fraunamens Elena Kyler angerufen. Sie sagte, sie gehöre zu einer Gruppe vonRebellen im Süden von Kolumbien, und sie wolle, dass ich ihr da raushelfe undihr Schutz gewähre, sobald sie in den USA ist. Sie hat behauptet, Beweise zubesitzen, mit deren Hilfe man Chavez aus Kolumbien herauslocken könne.« »Wasfür Beweise?« »Das wollte sie mir nicht sagen. Sie hat mir angeboten, mich ineinem Haus bei einem kleinen Dorf in der Nähe von Tomaco zu treffen, um darüberzu reden.« »Das ist eine Falle. Chavez will Ihren Skalp, Ben.« »Ich bin keinIdiot. Ich habe mich bei meinen Informanten unter den Rebellen erkundigt, undes gibt tatsächlich eine Elena Kyler. Ihr Vater war Frank Kyler, einamerikanischer Söldner, der vor über dreißig Jahren nach Bogotá gegangen ist.Er hat Maria Lopez geheiratet, eine Freiheitskämpferin von der kolumbianischenBefreiungsbewegung. Die beiden haben zwei Kinder bekommen, Elena und Luis. Mariawurde vier Jahre nach Elenas Geburt von Regierungstruppen ermordet. Elena undihr Bruder wurden offenbar von ihrem Vater großgezogen, der vor sieben Jahrengetötet wurde. Die beiden gehörten Rebellengruppen an, die in den Bergen ihrenUnterschlupf hatten.« Forbes holte tief Luft.
© 2005 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
Übersetzung: Charlotte Breuer und Norbert Möllemann
- Autor: Iris Johansen
- 2005, 319 Seiten, Maße: 11,5 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Dtsch. v. Charlotte Breuer u. Norbert Möllemann
- Übersetzer: Charlotte Breuer, Norbert Möllemann
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548259901
- ISBN-13: 9783548259901
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