An der Hand meiner Schwester
Zwei Mädchen im kriegszerstörten Deutschland
Bärbel Propert-Wrights Bestseller basiert auf dem Kriegstagebuch ihrer toten Schwester
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Produktdetails
Produktinformationen zu „An der Hand meiner Schwester “
Bärbel Propert-Wrights Bestseller basiert auf dem Kriegstagebuch ihrer toten Schwester
Deutschland 1945: Die Alliierten marschieren ein. Bärbel wird von ihrer Mutter nach Thüringen geschickt, wo die ältere Schwester Eva schon arbeitet, denn Halle ist nicht mehr sicher. Doch eines Tages fragt Eva die kleine Bärbel, ob sie mit ihr mitgehen würde, um zur Mutter zurückzukehren. Und mit dem Vertrauen eines Kindes willigt sie ein und macht sich an der Hand ihrer Schwester zu Fuß auf den Weg. Einen Weg, der von Not, Elend und Toten gesäumt ist, der den beiden Mädchen unvorstellbare Qualen und Angst bereitet. Und der über 300 km lang ist, denn die Mutter ist mittlerweile nach Hamburg geflohen.
Klappentext zu „An der Hand meiner Schwester “
1945: Eva und Bärbel, zwei Schwestern, 19 und 7 Jahre alt, begeben sich kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf die Suche nach ihrer Mutter. Der Wunsch der beiden Mädchen, wieder bei ihr zu sein, ist stärker als ihre Angst. Und so ziehen sie los und gehen zu Fuß von Tabarz im Thüringischen Wald über Jena und Wiedersdorf bei Halle bis nach Hamburg quer durch Deutschland, ein Land im Todeskampf, voller Flüchtlinge, Soldaten und Plünderer.Ein emotionales Zeitzeugnis, in dem die Autorin keine historischen Fakten reflektiert, sondern auf berührende Weise darstellt, wie sie zwei Seiten des Krieges erlebte: Hunger und Zerstörung, aber auch Mitgefühl, Zuversicht und Liebe.
Lese-Probe zu „An der Hand meiner Schwester “
An der Hand meiner Schwester von Bärbel Probert-WrightLESEPROBEEINE BEHÜTETE HAMBURGER KINDHEIT
Zwei Wochen nach meinem zweiten Geburtstag brach die bittere, düstere und niederschmetternde Zeit des Zweiten Weltkriegs über Europa herein. Ich war ein Dreikäsehoch und begriff von alledem nichts, ich hatte ein behagliches Zuhause in einem wohlhabenden, bürgerlichen Stadtteil von Hamburg. Für ein Kind in diesem Alter sind Liebe, Wärme und Nahrung die wichtigsten Zutaten zum Glück. Ich besaß alle drei im Überfluss.
Ungeachtet des Weltgeschehens erlebte ich eine idyllische Kindheit, bis 1943 meine geliebte Schwester Ruth starb.
Ihr Tod hatte nichts mit dem Krieg zu tun. Sie starb ganz plötzlich und tragisch im Alter von neunzehn Jahren an Diphtherie. Zuvor war meine Welt völlig sorglos gewesen, in unserem Leben ging alles seinen gewohnten Gang. Das Glück ist viel schwieriger zu beschreiben als das Elend, aber ich möchte es versuchen, denn die Unschuld und Unbeschwertheit dieser frühen Tage ließ uns die Schrecken der letzten Kriegsjahre nur noch stärker verspüren.
Bald sollte unsere heile Welt ein für alle Mal zertrümmert sein, doch in meinen ersten Lebensjahren war noch alles vollkommen.
Wir bewohnten eine geräumige Wohnung im dritten Stockwerk an der Wandsbeker Chaussee, einer bekannten Hauptstraße in Hamburg, die von eindrucksvollen Mietshäusern wie dem unseren gesäumt wurde.
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Unsere Wohnung hatte einen langen, breiten Korridor, groß genug, um eine Schaukel für mich aufzuhängen und um Rollschuh zu fahren, und einen Balkon zur Hauptstraße hinaus. In einer meiner frühesten Erinnerungen sitze ich mit einer großen Schüssel Stachelbeeren auf dem Balkon. Ich bin vier Jahre alt und darf meiner Mutter helfen. Mit einem stumpfen Messer putze und schnipple ich die Beeren. Der Balkon unter uns war mit einer Markise überspannt, und als mir versehentlich eine Beere aus der Schale hüpfte, fiel sie auf die Markise herab und sprang mit einem »ping, ping, ping« über den straffen Markisenstoff. Was für ein wunderbares Geräusch!, dachte ich, und schon sprang eine zweite Beere über den Schüsselrand. Es dauerte nicht lange, dann hatte ich eine Stachelbeere nach der anderen einen Stock tiefer befördert, nur um ihren Aufprall zu hören. Als meine Mutter es bemerkte, war sie ärgerlich.
»Was hast du dir nur dabei gedacht, mein Schatz? Das war sehr ungezogen!«, schimpfte sie. Richtig böse konnte sie mir allerdings nicht sein, ich wusste, dass sie den Vorfall eher lustig fand. Nie wieder, sagte sie, würde sie mir eine Schüssel Stachelbeeren mit auf den Balkon geben, und von dem Tag an musste ich zum Stachelbeerenputzen in der Wohnung sitzen.
Ich war viel jünger als meine beiden Schwestern. Ruth war vierzehn, als ich zur Welt kam, Eva zwölf. Für mich war es, als hätte ich drei Mütter, denn alle behüteten mich sehr. Ich wurde nicht mit Geschenken verwöhnt und man verlangte stets, dass ich freundlich war und mich gut benahm. Doch die Aufmerksamkeit und die Zuwendung, die ich erhielt, waren wundervoll, und in der Wohnung schien sich tatsächlich alles um mich zu drehen. Meine Familie nannte mich Puppe oder Kleine. Als kleines Mädchen tänzelte ich ständig auf Zehenspitzen durch die Wohnung und sang. Ich besuchte einen Kindergarten, den eine fürsorgliche Dame leitete, wir lernten Lieder, erfanden immer neue Rollenspiele und beschäftigten uns mit einfachen Basteleien. Wir unternahmen Ausflüge, spazierten unter Aufsicht in Zweierreihen, einander an der Hand haltend, den breiten Fußweg am Kanal entlang. Wir übten kleine Theaterstücke ein, einmal spielte ich eine Schneeflocke, ein andermal ein Kaninchen. Zum Muttertag bastelte ich einen leuchtend bunten Papierstrauß für meine Mutti.
Begleitet von meiner Familie besuchte ich einen Sportverein in unserem Viertel, wo kleine Kinder besondere Vergünstigungen erhielten und ich mit meiner besten Freundin Inge spielte. Sie hatte eine Zwillingsschwester, und beide gingen in denselben Kindergarten wie ich.
Inzwischen war der Krieg voll im Gange, doch ich wusste nichts davon. Die Schreckenszenen, die sich weit entfernt in anderen Ländern abspielten, als deutsche Armeen durch Europa marschierten, hatten keine Auswirkungen auf meine Welt. Meine liebevolle Familie umhegte und schützte mich. Welche Sorgen und Ängste ihnen der Krieg auch bereitete, sie hielten es vor mir verborgen. Ich ahnte nichts.
Als ich geboren wurde, war mein Vater, Waldemar oder Waldi, wie ihn meine Mutter nannte, bereits vierzig, zu alt, um als Soldat zu den Waffen gerufen zu werden - zumindest zu Beginn des Krieges. Er hatte im Ersten Weltkrieg gedient, war über dem Kanal in einem Flugzeug abgeschossen worden und hatte eine verkrüppelte Hand und andere bleibende Verletzungen davongetragen. Wegen seines Alters, seiner Dienstbescheinigung, seiner Kriegsverletzungen und aufgrund der Tatsache, dass er in einem kriegswichtigen Betrieb arbeitete, konnte er bei uns zu Hause bleiben. Er bekleidete eine leitende Stellung bei der Eisenbahn, seine Aufgabe war es, Anschläge auf das Schienennetz und auf Züge zu verhindern.
In den ersten Kriegsjahren wurde er manchmal zur Arbeit ins »Warthegau« abkommandiert, wie man den Polnischen Korridor nannte. Nach dem Ersten Weltkrieg war das »Warthegau« Polen zuerkannt und von Polen besiedelt worden, von denen die meisten nach dem deutschen Überfall von 1939 nach Südpolen evakuiert wurden. Ihre Höfe und Arbeitsstellen übernahmen Deutsche. Die Polen, die bereits vor dem ersten Weltkrieg dort gelebt hatten, konnten größtenteils bleiben, doch nun arbeiteten sie für Deutsche. Mein Vater hatte den Auftrag, den Schmuggel zu unterbinden, der dort grassierte. Obwohl er weit weg von uns arbeitete, konnte er regelmäßig nach Hamburg reisen, und ich war gewohnt, dass er zu Hause war.
Während seiner Abwesenheit lebte mein Vater zur Miete in einer Wohnung in Posen (heute: Poznan), und wenn er nicht zu Besuch nach Hamburg kam, fuhren wir manchmal zu ihm und verbrachten einige Zeit dort. Meist reiste ich mit meiner Mutter allein, denn ich ging noch nicht zur Schule und hatte keine Verpflichtungen. Manchmal schlossen sich uns Eva und Ruth an und verbrachten ein Wochenende mit der Familie; dann gingen wir spazieren, spielten im Park oder sammelten Walderdbeeren.
Eine Sache, die mir bei unseren Aufenthalten bei meinem Vater besonders gefiel, waren die Besuche bei den Sundermanns. Sie waren mit meinem Vater befreundet und lebten in einem Gutshaus auf dem Land in der Nähe von Jarotschin, wo sie Landwirtschaft betrieben. Man fuhr die schwungvolle Zufahrt zu dem beeindruckenden Haus hinauf und parkte neben dem davor liegenden Springbrunnen. Die Sundermann-Familie - Onkel Hermann und Tante Frieda - eilte uns zur Begrüßung entgegen, dann gingen die Männer entweder zur Jagd oder man trank gemeinsam Tee und unterhielt sich. Ich spielte unterdessen mit den Kindern Heinz und Fritz, der eine ein Jahr älter, der andere ein Jahr jünger als ich. Wir waren dicke Freunde, wir tobten herum und hatten Spaß, während die Erwachsenen Karten spielten.
Das Anwesen war groß, und mein »Onkel« musste jeden Tag seine Runde machen, um die Feldarbeit zu beaufsichtigen. Er tat dies in einem zünftigen zweirädrigen Gespann, und zu meiner großen Freude durfte ich ihn manchmal begleiten. Wir holperten geschwind über hügelige Felder und ich hatte immer ein wenig Angst, ich könnte herausfallen, obgleich ich es nie jemandem gestand, da man mich sonst nicht mehr mitgelassen hätte. Auf dein Gut gab es einige Pferde, die ich sehr groß und ein wenig unheimlich fand, aber wunderschön waren sie dennoch.
In der Nähe des Gutshauses lag ein See. Regelmäßig ruderten wir mit Picknickkörben beladen zum anderen Ufer hinüber und spielten dort zusammen. Die Gutsleute züchteten Tauben. Das grosse Taubenhaus, das wie ein Miniaturwohnhaus gebaut war, hatte es mir besonders angetan. Ich hätte den bunten Vögeln mit dem irisierenden Federkleid stundenlang zusehen können, wie sie in den kleinen Türen ein- und ausstolzierten. Wenn man klein ist, beeindrucken einen die merkwürdigsten Dinge und man vergisst sie nie: bei den Sundermanns sah ich zum ersten Mal ein Plumpsklo. Ich war fasziniert! Die Toiletten, die ich kannte, hatten einen Absatz in der Toilettenschüssel, doch beim Plumpsklo fällt alles direkt ins Loch, so dass man das Wasser platschen hört, was mich enorm beeindruckte. Es waren unbeschwerte Tage. Ich pendelte zwischen meinem behaglichen Leben in Hamburg und dem Abenteuer des Landlebens und der Natur im Warthegau hin und her und war rundum glücklich.
© Weltbild Verlag
Deutsch von Holger Fock und Sabine Müller
Unsere Wohnung hatte einen langen, breiten Korridor, groß genug, um eine Schaukel für mich aufzuhängen und um Rollschuh zu fahren, und einen Balkon zur Hauptstraße hinaus. In einer meiner frühesten Erinnerungen sitze ich mit einer großen Schüssel Stachelbeeren auf dem Balkon. Ich bin vier Jahre alt und darf meiner Mutter helfen. Mit einem stumpfen Messer putze und schnipple ich die Beeren. Der Balkon unter uns war mit einer Markise überspannt, und als mir versehentlich eine Beere aus der Schale hüpfte, fiel sie auf die Markise herab und sprang mit einem »ping, ping, ping« über den straffen Markisenstoff. Was für ein wunderbares Geräusch!, dachte ich, und schon sprang eine zweite Beere über den Schüsselrand. Es dauerte nicht lange, dann hatte ich eine Stachelbeere nach der anderen einen Stock tiefer befördert, nur um ihren Aufprall zu hören. Als meine Mutter es bemerkte, war sie ärgerlich.
»Was hast du dir nur dabei gedacht, mein Schatz? Das war sehr ungezogen!«, schimpfte sie. Richtig böse konnte sie mir allerdings nicht sein, ich wusste, dass sie den Vorfall eher lustig fand. Nie wieder, sagte sie, würde sie mir eine Schüssel Stachelbeeren mit auf den Balkon geben, und von dem Tag an musste ich zum Stachelbeerenputzen in der Wohnung sitzen.
Ich war viel jünger als meine beiden Schwestern. Ruth war vierzehn, als ich zur Welt kam, Eva zwölf. Für mich war es, als hätte ich drei Mütter, denn alle behüteten mich sehr. Ich wurde nicht mit Geschenken verwöhnt und man verlangte stets, dass ich freundlich war und mich gut benahm. Doch die Aufmerksamkeit und die Zuwendung, die ich erhielt, waren wundervoll, und in der Wohnung schien sich tatsächlich alles um mich zu drehen. Meine Familie nannte mich Puppe oder Kleine. Als kleines Mädchen tänzelte ich ständig auf Zehenspitzen durch die Wohnung und sang. Ich besuchte einen Kindergarten, den eine fürsorgliche Dame leitete, wir lernten Lieder, erfanden immer neue Rollenspiele und beschäftigten uns mit einfachen Basteleien. Wir unternahmen Ausflüge, spazierten unter Aufsicht in Zweierreihen, einander an der Hand haltend, den breiten Fußweg am Kanal entlang. Wir übten kleine Theaterstücke ein, einmal spielte ich eine Schneeflocke, ein andermal ein Kaninchen. Zum Muttertag bastelte ich einen leuchtend bunten Papierstrauß für meine Mutti.
Begleitet von meiner Familie besuchte ich einen Sportverein in unserem Viertel, wo kleine Kinder besondere Vergünstigungen erhielten und ich mit meiner besten Freundin Inge spielte. Sie hatte eine Zwillingsschwester, und beide gingen in denselben Kindergarten wie ich.
Inzwischen war der Krieg voll im Gange, doch ich wusste nichts davon. Die Schreckenszenen, die sich weit entfernt in anderen Ländern abspielten, als deutsche Armeen durch Europa marschierten, hatten keine Auswirkungen auf meine Welt. Meine liebevolle Familie umhegte und schützte mich. Welche Sorgen und Ängste ihnen der Krieg auch bereitete, sie hielten es vor mir verborgen. Ich ahnte nichts.
Als ich geboren wurde, war mein Vater, Waldemar oder Waldi, wie ihn meine Mutter nannte, bereits vierzig, zu alt, um als Soldat zu den Waffen gerufen zu werden - zumindest zu Beginn des Krieges. Er hatte im Ersten Weltkrieg gedient, war über dem Kanal in einem Flugzeug abgeschossen worden und hatte eine verkrüppelte Hand und andere bleibende Verletzungen davongetragen. Wegen seines Alters, seiner Dienstbescheinigung, seiner Kriegsverletzungen und aufgrund der Tatsache, dass er in einem kriegswichtigen Betrieb arbeitete, konnte er bei uns zu Hause bleiben. Er bekleidete eine leitende Stellung bei der Eisenbahn, seine Aufgabe war es, Anschläge auf das Schienennetz und auf Züge zu verhindern.
In den ersten Kriegsjahren wurde er manchmal zur Arbeit ins »Warthegau« abkommandiert, wie man den Polnischen Korridor nannte. Nach dem Ersten Weltkrieg war das »Warthegau« Polen zuerkannt und von Polen besiedelt worden, von denen die meisten nach dem deutschen Überfall von 1939 nach Südpolen evakuiert wurden. Ihre Höfe und Arbeitsstellen übernahmen Deutsche. Die Polen, die bereits vor dem ersten Weltkrieg dort gelebt hatten, konnten größtenteils bleiben, doch nun arbeiteten sie für Deutsche. Mein Vater hatte den Auftrag, den Schmuggel zu unterbinden, der dort grassierte. Obwohl er weit weg von uns arbeitete, konnte er regelmäßig nach Hamburg reisen, und ich war gewohnt, dass er zu Hause war.
Während seiner Abwesenheit lebte mein Vater zur Miete in einer Wohnung in Posen (heute: Poznan), und wenn er nicht zu Besuch nach Hamburg kam, fuhren wir manchmal zu ihm und verbrachten einige Zeit dort. Meist reiste ich mit meiner Mutter allein, denn ich ging noch nicht zur Schule und hatte keine Verpflichtungen. Manchmal schlossen sich uns Eva und Ruth an und verbrachten ein Wochenende mit der Familie; dann gingen wir spazieren, spielten im Park oder sammelten Walderdbeeren.
Eine Sache, die mir bei unseren Aufenthalten bei meinem Vater besonders gefiel, waren die Besuche bei den Sundermanns. Sie waren mit meinem Vater befreundet und lebten in einem Gutshaus auf dem Land in der Nähe von Jarotschin, wo sie Landwirtschaft betrieben. Man fuhr die schwungvolle Zufahrt zu dem beeindruckenden Haus hinauf und parkte neben dem davor liegenden Springbrunnen. Die Sundermann-Familie - Onkel Hermann und Tante Frieda - eilte uns zur Begrüßung entgegen, dann gingen die Männer entweder zur Jagd oder man trank gemeinsam Tee und unterhielt sich. Ich spielte unterdessen mit den Kindern Heinz und Fritz, der eine ein Jahr älter, der andere ein Jahr jünger als ich. Wir waren dicke Freunde, wir tobten herum und hatten Spaß, während die Erwachsenen Karten spielten.
Das Anwesen war groß, und mein »Onkel« musste jeden Tag seine Runde machen, um die Feldarbeit zu beaufsichtigen. Er tat dies in einem zünftigen zweirädrigen Gespann, und zu meiner großen Freude durfte ich ihn manchmal begleiten. Wir holperten geschwind über hügelige Felder und ich hatte immer ein wenig Angst, ich könnte herausfallen, obgleich ich es nie jemandem gestand, da man mich sonst nicht mehr mitgelassen hätte. Auf dein Gut gab es einige Pferde, die ich sehr groß und ein wenig unheimlich fand, aber wunderschön waren sie dennoch.
In der Nähe des Gutshauses lag ein See. Regelmäßig ruderten wir mit Picknickkörben beladen zum anderen Ufer hinüber und spielten dort zusammen. Die Gutsleute züchteten Tauben. Das grosse Taubenhaus, das wie ein Miniaturwohnhaus gebaut war, hatte es mir besonders angetan. Ich hätte den bunten Vögeln mit dem irisierenden Federkleid stundenlang zusehen können, wie sie in den kleinen Türen ein- und ausstolzierten. Wenn man klein ist, beeindrucken einen die merkwürdigsten Dinge und man vergisst sie nie: bei den Sundermanns sah ich zum ersten Mal ein Plumpsklo. Ich war fasziniert! Die Toiletten, die ich kannte, hatten einen Absatz in der Toilettenschüssel, doch beim Plumpsklo fällt alles direkt ins Loch, so dass man das Wasser platschen hört, was mich enorm beeindruckte. Es waren unbeschwerte Tage. Ich pendelte zwischen meinem behaglichen Leben in Hamburg und dem Abenteuer des Landlebens und der Natur im Warthegau hin und her und war rundum glücklich.
© Weltbild Verlag
Deutsch von Holger Fock und Sabine Müller
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Autoren-Porträt von Bärbel Probert-Wright
Holger Fock, geboren 1958 in Ludwigsburg, übersetzt seit 25 Jahren französische Literatur. Er lebt zusammen mit der Übersetzerin Sabine Müller und zwei Kindern im Raum Heidelberg.Gemeinsam mit Sabine Müller wurde er 2011 mit dem "Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis" ausgezeichnet und 2015 erhielt er den "Prix Lémanique de la Traduction". Sabine Müller, geboren 1959 in Lauffen/Neckar, ist seit 1994 Übersetzerin für französische und englische Literatur. Sie lebt zusammen mit dem Übersetzer Holger Fock und zwei Kindern im Raum Heidelberg.
Gemeinsam mit Holger Fock wurde sie im Jahr 2011 mit dem Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis ausgezeichnet.
Bibliographische Angaben
- Autor: Bärbel Probert-Wright
- 2008, 333 Seiten, 25 Schwarz-Weiß-Abbildungen, Maße: 12,4 x 18,9 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Holger Fock, Sabine Müller
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426780321
- ISBN-13: 9783426780329
- Erscheinungsdatum: 29.02.2008
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