Zum Verrat gezwungen
Meine Flucht vor den Mullahs
Zarah wächst in einem liberalen, gemischt-gläubigen Elternhaus in Teheran auf. Als freiheitsliebende junge Frau erlebt sie mit, wie die Gesellschaft mehr und mehr unter die Kontrolle der islamischen Sittenwächter gerät. Die lebensfrohe...
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Produktinformationen zu „Zum Verrat gezwungen “
Zarah wächst in einem liberalen, gemischt-gläubigen Elternhaus in Teheran auf. Als freiheitsliebende junge Frau erlebt sie mit, wie die Gesellschaft mehr und mehr unter die Kontrolle der islamischen Sittenwächter gerät. Die lebensfrohe Literaturstudentin fühlt sich im Umfeld einer regimekritischen Gruppe wohl, für deren Anführer sie schwärmt. Dies kommt sie teuer zu stehen. 2001 wird sie verhaftet und kommt ins Evin-Gefängnis. Nach wochenlangen Verhören, Demütigungen und körperlichen Torturen ist ihr Widerstand gebrochen. Doch die Freiheit hat einen hohen Preis. Zarah Ghahramanis autobiografischer Bericht ist eine erschütternde Anklage gegen religiöse Eiferer und die Unterdrücker im Iran.
Lese-Probe zu „Zum Verrat gezwungen “
Zum Verrat gezwungen von Zarah Ghahramani Eins Die Augenbinde ist fest verknotet. Mein Bewusstsein ist gespalten – zwischen der Finsternis, die meine Augen zu durchdringen suchen, und meiner panischen Angst. Als mir die Augenbinde abgenommen wird, registriere ich zuerst das Gesicht des Mannes, der mich verhören soll. Er steht da, während ich sitze, aber instinktiv wandert mein Blick zum Gesicht dieses Mannes hoch. Es ist kein attraktives Gesicht. Sofort ist mir klar, dass er weiß, wie sein Aussehen auf eine junge Frau – eigentlich noch ein Kind – wirkt, die ohne Vorwarnung auf der Straße aufgegriffen wurde. Er weiß alles über meine entsetzliche Angst.
Er ist groß, fett, kahlköpfig und stinkt. Ich weiß nicht, ob dieser Gestank von seinem Atem oder von seinem Körper ausgeht, aber er ist übel riechend, wie der faulige Geruch von verwesendem Fleisch. Er ist vielleicht fünfzig, hat einen ungepflegten, angegrauten Bart und trägt ein langes Hemd über seiner Hose.
... mehr
Er richtet sich noch mehr auf und starrt auf mich herab, als wolle er nicht nur seine körperliche Überlegenheit, sondern auch die Macht demonstrieren, die er über mein Leben hat. Irgendein Teil meines Verstandes erkennt trotz all meiner Angst, dass dieser Mann sich amüsiert. Er hat mich bereits taxiert: eine verwöhnte Mittelschichtsprinzessin von der Uni, die bei Demonstrationen gegen das Regime die Politische mimt. Ich bin für ihn nichts weiter als ein Spielzeug. Vielleicht hasst er mich auch, aber wichtiger als sein Hass ist ihm der Spaß, den ich ihm bereiten werde. Natürlich sind das alles nur Vermutungen, und eigentlich weiß ich nur eines: dass ich Angst habe und das schmerzhafte Verlangen danach, dass sich jemand um mich kümmert – mein Vater, meine Mutter –, der mir genau das Gegenteil dessen wünscht, was dieser Mann mit mir vorhat.
Ich weiß, wo ich bin, oder zumindest kann ich es mir denken: im Evin-Gefängnis im Norden von Teheran, einige Kilometer entfernt von meinem Zuhause in den inneren Vorstädten. Ich habe von diesem Ort schon gehört; jeder, den ich kenne, hat davon gehört – meine sämtlichen Freunde von der Uni. Wir alle wissen, dass dies ein Ort ist, von dem man sich fernhalten muss, aber eben nur so, wie die guten Menschen in den Kindermärchen wissen, dass sie sich von der Burg des Menschenfressers fernhalten müssen. Ich war wirklich nicht auf die Idee gekommen, dass ein guter Mensch – ich! – an diesen bösen Ort verschleppt werden könnte.
Womit bloß hatte ich das verdient? Ich hatte ein paar Meinungen geäußert, Unterschriftenlisten verteilt, mit meinen Freunden demonstriert. Ich hatte niemandem wehgetan, nie eine Waffe abgefeuert, nie einen Stein geworfen. Dem widerspricht auf entsetzliche Weise meine gegenwärtige Lage: Jeder muss doch wissen, dass ich ein guter Mensch bin, jemand, der den Frieden liebt, Bücher und Gespräche mit Freunden. Aber diesen Mann, der da vor mir steht, interessiert das nicht. Wenn man ihn anweisen würde, mich umzubringen, würde er mich umbringen. Die Welt, in der er lebt, ist brutal, primitiv. In ihm ist nichts, woran ich appellieren könnte. Überhaupt nichts.
Der Vernehmungsbeamte lässt mir Zeit, meine Lage zu begreifen. Er setzt sich mir gegenüber an einen Schreibtisch und sagt eine ganze Weile nichts. Schließlich betrachtet er einige Papiere auf seinem Schreibtisch. »Zarah Ghahramani, geboren 1981, laut Geburtsurkunde Nummer 992, ausgestellt in Teheran, Studentin, die einen Übersetzungskurs belegt hat. Ist das korrekt?«»Ja«, erwidere ich leise.
Als er unvermittelt hart mit der Handfläche auf den Tisch schlägt, bin ich so schockiert, dass ich fast aufspringe. Ich hatte den Blick ein wenig abgewandt und die Augen halb geschlossen, aber jetzt reiße ich sie ganz weit auf.
»Als du die Zukunft des Landes an der Universität verändern wolltest, hast du da auch so leise gesprochen?«, brüllt er.
Ich sage nichts. Nur für den Bruchteil einer Sekunde schließe ich die Augen und bete rasch, dass Gott eingreifen und mich in Sicherheit bringen möge.
Der Vernehmungsbeamte schlägt erneut auf den Tisch, genauso laut wie beim ersten Mal. Ich rühre mich nicht.
»Wenn ich dich was frage, hast du zu antworten, verstanden?«
»Ja«, erwidere ich, und meine Stimme scheint von irgendwo weither zu kommen.
Der Vernehmungsbeamte lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und zupft an seinem Bart.»Wie heißt du?«, fragt er dann.»Zarah Ghahramani«, erwidere ich.»Sämtliche Angaben!«, brüllt er.
Ich schlucke, weil meine Kehle vor Angst wie zugeschnürt ist.
»Zarah Ghahramani«, antworte ich, mit einer Stimme, die weder zu leise ist, um diesen Mann nicht aufzubringen, noch zu laut, um nicht aufmüpfig zu wirken. Rasch versuche ich, mich den Vorlieben dieses Mannes anzupassen, zu lernen, welcher Ausdruck, welcher Ton, welches Benehmen ihn gerade so weit beschwichtigt, dass er seine schlechte Laune nicht an mir auslässt. »Geboren in Teheran, Geburtsurkunde Nummer 992, Studentin im Fach Übersetzung, Studienbeginn im Jahr 1379*.«
* Die iranische/persische Zeitrechnung beginnt mit der Umsiedlung des Propheten Mohammed von Mekka nach Medina. Umgerechnet auf den westlichen Kalender begann Zarah Ghahramani ihr Studium im Jahr 2000.
Er schweigt. Seine plumpen Hände spielen mit einem Stift auf dem Tisch. Gebannt starre ich auf die spielenden Bewegungen seiner Hände, als ob sich die Macht, die er über mich hat, darin konzentriere. Ich denke an das, was seine Hände mir antun könnten und ahne in diesem Augenblick nicht, dass diese plumpen Hände einmal ein unauslöschliches Bild in den Albträumen sein werden, die mir bevorstehen, ahne noch nicht, dass das, was ich von diesen Händen befürchte, auch geschehen wird.
Ich lege meine Hände auf den Tisch, ein bewusster Versuch, meine Selbstbeherrschung zurückzugewinnen. Ich bemühe mich, wie jemand auszusehen, der bereit ist, sich auf eine vernünftige, logische Unterhaltung einzulassen. Wider besseres Wissen will ich mit diesem schrecklichen Mann so umgehen, als hätte er so etwas wie Mitgefühl. Ich will mit ihm so reden, als würde ihn meine Lage interessieren, selbst wenn dies nicht der Fall ist. Ich weiß, das ist wie Pfeifen im Dunkeln, aber irgendwas muss ich doch tun – zumindest muss ich versuchen, meine Erniedrigung zu überwinden, und sei es auch nur für ein paar Minuten.
Er beobachtet mich genau, auch wenn er die Augen fast geschlossen hat. Als er sieht, wie ich die Hände auf den Tisch lege, sagt er: »Du bist also bereit?«Sofort verlässt mich mein Mut.»Bereit wofür?«Er wirft mir einen drohenden Blick zu.»Nur ich stelle hier Fragen«, sagt er. »Verstanden?«»Ja.«
Unvermutet und grundlos beginnt er zu lachen. Sein Lachen erinnert mich an den schäbigen alten Mann in einem iranischen Roman von Hedayat, Die blinde Eule. Hedayat schreibt, dieser schäbige alte Mann habe ein Lachen, »dass einem die Haare zu Berge stehen«. Wenn ich nicht solche Angst hätte, würde ich mich über meinen Vernehmungsbeamten lustig machen, weil er so vielen Klischees böser Jungs in Büchern und Filmen entspricht.»Weißt du, warum du hier bist?«Ich sage nichts.
»Nein«, erwidert er, »das weißt du nicht, was? Du musst hier bleiben, weil das Land solchen Müll wie dich nicht braucht.«
Ich schüttle den Kopf, um zu zeigen, dass ich damit nicht einverstanden bin. Ich will doch bloß sagen, dass ich kein Müll bin oder nicht so etwas wie Müll. Ja, ich bin so blöd und sage: »Aber warum?«
Abrupt kommt er hinter seinem Schreibtisch hervor und reckt mir sein Gesicht entgegen, sodass es das meine fast berührt.
»Hab ich dir nicht gesagt, dass ich der Einzige bin, der hier Fragen stellt!«
Abwehrend schließe ich die Augen, als würde ich damit rechnen, geschlagen zu werden. Ich öffne sie wieder und spüre, wie seine Spucke meine Wangen besprüht. Sein übler Gestank! Ich würde mich am liebsten übergeben, doch da ich seit Tagen nichts zu essen bekommen habe, kann ich nicht einmal kotzen.
Er setzt sich wieder hin und starrt mich voller Verachtung an. Er wartet, lässt mich schmoren in meiner panischen Angst. Mein Gott, was habe ich denn geglaubt? Dass dieser Mann intelligent, vernünftig mit mir reden, sich anhören würde, was ich zu sagen hätte?
Nun erkundigt er sich nach meiner Familie. Das tut er im Tonfall einer falschen Vertraulichkeit, als wäre er ein alter Freund der Familie. Wie geht es dem, wie geht es jener? Dabei weiß ich ganz genau, dass er mich nur in Sicherheit wiegen will, dass sein Zorn verraucht sei, er nun ruhiger und vernünftiger werden würde. Ich warte auf den Schlag. Ich weiß, dass der Schlag kommt. Dieser üble Mann, der seine Verhörtechniken aus schlechten Filmen gelernt hat, lässt sich Zeit damit, zum Schlag auszuholen. Wie abstoßend, meine Angehörigen mit seinem stinkenden, ungewaschenen Maul beim Namen zu nennen! Aber das ist nicht der Schlag.
»Sag mal«, fragt er ruhig, »wie geht’s denn dem alten Savaki?«Er meint meinen Vater.Das ist der Schlag. © Schröder Verlag
Er richtet sich noch mehr auf und starrt auf mich herab, als wolle er nicht nur seine körperliche Überlegenheit, sondern auch die Macht demonstrieren, die er über mein Leben hat. Irgendein Teil meines Verstandes erkennt trotz all meiner Angst, dass dieser Mann sich amüsiert. Er hat mich bereits taxiert: eine verwöhnte Mittelschichtsprinzessin von der Uni, die bei Demonstrationen gegen das Regime die Politische mimt. Ich bin für ihn nichts weiter als ein Spielzeug. Vielleicht hasst er mich auch, aber wichtiger als sein Hass ist ihm der Spaß, den ich ihm bereiten werde. Natürlich sind das alles nur Vermutungen, und eigentlich weiß ich nur eines: dass ich Angst habe und das schmerzhafte Verlangen danach, dass sich jemand um mich kümmert – mein Vater, meine Mutter –, der mir genau das Gegenteil dessen wünscht, was dieser Mann mit mir vorhat.
Ich weiß, wo ich bin, oder zumindest kann ich es mir denken: im Evin-Gefängnis im Norden von Teheran, einige Kilometer entfernt von meinem Zuhause in den inneren Vorstädten. Ich habe von diesem Ort schon gehört; jeder, den ich kenne, hat davon gehört – meine sämtlichen Freunde von der Uni. Wir alle wissen, dass dies ein Ort ist, von dem man sich fernhalten muss, aber eben nur so, wie die guten Menschen in den Kindermärchen wissen, dass sie sich von der Burg des Menschenfressers fernhalten müssen. Ich war wirklich nicht auf die Idee gekommen, dass ein guter Mensch – ich! – an diesen bösen Ort verschleppt werden könnte.
Womit bloß hatte ich das verdient? Ich hatte ein paar Meinungen geäußert, Unterschriftenlisten verteilt, mit meinen Freunden demonstriert. Ich hatte niemandem wehgetan, nie eine Waffe abgefeuert, nie einen Stein geworfen. Dem widerspricht auf entsetzliche Weise meine gegenwärtige Lage: Jeder muss doch wissen, dass ich ein guter Mensch bin, jemand, der den Frieden liebt, Bücher und Gespräche mit Freunden. Aber diesen Mann, der da vor mir steht, interessiert das nicht. Wenn man ihn anweisen würde, mich umzubringen, würde er mich umbringen. Die Welt, in der er lebt, ist brutal, primitiv. In ihm ist nichts, woran ich appellieren könnte. Überhaupt nichts.
Der Vernehmungsbeamte lässt mir Zeit, meine Lage zu begreifen. Er setzt sich mir gegenüber an einen Schreibtisch und sagt eine ganze Weile nichts. Schließlich betrachtet er einige Papiere auf seinem Schreibtisch. »Zarah Ghahramani, geboren 1981, laut Geburtsurkunde Nummer 992, ausgestellt in Teheran, Studentin, die einen Übersetzungskurs belegt hat. Ist das korrekt?«»Ja«, erwidere ich leise.
Als er unvermittelt hart mit der Handfläche auf den Tisch schlägt, bin ich so schockiert, dass ich fast aufspringe. Ich hatte den Blick ein wenig abgewandt und die Augen halb geschlossen, aber jetzt reiße ich sie ganz weit auf.
»Als du die Zukunft des Landes an der Universität verändern wolltest, hast du da auch so leise gesprochen?«, brüllt er.
Ich sage nichts. Nur für den Bruchteil einer Sekunde schließe ich die Augen und bete rasch, dass Gott eingreifen und mich in Sicherheit bringen möge.
Der Vernehmungsbeamte schlägt erneut auf den Tisch, genauso laut wie beim ersten Mal. Ich rühre mich nicht.
»Wenn ich dich was frage, hast du zu antworten, verstanden?«
»Ja«, erwidere ich, und meine Stimme scheint von irgendwo weither zu kommen.
Der Vernehmungsbeamte lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und zupft an seinem Bart.»Wie heißt du?«, fragt er dann.»Zarah Ghahramani«, erwidere ich.»Sämtliche Angaben!«, brüllt er.
Ich schlucke, weil meine Kehle vor Angst wie zugeschnürt ist.
»Zarah Ghahramani«, antworte ich, mit einer Stimme, die weder zu leise ist, um diesen Mann nicht aufzubringen, noch zu laut, um nicht aufmüpfig zu wirken. Rasch versuche ich, mich den Vorlieben dieses Mannes anzupassen, zu lernen, welcher Ausdruck, welcher Ton, welches Benehmen ihn gerade so weit beschwichtigt, dass er seine schlechte Laune nicht an mir auslässt. »Geboren in Teheran, Geburtsurkunde Nummer 992, Studentin im Fach Übersetzung, Studienbeginn im Jahr 1379*.«
* Die iranische/persische Zeitrechnung beginnt mit der Umsiedlung des Propheten Mohammed von Mekka nach Medina. Umgerechnet auf den westlichen Kalender begann Zarah Ghahramani ihr Studium im Jahr 2000.
Er schweigt. Seine plumpen Hände spielen mit einem Stift auf dem Tisch. Gebannt starre ich auf die spielenden Bewegungen seiner Hände, als ob sich die Macht, die er über mich hat, darin konzentriere. Ich denke an das, was seine Hände mir antun könnten und ahne in diesem Augenblick nicht, dass diese plumpen Hände einmal ein unauslöschliches Bild in den Albträumen sein werden, die mir bevorstehen, ahne noch nicht, dass das, was ich von diesen Händen befürchte, auch geschehen wird.
Ich lege meine Hände auf den Tisch, ein bewusster Versuch, meine Selbstbeherrschung zurückzugewinnen. Ich bemühe mich, wie jemand auszusehen, der bereit ist, sich auf eine vernünftige, logische Unterhaltung einzulassen. Wider besseres Wissen will ich mit diesem schrecklichen Mann so umgehen, als hätte er so etwas wie Mitgefühl. Ich will mit ihm so reden, als würde ihn meine Lage interessieren, selbst wenn dies nicht der Fall ist. Ich weiß, das ist wie Pfeifen im Dunkeln, aber irgendwas muss ich doch tun – zumindest muss ich versuchen, meine Erniedrigung zu überwinden, und sei es auch nur für ein paar Minuten.
Er beobachtet mich genau, auch wenn er die Augen fast geschlossen hat. Als er sieht, wie ich die Hände auf den Tisch lege, sagt er: »Du bist also bereit?«Sofort verlässt mich mein Mut.»Bereit wofür?«Er wirft mir einen drohenden Blick zu.»Nur ich stelle hier Fragen«, sagt er. »Verstanden?«»Ja.«
Unvermutet und grundlos beginnt er zu lachen. Sein Lachen erinnert mich an den schäbigen alten Mann in einem iranischen Roman von Hedayat, Die blinde Eule. Hedayat schreibt, dieser schäbige alte Mann habe ein Lachen, »dass einem die Haare zu Berge stehen«. Wenn ich nicht solche Angst hätte, würde ich mich über meinen Vernehmungsbeamten lustig machen, weil er so vielen Klischees böser Jungs in Büchern und Filmen entspricht.»Weißt du, warum du hier bist?«Ich sage nichts.
»Nein«, erwidert er, »das weißt du nicht, was? Du musst hier bleiben, weil das Land solchen Müll wie dich nicht braucht.«
Ich schüttle den Kopf, um zu zeigen, dass ich damit nicht einverstanden bin. Ich will doch bloß sagen, dass ich kein Müll bin oder nicht so etwas wie Müll. Ja, ich bin so blöd und sage: »Aber warum?«
Abrupt kommt er hinter seinem Schreibtisch hervor und reckt mir sein Gesicht entgegen, sodass es das meine fast berührt.
»Hab ich dir nicht gesagt, dass ich der Einzige bin, der hier Fragen stellt!«
Abwehrend schließe ich die Augen, als würde ich damit rechnen, geschlagen zu werden. Ich öffne sie wieder und spüre, wie seine Spucke meine Wangen besprüht. Sein übler Gestank! Ich würde mich am liebsten übergeben, doch da ich seit Tagen nichts zu essen bekommen habe, kann ich nicht einmal kotzen.
Er setzt sich wieder hin und starrt mich voller Verachtung an. Er wartet, lässt mich schmoren in meiner panischen Angst. Mein Gott, was habe ich denn geglaubt? Dass dieser Mann intelligent, vernünftig mit mir reden, sich anhören würde, was ich zu sagen hätte?
Nun erkundigt er sich nach meiner Familie. Das tut er im Tonfall einer falschen Vertraulichkeit, als wäre er ein alter Freund der Familie. Wie geht es dem, wie geht es jener? Dabei weiß ich ganz genau, dass er mich nur in Sicherheit wiegen will, dass sein Zorn verraucht sei, er nun ruhiger und vernünftiger werden würde. Ich warte auf den Schlag. Ich weiß, dass der Schlag kommt. Dieser üble Mann, der seine Verhörtechniken aus schlechten Filmen gelernt hat, lässt sich Zeit damit, zum Schlag auszuholen. Wie abstoßend, meine Angehörigen mit seinem stinkenden, ungewaschenen Maul beim Namen zu nennen! Aber das ist nicht der Schlag.
»Sag mal«, fragt er ruhig, »wie geht’s denn dem alten Savaki?«Er meint meinen Vater.Das ist der Schlag. © Schröder Verlag
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Autoren-Porträt von Zarah Ghahramani
Zarah Ghahramani, geb. 1981 in Teheran, studierte dort nach dem Abitur Literatur. Sie floh 2004 aus ihrer Heimat.
Bibliographische Angaben
- Autor: Zarah Ghahramani
- 2008, 253 Seiten, Maße: 14,2 x 21,7 cm, Gebunden, Deutsch
- Mit Robert Hillman
- Übersetzer: Michael Schmidt
- Verlag: MARION VON SCHRÖDER
- ISBN-10: 354771141X
- ISBN-13: 9783547711417
Rezension zu „Zum Verrat gezwungen “
»Ghahramanis Buch bietet unzensierte Einblicke in das Leben im Iran unter den wahnsinnigen Mullahs und eine ergreifende Geschichte von Mut in Zeiten der Not.« Sun Herald »Dieses aufrichtige Buch besticht durch seinen klaren, kraftvollen Stil, die Ehrlichkeit der Autorin bei ihren schmerzhaften Erinnerungen und ihren unverstellten Blick auf die iranische Gesellschaft.« Weekend Australian
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