Weltmacht Religion
Die ganze Welt des Glaubens<br /><br />Millionen pilgern nach Rom, um am Sarg des verstorbenen Papstes zu beten. Karikaturen des Propheten Mohammed in einer dänischen Zeitung führen zu Aufruhr in der islamischen Welt. Christliche...
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Produktinformationen zu „Weltmacht Religion “
Die ganze Welt des Glaubens<br />
<br />Millionen pilgern nach Rom, um am Sarg des verstorbenen Papstes zu beten. Karikaturen des Propheten Mohammed in einer dänischen Zeitung führen zu Aufruhr in der islamischen Welt. Christliche Fundamentalisten in Amerika verbannen Darwins Evolutionstheorie aus den Schulen. Der Glaube an höhere Mächte ist aus unserer scheinbar von Wissenschaft und Technik geprägten Welt keineswegs verschwunden. Und vielerorts ist Religion Anlass oder Vorwand für kriegerische Auseinandersetzungen. "Weltmacht Religion" beschreibt die neuen Entwicklungen und den wachsenden Einfluss der großen Religionen auf Kultur, Politik und Gesellschaft. SPIEGEL-Korrespondenten und Reporter recherchierten in Europa, Asien, Afrika und Amerika und liefern so ein umfassendes Kompendium vom Wiederaufleben des Religiösen - bis hin zur Antwort auf die Frage: Woran glaubt, wer nicht glaubt?<br />
<br />. Aktueller Überblick über die Religionen der Welt und ihre Rolle im gesellschaftlichen Leben<br />. Gut lesbare Gesamtschau aus Reportagen, Berichten und Analysen sowie einem Informationsteil<br />. Beleuchtet besonders das Verhältnis von Religion und Gewalt<br />. Aktuelles Thema: das Wiedererwachen des Glaubens<br />
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Klappentext zu „Weltmacht Religion “
Die ganze Welt des GlaubensMillionen pilgern nach Rom, um am Sarg des verstorbenen Papstes zu beten. Karikaturen des Propheten Mohammed in einer dänischen Zeitung führen zu Aufruhr in der islamischen Welt. Christliche Fundamentalisten in Amerika verbannen Darwins Evolutionstheorie aus den Schulen. Der Glaube an höhere Mächte ist aus unserer scheinbar von Wissenschaft und Technik geprägten Welt keineswegs verschwunden. Und vielerorts ist Religion Anlass oder Vorwand für kriegerische Auseinandersetzungen. "Weltmacht Religion" beschreibt die neuen Entwicklungen und den wachsenden Einfluss der großen Religionen auf Kultur, Politik und Gesellschaft. SPIEGEL-Korrespondenten und Reporter recherchierten in Europa, Asien, Afrika und Amerika und liefern so ein umfassendes Kompendium vom Wiederaufleben des Religiösen - bis hin zur Antwort auf die Frage: Woran glaubt, wer nicht glaubt?
Aktueller Überblick über die Religionen der Welt und ihre Rolle im gesellschaftlichen Leben
Gut lesbare Gesamtschau aus Reportagen, Berichten und Analysen sowie einem Informationsteil
Beleuchtet besonders das Verhältnis von Religion und Gewalt
Aktuelles Thema: das Wiedererwachen des Glaubens
Millionen pilgern nach Rom, um am Sarg des verstorbenen Papstes zu beten. Karikaturen des Propheten Mohammed in einer dänischen Zeitung führen zu Aufruhr in der islamischen Welt. Christliche Fundamentalisten in Amerika verbannen Darwins Evolutionstheorie aus den Schulen. Der Glaube an höhere Mächte ist aus unserer scheinbar von Wissenschaft und Technik geprägten Welt keineswegs verschwunden. Und vielerorts ist Religion Anlass oder Vorwand für kriegerische Auseinandersetzungen. "Weltmacht Religion" beschreibt die neuen Entwicklungen und den wachsenden Einfluss der großen Religionen auf Kultur, Politik und Gesellschaft. SPIEGEL-Korrespondenten und Reporter recherchierten in Europa, Asien, Afrika und Amerika und liefern so ein umfassendes Kompendium vom Wiederaufleben des Religiösen - bis hin zur Antwort auf die Frage: Woran glaubt, wer nicht glaubt?
• Aktueller Überblick über die Religionen der Welt und ihre Rolle im gesellschaftlichen Leben
• Gut lesbare Gesamtschau aus Reportagen, Berichten und Analysen sowie einem Informationsteil
• Beleuchtet besonders das Verhältnis von Religion und Gewalt
• Aktuelles Thema: das Wiedererwachen des Glaubens
• Aktueller Überblick über die Religionen der Welt und ihre Rolle im gesellschaftlichen Leben
• Gut lesbare Gesamtschau aus Reportagen, Berichten und Analysen sowie einem Informationsteil
• Beleuchtet besonders das Verhältnis von Religion und Gewalt
• Aktuelles Thema: das Wiedererwachen des Glaubens
Lese-Probe zu „Weltmacht Religion “
VorwortLange schien die Religion kein Thema mehr zu sein. Zumindest nicht im sularen Westeuropa. Doch in einer sich rasch wandelnden globalisierten Welt kehrt der Wunsch zurk, im Glauben Halt zu finden. Auch in der Bundesrepublik wird er Religion debattiert. Wie halten wir es mit religien Symbolen in fentlichen tern? Brauchen wir die Hinwendung zu Gott, um den Werteverfall in unserer Gesellschaft zu stoppen?
Stker als in Europa zeigt sich die Dynamik religier Gemeinschaften in Afrika, Asien und Amerika. In den Vereinigten Staaten, wo der Einfluss christlicher Fundamentalisten bis ins Wei Haus reicht, gibt es mittlerweile er 1200 Megachurches - fast doppelt so viele wie im Jahr 2000. In Lateinamerika locken die evangelischen Pfingstler Tausende auch mit modernen Marketingmethoden in ihre Gottesdienste. In Afrika kpfen Christen und Muslime um die religie Vormacht auf dem Kontinent. Hier vermischen sich oft die monotheistischen Religionen und die Naturreligionen der Ahnen.
Mit der Rkkehr des Glaubens zeigt sich vermehrt auch die gewalttige Kehrseite religier Hinwendung - Hass und Misstrauen zwischen den Religionen wachsen. In vielen Ldern geht die Angst vor dem Terror im Namen des Herrn zum Alltag. Als in einer dischen Zeitung Mohammed-Karikaturen erschienen, wurden Konsulate des skandinavischen Landes in Brand gesetzt. Bei Demonstrationen gab es sogar Tote.
Nach der Regensburger Rede des Papstes gerieten viele Muslime erneut in Aufruhr. Nur mit Me gelang es Benedikt XVI., die Wirkung der von ihm zitierten Kritik aus dem 14. Jahrhundert am Propheten Mohammed abzuschwhen und die erhitzten Gemer in der muslimischen Welt wieder zu beruhigen.
In dem vorliegenden Buch analysieren SPIEGEL-Redakteure und Religionswissenschaftler die Hintergrde gewalttiger Konflikte zwischen den Konfessionen, und sie beschreiben, wie Gott oder Allah oder Jahwe, wie Buddha und Shiva, wie Yin und Yang, Regengter und Elfengeister das Leben der Menschen beeinflussen.
Die
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Herausgeber danken den Autoren f ihre anschaulichen Schilderungen der weltweiten Glaubensvielfalt, den Dokumentaren f die sorgftige erprung der Fakten und den Grafikern f die informativen Schaubilder. Unser Dank gilt auch unserem Schlussredakteur Karl-Heinz Kner f die Korrektur der Texte sowie unseren Sekretinnen Angelika Kummer und Antje Wallasch, die in all der Hektik stets den erblick behielten. Ein ganz besonderer Dank geht an Ulrich Schwarz, der uns als ausgebildeter katholischer Theologe mit Rat zur Seite stand.
Karen Andresen und Stephan Burgdorff
DIE RKKEHR DES GLAUBENS
International haben Religionen starken Zulauf, weil die Menschen sich im rasanten Wandel der Welt Halt erhoffen. Terroristen morden im Namen Gottes, in den USA regiert die christliche Rechte mit. Nur Westeuropa erscheint als sulare Insel - oder kehrt auch hier die Frmigkeit zurk?
Von Rainer Traub
Rom im April 2005. Dichtgedrgt stehen die Menschen auf dem Petersplatz. Papst Johannes Paul II. ist gestorben, und im Petersdom wollen auch diejenigen vom Heiligen Vater Abschied nehmen, die man sonst eher auf Rockfestivals vermutet - Schulmchen, die sich extra f diese Reise freigenommen haben, junge Mner mit Rastalocken.
Zwei Jahre sper, im Vatikan amtiert lgst ein neuer Hausherr, sind die Schlangen immer noch endlos lang. Vor allem die Deutschen zieht es in Scharen zu Benedikt XVI. Allein im ersten Halbjahr nach Amtsantritt kamen 50000.
Sind das erste Anzeichen f eine Rkkehr zur Religion im notorisch sularen Europa? Gerade unter jungen Leuten? Oder ist der Andrang vor dem Heiligen Stuhl in Wahrheit Folge eines ganz ordinen Medienhypes - geschuldet einem Interesse, das sonst auch Fuallern, Popstars oder Hollywood-Diven gilt?
Sicher beantworten kann die Frage heute noch niemand. Unbestritten aber ist: Selbst wenn die Kirchen sonntags leerer geworden sind - in Zeiten der Globalisierung suchen auch auf dem alten Kontinent wieder mehr Menschen einen Halt im Leben. Und mit der Aufregung um Mohammed-Karikaturen, Papst-Rede und Berliner Operninszenierung hat hier die Debatte, wie viel Religion wir brauchen und worauf unsere Werte grden, neue Dringlichkeit erhalten.
Weltweit geht die Macht des Glaubens lgst zu den auffligsten und dramatischsten Phomenen der Gegenwart, mit teilweise verstenden Erscheinungsformen. Terroristen bomben im Namen des Islam, im Wein Haus regiert mit George W. Bush ein Prident, der sich als "wiedergeborener" Christ versteht, gern fentlich betet und seine Entscheidungen mit gtlichem Ratschluss untermauert.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts erscheint die Religion als unberechenbare, chameonartige Weltmacht - eine Entwicklung, die f die fentliche Meinung und die frenden Sozialwissenschaftler der westlichen Welt noch vor einer Generation unvorstellbar war: Der erwartete Triumphzug der Moderne wurde mit einem unaufhaltsamen Bedeutungsverlust der Religionen gleichgesetzt.
Das war ein Trugschluss, f den es in Asien oder Afrika nie Indizien gab. Hier behielt die Religion ihre Anziehungskraft, ihr Einfluss ist allenfalls noch stker geworden. In Europa aber scheint der Befund abseits medial inszenierter Groreignisse immer noch zu stimmen. "Der Tag ist nicht mehr fern", menetekelte der Publizist Klaus Harpprecht in der "Zeit", "an dem einer Majorit der Deutschen das religie Fundament unserer Kultur so fremd sein wird wie das der Kulturen Altyptens oder der Azteken".
Tatshlich ist die Bindung an die traditionellen christlichen Konfessionen - das katholische Polen ausgenommen - dramatisch zurkgegangen und damit auch die Kenntnis der christlichen erlieferung. Dennoch stimmt der Befund einer religien Erosion auch f Europa nur teilweise. Die 15 Millionen muslimischen Einwanderer auf dem Kontinent haben sich erwiegend nicht von ihrer Religion abgewandt; in Zeiten des Terrors wurde die Hinwendung zu Allah eher noch intensiver: "Die Religiosit nimmt bei den Muslimen seit dem 11. September zu", hat Ali Kizilkaya, der Vorsitzende des Islamrates, beobachtet. Dem Islam-Archiv zufolge ist die Zahl der Teilnehmer an den Freitagsgebeten in Deutschland zwischen 2000 und 2005 um knapp die Hfte gestiegen.
Aber mit der Rkkehr tiefer Religiosit nach Europa halten auch Hass und Unverstdnis zwischen den Religionen wieder Einzug. Die Kopfther frommer Musliminnen gelten vielen aus der christlich-sularen Umwelt als Symbol f den wachsenden Einfluss religier Fundamentalisten. Islamische Gemeinden klagen, sie wden stdig der Terrorne verdhtigt. Und fundamentalistische Ideologen und islamistische Hassprediger im In- und Ausland heizen die Konflikte zwischen den westeuropschen Mehrheitsgesellschaften und den muslimischen Zuwanderern weiter an.
So lten die von einer dischen Zeitung abgedruckten Mohammed-Karikaturen Anfang des Jahres 2006 weltweit gewalttige Demonstrationen aus. In Beirut und Damaskus gingen dische Konsulate in Flammen auf, bei Ausschreitungen in Afghanistan, Pakistan und Nigeria kamen mehrere Menschen ums Leben. Was auf den ersten Blick spontan aussah, war in Wahrheit sorgftig inszeniert.
Nachdem Papst Benedikt XVI. im September des gleichen Jahres in einer Rede in der Regensburger Universit ein historisches Zitat er aggressive Ze des Propheten Mohammed angefrt hatte, erhob sich in vielen islamischen Ldern erneut ein Proteststurm. Der Papst betonte eilends seinen Respekt vor dem Islam und sprach von einem Missverstdnis; in Somalia ermordeten islamistische Killer als Reaktion auf die Papst-Rede eine katholische Ordensschwester.
Wie sehr all das in Deutschland f Verunsicherung sorgt, zeigte sich im selben Monat an der Deutschen Oper Berlin. Weil Mohammed in der Inszenierung der Mozart-Oper "Idomeneo" ebenso wie Jesus und Buddha enthauptet prentiert werden sollte, warnte die Innenbehde vor gewalttigen Reaktionen aufgebrachter Islamisten. Die Oper wurde abgesetzt und erst nach hitzigen fentlichen Debatten wieder in den Spielplan aufgenommen.
Die Folgen des gewachsenen Misstrauens machen sich immer stker bemerkbar. In Erfurt frte die diffuse Angst vor dem Islam sogar dazu, dass sich ein Pastor das Leben nahm, um so die Christen aufzurteln. Gleichzeitig nimmt in Europa die Bereitschaft rapide ab, zwischen der erwiegenden Mehrheit friedlicher, integrationswilliger Muslime und einer fanatischen, gewaltbereiten Minderheit zu unterscheiden. Ein Generalverdacht gegen den Islam, der in den zurkliegenden Jahren nur von der rsten politischen Rechten artikuliert worden sei, greife auch in der bgerlichen Mitte und im linksliberalen Milieu rasch um sich: Das schrieb die "International Herald Tribune" in einem Korrespondentenbericht er die Stimmung in sechs europschen Metropolen. Es sei politisch korrekt geworden, zitiert die Zeitung den dischen Islam-Konvertiten Wahid Pedersen, "den Islam anzugreifen. Das erschwert es den Gemigten auf beiden Seiten, Vernunft zu wahren".
Weltweit hat der Islam, wenngleich in unterschiedliche Richtungen zergliedert, in der globalen Konkurrenz der Religionen den grten Zulauf. Denn islamisch geprte Kulturen finden sich gronteils in weniger entwickelten Erdteilen, dort, wo Kinderreichtum die Regel ist. Dennoch ist es in absehbarer Zeit unwahrscheinlich, dass der Islam die grte Religionsgemeinschaft wird. War 1970 noch jeder siebte Mensch Muslim, so ist es heute schon jeder ffte.
Aus denselben Grden ist der Anteil der Hindus an der Erdbevkerung gewachsen, wenn auch weniger stark - von 12,5 Prozent (1970) auf 13,3 Prozent (2002). Seit den sechziger Jahren haben sich im Hinduismus zudem aggressive fundamentalistische Strungen herausgebildet, die sich im Vielvkerstaat Indien vor allem gegen die muslimische Minderheit richten.
Doch trotz der Expansion anderer Weltreligionen - noch hat das Christentum weltweit die meisten Glbigen. Knapp ein Drittel der Menschheit geht der katholischen Mehrheitskonfession oder einem anderen christlichen Bekenntnis an. Allerdings ergeben sich je nach Kontinent massive Verschiebungen: Wrend sich in Europa immer weniger Menschen als Christen verstehen, steigt deren Zahl in Afrika geradezu explosionsartig. Zehn Millionen waren es im Jahr 1900, derzeit sind es schzungsweise 390 Millionen - schon ist fast jeder zweite Bewohner des Kontinents Christ.
Der Zuwachs ist vor allem ein Erfolg christlicher Missionare. Besonders effektiv sind dabei die protestantischen Pfingstler, die mehr Wert auf Erweckung und Ekstase als auf religie Dogmatik legen. Es kommt ihnen, theologisch gesprochen, weniger auf die Lehre von Gott als auf die Erfahrung mit Gott an. Dies gilt, aus unterschiedlichen Grden, auch f die Ausbreitung der Pfingstler in Skorea und Lateinamerika. In Samerika hat diese Glaubensrichtung viele Millionen Glbige von der katholischen Kirche abgeworben, vor allem in Brasilien.
In Russland und anderen Teilen der ehemaligen Sowjetunion zeigt sich die Revitalisierung der Religion in einem enormen Zulauf zur orthodoxen Kirche. Der Umstand, dass der Traum der kommunistischen Ersatzreligion von einem Paradies auf Erden geplatzt ist, hat hier wie erall auf der Welt erheblich zur neuen Attraktivit originer Religionen beigetragen.
Der hannoversche Religionswissenschaftler Peter Antes, konstatiert: "Die Fachleute sind sich darer einig, dass sich der enorme Aufschwung fundamentalistischer Bewegungen im Islam in den vergangenen Jahrzehnten gronteils vom Zulauf derer speist, die Gleichheit und Gerechtigkeit zuvor vom Kommunismus erhofft hatten."
Dass die Ursachen f die Wiederbelebung des Glaubens weniger in unerflten sozialen Hoffnungen zu suchen sind, als im ungelten Rsel der menschlichen Existenz, postuliert dagegen eine Grundsatzerklung von Akademikern in der evangelischen Kirche: "Die Erwartung des Absterbens der Religion hat sich als Illusion erwiesen. Religion als Verhalten des Menschen zum transzendenten Grund seiner Existenz ist eine elementare Dimension jeder Kultur."
F diese Auffassung spricht, dass auch in der westlichen Welt, die auf ihre Rationalit so stolz ist, Glaube und Wissen keinesfalls unvereinbar sind:
- Zahlreiche Naturwissenschaftler, darunter internationale Koryphn wie die Physiker Hanspeter Dr und Wolfgang Weidlich, bekennen sich als glbig.
- Der US-amerikanische Genomforscher Francis Collins hat in seinem Buch "The Language of God" Untersuchungen angefrt, denen zufolge 40 Prozent der amerikanischen Wissenschaftler an Gott glauben. Genetiker Collins weist pseudowissenschaftliche Lehren christlicher Eiferer energisch zurk, ob sie nun "Intelligent Design" oder "Kreationismus" hein. Aber er besteht wie Papst Benedikt XVI. darauf, dass Darwins Evolutionslehre mit dem christlichen Glauben vereinbar sei.
- Die USA als wissenschaftlich und technologisch am hhsten entwickelte Gesellschaft sind von Anfang an stark von Religiosit geprt. Der Begriff "Fundamentalismus" wurde vor etwa einem Jahrhundert f eine neue Spielart des amerikanischen Protestantismus geprt - lange bevor er auf andere Religionen ertragen wurde. Im Lauf der letzten 30 Jahre hat der Fundamentalismus der christlichen Rechten weite Teile der US-Bevkerung erfasst.
Warum aber scheint das Schwinden religier Bindungen bei der westeuropschen Mehrheitsbevkerung noch immer die alte These vom naturwhsigen Absterben der Religionen zu bestigen - wrend die Entwicklung der westlichen Vormacht USA in die entgegengesetzte Richtung weist?
In den westeuropschen Kernldern Deutschland und Frankreich ist der Bedeutungsverlust der Religion besonders ausgeprt. In Deutschland haben die beiden gron Kirchen allein seit 1990 mehr als 5,5 Millionen Mitglieder verloren; nur ein kleiner Teil der Austritte wird durch Neumitglieder ausgeglichen.
Die Abnahme kirchlicher Steuereinnahmen durch Mitgliederverluste frt zur Streichung von Pastorenstellen und zu Kzungen bei karitativen Einrichtungen. Kirchen msen geschlossen werden. Andere knen erflige Restaurierungen nur noch dadurch finanzieren, dass sie ihre Fassaden f grolhige kommerzielle Reklame zweckentfremden - nicht nur f glbige Christen ein unscher Anblick und gleichzeitig das vielleicht sinnfligste Symbol religien Bedeutungsschwunds.
Manche Beobachter meinen, die Religiosit nehme gar nicht ab, sondern wechsle nur ihre Formen - sie individualisiere und entkirchliche sich. So diagnostiziert der franzische Historiker Paul Veyne einen ergang "von einer Religion, welche ein ganzes Volk als Menerht, zu einer Religion la carte, bei der sich jeder den Gott oder die Sekte aussucht, die er will". Roland Biewald, Religionspagoge an der Theologischen Fakult der Technischen Universit Dresden, sagt, die Sularisierung mache sich in Deutschland zwar als "Entkirchlichung" bemerkbar, zugleich nehme aber die "nichtkirchliche Religiosit" zu. Fast drei Viertel der Kirchenaustritte wden zudem mit dem Motiv begrdet, die Kirchensteuer einzusparen; nicht einmal jeder Ffte gebe religie Grde an. Gleichzeitig wachse mit der Zunahme der Zukunftsgste die Sehnsucht nach Heil: "Dieser geflte Glaube ist unabhgig von herkmlichen Religionen."
Aber was ist ein "geflter Glaube"? Der Begriff klingt allzu vage - und nach dem Pfeifen im Wald. Auch eine TNS-Infratest-Umfrage f den SPIEGEL ergibt kein klares Bild. Die Frage: "Glauben Sie an einen Gott?" bejahten im Oktober 2006 zwar 64 Prozent der Befragten (gegener 50 Prozent 1992). Gleichzeitig glaubt aber nur eine Minderheit von 42 Prozent der Befragten an ein Leben nach dem Tod, wrend 50 Prozent die Frage verneinen.
Die zwei Drittel der Deutschen, die der evangelischen und katholischen Kirche nicht formell den Rken gekehrt haben, stehen dem religien Leben mehrheitlich gleichgtig gegener und besuchen allenfalls zu Weihnachten einen Gottesdienst. Die britische Religionsforscherin Grace Davie hat solche Indifferenz als charakteristisch f Westeuropa beschrieben.
Eine so wenig ernst genommene Religion kann tatshlich als Auslaufmodell erscheinen. Und unser Kontinent, von dem Aufklung und Industrialisierung einst ausgingen, ist schlieich seit jeher gewohnt, seine eigene Entwicklung als Modell f den Rest der Welt zu sehen.
Schon im 19. Jahrhundert verband sozialistische Revolutione und bgerliche Liberale die erzeugung, die gesellschaftliche Entwicklung fre quasi automatisch zur Sularisierung - nicht nur im Sinn einer konstitutionellen Trennung von Staat und Kirche, sondern auch im Sinn eines langfristigen Absterbens der Religion.
Bei den gron Sozialtheoretikern des Bgertums lag dieser Erwartung die Hypothese zugrunde, der Glaube sei letztlich eine unreife Vorform des Wissens. Max Webers suggestive Formel von der "Entzauberung der Welt" durch Wissenschaft und Technik bringt diese Auffassung auf den Begriff. Ihm zufolge lt sich all das, was der menschlichen Vernunft in vormoderner Zeit rselhaft blieb und zauberisch-religie Vorstellungen nrte, mit der fortschreitenden Erforschung und Anwendung der Naturgesetze von selbst auf: An die Stelle der Aura von Gtern und Priestern treten versachlichte Institutionen. So erschien die Annahme zwingend, im Zuge dieses weltumspannenden Transformationsprozesses wden auf Dauer alle Religionen verschwinden.
Und schlieich hatte sich schon die Franzische Revolution, die dem bgerlichen Zeitalter in Europa Bahn brach, gegen das antidemokratische Bdnis von Thron und Altar gerichtet. Die rationale Skepsis gegener der Religion wurde nicht zuletzt von der ursprglichen Ablehnung der Evolutionstheorie Darwins durch die christlichen Kirchen und von deren misstrauischer Distanz gegener der gesamten sularen Moderne genrt.
Karen Andresen und Stephan Burgdorff
DIE RKKEHR DES GLAUBENS
International haben Religionen starken Zulauf, weil die Menschen sich im rasanten Wandel der Welt Halt erhoffen. Terroristen morden im Namen Gottes, in den USA regiert die christliche Rechte mit. Nur Westeuropa erscheint als sulare Insel - oder kehrt auch hier die Frmigkeit zurk?
Von Rainer Traub
Rom im April 2005. Dichtgedrgt stehen die Menschen auf dem Petersplatz. Papst Johannes Paul II. ist gestorben, und im Petersdom wollen auch diejenigen vom Heiligen Vater Abschied nehmen, die man sonst eher auf Rockfestivals vermutet - Schulmchen, die sich extra f diese Reise freigenommen haben, junge Mner mit Rastalocken.
Zwei Jahre sper, im Vatikan amtiert lgst ein neuer Hausherr, sind die Schlangen immer noch endlos lang. Vor allem die Deutschen zieht es in Scharen zu Benedikt XVI. Allein im ersten Halbjahr nach Amtsantritt kamen 50000.
Sind das erste Anzeichen f eine Rkkehr zur Religion im notorisch sularen Europa? Gerade unter jungen Leuten? Oder ist der Andrang vor dem Heiligen Stuhl in Wahrheit Folge eines ganz ordinen Medienhypes - geschuldet einem Interesse, das sonst auch Fuallern, Popstars oder Hollywood-Diven gilt?
Sicher beantworten kann die Frage heute noch niemand. Unbestritten aber ist: Selbst wenn die Kirchen sonntags leerer geworden sind - in Zeiten der Globalisierung suchen auch auf dem alten Kontinent wieder mehr Menschen einen Halt im Leben. Und mit der Aufregung um Mohammed-Karikaturen, Papst-Rede und Berliner Operninszenierung hat hier die Debatte, wie viel Religion wir brauchen und worauf unsere Werte grden, neue Dringlichkeit erhalten.
Weltweit geht die Macht des Glaubens lgst zu den auffligsten und dramatischsten Phomenen der Gegenwart, mit teilweise verstenden Erscheinungsformen. Terroristen bomben im Namen des Islam, im Wein Haus regiert mit George W. Bush ein Prident, der sich als "wiedergeborener" Christ versteht, gern fentlich betet und seine Entscheidungen mit gtlichem Ratschluss untermauert.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts erscheint die Religion als unberechenbare, chameonartige Weltmacht - eine Entwicklung, die f die fentliche Meinung und die frenden Sozialwissenschaftler der westlichen Welt noch vor einer Generation unvorstellbar war: Der erwartete Triumphzug der Moderne wurde mit einem unaufhaltsamen Bedeutungsverlust der Religionen gleichgesetzt.
Das war ein Trugschluss, f den es in Asien oder Afrika nie Indizien gab. Hier behielt die Religion ihre Anziehungskraft, ihr Einfluss ist allenfalls noch stker geworden. In Europa aber scheint der Befund abseits medial inszenierter Groreignisse immer noch zu stimmen. "Der Tag ist nicht mehr fern", menetekelte der Publizist Klaus Harpprecht in der "Zeit", "an dem einer Majorit der Deutschen das religie Fundament unserer Kultur so fremd sein wird wie das der Kulturen Altyptens oder der Azteken".
Tatshlich ist die Bindung an die traditionellen christlichen Konfessionen - das katholische Polen ausgenommen - dramatisch zurkgegangen und damit auch die Kenntnis der christlichen erlieferung. Dennoch stimmt der Befund einer religien Erosion auch f Europa nur teilweise. Die 15 Millionen muslimischen Einwanderer auf dem Kontinent haben sich erwiegend nicht von ihrer Religion abgewandt; in Zeiten des Terrors wurde die Hinwendung zu Allah eher noch intensiver: "Die Religiosit nimmt bei den Muslimen seit dem 11. September zu", hat Ali Kizilkaya, der Vorsitzende des Islamrates, beobachtet. Dem Islam-Archiv zufolge ist die Zahl der Teilnehmer an den Freitagsgebeten in Deutschland zwischen 2000 und 2005 um knapp die Hfte gestiegen.
Aber mit der Rkkehr tiefer Religiosit nach Europa halten auch Hass und Unverstdnis zwischen den Religionen wieder Einzug. Die Kopfther frommer Musliminnen gelten vielen aus der christlich-sularen Umwelt als Symbol f den wachsenden Einfluss religier Fundamentalisten. Islamische Gemeinden klagen, sie wden stdig der Terrorne verdhtigt. Und fundamentalistische Ideologen und islamistische Hassprediger im In- und Ausland heizen die Konflikte zwischen den westeuropschen Mehrheitsgesellschaften und den muslimischen Zuwanderern weiter an.
So lten die von einer dischen Zeitung abgedruckten Mohammed-Karikaturen Anfang des Jahres 2006 weltweit gewalttige Demonstrationen aus. In Beirut und Damaskus gingen dische Konsulate in Flammen auf, bei Ausschreitungen in Afghanistan, Pakistan und Nigeria kamen mehrere Menschen ums Leben. Was auf den ersten Blick spontan aussah, war in Wahrheit sorgftig inszeniert.
Nachdem Papst Benedikt XVI. im September des gleichen Jahres in einer Rede in der Regensburger Universit ein historisches Zitat er aggressive Ze des Propheten Mohammed angefrt hatte, erhob sich in vielen islamischen Ldern erneut ein Proteststurm. Der Papst betonte eilends seinen Respekt vor dem Islam und sprach von einem Missverstdnis; in Somalia ermordeten islamistische Killer als Reaktion auf die Papst-Rede eine katholische Ordensschwester.
Wie sehr all das in Deutschland f Verunsicherung sorgt, zeigte sich im selben Monat an der Deutschen Oper Berlin. Weil Mohammed in der Inszenierung der Mozart-Oper "Idomeneo" ebenso wie Jesus und Buddha enthauptet prentiert werden sollte, warnte die Innenbehde vor gewalttigen Reaktionen aufgebrachter Islamisten. Die Oper wurde abgesetzt und erst nach hitzigen fentlichen Debatten wieder in den Spielplan aufgenommen.
Die Folgen des gewachsenen Misstrauens machen sich immer stker bemerkbar. In Erfurt frte die diffuse Angst vor dem Islam sogar dazu, dass sich ein Pastor das Leben nahm, um so die Christen aufzurteln. Gleichzeitig nimmt in Europa die Bereitschaft rapide ab, zwischen der erwiegenden Mehrheit friedlicher, integrationswilliger Muslime und einer fanatischen, gewaltbereiten Minderheit zu unterscheiden. Ein Generalverdacht gegen den Islam, der in den zurkliegenden Jahren nur von der rsten politischen Rechten artikuliert worden sei, greife auch in der bgerlichen Mitte und im linksliberalen Milieu rasch um sich: Das schrieb die "International Herald Tribune" in einem Korrespondentenbericht er die Stimmung in sechs europschen Metropolen. Es sei politisch korrekt geworden, zitiert die Zeitung den dischen Islam-Konvertiten Wahid Pedersen, "den Islam anzugreifen. Das erschwert es den Gemigten auf beiden Seiten, Vernunft zu wahren".
Weltweit hat der Islam, wenngleich in unterschiedliche Richtungen zergliedert, in der globalen Konkurrenz der Religionen den grten Zulauf. Denn islamisch geprte Kulturen finden sich gronteils in weniger entwickelten Erdteilen, dort, wo Kinderreichtum die Regel ist. Dennoch ist es in absehbarer Zeit unwahrscheinlich, dass der Islam die grte Religionsgemeinschaft wird. War 1970 noch jeder siebte Mensch Muslim, so ist es heute schon jeder ffte.
Aus denselben Grden ist der Anteil der Hindus an der Erdbevkerung gewachsen, wenn auch weniger stark - von 12,5 Prozent (1970) auf 13,3 Prozent (2002). Seit den sechziger Jahren haben sich im Hinduismus zudem aggressive fundamentalistische Strungen herausgebildet, die sich im Vielvkerstaat Indien vor allem gegen die muslimische Minderheit richten.
Doch trotz der Expansion anderer Weltreligionen - noch hat das Christentum weltweit die meisten Glbigen. Knapp ein Drittel der Menschheit geht der katholischen Mehrheitskonfession oder einem anderen christlichen Bekenntnis an. Allerdings ergeben sich je nach Kontinent massive Verschiebungen: Wrend sich in Europa immer weniger Menschen als Christen verstehen, steigt deren Zahl in Afrika geradezu explosionsartig. Zehn Millionen waren es im Jahr 1900, derzeit sind es schzungsweise 390 Millionen - schon ist fast jeder zweite Bewohner des Kontinents Christ.
Der Zuwachs ist vor allem ein Erfolg christlicher Missionare. Besonders effektiv sind dabei die protestantischen Pfingstler, die mehr Wert auf Erweckung und Ekstase als auf religie Dogmatik legen. Es kommt ihnen, theologisch gesprochen, weniger auf die Lehre von Gott als auf die Erfahrung mit Gott an. Dies gilt, aus unterschiedlichen Grden, auch f die Ausbreitung der Pfingstler in Skorea und Lateinamerika. In Samerika hat diese Glaubensrichtung viele Millionen Glbige von der katholischen Kirche abgeworben, vor allem in Brasilien.
In Russland und anderen Teilen der ehemaligen Sowjetunion zeigt sich die Revitalisierung der Religion in einem enormen Zulauf zur orthodoxen Kirche. Der Umstand, dass der Traum der kommunistischen Ersatzreligion von einem Paradies auf Erden geplatzt ist, hat hier wie erall auf der Welt erheblich zur neuen Attraktivit originer Religionen beigetragen.
Der hannoversche Religionswissenschaftler Peter Antes, konstatiert: "Die Fachleute sind sich darer einig, dass sich der enorme Aufschwung fundamentalistischer Bewegungen im Islam in den vergangenen Jahrzehnten gronteils vom Zulauf derer speist, die Gleichheit und Gerechtigkeit zuvor vom Kommunismus erhofft hatten."
Dass die Ursachen f die Wiederbelebung des Glaubens weniger in unerflten sozialen Hoffnungen zu suchen sind, als im ungelten Rsel der menschlichen Existenz, postuliert dagegen eine Grundsatzerklung von Akademikern in der evangelischen Kirche: "Die Erwartung des Absterbens der Religion hat sich als Illusion erwiesen. Religion als Verhalten des Menschen zum transzendenten Grund seiner Existenz ist eine elementare Dimension jeder Kultur."
F diese Auffassung spricht, dass auch in der westlichen Welt, die auf ihre Rationalit so stolz ist, Glaube und Wissen keinesfalls unvereinbar sind:
- Zahlreiche Naturwissenschaftler, darunter internationale Koryphn wie die Physiker Hanspeter Dr und Wolfgang Weidlich, bekennen sich als glbig.
- Der US-amerikanische Genomforscher Francis Collins hat in seinem Buch "The Language of God" Untersuchungen angefrt, denen zufolge 40 Prozent der amerikanischen Wissenschaftler an Gott glauben. Genetiker Collins weist pseudowissenschaftliche Lehren christlicher Eiferer energisch zurk, ob sie nun "Intelligent Design" oder "Kreationismus" hein. Aber er besteht wie Papst Benedikt XVI. darauf, dass Darwins Evolutionslehre mit dem christlichen Glauben vereinbar sei.
- Die USA als wissenschaftlich und technologisch am hhsten entwickelte Gesellschaft sind von Anfang an stark von Religiosit geprt. Der Begriff "Fundamentalismus" wurde vor etwa einem Jahrhundert f eine neue Spielart des amerikanischen Protestantismus geprt - lange bevor er auf andere Religionen ertragen wurde. Im Lauf der letzten 30 Jahre hat der Fundamentalismus der christlichen Rechten weite Teile der US-Bevkerung erfasst.
Warum aber scheint das Schwinden religier Bindungen bei der westeuropschen Mehrheitsbevkerung noch immer die alte These vom naturwhsigen Absterben der Religionen zu bestigen - wrend die Entwicklung der westlichen Vormacht USA in die entgegengesetzte Richtung weist?
In den westeuropschen Kernldern Deutschland und Frankreich ist der Bedeutungsverlust der Religion besonders ausgeprt. In Deutschland haben die beiden gron Kirchen allein seit 1990 mehr als 5,5 Millionen Mitglieder verloren; nur ein kleiner Teil der Austritte wird durch Neumitglieder ausgeglichen.
Die Abnahme kirchlicher Steuereinnahmen durch Mitgliederverluste frt zur Streichung von Pastorenstellen und zu Kzungen bei karitativen Einrichtungen. Kirchen msen geschlossen werden. Andere knen erflige Restaurierungen nur noch dadurch finanzieren, dass sie ihre Fassaden f grolhige kommerzielle Reklame zweckentfremden - nicht nur f glbige Christen ein unscher Anblick und gleichzeitig das vielleicht sinnfligste Symbol religien Bedeutungsschwunds.
Manche Beobachter meinen, die Religiosit nehme gar nicht ab, sondern wechsle nur ihre Formen - sie individualisiere und entkirchliche sich. So diagnostiziert der franzische Historiker Paul Veyne einen ergang "von einer Religion, welche ein ganzes Volk als Menerht, zu einer Religion la carte, bei der sich jeder den Gott oder die Sekte aussucht, die er will". Roland Biewald, Religionspagoge an der Theologischen Fakult der Technischen Universit Dresden, sagt, die Sularisierung mache sich in Deutschland zwar als "Entkirchlichung" bemerkbar, zugleich nehme aber die "nichtkirchliche Religiosit" zu. Fast drei Viertel der Kirchenaustritte wden zudem mit dem Motiv begrdet, die Kirchensteuer einzusparen; nicht einmal jeder Ffte gebe religie Grde an. Gleichzeitig wachse mit der Zunahme der Zukunftsgste die Sehnsucht nach Heil: "Dieser geflte Glaube ist unabhgig von herkmlichen Religionen."
Aber was ist ein "geflter Glaube"? Der Begriff klingt allzu vage - und nach dem Pfeifen im Wald. Auch eine TNS-Infratest-Umfrage f den SPIEGEL ergibt kein klares Bild. Die Frage: "Glauben Sie an einen Gott?" bejahten im Oktober 2006 zwar 64 Prozent der Befragten (gegener 50 Prozent 1992). Gleichzeitig glaubt aber nur eine Minderheit von 42 Prozent der Befragten an ein Leben nach dem Tod, wrend 50 Prozent die Frage verneinen.
Die zwei Drittel der Deutschen, die der evangelischen und katholischen Kirche nicht formell den Rken gekehrt haben, stehen dem religien Leben mehrheitlich gleichgtig gegener und besuchen allenfalls zu Weihnachten einen Gottesdienst. Die britische Religionsforscherin Grace Davie hat solche Indifferenz als charakteristisch f Westeuropa beschrieben.
Eine so wenig ernst genommene Religion kann tatshlich als Auslaufmodell erscheinen. Und unser Kontinent, von dem Aufklung und Industrialisierung einst ausgingen, ist schlieich seit jeher gewohnt, seine eigene Entwicklung als Modell f den Rest der Welt zu sehen.
Schon im 19. Jahrhundert verband sozialistische Revolutione und bgerliche Liberale die erzeugung, die gesellschaftliche Entwicklung fre quasi automatisch zur Sularisierung - nicht nur im Sinn einer konstitutionellen Trennung von Staat und Kirche, sondern auch im Sinn eines langfristigen Absterbens der Religion.
Bei den gron Sozialtheoretikern des Bgertums lag dieser Erwartung die Hypothese zugrunde, der Glaube sei letztlich eine unreife Vorform des Wissens. Max Webers suggestive Formel von der "Entzauberung der Welt" durch Wissenschaft und Technik bringt diese Auffassung auf den Begriff. Ihm zufolge lt sich all das, was der menschlichen Vernunft in vormoderner Zeit rselhaft blieb und zauberisch-religie Vorstellungen nrte, mit der fortschreitenden Erforschung und Anwendung der Naturgesetze von selbst auf: An die Stelle der Aura von Gtern und Priestern treten versachlichte Institutionen. So erschien die Annahme zwingend, im Zuge dieses weltumspannenden Transformationsprozesses wden auf Dauer alle Religionen verschwinden.
Und schlieich hatte sich schon die Franzische Revolution, die dem bgerlichen Zeitalter in Europa Bahn brach, gegen das antidemokratische Bdnis von Thron und Altar gerichtet. Die rationale Skepsis gegener der Religion wurde nicht zuletzt von der ursprglichen Ablehnung der Evolutionstheorie Darwins durch die christlichen Kirchen und von deren misstrauischer Distanz gegener der gesamten sularen Moderne genrt.
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Autoren-Porträt
Karen Andresen, geb. 1945, ist seit 1989 Redakteurin beim SPIEGEL, bis 2003 im Politik-Ressort, danach im Ressort Sonderthemen. Sie ist Autorin zahlreicher zeitgeschichtlicher Beiträge.Stephan Burgdorff, geb. 1944, ist seit 1974 Redakteur des 'Spiegel' und leitet seit einigen Jahren das Ressort Sonderthemen.
Bibliographische Angaben
- 2007, 288 Seiten, mit Schwarz-Weiß-Abbildungen, mit Abbildungen, Maße: 14,4 x 22,2 cm, Gebunden, Deutsch
- Hrsg. v. Karen Andresen u. Stephan Burgdorff
- Herausgegeben: Karen Andresen, Stephan Burgdorff
- Verlag: DVA
- ISBN-10: 3421042918
- ISBN-13: 9783421042910
Rezension zu „Weltmacht Religion “
Was hochtrabend beginnt, entpuppt sich als leicht lesbare Ansammlung von Berichten, die sich mit dem Thema Religion auseinandersetzen ohne im Theoretischen zu verharren."
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