Wie der Bauch dem Kopf beim Denken hilft
Über den Autor:
Bas Kast, geboren 1973, studierte Psychologie und Biologie. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er bei Geo, Nature und beim Tagesspiegel. Er wurde u.a. mit dem Axel Springer-Preis für Junge Journalisten und dem European Science Writers Award ausgezeichnet.
Jahrhundertelang galt die Vernunft als das Maß aller Dinge. Doch inzwischen kommen Neurowissenschaftler und Psychologen zu ganz anderen Ergebnissen: Das Denken lässt sich vom Fühlen nicht trennen. Während sich die Ratio oft eindimensional, um nicht zu sagen: dumm verhält, erweist sich das vermeintlich Irrationale als klüger als die Vernunft.
Bas Kast ist für dieses Buch einmal um die Welt gereist. Er ist in Labors von Amsterdam bis Sydney der Vernunft des Irrationalen nachgegegangen und hat sich sogar im Selbstexperiment mit einem Magnetstimulator für kurze Zeit den Verstand abschalten lassen. Das Ergebnis seiner Recherchen ist eine kurzweilige Expedition in die gar nicht so unvernünftige Welt unserer Gefühle, unserer Intuitionen und unserer kreativen Kräfte.
Wie derBauch dem Kopf beim Denken hilft von Bas Kast
LESEPROBE
Unserallzu rationales Selbstbild
Dieses Buchmöchte Sie zu einer Reise einladen. Einer Reise ins Ich.
Aber essoll nicht nur eine Reise ins Ich werden, sondern auch eine kleine Reise um dieWelt, in die wissenschaftlichen Labors, in denen Forscher derzeit dasbemerkenswerteste Phänomen ergründen, das es auf dieser Erde gibt: Sie.
Um esvorweg zu nehmen, und ich bin sicher, Sie haben es selbst schon gelegentlichfestgestellt: Sie sind wirklich verdammt kompliziert. Das beginnt mitden 100000000000 (100 Milliarden) Nervenzellen, den Neuronen, aus denen sichIhr Gehirn zusammensetzt, sowie den etwa 100000000000 000 (100 Billionen) Verbindungenzwischen ihnen. Jedes Neuron Ihrer Großhirnrinde steht in Kontakt mit 10 000bis 20 000 seiner Kollegen, die sich über Dutzende von Botenstoffen ständig gegenseitigNachrichten schicken.
Die Zahlder möglichen Zustände, die Ihr Gehirn annehmen kann, ist schier unbegrenzt.Sie übersteigt bei weitem die Zahl aller Atome des sichtbaren Weltalls, die manauf Wenn Sie jetzt meinen, dass sich das nach einer ganzen Menge anhört, dannkönnte das nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass es eine ganze Menge ist.
Mit anderenWorten: Der Kosmos in Ihrem Kopf bietet sehr viel Raum für sehr vieleMöglichkeiten. Ihr Ich besteht nicht aus einer Einheit, sondern aus einerVielheit. Es setzt sich aus zahlreichen Schichten, Kräften und Gegenkräftenzusammen. Diese »Kräfte« nennen wir »Verstand«, »Vernunft«, »Gefühl«, »Intuition«,»Unbewusstes« usw. Sie sind natürlich alle diese »Kräfte«. Darüberhinaus stehen Ihrem Ich viele Wege offen, sich auszudrücken: sprachliche,musikalische, malerische . . . Seit der Antike haben wir in unsererabendländischen Kultur vor allem zwei Schichten oder Kräfte in uns schätzen gelerntund an die Spitze unseres Ichs gesetzt. Sie haben das Sagen in uns oder solltenes zumindest haben. Diese zwei Instanzen sind: der Verstand und dessenLieblingsinstrument, die Sprache.
Zugleichhielten viele Philosophen von Platon bis Immanuel Kant jene Kräfte in uns, die nichtrational denken und sprechen können, die »irrationalen« Kräfte, fürbestenfalls zweitrangig. Manche gingen noch einen Schritt weiter und meinten:Die Gefühle und das Irrationale seien schlicht »Denkfehler«, die es auszumerzengelte. Stattdessen beschworen sie die Vernunft, den Verstand und die rationaleSprache. Nebenbei gesagt, es ist wohl kein Zufall, dass es sich bei all diesenDenkern um Männer handelte. Es waren Männer, die die Ratio - sprich: sichselbst - vergöttlichten, während sie die Frauen auf»Gefühlsduselei« und das Musische reduzierten und damit abwerteten.
Dieseeinseitige Sicht dominiert unsere Gesellschaft bis heute. Sie zieht sich bis inunseren Alltag hinein, in dem es darauf ankommt, stets ein verbales und logischeinwandfreies Argument für alles parat zu haben. Wenn man das hat, istman aus dem Schneider. Wenn man uns fragt, warum wir uns so und so verhalten haben,verlangt man ein rationales Argument. Auch wenn hinter unserem Verhalten eineIntuition oder widersprüchliche Gefühle stehen, die sich kaum in Worte, sondernvielleicht besser in einem Bild oder einer Musikkomposition fassen lassen - manwürde uns wohl für verrückt halten, würden wir die Frage mit einerKlaviersonate in cis-Moll beantworten. Am Ende müssenwir unser Gefühl auf das Format der rationalen Sprache bringen. Das Buch,das Sie gerade in Ihren Händen halten, ist dafür nur ein weiteres Beispiel. Aufdieser Sicht haben wir unser ganzes Erziehungs- und Bildungssystem aufgebaut.
Das fängtdamit an, dass wir von unseren Kindern verlangen, ihre Bedürfnisse in Spracheauszudrücken. Ob die Sprache dafür überhaupt ein geeignetes Instrument ist,werden wir noch sehen. Als Nächstes schicken wir unsere Kinder in Schulen, indenen so gut wie alles darauf ausgerichtet ist, die rationale Schicht weiterauszubauen. An der Universität lernen wir mehr und mehr, wissenschaftlich zudenken. Wir lernen, unsere Aussagen abzusichern. Dasjenige, was sich nichtabsichern, was sich nicht klar in Worte oder Zahlen fassen lässt, mussausgeklammert werden.
Soverbringen wir Jahre, Jahrzehnte, ja nicht selten unser ganzes Leben damit,unser Gehirn auf rationale Leistungsfähigkeit zu trimmen.
Und das tunwir nicht von ungefähr. Wir tun es ganz bewusst, ganz gezielt. Wir tun es inder Überzeugung, dass die rationale Schicht die Entscheidende ist, dieEffektivste und Wertvollste von allen. Deshalb fixieren wir uns so auf sie und investierenJahrzehnte, um sie zur Perfektion zu bringen. Wir haben uns zum wissenschaftlichenMenschen gemacht, und zwar freiwillig. Niemand hat uns dazu gezwungen. Wirhaben es getan aufgrund eines Menschenbilds, das von Philosophen und Wissenschaftlernseit jeher vorangetrieben, verteidigt und immer wieder in ein modernes Gewandgekleidet wurde: das Bild vom Menschen als animalrationale.
Werdenken will, muss fühlen
Noch bis indie 1980er Jahre hinein war das Bild, das sich die Forscher von Ihrem Ichmachten, auf die Ratio reduziert. Damals, inmitten der »kognitiven Wende«,hielten die meisten Wissenschaftler unser Gehirn für einen Computer. Man sprachvon Hard- und Software, ohne mit der Wimper zu zucken, und das, obwohl es dieseTrennung im Gehirn gar nicht gibt. Um uns selbst zu verstehen, hieß es, müsstenwir nur den Computer verstehen!
DieComputermetapher nährte das ohnehin rationale Bild, das wir von uns selbstgeschaffen hatten. Das, was einen Computer auszeichnet, sind schließlich nichtseine tief empfundenen Gefühle, sein Gespür, seine Intuitionen oder seinesonstigen, nicht vorhandenen irrationalen Kräfte, sondern genau umgekehrt:seine hochpräzisen, logischen Operationen. Dann änderte sich etwas.
Allmählichstanden den Forschern immer mächtigere Instrumente für ihren Vorstoß ins Ichzur Verfügung. Im Laufe der 1980er und 1990er Jahre machten es die Apparatemöglich, erstmals einen direkten Blick auf unsere »Festplatte« zu werfen. MitHirnscannern wie der funktionellen Magnetresonanztomographie ließ sich dasmenschliche Gehirn bei der Arbeit zusehen, haargenau, millimetergenau.
Und dabeioffenbarte sich ein ganz anderes Bild als das, was sich die Wissenschaftler solange von uns gemacht hatten. Überrascht stellten Hirnforscher fest, dasspraktisch jeder Gedanke, jede Wahrnehmung und jede Erinnerung von Gefühlen begleitetwird. Auf der Ebene des Gehirns lässt sich das Denken, Wahrnehmen und Erinnern- das, was man als »Kognition « bezeichnet - oft gar nicht vom Fühlen trennen.Die Computermetapher brach in sich zusammen. Die kognitive Wende machte Platzfür eine »emotionale Wende«. Nun hieß es: Wer denken will, muss fühlen.
DieHirnforschung ist längst nicht der einzige Wissenschaftszweig, der unsereGefühle und unsere irrationale Seite systematisch erkundet. Was sich in den»Labors des Ich« vollzieht, gleicht vielmehr einer Revolution auf breiterFront:
- Neurologenbeschreiben Fallgeschichten von Menschen, die aufgrund eines Hirnschadens entwedergenerell nicht mehr fühlen können oder denen einzelne Emotionen, wie Angstoder Ekelgefühle, abhanden gekommen sind. Wenn man sichdie Schicksale dieser Menschen ansieht, wird einem die Bedeutung der Gefühlefür unser Leben und Überleben schlagartig klar.
- Roboterforscherdachten lange: Wer eine intelligente Maschine herstellen will, brauchtkeinen Körper, keine Sinnesorgane und keine Gefühle, sondern nur »nackte«Informationen und Regeln. Sehr weit ist man mit diesem Ansatz nicht gekommen,zumindest kam dabei nichts heraus, was wir als wirklich intelligent bezeichnenwürden. Mittlerweile verfolgen viele Roboterforscher eine andere Strategie und stattenihre Maschinen mit »Augen«, »Ohren« und anderen »Sinnesorganen« aus, in derHoffnung, sie über diesen Weg zur Intelligenz zu »erziehen«.9 Einer derGründerväter der Künstlichen Intelligenz, Marvin Minsky vom MIT10, ist neuerdingssogar zur Auffassung gekommen, dass die derzeitigen Maschinen deshalb nichtsonderlich kreativ denken können, weil sie keine Gefühle haben.11
- Psychologenhielten uns über weite Strecken des 20. Jahrhunderts für eine ArtReiz-Reaktions-Maschine, die sich beliebig programmieren lässt - wie einPawlow scher Hund. Der »Behaviorismus« dominierte die akademische Psychologie. Daes noch keine Hirnscanner gab, galt das Gehirn als blackbox, als wissenschaftliches Sperrgebiet. Die Psychologie sollte methodischebenso rigoros vorgehen wie die Physik und sich auf das objektiv beobachtbareVerhalten (behavior) beschränken. Das Ich wurdezur No-Go-Area deklariert.
DieSituation grenzte ans Absurde: Die Psychologie sollte sich möglichst nicht mitder Psyche, die sich ja nicht objektiv beobachten ließ, beschäftigen! Wer esals Forscher dennoch wagte, »unwissenschaftliche« Begriffe wie das »Ich«, das»Bewusstsein« oder das »Unbewusste« in den Mund zu nehmen, riskierte seineKarriere. Ich habe Anfang der 1990er Jahre Psychologie studiert, und auch wirwurden damals noch mehrere Semester mit dem Behaviorismus traktiert. 12 Inzwischenhaben sich die meisten Psychologen vom Behaviorismus verabschiedet und sichunserer Psyche zugewandt. Sie erforschen zwar nach wie vor unser Verhalten, greifenaber für die Erklärungen unseres Verhaltens auf unsere Innenwelt zurück, undzwar nicht nur auf unsere Kognitionen, sondern zunehmend auch auf unsereEmotionen.
Dazu einkleines Beispiel. Die Recherchen zu diesem Buch führten mich - bevor ichmir in Sydney den Verstand abschalten ließ - auch in ein psychologisches Laboran der University of Chicago, wo mich eine Forscherin namens Sian Beilock mit ihren neuestenStudien vertraut machte. Während unseres Rundgangs durchs Labor eilte diejunge, lebhafte Frau plötzlich zu einer Tafel und kritzelte darauf mit weißerKreide zwei Buchstabenpaare: DK und FV. Völlig unvermittelt fragte sie mich,welches Paar mir besser gefällt.
Was meinenSie? Was gefällt Ihnen besser: DK? Oder FV? Ich hatte keine Ahnung, worauf dasGanze hinauslief, antwortete aber spontan: DK. Ich weiß nicht warum. Ich magdie Buchstaben einfach lieber.
DieForscherin hat den Versuch natürlich schon an Dutzenden von Testpersonenausprobiert. Wie sich herausstellte, war meine Antwort nicht sehr originell:Die meisten Leute sagen DK.13
Und Sie?Gefällt Ihnen DK auch besser? Dann lassen Sie mich doch mal raten: Könnte essein, dass Sie ziemlich gut tippen? Oder sind Ihnen DK und FV gleich lieb? Dannwürde ich wetten, dass Sie Ihre Zeit nicht so oft an einem Computer oder einerSchreibmaschine verbringen. Stimmt s? Die Tests derChicagoer Forscherin zumindest ergaben genau dieses Bild: Nur Menschen, dieoft am Computer oder an einer Schreibmaschine tippen, bevorzugen DK; alleanderen sind da eher leidenschaftslos. Warum?
Während ichnoch über den möglichen Grund grübelte, klärte die Psychologin mich bereitsauf. Die Buchstaben D und K tippen wir mit verschiedenen Fingern. F undV dagegen liegen auf der Tastatur so nah zusammen, dass wir sie mit dem selben Finger tippen »müssen«, und zwarnacheinander. Ich merke gerade jetzt, indem ich dies schreibe, wie vielleichter es mir fällt, DK zu tippen als FV. Bei FV kommt einem sozusagen ständigder eigene Finger in die Quere. Das, meint die Forscherin, könnte der Grunddafür sein, weshalb die fleißigen Tipper unter uns die Buchstabenkombination DKmehr mögen als FV.
DiePsychologin hat das Experiment mit zahlreichen Buchstabenkombinationen durchgespielt.Stets stieß sie auf das gleiche Resultat: Fast immer bevorzugen die LeuteLetternpaare wie DK oder FJ oder CJ - aber nur, wenn sie oft tippen. FürAlternativerklärungen, wie etwa, dass die Buchstabenkombination DK einfachhäufiger in Wörtern vorkommt als FV, ließ sich hingegen keinerlei Bestätigungfinden.
Vielleichthalten Sie die Erklärung der Chicagoer Psychologin dennoch für spekulativ, undda würde ich Ihnen nicht widersprechen. Während ich diese Zeilen tippe, istihre Studie eben erst für eine Veröffentlichung im angesehenen Fachmagazin Psychological Science akzeptiert worden. Sieist noch so neu, dass keiner wissen kann, ob ihre Erklärung tatsächlich denNagel auf den Kopf trifft.
Und dochpasst dieses Puzzlestückchen in das Bild, das sich den Wissenschaftlern in denletzten Jahren immer klarer offenbart hat: Auch dort noch, wo wir es vielleichtgar nicht erwarten, kommen der Körper und die Gefühle ins Spiel. Wenn der Erklärungsansatzder Forscherin in die richtige Richtung geht, dann ist selbst unser Urteil überein Letternpaar wie DK kein rein geistiges Urteil, sondern ein körperliches:Es könnte buchstäblich an unserem Fingerspitzengefühl liegen, wenn uns DK bessergefällt als FV!
© S.Fischer Verlag
Vorwort 9
Teil 1
Benennen Sie Ihre Sehnsüchte...
1. Woche:Erkennen Sie, was Sie nicht wollen, und lernen
Sie dadurch Ihre wahren Wünsche kennen 23
2. Woche:Werten Sie jeden Verlust als Chance für einen
Neubeginn 35
3. Woche:Befreien Sie sich von Ihren Grenzen 47
4. Woche:Lernen Sie aus der Vergangenheit -- sie ist der
Schlüssel zu Ihrer Zukunft 74
5. Woche:Greifen Sie nach Ihrem Lebensziel -- es ist
ganz nah! 93
6. Woche:Definieren Sie die Wege zu Ihrem Ziel 113
7. Woche:Überprüfen Sie die Kriterien für Ihr persönliches
Glück: Ist das wirklich Ihr Lebenstraum? 129
Teil 2
... und verwirklichen Sie Ihre Lebensträume
8. Woche:Was steht unterm Strich? 147
9. Woche:Die besten Geschichten schreibt das Leben selbst --
erfinden Sie Ihre Autobiografie! 174
10. Woche:Stellen Sie sich dem Zufall in den Weg 189
11. Woche:Suchen Sie sich Unterstützung 209
12. Woche:Setzen Sie Ihren Lebensentwurf um 222
Nachwort 228
Anhang
Quellen und Hinweise, die Ihnen helfen können 231
Register 243
- Autor: Bas Kast
- 2007, 216 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 13,4 x 21 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: S. Fischer Verlag GmbH
- ISBN-10:
- ISBN-13: 2000000013329
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