Woran ich glaube
Alphabet des Lebens
Woran ich glaube ist das persönlichste Buch von Carlos Fuentes und beleuchtet gleichzeitig ein ganzes Jahrhundert - ein lebendiges, das zeitgenössische Leben widerspiegelndes Lexikon. Carlos Fuentes offenbart dem Leser persönliche Gedanken über das Leben,...
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Produktinformationen zu „Woran ich glaube “
Woran ich glaube ist das persönlichste Buch von Carlos Fuentes und beleuchtet gleichzeitig ein ganzes Jahrhundert - ein lebendiges, das zeitgenössische Leben widerspiegelndes Lexikon. Carlos Fuentes offenbart dem Leser persönliche Gedanken über das Leben, erzählt von seiner Kindheit in Lateinamerika, schildert seine ersten Begegnungen und Erfahrungen mit Literatur. Mal plaudernd, mal bekennend oder nachdenklich gibt er sich in diesen Texten und schlägt darin auch die großen Themen an, die Fuentes in seinen Romanen behandelt / sich in seinen Romanen wiederfinden. Die persönlichen Bekenntnisse zu Freundschaft, Schönheit, Familie, Liebe und Sex überraschen ebenso durch ihre Deutlichkeit wie durch den vertraulichen Ton, mit dem er dem Leser gegenübertritt.
Klappentext zu „Woran ich glaube “
Carlos Fuentes offenbart dem Leser persönliche Gedanken über das Leben, erzählt von seiner Kindheit in Lateinamerika, schildert seine ersten Begegnungen und Erfahrungen mit Literatur. Mal plaudernd, mal bekennend oder nachdenklich gibt er sich in diesen Texten und schlägt darin auch die großen Themen an, die Fuentes in seinen Romanen behandelt/sich in seinen Romanen wiederfinden. Die persönlichen Bekenntnisse zu Freundschaft, Schönheit, Familie, Liebe und Sex überraschen ebenso durch ihre Deutlichkeit wie durch den vertraulichen Ton, mit dem er dem Leser gegenübertritt.
Lese-Probe zu „Woran ich glaube “
Was wir selbst nicht haben, finden wir im Freund. Ich glaube an diese Gabe der Freundschaft und kultiviere sie seit meiner Kindheit. Darin unterscheide ich mich nicht wesentlich von den anderen Menschen. Die Freundschaft ist das erste große Band zwischen dem Heim und der Welt. Das Zuhause, ob glücklich oder unglücklich, ist der Hörsaal, in dem wir unser Urwissen erwerben; in der Freundschaft können wir es erproben. Von der Familie empfangen wir, in der Freundschaft bestätigen wir. Die Unterschiede oder Ähnlichkeiten zwischen der Familie und den Freunden bestimmen die widersprüchlichen Wege unseres Lebens. Obwohl wir unser Heim lieben, kommt für jeden von uns der Moment, in dem es uns voller Unruhe zu anderen Ufern drängt. Das Verlassen des Heims wird nur durch die Freundschaft ausgeglichen. Mehr noch: ohne Freundschaft von außen würde das, was das Heim in uns geschaffen hat, in sich zusammenfallen. Die Freundschaft macht der Familie die Anfänge des Lebens nicht streitig. Sie bestätigt, festigt, verlängert. Die Freundschaft schafft den Gefühlen Raum, die nur außerhalb des Schoßes der Familie gedeihen können. Eingeschlossen im Haus der Familie, würden sie eingehen wie Pflanzen ohne Wasser. Wenn die Türen des Hauses offenstehen, entdecken wir die Liebe, die das Zuhause mit der Welt verbindet. Und das ist Freundschaft.Da ich an diese Initiationsfunktion von Freundschaft glaube, fällt mir der philosophische Zynismus besonders auf, der sie mit einer schwarzen Wolke umgibt. Oscar Wilde verwendete seine gefürchtete Begabung zum Paradox, über Bernard Shaw zu sagen, er habe nicht einen einzigen Feind auf der Welt, aber keiner seiner Freunde würde ihn lieben. Für Byron ist die Freundschaft traurigerweise Liebe ohne Flügel. Und wenn aus Freundschaft Liebe werden kann, so ist es doch eher selten, daß aus Liebe Freundschaft wird. Den Freund, so sagt die Volksweisheit, muß man mit Freuden empfangen und eilig verabschieden. Wenn er zu Gast ist, beginnt er wie ein Leichnam nach
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drei Tagen zu stinken.
Ich glaube, hinter verlorenen Freundschaften steckt mehr Schmerz als Zynismus. Man hat Gefühle füreinander entdeckt und miteinander geteilt. Sich der Illusion bestätigten Wissens hingegeben, die uns der Freund vermittelt hat. Hoffnungen entwickelt, zu denen uns nur die in Freundschaft geteilte Jugend befähigt. Die Ausgelassenheit in der Clique, "the gang", "l'equipe" erlebt. Freundschaftsbande geknüpft. Das Komplizenhafte der Jugendfreundschaften verspürt, den Stolz, jung zu sein. Und wenn man die Weisheit des Alters erreicht hat, vernimmt man die warnende Stimme der eigenen Jugend in der alten Freundschaft. Wir lernen den Stolz über unsere Jugend zu beherrschen. Eines Tages werden wir nicht mehr jung sein, und dann werden wir unsere Freunde mehr denn je brauchen.
Zwei Lebensabschnitte öffnen und schließen die Tür zum Erfahren von Freundschaft. Der eine ist die Jugend und der andere das Alter. Auf meiner "harddisc" sind Namen, Gesichter, Worte und Taten von Schulkameraden gespeichert. Aber meine Erinnerung übersteigt entschieden nicht, was ich vergessen habe. Wie könnte ich nicht glücklich darüber sein, daß ich sechzig Jahre später immer noch Kontakt zu den Freunden meiner frühesten Kindheit habe? Ich hatte die typische Kindheit eines Diplomatensohnes, ständig an anderen Orten, auf ewiger Wanderschaft, zu Lasten der Kontinuität der Gefühle. Ich stehe immer noch in Briefkontakt zu Hans Berliner, einem deutsch-jüdischen Jungen, der auf der Flucht vor dem Nazi-Terror in meiner Klasse in der Grundschule landete und Opfer der kindlichen Grausamkeit gegenüber allem Fremden wurde. Er war dunkelhaarig, groß für sein Alter, und er trug kurze Hosen wie alle Jungen in Europa zu jener Zeit. Für die nordamerikanischen Kinder war er nicht "normal", das heißt, er war schlichtweg anders als sie. Meine anfängliche Beliebtheit in der Klasse ging verloren, als Präsident Cárdenas 1938 das Erdöl verstaatlichte und ich zum ersten und nicht zum letzten Mal in meinem Leben verdächtigt wurde, ein Kommunist zu sein. Die Ausgrenzung, die wir erfuhren, verbindet Hans und mich bis heute. Geographisch getrennt, fand ich in Santiago de Chile, inzwischen schon als Jugendlicher, meine Gruppe, Bande, Clique in den Jungen, die wie ich das Lesen und den Dialog den rauhen, staubigen Sportveranstaltungen unserer englischen Schule, The Grange, am Fuße der Anden, vorzogen, die von kernigen englischen Männern geleitet wurde, die davon überzeugt waren, daß die Schlacht von Waterloo auf den Sportplätzen von Eton gewonnen wurde. Ich erinnere mich an alle Namen, alle Gesichter -Page, Saavedra, Quesnay, Marín -, aber vor allem an Torretti und an Roberto, meinen intellektuellen und literarischen Gefährten, mit dem zusammen ich mit vereinten Kräften unseren ersten Roman geschrieben habe. Dieser ist in den Hinterlassenschaften von Robertos Mutter untergegangen, aber Roberto und ich haben bis heute Kontakt, in lebhaften Dialogen in Oxaca oder Puerto Rico oder brieflich zwischen Mexiko und Santiago. Er ist ein außergewöhnlicher Philosoph, und seine Freundschaft versetzt mich immer in die Jahre an der englischen Schule zurück, zu den erfundenen Musketierabenteuern im Palast der mexikanischen Botschaft und zu anderen, ferneren oder schmerzlicheren Erinnerungen. Ich lernte José Donoso kennen, älter als ich und später ein großer Name in der chilenischen Literatur. Ich weiß nicht, ob er mich bemerkt hat. Und davor, noch in der Schule, machte ich die schmerzliche Erfahrung des Verlustes eines engen Freundes; ich war untröstlich angesichts des Todes eines Gleichaltrigen. Genauso untröstlich machte mich das Schicksal eines anderen Jungen, der körperlich mißgebildet Spott und Schläge einstecken mußte und den ich mich zu verteidigen wagte; auf diese Weise lernte ich eine andere Dimension von Freundschaft kennen: die Solidarität. Daß dieser Junge, inzwischen erwachsen, nach dem abscheulichen Putsch des ebenso abscheulichen Pinochet in den Todeslagern im Süden Chiles gefoltert wurde, steigert mein Entsetzen angesichts der menschlichen Grausamkeit, aber auch meine Rührung und mein Mitempfinden für das Vorhandensein von dem, was wir Freundschaft nennen und hier erörtern.
Denn wir haben alle, manche mehr, manche weniger, Freundschaften verraten oder sind von ihnen verraten worden. Die Bande lösen sich auf, und die engsten Jugendfreunde können im Erwachsenenalter zu Phantomen werden, die uns völlig kaltlassen. Es gibt nichts, was leichter verraten werden kann als Freundschaft. Wenn wir eine Liste unserer verlorenen Freunde erstellten, die Randbemerkungen würden von Gleichgültigkeit, Haß, Rivalität, aber auch von anderen Zeiten, riesigen Entfernungen sprechen. Und vom Tod. Warum verlassen wir sie?
Ich glaube, hinter verlorenen Freundschaften steckt mehr Schmerz als Zynismus. Man hat Gefühle füreinander entdeckt und miteinander geteilt. Sich der Illusion bestätigten Wissens hingegeben, die uns der Freund vermittelt hat. Hoffnungen entwickelt, zu denen uns nur die in Freundschaft geteilte Jugend befähigt. Die Ausgelassenheit in der Clique, "the gang", "l'equipe" erlebt. Freundschaftsbande geknüpft. Das Komplizenhafte der Jugendfreundschaften verspürt, den Stolz, jung zu sein. Und wenn man die Weisheit des Alters erreicht hat, vernimmt man die warnende Stimme der eigenen Jugend in der alten Freundschaft. Wir lernen den Stolz über unsere Jugend zu beherrschen. Eines Tages werden wir nicht mehr jung sein, und dann werden wir unsere Freunde mehr denn je brauchen.
Zwei Lebensabschnitte öffnen und schließen die Tür zum Erfahren von Freundschaft. Der eine ist die Jugend und der andere das Alter. Auf meiner "harddisc" sind Namen, Gesichter, Worte und Taten von Schulkameraden gespeichert. Aber meine Erinnerung übersteigt entschieden nicht, was ich vergessen habe. Wie könnte ich nicht glücklich darüber sein, daß ich sechzig Jahre später immer noch Kontakt zu den Freunden meiner frühesten Kindheit habe? Ich hatte die typische Kindheit eines Diplomatensohnes, ständig an anderen Orten, auf ewiger Wanderschaft, zu Lasten der Kontinuität der Gefühle. Ich stehe immer noch in Briefkontakt zu Hans Berliner, einem deutsch-jüdischen Jungen, der auf der Flucht vor dem Nazi-Terror in meiner Klasse in der Grundschule landete und Opfer der kindlichen Grausamkeit gegenüber allem Fremden wurde. Er war dunkelhaarig, groß für sein Alter, und er trug kurze Hosen wie alle Jungen in Europa zu jener Zeit. Für die nordamerikanischen Kinder war er nicht "normal", das heißt, er war schlichtweg anders als sie. Meine anfängliche Beliebtheit in der Klasse ging verloren, als Präsident Cárdenas 1938 das Erdöl verstaatlichte und ich zum ersten und nicht zum letzten Mal in meinem Leben verdächtigt wurde, ein Kommunist zu sein. Die Ausgrenzung, die wir erfuhren, verbindet Hans und mich bis heute. Geographisch getrennt, fand ich in Santiago de Chile, inzwischen schon als Jugendlicher, meine Gruppe, Bande, Clique in den Jungen, die wie ich das Lesen und den Dialog den rauhen, staubigen Sportveranstaltungen unserer englischen Schule, The Grange, am Fuße der Anden, vorzogen, die von kernigen englischen Männern geleitet wurde, die davon überzeugt waren, daß die Schlacht von Waterloo auf den Sportplätzen von Eton gewonnen wurde. Ich erinnere mich an alle Namen, alle Gesichter -Page, Saavedra, Quesnay, Marín -, aber vor allem an Torretti und an Roberto, meinen intellektuellen und literarischen Gefährten, mit dem zusammen ich mit vereinten Kräften unseren ersten Roman geschrieben habe. Dieser ist in den Hinterlassenschaften von Robertos Mutter untergegangen, aber Roberto und ich haben bis heute Kontakt, in lebhaften Dialogen in Oxaca oder Puerto Rico oder brieflich zwischen Mexiko und Santiago. Er ist ein außergewöhnlicher Philosoph, und seine Freundschaft versetzt mich immer in die Jahre an der englischen Schule zurück, zu den erfundenen Musketierabenteuern im Palast der mexikanischen Botschaft und zu anderen, ferneren oder schmerzlicheren Erinnerungen. Ich lernte José Donoso kennen, älter als ich und später ein großer Name in der chilenischen Literatur. Ich weiß nicht, ob er mich bemerkt hat. Und davor, noch in der Schule, machte ich die schmerzliche Erfahrung des Verlustes eines engen Freundes; ich war untröstlich angesichts des Todes eines Gleichaltrigen. Genauso untröstlich machte mich das Schicksal eines anderen Jungen, der körperlich mißgebildet Spott und Schläge einstecken mußte und den ich mich zu verteidigen wagte; auf diese Weise lernte ich eine andere Dimension von Freundschaft kennen: die Solidarität. Daß dieser Junge, inzwischen erwachsen, nach dem abscheulichen Putsch des ebenso abscheulichen Pinochet in den Todeslagern im Süden Chiles gefoltert wurde, steigert mein Entsetzen angesichts der menschlichen Grausamkeit, aber auch meine Rührung und mein Mitempfinden für das Vorhandensein von dem, was wir Freundschaft nennen und hier erörtern.
Denn wir haben alle, manche mehr, manche weniger, Freundschaften verraten oder sind von ihnen verraten worden. Die Bande lösen sich auf, und die engsten Jugendfreunde können im Erwachsenenalter zu Phantomen werden, die uns völlig kaltlassen. Es gibt nichts, was leichter verraten werden kann als Freundschaft. Wenn wir eine Liste unserer verlorenen Freunde erstellten, die Randbemerkungen würden von Gleichgültigkeit, Haß, Rivalität, aber auch von anderen Zeiten, riesigen Entfernungen sprechen. Und vom Tod. Warum verlassen wir sie?
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Autoren-Porträt von Carlos Fuentes
Carlos Fuentes, am 11. November 1928 in Panama geboren, studierte Jura und schlug zunächst die diplomatische Laufbahn ein, um sich dann vor allem dem Schreiben und der Literatur zuzuwenden. 1975/76 mexikanischer Botschafter in Paris. Lehrauftrag in Harvard. Sein Werk umfasst zahlreiche literarische und politische Essays, Theaterstücke, Erzählungen und Romane. 1987 erhielt Carlos Fuentes die höchste Auszeichnung der spanischsprachigen Welt: den Cervantes-Preis. 2011 wurde Carlos Fuentes mit dem "Formentor"-Literaturpreis geehrt. Der Autor verstarb im Jahr 2012.
Bibliographische Angaben
- Autor: Carlos Fuentes
- 2004, 378 Seiten, Maße: 13,5 x 21 cm, Deutsch
- Verlag: DVA
- ISBN-10: 3421056714
- ISBN-13: 9783421056719
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