Psychotraumatologie in der Onkologie (PDF)
Wenn jetzt auch die Psychoonkologen ihr Fachgebiet mit psychotraumatologischen Konzepten verbinden, führt das nicht zu einer Inflation des Begriffes, die niemand nützt? Was verbindet einen Vortrag über Folteropfer mit einem Vortrag über Krebspatienten? Bei...
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Produktinformationen zu „Psychotraumatologie in der Onkologie (PDF)“
Wenn jetzt auch die Psychoonkologen ihr Fachgebiet mit psychotraumatologischen Konzepten verbinden, führt das nicht zu einer Inflation des Begriffes, die niemand nützt? Was verbindet einen Vortrag über Folteropfer mit einem Vortrag über Krebspatienten? Bei der Vorbereitung der Jahrestagung hat sich der dapo-Vorstand diese Fragen selbstverständlich gestellt; die Antworten waren nicht eindeutig - Grund genug, das Thema zur Diskussion zu stellen.
Überzeugen Sie sich als Leser selbst davon, ob Sie eine Antwort auf diese Fragen finden. Aber vielleicht geht es Ihnen gar nicht darum, eine einzige Frage beantwortet zu bekommen, sondern vielmehr darum, nützliche Hilfen und Konzepte für Ihre praktische therapeutische Arbeit zu erfahren. Oder Sie wollen als Forscher ebenso wenig nur eine einzige Antwort, sondern die Präzisierung von hilfreichen Fragestellungen. Diese fragende Haltung paßt gut zum Tagungsthema; denn es hat sich keineswegs nur eine einzig richtige Behandlungsmethode für alle Traumapatienten herausgeschält. Starres therapieschulen-gebundenes Denken ist hier fehl am Platz! Durch die Vorträge und Workshops wird vielmehr deutlich, wie hilfreich Perspektivenwechsel sein können - für Patienten wie für Behandler.
Überzeugen Sie sich als Leser selbst davon, ob Sie eine Antwort auf diese Fragen finden. Aber vielleicht geht es Ihnen gar nicht darum, eine einzige Frage beantwortet zu bekommen, sondern vielmehr darum, nützliche Hilfen und Konzepte für Ihre praktische therapeutische Arbeit zu erfahren. Oder Sie wollen als Forscher ebenso wenig nur eine einzige Antwort, sondern die Präzisierung von hilfreichen Fragestellungen. Diese fragende Haltung paßt gut zum Tagungsthema; denn es hat sich keineswegs nur eine einzig richtige Behandlungsmethode für alle Traumapatienten herausgeschält. Starres therapieschulen-gebundenes Denken ist hier fehl am Platz! Durch die Vorträge und Workshops wird vielmehr deutlich, wie hilfreich Perspektivenwechsel sein können - für Patienten wie für Behandler.
Lese-Probe zu „Psychotraumatologie in der Onkologie (PDF)“
TRAUMATISCHES ERLEBEN BEI DER BEHANDLUNG – AM BEISPIEL DER KNOCHENMARKTRANSPLANTATION (S. 32-33)Frank Schulz-Kindermann
EINLEITUNG
Die hier zur Diskussion stehende Frage lautet, inwieweit Konzepte der Traumaforschung auf die Psychoonkologie übertragbar sind. Im Falle eingreifender onkologischer Behandlungen scheint die Antwort klar zu sein: Eingreifende onkologische Behandlungen stellen offensichtlich massive, traumatisch zu nennende Belastungen für Patienten dar. Von vornherein ist jedoch zu unterscheiden, ob wir uns mit dem traumatischen Ereignis, dem traumatischen Stressor selbst oder dem traumatischen Erleben beschäftigen. Dabei mag es hilfreich sein, von potenziell traumatischen Bedingungen zu sprechen, die geeignet sind, traumatisches Erleben nach sich zu ziehen.
Zunächst möchte ich die Vor- und Nachteile eines Traumakonzeptes in der klinischen und empirischen Psychoonkologie erläutern, sowie Merkmale des traumatischen Prozesses erörtern. Daran anschließend werde ich einen Überblick über Traumatisierungen unter onkologischer Therapie, speziell unter Hochdosistherapie und Knochenmarktransplantation, geben. Zwei mögliche Formen traumatischen Erlebens in diesem Prozess sind Traumareaktivierungen während der Behandlung und die psychotraumatische Belastungsstörung infolge der Behandlung.
KREBS UND TRAUMATISIERUNG
Als eine der Ersten hat Lea Baider in ihrer Arbeit mit krebserkrankten Holocaust- Opfern auf die Ähnlichkeit der Traumaerfahrungen dieser Patienten hingewiesen: „Man kann Krebs als eine Metapher für die Erfahrungen in den Konzentrationslagern ansehen. Beide Erlebnisse sind mit Furcht vor Schmerzen, Entstellung und Behinderung assoziiert. Und beide sind mit Unsicherheit, dem Verlust persönlicher Kontrolle und häufig mit sozialer Zurückweisung verbunden." (Baider et al., 1992; Übersetzung durch den Autor). Baider betont jedoch auch konstruktive Prozesse der
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Traumaverarbeitung, wenn sie meint, dass traumatische Erfahrungen alltägliche Copingmuster von Menschen beeinflussen, die versuchen, eine sinnvolle Zukunft in den Blick zu bekommen und ihr Leben zu rekonstruieren. Dass Krebs und dessen Behandlung traumatische Elemente enthalten können, steht außer Frage.
In der empirischen Beschäftigung mit Krebs als Trauma ging es jedoch lange Zeit ausschließlich nur um die Frage, ob eine Krebserkrankung den Kriterien einer Posttraumatischen Belastungsstörung (Posttraumatic Stress Disorder – PTSD) genügt. Dass die Erfahrung von schweren traumatischen Ereignissen überhaupt Störungen mit Krankheitswert nach sich ziehen kann, war lange umstritten. Erst in der zweiten Version des Diagnostischen und Statistischen Manuals psychischer Störungen der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung (DSM) wurden diese Störungsbilder in die Klassifikationssysteme aufgenommen. Bis zur Version 3 waren jedoch lebensbedrohliche Erkrankungen als potenzielle Traumata explizit ausgeschlossen. Erst mit der Version 4 wurden lebensbedrohliche körperliche Krankheiten bei der PTSD-Genese berücksichtigt (APA, 1994). Die Leitsymptome, die übrigens sowohl für die Patienten selbst, wie auch für ihre Angehörigen oder andere am traumatischen Ereignis Beteiligte gelten, sind wiederkehrende und unabweisbar sich aufdrängende Erinnerungen an das traumatische Ereignis. Sie bedingen ein Gefühl der Übererregung bzw. Betäubung und die Vermeidung von den mit dem Trauma in Verbindung stehenden Stimuli.
Was die Anwendung psychiatrischer Klassifikationssysteme auf onkologische Patienten erschwert, ist eine problematische Traumadefinition. Sowohl im ICD- 10 der WHO wie auch im DSM-IV wird Trauma als distinktes Ereignis definiert. Im ICD-10 ist es ein Ereignis, das „ bei nahezu jedem tiefe Verzweiflung hervorrufen würde" (WHO, 1993). Im DSM-IV heißt es: „Der Patient erlebte oder wurde Zeuge von akuter Todesbedrohung, die akute Furcht, Panik und Entsetzen auslöste." (APA, a.a.O.). Das Problem, das sich aus der Traumadefinition als singulärem Ereignis ergibt, ist, „when can patients be defined as being post the entirety of the cancer experience?" (Passik, Grummon, 1998). Krebs und seine Behandlung sind an sich als Prozess anzusehen, der aus der Sicht traumatisierter Patienten nicht abgeschlossen sein kann. Um das „Nach- Traumatische" zu vermeiden, ziehe ich den von Fischer und Riedesser vorgeschlagenen Begriff der Psychotraumatischen Belastungsstörung vor (Fischer, Riedesser, 1998). ...
In der empirischen Beschäftigung mit Krebs als Trauma ging es jedoch lange Zeit ausschließlich nur um die Frage, ob eine Krebserkrankung den Kriterien einer Posttraumatischen Belastungsstörung (Posttraumatic Stress Disorder – PTSD) genügt. Dass die Erfahrung von schweren traumatischen Ereignissen überhaupt Störungen mit Krankheitswert nach sich ziehen kann, war lange umstritten. Erst in der zweiten Version des Diagnostischen und Statistischen Manuals psychischer Störungen der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung (DSM) wurden diese Störungsbilder in die Klassifikationssysteme aufgenommen. Bis zur Version 3 waren jedoch lebensbedrohliche Erkrankungen als potenzielle Traumata explizit ausgeschlossen. Erst mit der Version 4 wurden lebensbedrohliche körperliche Krankheiten bei der PTSD-Genese berücksichtigt (APA, 1994). Die Leitsymptome, die übrigens sowohl für die Patienten selbst, wie auch für ihre Angehörigen oder andere am traumatischen Ereignis Beteiligte gelten, sind wiederkehrende und unabweisbar sich aufdrängende Erinnerungen an das traumatische Ereignis. Sie bedingen ein Gefühl der Übererregung bzw. Betäubung und die Vermeidung von den mit dem Trauma in Verbindung stehenden Stimuli.
Was die Anwendung psychiatrischer Klassifikationssysteme auf onkologische Patienten erschwert, ist eine problematische Traumadefinition. Sowohl im ICD- 10 der WHO wie auch im DSM-IV wird Trauma als distinktes Ereignis definiert. Im ICD-10 ist es ein Ereignis, das „ bei nahezu jedem tiefe Verzweiflung hervorrufen würde" (WHO, 1993). Im DSM-IV heißt es: „Der Patient erlebte oder wurde Zeuge von akuter Todesbedrohung, die akute Furcht, Panik und Entsetzen auslöste." (APA, a.a.O.). Das Problem, das sich aus der Traumadefinition als singulärem Ereignis ergibt, ist, „when can patients be defined as being post the entirety of the cancer experience?" (Passik, Grummon, 1998). Krebs und seine Behandlung sind an sich als Prozess anzusehen, der aus der Sicht traumatisierter Patienten nicht abgeschlossen sein kann. Um das „Nach- Traumatische" zu vermeiden, ziehe ich den von Fischer und Riedesser vorgeschlagenen Begriff der Psychotraumatischen Belastungsstörung vor (Fischer, Riedesser, 1998). ...
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Bibliographische Angaben
- Autor: Bernhard Kleining
- 2001, 1. Auflage, 129 Seiten, Deutsch
- Herausgegeben: Bernhard Kleining, Andrea Schuhmacher
- Verlag: Pabst Science Publishers
- ISBN-10: 3935357788
- ISBN-13: 9783935357784
- Erscheinungsdatum: 01.01.2001
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