Die Tochter der Domina / Münster-Thriller Bd.2 (ePub)

Ein Wald von Regenschirmen erhob sich über der Beerdigungsgesellschaft auf dem Friedhof Lauheide. Der Geistliche predigte über das Thema "... der werfe den ersten Stein". Sonja mußte viele Hände drücken, die Hände der wenigen, die ihr nahestanden, und vieler anderer, die Hände von Menschen, die sie kannte, und von solchen, die ihr unbekannt waren. Sogar die Kommissarin hatte jemanden geschickt, ihren Mitarbeiter Altenburg. Was jedoch Sonjas besondere Aufmerksamkeit auf sich zog, war eine Gruppe aus rund einem Dutzend zumeist recht junger Frauen, die sich während der Trauerzeremonie etwas abseits gehalten hatten und nun eine nach der anderen langsam herantraten. "Mein Name ist Claudine", sagte die erste, die älter als die anderen zu sein schien, "ich bin die Geschäftsführerin des Unternehmens, in dem Ihre Mutter arbeitete. Wir alle haben Gloria sehr geschätzt und betrauern mit ihrem Tod nicht nur den Verlust unserer besten Mitarbeiterin, sondern auch den einer guten Freundin. Sie hat übrigens sehr viel von Ihnen gesprochen." Der Reihe nach zogen sie schweigend zum offenen Grab, an Sonja vorbei, und drückten ihr in stiller Anteilnahme die Hand. Eine junge Farbige war unter ihnen. Sonja versuchte, sich jedes Gesicht einzuprägen. Sie alle hatten ernste Gesichter, viele mit feuchten Augen, und alle waren bildhübsch. Es konnte keinen Zweifel geben, wen sie vor sich hatte: die Mädchen aus der Goldenen Mühle. Die letzte von ihnen verharrte etwas länger bei Sonja. Es war eine zierliche Blondine, nicht unsympathisch, der man ansah, daß sie bitterlich geweint hatte. "Ich bin Leila", sagte sie, "ich habe deine Mutter sehr gemocht." Mit einer flüchtigen Umarmung wandte sie sich ab, warf Blumen in das Grab und Erde, wie alle anderen. Sonja war merkwürdig berührt. Sie fühlte, daß der Schmerz dieses fremden Mädchens über den Tod ihrer Mutter, Glorias Tod, ihr eigener war, wie eine Schwester war sie von ihr umarmt worden. Und sie wußte, es gab keinen Zweifel daran, daß das Mädchen

Dr. Hendrik Davids, 1953 in Münster als Sohn einer Arztfamilie geboren,
kann sich als Enkel eines Münsteraner Mediziners und Honorarprofessors
fast zu den Urmünsteranern zählen. Er ist promovierter Germanist und war
mehr als 25 Jahre lang als wissenschaftlicher Mitarbeiter
sprachwissenschaftlicher Forschungsprojekte tätig.

Seit 2004 schickt er den sympathischen schriftstellernden Privatdetektiv
Ron Blocksdorf in Münster auf Ermittlungstour. In seinen Krimis
vereinigt sich Ideenreichtum mit einem Sinn für spannende Situationen
und Themen von hautnah spürbarer gesellschaftlicher Aktualität.

"Die knisternde Mischung aus Romantik und Verbrechen verspricht ein kurzweiliges Lesevergnügen."
Münstersche Zeitung