Wo zum Teufel steckt Osama bin Laden?!
Osama bin Laden ist ein Mythos und gilt vielen als die Verkörperung des Bösen schlechthin. Morgan Spurlock beschloss Ernst zu machen und die Welt von dieser...
Osama bin Laden ist ein Mythos und gilt vielen als die Verkörperung des Bösen schlechthin. Morgan Spurlock beschloss Ernst zu machen und die Welt von dieser terroristischen Gefahr zu befreien. Wo aber versteckt sich Osama bin Laden? Quer über den Globus, durch Frankreich, Ägypten, Israel, Saudi-Arabien, Afghanistan bis ins Herz der Finsternis, nach Pakistan, verlief seine Suche nach dem bärtigen Super-Terroristen. Er interviewte Menschen aus allen Lagern: islamische Fundamentalisten, westliche Antiterrorexperten, Mudjaheddin und den Erbauer des israelischen Schutzwalls. Und er begegnete vielen "einfachen" Menschen, lernte ihre Freundlichkeit kennen, ihre Nöte, Ängste und Träume. Am Ende steht ein tieferes Verständnis für die Ursachen des "Kulturkampfs" zwischen dem Westen und dem Islam. Vor allem die Einsicht, dass es am Westen selbst liegt, die Wende zum Besseren herbeizuführen. Morgan Spurlock ("Super Size me") ist in der Medienlandschaft eine einzigartige Gestalt. Furchtlos wie Günter Wallraff, entlarvend komisch wie Michael Moore und engagiert wie Al Gore, gelingt es ihm immer wieder, Menschen zu öffnen und Barrieren zu überwinden.
Seine Suche nach ObL endet im pakistanischen Grenzgebiet mit der Erkenntnis: "Wir sind dem Feind begegnet, und wir sind es selbst."
. Engagiert wie Al Gore, unterhaltsam wie Michael Moore
. Spurlock besucht französische Ghettos, wo Osama bin Laden als mythische Gestalt verehrt wird, er bricht das Ramadan-Fasten mit Muslimen in Kairo, begleitet die Bombenentschärfungseinheit in Tel Aviv und schreibt seine Blutgruppe auf seine Kevlar-Weste in der US-Basis in Kandhahar
Wo zum Teufel steckt Osama bin Laden?! von Morgan Spurlock
Kapitel 1
Terroralarm!
Seit frühester Kindheit muss ich mir vom Fernsehen erzählen lassen, dass ich mich gefälligst zu fürchten habe. Als Kind erlebte ich noch die letzten Jahre des Kalten Krieges. Damals führte man uns den roten Iwan und seine fetten Bomben vor, die grotesken Aufmärsche und den abgrundtiefen Hass der Sowjets auf alles Amerikanische. Als ich dann alt genug war, mir eine eigene Meinung zu bilden, scherte sich schon niemand mehr ernsthaft um die nukleare Bedrohung vonseiten der Kommunisten. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1990 dachte ich doch tatsächlich, wir würden fortan unsere Ruhe haben.
Aber mit den freiheitsfeindlichen Russen war die Sache noch lange nicht erledigt. Sicher, die führten die Hitparade jahrelang an, doch uns Amerikanern wurde ja eine Panik vor allen möglichen Gefahren eingeredet. Ich nenne mal ein paar Angstmacher in völlig beliebiger Reihenfolge:
Im Jahr 2001 erhielt die Angst ein neues Gesicht. In einer beispiellosen Imagekampagne wurde uns der neue Bösewicht präsentiert, der Pate der Angst, der Erzhalunke des Terrorismus: Osama bin Laden. Die Attentate vom 11. September katapultierten uns auf ein Level der Angst und der Paranoia, das ich noch nie erlebt hatte. Zum Teil war die Angst gerechtfertigt – immerhin waren wir erstmals seit Pearl Harbour auf eigenem Grund und Boden von Ausländern attackiert worden. Aber die Panikmache, die nun in den Medien folgte, war noch erschreckender als die eigentlichen Terroranschläge.
Merkwürdig, aber wahr: Wenn man einmal vom Terror der Schlagzeilen absieht, so erfreuen sich die US-Amerikaner eines längeren, gesünderen und sichereren Lebens als je zuvor. Unsere Lebenserwartung ist 60 Prozent höher als vor 100 Jahren.
Die Medizin hat alle möglichen Krankheiten besiegt, die früher die Menschen noch dahinrafften. Die Kriminalität in den Großstädten nimmt ab. Im Haus, im Auto, im Flugzeug, im Zug und auf dem Fahrrad sind wir sicherer denn je. Und global betrachtet hat uns seit dem Ende des Kalten Krieges keine größere Militärmacht mehr bedroht. Der 11. September war ein Schock, aber eben kein Atomkrieg.
Trotzdem fühlen wir uns nicht sicherer. In jeder Umfrage bestätigt sich, dass in unseren Augen die Zeiten schrecklicher, die Welt gewalttätiger und die Menschen gefährlicher sind als früher, ja, wir rechnen täglich mit der Apokalypse, können den Schwefel geradezu schon riechen. Wir haben Angst vor Fremden, wir haben Angst vor unseren eigenen Teenagern, wir haben Angst vor Insekten, wir haben Angst vor der Nahrung, die wir essen, dem Wasser, das wir trinken, und der Luft, die wir atmen, wir haben Angst vor dem Fernsehen, Spielfilmen und dem Internet, wir haben Angst vor dem Wetter, und wir haben Angst, dass die Erde stirbt.
Angst ist ein biologisch angelegter Überlebensmechanismus. Doch es gibt eine rationale, nützliche Angst, und es gibt Phobien – unlogische, ungerechtfertigte Ängste vor eingebildeten oder stark übertriebenen Gefahren. Nehmen wir die Angst vorm Fliegen. Das Fliegen ist eine erheblich sicherere Transportform als, sagen wir, das Autofahren. Im Jahr 2004, einem repräsentativen Jahr, starben fast 43 000 Amerikaner im Straßenverkehr. Nur 600 Amerikaner kamen im gleichen Jahr bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Die Wahrscheinlichkeit, in einem Flugzeug zu sterben, liegt bei etwa eins zu zehn Millionen, im Auto dagegen bei eins zu 7000. Statistisch betrachtet ist man auf einem Flug demnach erheblich sicherer als auf der Fahrt zum Flughafen. (Die Sicherheit des Gepäcks steht natürlich auf einem völlig anderen Blatt.)
Kommen wir zum Terrorismus. Seit dem 11. September hält man uns Amerikaner in ständiger Alarmbereitschaft, sprich Angst, vor Terroristen. Je nach Datenquelle ist die Wahrscheinlichkeit, einem Terroranschlag zum Opfer zu fallen, minimal: Einer Schätzung zufolge liegt sie bei etwa eins zu neun Millionen. Der National Safety Council rechnet vor, dass die Wahrscheinlichkeit, von einem Blitz tödlich getroffen (1 zu 6 188 298) oder von einem Hund zu Tode gebissen zu werden (1 zu 9 089 063), gleich oder gar größer ist. Trotzdem fordert uns der Wetterdienst nicht zum Verlassen des Golfplatzes auf, wenn es zu regnen beginnt, und die Sicherheitsbehörden haben noch keine Maulkorbverordnung für Dackel erlassen.
Zwischen dem Bombenanschlag in Oklahoma City 1995 und dem Jahr 2005 kamen etwa 3200 amerikanische Zivilisten bei Terroranschlägen ums Leben, 2973 davon an einem einzigen Tag, dem 11. September 2001. Im gleichen Zeitraum starben:
ungefähr 700 000 Amerikaner an einer Herzerkrankung
rund 600 000 Amerikaner an Krebs
fast 500 000 Amerikaner im Straßenverkehr
etwa 200 000 durch Mord oder Totschlag
fast 150 000 nach einem Sturz
nahezu 40 000 durch Ertrinken
und mit fast 4000 mehr von der Hand eines Polizisten als durch Terroristen.
Obwohl also die Wahrscheinlichkeit, dass der Durchschnittsamerikaner einem Terroranschlag zum Opfer fällt, verschwindend klein ist, haben Osama bin Laden, »die terroristische Bedrohung« und der »globale Krieg gegen den Terror« unsere Gesellschaft komplett umgekrempelt und völlig auf den Kopf gestellt. Wir haben zwei Kriege begonnen, die wir nicht zu Ende bringen können und in denen schon viele Tausend Menschen gestorben sind. Den USA werden Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt. Rund um den Erdball haben wir uns mehr Feinde als Freunde gemacht, und bis zum Herbst 2006 sind in Afghanistan und im Irak im Krieg gegen den Terror mehr Amerikaner ums Leben gekommen als zwischen 1995 und 2005 durch Terroranschläge.
Wenn die Bedrohung gar nicht so groß ist, warum haben wir dann so viel Angst?
Zum Teil liegt das daran, dass man uns die Angst immer und immer wieder einredet. Wir leben den Soziologen zufolge in einer »Kultur der Angst«, in der uns die Medien, die Regierung und diverse Gruppen, die ein besonderes Interesse daran haben, in einem Zustand der Dauerpanik halten, der permanenten Furcht vor immer neuen angeblichen Gefahren für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Schon seit Machiavelli wissen die Politiker, dass sie die Menschen durch Angst ablenken, einschüchtern und gefügig machen können. Verwaltungschefs nutzen diese Angst, um ihre Haushaltsmittel und ihre Jobs zu rechtfertigen, die Nachrichtenleute in den Fernsehsendern nutzen sie, um uns vor die Glotze zu bannen, und interessierte Gruppen nutzen sie, um den Spendenfluss am Laufen zu halten.
Doch seit dem 11. September versetzt die Regierung nicht nur uns in Angst und Schrecken, sondern sie ist selbst in Panik. Im Jahr 2002 gründete die Regierung Bush das »Ministerium für Heimatschutz« (Department of Homeland Security), dessen Name die Unsicherheit schon geradezu heraufbeschwört, ein- mal abgesehen von dem merkwürdigen Klang des Wortes Homeland. Vielleicht wäre der treffendere Name »Ministerium für ›Wir hassen dich, Osama – von dir lassen wir uns nicht noch einmal mit heruntergelassenen Hosen erwischen!‹«. Immerhin ist das Ministerium für Heimatschutz lediglich das Ergebnis einer gewaltigen Umstrukturierung der alten Bundesbürokratie, eine Art interministerielles Frankensteinmonster, das aus bestehenden Behörden zusammengestückelt wurde, unter anderem dem Zoll, der Zuwanderungs- und Einbürgerungsbehörde, der Katastrophenhilfe FEMA und diversen Teilen des FBI, des Küstenschutzes, des Secret Service und der Ministerien für Verteidigung, Transport, Energie und Landwirtschaft.
Mit einem Jahresbudget von über 40 Milliarden Dollar verteidigt uns das Ministerium für Heimatschutz gegen Terroristen, illegale Einwanderer, Drogenschmuggler, Hurrikane, Erdbeben und Epidemien. Es bewacht Seehäfen und Küsten, landwirtschaftliche Betriebe und Wasserreservoirs, und es schützt uns im Cyberspace. Es ist so eine Art Ministerium für Katastrophenfilm-Szenarien. In farblich codierten Alarmstufen gibt das Ministerium für Heimatschutz Auskunft über die Gefahrenlage und sorgt dafür, dass wir uns auf dem Flughafen die Schuhe ausziehen.
© Riemann Verlag
Übersetzung: Anne Emmert; Heike Schlatterer
- Autor: Morgan Spurlock
- 2009, 414 Seiten, Maße: 13,5 x 21,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzer: Anne Emmert, Heike Schlatterer
- Verlag: Riemann
- ISBN-10: 3570501035
- ISBN-13: 9783570501030
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