Das Haus in den Wolken
Roman
Obwohl es eine Liebe gegen die Konventionen ist, heiratet Richard, Sohn eines irischen Gutsbesitzers, Isabel, eine Schönheit aus kleinen Verhältnissen. Doch das Glück des Paares wird durch den Ersten Weltkrieg getrübt. Und durch ein Geheimnis Isabels.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Das Haus in den Wolken “
Obwohl es eine Liebe gegen die Konventionen ist, heiratet Richard, Sohn eines irischen Gutsbesitzers, Isabel, eine Schönheit aus kleinen Verhältnissen. Doch das Glück des Paares wird durch den Ersten Weltkrieg getrübt. Und durch ein Geheimnis Isabels.
Klappentext zu „Das Haus in den Wolken “
Bei einer Autopanne begegnet der Frauenschwarm Richard der jungen Isabel, einer Frau aus eher kleinen Verhältnissen. Umso erstaunter ist der Gutsbesitzersohn, als sie ihn zurückweist. Dennoch verliebt er sich in sie - eine Liebe, die chancenlos scheint und trotzdem in eine Ehe mündet, die viele Stürme des Schicksals überdauern soll. Doch Isabel verpasst den Zeitpunkt, um ihrem Mann von ihrer Vergangenheit zu erzählen. Denn es gibt ein Geheimnis, das sie und diejenigen, die sie am meisten liebt, eines Tages einholen wird ... Mit feinem menschlichem Gespür erzählt Judith Lennox in ihrem mitreißenden Roman von Liebe, Loyalität und der Stärke einer Familie.
Lese-Probe zu „Das Haus in den Wolken “
Das Haus in den Wolken von Judith Lennox Als Richard Finborough im Herbst 1909 auf der Fahrt
durch Devon war, ließ ihn unversehens sein Automobil im
Stich. Schlechtes Wetter war aufgezogen, seit er sich am frühen
Nachmittag von seinen Freunden, den Colvilles, verabschiedet
hatte, und er hegte schon eine ganze Weile den Verdacht, dass
er auf dem Weg über Exmoor irgendwo falsch abgebogen war.
Er lenkte den Wagen an den Straßenrand. Regen schlug ihm
ins Gesicht, ein stürmischer Wind, der das welke Laub von
den Bäumen fegte, zerrte an seinem Jackett und drohte, ihm
den Hut vom Kopf zu reißen. Als er sich im schwindenden
Licht den de Dion ansah, stellte er fest, dass hinten eine Blattfeder
beschädigt war. Nur ungern gab er seinen ursprünglichen
Plan auf, in Bristol zu übernachten, und machte sich auf die
Suche nach einer näher gelegenen Unterkunft. Einige Kilometer
weiter zeigte ein Wegweiser die Ortschaft Lynton an. Der
Wagen schlingerte, als er in die Abzweigung einbog.
In Lynton mietete er sich in einem Hotel ein. Am nächsten
Morgen nach dem Frühstück ließ er den Wagen zur Reparatur
in eine Schmiede bringen, während er selbst einen Rundgang
durch den Ort machte, der hoch oben auf einem Felsen über
dem Bristol Channel lag. Lynmouth, das Nachbardorf, kauerte
unten am Wasser. Richard konnte von seinem Aussichtspunkt
aus die schäumenden Wellen erkennen, die im anhaltenden
Sturm wie wilde Horden weißer Pferde über das Meer jagten.
Man nannte diesen Teil von Nord-Devon scherzhaft auch 'die
kleine Schweiz', was ihn nicht wunderte: Die tiefen Einschnitte
zwischen den Hügeln und das steile Auf und Ab der Fußwege,
über denen sich die Häuser an schroffe Wände klam merten,
waren beeindruckend.
Er beschloss, nach Lynmouth hinunterzugehen. Der
... mehr
stürmi
sche Wind und der abschüssige Weg geboten Aufmerksamkeit
bei jedem Schritt. Unten im Dorf vereinigten sich zwei
Bergbäche, die nach den schweren Regenfällen zu reißenden
Flüssen voll Treibgut aus den bewaldeten Tälern angeschwollen
waren, zu einem schäumenden Strom, ehe sie ins Meer
mündeten. Nied rige Häuser drängten sich um den Hafen, und
die Fischerboote lagen am Kai vertäut, vermutlich weil den Fischern
das Wetter zum Hinausfahren zu schlecht war. Immer
wieder gingen heftige Regenschauer nieder; wie ein Schwamm
sog das Land das Wasser auf. Richard verfluchte den de Dion,
der daran schuld war, dass er bei diesem Wetter hier festsaß,
mitten in der Wildnis.
Flatterndes Rot am äußersten Ende der Hafenmole zog seinen
Blick auf sich, und bei genauerem Hinsehen konnte er
im wogenden Grau und Braun des sturmbewegten Wassers
eine Frauengestalt ausmachen. Sie stand zu Füßen eines trut zigen
steinernen Turms auf der Mole, die den Hafen auf einer
Seite mit schützendem Arm umfasste. Er hob die Hand über
die Augen, um sie gegen den Regen abzuschirmen: Ein blauweißer
Rock unter einer roten Jacke und langes schwarzes
Haar, wie eine wehende Fahne im Wind. Der Sturm rüttelte
an ihr, der Gischt sprühte hoch über ihr auf; nicht weit von ihr
tobte das Wasser. Sie war zu nah am Rand – eine etwas stürmischere
Welle würde genügen, sie in die See zu reißen. Es beunruhigte
ihn, dass sie an so ungeschützter Stelle stand, und er
war froh, als sie sich vom Wasser abwandte und zum Kai zurückging.
Neugierig wartete er im Schutz einer Türnische. Als sie nä her
kam, sah er, dass sie völlig durchnässt war. Sie musste lange
im Regen gestanden haben. Er lüftete den Hut, als sie an ihm
vorüberging, und sie, erst jetzt auf ihn aufmerksam geworden,
sah sich nach ihm um. Aber sogleich wandte sie sich wieder ab,
so heftig, dass ihre nassen schwarzen Haare flogen, und hielt
auf die Straße zu, die nach Lynton hinaufführte.
In den darauffolgenden Tagen kam sie ihm mehrmals in den
Sinn. Das schwarze Haar, die stolze Haltung, als sie in dem
regenschweren langen Rock und der durchnässten roten Jacke
an ihm vorübergegangen war. Wie eine Königin – eine rote
Köni gin, dachte er.
Der Sturm ließ nach, die Fischerboote fuhren wieder auf See
hinaus. Der Himmel, über den Wolkenfetzen flogen, leuchtete
in einem verwaschenen Graublau. Die Gullys waren verstopft,
und weit oben am felsigen Ufer hatte sich ein breiter Streifen
Strand- und Treibgut gesammelt.
Das Hotel hatte um diese Zeit, außerhalb der Saison, kaum
Gäste außer ihm. Im Speisesaal traf Richard einige alte Herren
an, die vermutlich das Jahr über hier in Pension lebten, und ein
junges Paar, vielleicht in den Flitterwochen, das Händchen haltend
und kichernd an seinem Ecktisch saß. Als die Bedienung
ihm das Essen brachte, ergriff Richard die Gelegenheit, um sie
nach der Frau am Hafen zu fragen.
Sie sah ihn verständnislos an. 'Eine junge Frau', erklärte er,
'Anfang zwanzig, vermute ich. Schwarze Haare. Sie hatte eine
rote Jacke an.'
Sie stellte ihm seinen Teller mit der Scholle in Buttersoße
hin. 'Ach, Sie meinen wahrscheinlich Miss Zeale, Sir.'
'Miss Zeale?'
'Genau. Isabel Zeale. Eigentlich ist das ein Bridporter Name,
aber sie stammt nicht von hier. Kann sein, dass sie aus Bristol
kommt, ich weiß nicht.'
'Aber sie lebt hier?'
Die Bedienung nickte vage in landwärtiger Richtung. 'Oben
im Orchard House. Sie war Mr. Hawkins’ Haushälterin. Er ist
vor drei Wochen gestorben, der arme alte Herr.'
Am folgenden Morgen ließ Richard sich den Weg zum
Orchard House erklären, ehe er den steilen Hang hinter dem
Ort hinaufstieg. Wälder, in denen sich immer wieder tiefe Felsschluchten
auftaten, begleiteten ihn zu beiden Seiten. Nach eini ger
Zeit zweigte eine schmale, von Hecken und hohen Buchen
geschützte Straße voller Pfützen von der Hauptstraße ab. Die
Luft roch nach feuchter Erde und moderndem Laub.
Das Haus war leicht zu finden, sein Name schmückte in
verschnörkelten schmiedeeisernen Lettern die Gartenpforte.
Der weiß getünchte Bau stand, von der Straße zurückgesetzt,
in einem Garten, dem der Sturm sichtlich zugesetzt hatte.
Über die ganze Front des Hauses zog sich eine von Kletterpflan
zen überwachsene Glasveranda. Die Vorhänge an den
Fenstern wa ren zugezogen, Tor und Tür verschlossen, das
ganze Anwe sen, dachte Richard, wirkte unbewohnt.
Er wollte gerade wieder gehen und weiter den Hang hinaufsteigen,
als die Haustür geöffnet wurde und Isabel Zeale he raustrat.
Sie hatte wieder die rote Jacke an, diesmal zu einem
dunklen Rock.
Richard öffnete das Tor. 'Miss Zeale!'
Stirnrunzelnd ging sie ihm entgegen. 'Ja?'
'Darf ich Sie vielleicht um ein Glas Wasser bitten?'
Sie schwieg einen Moment, als erwöge sie, ihn abzuweisen,
dann sagte sie: 'Warten Sie hier', und ging zurück ins Haus.
Ein paar Minuten später kam sie mit einem Glas in der Hand
wieder.
'Vielen Dank.'
'Woher wissen Sie meinen Namen?'
'Die Bedienung in meinem Hotel hat ihn mir gesagt. Ach,
ich bin übrigens Richard Finborough.'
Sie hatte die Arme verschränkt und sich zur Seite gedreht.
Seine dargebotene Hand schien sie nicht zu bemerken. Während
er das Wasser trank, betrachtete er ihr Profil, die gerade,
klassisch geformte Nase, den Schwung der leicht aufgeworfenen
Lippen. Der Kontrast zwischen dem schwarzen Haar und
der beinahe durchscheinenden Blässe ihres Gesichts war aufregend.
Um die Spannung zu lösen, die er in dem Schweigen zwischen
ihnen zu spüren meinte, fragte er: 'Leben Sie schon
lange hier?'
'Seit zweieinhalb Jahren.'
'Es ist eine sehr abgelegene Gegend.'
'Ja. Gerade das gefällt mir.' Sie wandte sich ihm zu. Der
Blick ihrer hellen grünblauen Augen war feindselig. 'Wenn
Sie mich jetzt entschuldigen würden. Ich muss zurück an die
Arbeit.'
'Aber ja, natürlich.' Er reichte ihr das Glas. 'Danke für das
Wasser, Miss Zeale.'
Sie faszinierte ihn. Diese Augen, diese ungewöhnliche, fremdartige
Schönheit – hier draußen, auf dem Land, so unerwartet
wie die Entdeckung einer exotischen Blume auf einer Berg-
wiese.
Keine der verwöhnten Londoner Frauen seiner Bekanntschaft
konnte es an apartem Reiz mit ihr aufnehmen. Und ihre
abweisende Kälte sah er nur als Herausforderung an. Er war
ein gut aussehender, wohlhabender und selbstbewusster Mann
und Zurückweisung nicht gewöhnt, schon gar nicht von einer
Hausangestellten.
Am Nachmittag erhielt er Nachricht, dass sein Wagen fertig
war. Während er in der Wohnstube des Schmiedshauses wartete,
geriet er mit der Frau des Schmieds ins Gespräch, das sich,
wie von ihm beabsichtigt, bald Isabel Zeale zuwandte.
'Sie stammt nicht aus Lynton, nicht wahr?', bemerkte er.
Die Frau des Schmieds lachte verächtlich. 'Die nicht.'
'Und woher kommt sie?'
'Keine Ahnung, Sir. Die ist sich zu gut für unsereins. Man
kann froh sein, wenn sie einen grüßt.' Sie fegte unnötig hef tig
mit ihrem Staubwedel über den Kaminsims. 'Wenn Sie
mich fragen, wird die sowieso bald verschwunden sein.' Der
Ton der Schmiedsfrau verriet deutlich, dass Isabel Zeale ihr gar
nicht schnell genug aus Lynton verschwinden konnte.
'Sie meinen, weil ihr Arbeitgeber gestorben ist?', fragte er.
'Da wird sie sich wohl eine neue Stellung suchen müssen.'
Wieder das verächtliche Lachen. 'Oh, um solche wie die
braucht man sich keine Sorgen zu machen. Die fallen doch
immer auf die Füße.'
Jemand klopfte von draußen ans Fenster. Es war der Schmied,
der seinen Wagen gebracht hatte, und Richard ging hinaus, um
den de Dion in Empfang zu nehmen.
Am nächsten Morgen erwachte er zeitig. Der Himmel war
strahlend blau, Straßen und Häuser lagen in goldenem Morgenlicht.
Er hatte eigentlich vorgehabt, ohne weiteren Aufenthalt
nach London aufzubrechen, aber nachdem er Morgen toilette
gemacht hatte, holte er nicht seinen Wagen, sondern
unternahm in der frischen Salzluft noch einmal einen Gang
durch den Ort. Sein Weg führte ihn am Kirchhof vorbei. Als er
zwischen Eiben und Grabsteinen eine Gestalt bemerkte, blieb
er stehen und wartete, bis Isabel Zeale aus dem Friedhof trat.
Sie trug Schwarz, und ihr Gesicht war verschleiert. Eines der
Gräber, noch nicht durch einen Stein gekennzeichnet, war, wie
er sah, mit frischen Rosen geschmückt.
'Guten Morgen, Miss Zeale', sagte er.
'Guten Morgen, Mr. Finborough.'
sche Wind und der abschüssige Weg geboten Aufmerksamkeit
bei jedem Schritt. Unten im Dorf vereinigten sich zwei
Bergbäche, die nach den schweren Regenfällen zu reißenden
Flüssen voll Treibgut aus den bewaldeten Tälern angeschwollen
waren, zu einem schäumenden Strom, ehe sie ins Meer
mündeten. Nied rige Häuser drängten sich um den Hafen, und
die Fischerboote lagen am Kai vertäut, vermutlich weil den Fischern
das Wetter zum Hinausfahren zu schlecht war. Immer
wieder gingen heftige Regenschauer nieder; wie ein Schwamm
sog das Land das Wasser auf. Richard verfluchte den de Dion,
der daran schuld war, dass er bei diesem Wetter hier festsaß,
mitten in der Wildnis.
Flatterndes Rot am äußersten Ende der Hafenmole zog seinen
Blick auf sich, und bei genauerem Hinsehen konnte er
im wogenden Grau und Braun des sturmbewegten Wassers
eine Frauengestalt ausmachen. Sie stand zu Füßen eines trut zigen
steinernen Turms auf der Mole, die den Hafen auf einer
Seite mit schützendem Arm umfasste. Er hob die Hand über
die Augen, um sie gegen den Regen abzuschirmen: Ein blauweißer
Rock unter einer roten Jacke und langes schwarzes
Haar, wie eine wehende Fahne im Wind. Der Sturm rüttelte
an ihr, der Gischt sprühte hoch über ihr auf; nicht weit von ihr
tobte das Wasser. Sie war zu nah am Rand – eine etwas stürmischere
Welle würde genügen, sie in die See zu reißen. Es beunruhigte
ihn, dass sie an so ungeschützter Stelle stand, und er
war froh, als sie sich vom Wasser abwandte und zum Kai zurückging.
Neugierig wartete er im Schutz einer Türnische. Als sie nä her
kam, sah er, dass sie völlig durchnässt war. Sie musste lange
im Regen gestanden haben. Er lüftete den Hut, als sie an ihm
vorüberging, und sie, erst jetzt auf ihn aufmerksam geworden,
sah sich nach ihm um. Aber sogleich wandte sie sich wieder ab,
so heftig, dass ihre nassen schwarzen Haare flogen, und hielt
auf die Straße zu, die nach Lynton hinaufführte.
In den darauffolgenden Tagen kam sie ihm mehrmals in den
Sinn. Das schwarze Haar, die stolze Haltung, als sie in dem
regenschweren langen Rock und der durchnässten roten Jacke
an ihm vorübergegangen war. Wie eine Königin – eine rote
Köni gin, dachte er.
Der Sturm ließ nach, die Fischerboote fuhren wieder auf See
hinaus. Der Himmel, über den Wolkenfetzen flogen, leuchtete
in einem verwaschenen Graublau. Die Gullys waren verstopft,
und weit oben am felsigen Ufer hatte sich ein breiter Streifen
Strand- und Treibgut gesammelt.
Das Hotel hatte um diese Zeit, außerhalb der Saison, kaum
Gäste außer ihm. Im Speisesaal traf Richard einige alte Herren
an, die vermutlich das Jahr über hier in Pension lebten, und ein
junges Paar, vielleicht in den Flitterwochen, das Händchen haltend
und kichernd an seinem Ecktisch saß. Als die Bedienung
ihm das Essen brachte, ergriff Richard die Gelegenheit, um sie
nach der Frau am Hafen zu fragen.
Sie sah ihn verständnislos an. 'Eine junge Frau', erklärte er,
'Anfang zwanzig, vermute ich. Schwarze Haare. Sie hatte eine
rote Jacke an.'
Sie stellte ihm seinen Teller mit der Scholle in Buttersoße
hin. 'Ach, Sie meinen wahrscheinlich Miss Zeale, Sir.'
'Miss Zeale?'
'Genau. Isabel Zeale. Eigentlich ist das ein Bridporter Name,
aber sie stammt nicht von hier. Kann sein, dass sie aus Bristol
kommt, ich weiß nicht.'
'Aber sie lebt hier?'
Die Bedienung nickte vage in landwärtiger Richtung. 'Oben
im Orchard House. Sie war Mr. Hawkins’ Haushälterin. Er ist
vor drei Wochen gestorben, der arme alte Herr.'
Am folgenden Morgen ließ Richard sich den Weg zum
Orchard House erklären, ehe er den steilen Hang hinter dem
Ort hinaufstieg. Wälder, in denen sich immer wieder tiefe Felsschluchten
auftaten, begleiteten ihn zu beiden Seiten. Nach eini ger
Zeit zweigte eine schmale, von Hecken und hohen Buchen
geschützte Straße voller Pfützen von der Hauptstraße ab. Die
Luft roch nach feuchter Erde und moderndem Laub.
Das Haus war leicht zu finden, sein Name schmückte in
verschnörkelten schmiedeeisernen Lettern die Gartenpforte.
Der weiß getünchte Bau stand, von der Straße zurückgesetzt,
in einem Garten, dem der Sturm sichtlich zugesetzt hatte.
Über die ganze Front des Hauses zog sich eine von Kletterpflan
zen überwachsene Glasveranda. Die Vorhänge an den
Fenstern wa ren zugezogen, Tor und Tür verschlossen, das
ganze Anwe sen, dachte Richard, wirkte unbewohnt.
Er wollte gerade wieder gehen und weiter den Hang hinaufsteigen,
als die Haustür geöffnet wurde und Isabel Zeale he raustrat.
Sie hatte wieder die rote Jacke an, diesmal zu einem
dunklen Rock.
Richard öffnete das Tor. 'Miss Zeale!'
Stirnrunzelnd ging sie ihm entgegen. 'Ja?'
'Darf ich Sie vielleicht um ein Glas Wasser bitten?'
Sie schwieg einen Moment, als erwöge sie, ihn abzuweisen,
dann sagte sie: 'Warten Sie hier', und ging zurück ins Haus.
Ein paar Minuten später kam sie mit einem Glas in der Hand
wieder.
'Vielen Dank.'
'Woher wissen Sie meinen Namen?'
'Die Bedienung in meinem Hotel hat ihn mir gesagt. Ach,
ich bin übrigens Richard Finborough.'
Sie hatte die Arme verschränkt und sich zur Seite gedreht.
Seine dargebotene Hand schien sie nicht zu bemerken. Während
er das Wasser trank, betrachtete er ihr Profil, die gerade,
klassisch geformte Nase, den Schwung der leicht aufgeworfenen
Lippen. Der Kontrast zwischen dem schwarzen Haar und
der beinahe durchscheinenden Blässe ihres Gesichts war aufregend.
Um die Spannung zu lösen, die er in dem Schweigen zwischen
ihnen zu spüren meinte, fragte er: 'Leben Sie schon
lange hier?'
'Seit zweieinhalb Jahren.'
'Es ist eine sehr abgelegene Gegend.'
'Ja. Gerade das gefällt mir.' Sie wandte sich ihm zu. Der
Blick ihrer hellen grünblauen Augen war feindselig. 'Wenn
Sie mich jetzt entschuldigen würden. Ich muss zurück an die
Arbeit.'
'Aber ja, natürlich.' Er reichte ihr das Glas. 'Danke für das
Wasser, Miss Zeale.'
Sie faszinierte ihn. Diese Augen, diese ungewöhnliche, fremdartige
Schönheit – hier draußen, auf dem Land, so unerwartet
wie die Entdeckung einer exotischen Blume auf einer Berg-
wiese.
Keine der verwöhnten Londoner Frauen seiner Bekanntschaft
konnte es an apartem Reiz mit ihr aufnehmen. Und ihre
abweisende Kälte sah er nur als Herausforderung an. Er war
ein gut aussehender, wohlhabender und selbstbewusster Mann
und Zurückweisung nicht gewöhnt, schon gar nicht von einer
Hausangestellten.
Am Nachmittag erhielt er Nachricht, dass sein Wagen fertig
war. Während er in der Wohnstube des Schmiedshauses wartete,
geriet er mit der Frau des Schmieds ins Gespräch, das sich,
wie von ihm beabsichtigt, bald Isabel Zeale zuwandte.
'Sie stammt nicht aus Lynton, nicht wahr?', bemerkte er.
Die Frau des Schmieds lachte verächtlich. 'Die nicht.'
'Und woher kommt sie?'
'Keine Ahnung, Sir. Die ist sich zu gut für unsereins. Man
kann froh sein, wenn sie einen grüßt.' Sie fegte unnötig hef tig
mit ihrem Staubwedel über den Kaminsims. 'Wenn Sie
mich fragen, wird die sowieso bald verschwunden sein.' Der
Ton der Schmiedsfrau verriet deutlich, dass Isabel Zeale ihr gar
nicht schnell genug aus Lynton verschwinden konnte.
'Sie meinen, weil ihr Arbeitgeber gestorben ist?', fragte er.
'Da wird sie sich wohl eine neue Stellung suchen müssen.'
Wieder das verächtliche Lachen. 'Oh, um solche wie die
braucht man sich keine Sorgen zu machen. Die fallen doch
immer auf die Füße.'
Jemand klopfte von draußen ans Fenster. Es war der Schmied,
der seinen Wagen gebracht hatte, und Richard ging hinaus, um
den de Dion in Empfang zu nehmen.
Am nächsten Morgen erwachte er zeitig. Der Himmel war
strahlend blau, Straßen und Häuser lagen in goldenem Morgenlicht.
Er hatte eigentlich vorgehabt, ohne weiteren Aufenthalt
nach London aufzubrechen, aber nachdem er Morgen toilette
gemacht hatte, holte er nicht seinen Wagen, sondern
unternahm in der frischen Salzluft noch einmal einen Gang
durch den Ort. Sein Weg führte ihn am Kirchhof vorbei. Als er
zwischen Eiben und Grabsteinen eine Gestalt bemerkte, blieb
er stehen und wartete, bis Isabel Zeale aus dem Friedhof trat.
Sie trug Schwarz, und ihr Gesicht war verschleiert. Eines der
Gräber, noch nicht durch einen Stein gekennzeichnet, war, wie
er sah, mit frischen Rosen geschmückt.
'Guten Morgen, Miss Zeale', sagte er.
'Guten Morgen, Mr. Finborough.'
... weniger
Autoren-Porträt von Judith Lennox
Lennox, JudithJudith Lennox, geboren 1953 in Salisbury, wuchs in Hampshire auf. Sie ist eine der erfolgreichsten Autorinnen des modernen englischen Gesellschaftsromans und gelangt mit jedem neuen Buch auf die deutschen Bestsellerlisten. Judith Lennox liebt Gärtnern, ausgedehnte Wanderungen, alte Häuser und historische Stätten. Sie lebt mit ihrem Mann in Cambridge. Die beiden sind Eltern dreier erwachsener Söhne.
Bibliographische Angaben
- Autor: Judith Lennox
- 2010, 7. Aufl., 592 Seiten, Maße: 12 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung:Ciletti, Mechtild
- Übersetzer: Mechtild Sandberg-Ciletti
- Verlag: Piper
- ISBN-10: 3492257585
- ISBN-13: 9783492257589
Rezension zu „Das Haus in den Wolken “
»Ein herrlich opulenter Roman voller Leidenschaft, Intrigen, Dramen und Glückseligkeit.« Freundin . »Eine Geschichte um Irrwege, Wunden und verpasste Zeitpunkte.« Lübecker Nachrichten
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