Das verflixte siebte Jahr
Amy und Jack sind seit sieben Jahren verheiratet. Glücklich. Doch dann kommt ihr Söhnchen Ben auf die Welt. Und ihr Leben dreht sich um 180 Grad. Amy hat von nun an nämlich nur noch Windeln und Spielplatz im Sinn. Jack findet das per se ja...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Das verflixte siebte Jahr “
Amy und Jack sind seit sieben Jahren verheiratet. Glücklich. Doch dann kommt ihr Söhnchen Ben auf die Welt. Und ihr Leben dreht sich um 180 Grad. Amy hat von nun an nämlich nur noch Windeln und Spielplatz im Sinn. Jack findet das per se ja nicht schlimm - aber er hat da noch so ein paar andere Sachen im Kopf. Ein wunderbarer Roman - aus seiner und aus ihrer Sicht geschrieben.
Lese-Probe zu „Das verflixte siebte Jahr “
Das verflixte siebte Jahr von Josie Lloyd und Emlyn Rees1
Amy
Die Schlangen
... mehr
Als ich acht war, schrieb mein Großvater mir ins Poesiealbum: Wenn vier Frauen zu einem Plausch zusammenkommen, dann stehe Gott der bei, die als Erste geht.
Ich habe nie so recht verstanden, was er damit meinte, bis ich zu den Schlangen stieß.
Es ist unser zweimonatliches Treffen, und ich bin spät dran. Ich persönlich betrachte sie nicht als Schlangen, sondern eher als eine Gruppe von gutbefreundeten Frauen, die ihr erstes Kind bekommen haben. Aber Jack nennt sie immer so, oder auch Hexenzirkel, was ich genauso schlimm finde. Obwohl es wahrscheinlich in Ordnung ist, denn mein armer nachsichtiger Ehemann muss sich hinterher meine Grübeleien über die spitzen Kommentare und Anspielungen anhören, die bei den Treffen der Schlangen einfach zur Tagesordnung gehören.
Jack versteht natürlich nicht, warum ich überhaupt noch zu diesen Treffen gehe, aber das ist wie bei der Mafia: einmal dabei, immer dabei. Ich kenne diese Frauen, und sie kennen mich. Uns verbinden Schmerz und hässliche Szenen voller außergewöhnlicher Gefühle. Wenn ich die Runde verließe, wäre ich auf ewig eine Verräterin. Sie würden mir im Park aus dem Weg gehen und mich nicht mehr zu Geburtstagspartys einladen, und bald würde ich beim Aufwachen einen abgetrennten Pferdekopf in meinem Bett vorfinden - nun, wenigstens einen Mein-kleines-Pony-Kopf.
Ich eile durch die Tore des Queen's Parks und nehme die Abkürzung an den Tennisplätzen vorbei. Es ist ein wolkenloser Maitag, und die Rosskastanien sind beladen mit Blütenkerzen. Leider habe ich kaum Zeit, sie eines Blickes zu würdigen. Schwitzend schiebe ich den Buggy über die holprige Wiese.
Auf einem Platz spielt ein junger Kerl mit seinem Trainer Tennis. Seine Beine sind sonnengebräunt und geschmeidig, und seine Bewegungen sind sportlich-dynamisch. Als ein leichter Wind sein schallendes Gelächter zu mir herüberträgt, werde ich daran erinnert, wie Jack früher war, bevor zu viel Arbeit, Elternschaft und unsere anhaltende finanzielle Krise ihn zu so einem ernsten Menschen gemacht haben.
Damals haben Jack und ich immer davon gesprochen, uns einmal die Woche in der Mittagspause zu treffen, um Tennis zu spielen. Das war mit ein Grund, warum wir uns eine Wohnung am Park gekauft haben, zumindest so nah dran, wie wir es uns leisten konnten. Doch in den drei Jahren, die wir hier wohnen, haben wir uns nicht einmal zum Lunch getroffen, geschweige denn zum Tennisspielen, und jetzt sprechen wir auch nicht mehr davon.
Bevor ich in Sichtweite des Spielplatzes komme, bleibe ich stehen und hole Jetzt geht es ins Bett raus, das Lieblingsbuch meines Sohnes Ben. Ich schlage es an der Stelle auf, wo Buster sich die Zähne putzt. Auf einer der bunten Seiten ist ein Spiegel aus Stanniolpapier aufgeklebt. Darin suche ich mein verzerrtes Gesicht nach verräterischen Spuren des verbotenen Croissants ab, das ich vorhin gegessen habe, und nach verschmiertem Eyeliner von gestern. Alles in Ordnung, trotzdem wünschte ich mir, ich hätte mir die Haare gewaschen. Und ich wünschte, ich hätte die Ansätze nachgefärbt. Und als ich das Buch wieder in das Netz am Boden des Buggys zu dem ekligen Sammelsurium aus Bananenschalen und sandigen Feuchttüchern packe, wünschte ich mir vor allem, dass meine äußere Erscheinung keine Rolle spielen würde. Aber hier geht es um die Schlangen, und da spielen Äußerlichkeiten eine Rolle.
Glauben Sie mir, bei denen wird alles übertrieben. Wenn eine von uns neue Schuhe mit einem kleinen Absatz trägt, könnte sie genauso gut Stilettos tragen. Wenn eine Lippenstift auflegt, hat sie gleich eine Affäre. Und wenn eine von uns mal ein Pfund zunimmt, dann könnten es genauso gut gleich fünf Kilo sein.
Es ist, als würde man beruflich »Entdecke den Unterschied« spielen, und jeder Unterschied, der auffällt, wird sogleich einer kritischen Beurteilung unterzogen. Aus dem Grund hole ich das Buch noch einmal raus und frische sorgfältig mein Lipgloss auf, damit es so aussieht, als hätte ich gar keines aufgelegt. Denn ich hasse es, von diesen Treffen niedergeschlagen nach Hause zu gehen. Dann fühle ich mich mies, und ich glaube, das ertrage ich heute einfach nicht.
Die große weibliche Verschwörung
Das war natürlich nicht immer so. Zuerst war es toll, zu den Schlangen zu gehören, denn als ich mit Ben schwanger wurde, legte sich die erste Begeisterung über die dünne blaue Linie auf dem Schwangerschaftstest genauso rasch, wie sich Entsetzen breitmachte bei der Aussicht, ein Kind zu gebären.
Natürlich wusste ich, dass ich so etwas nicht empfinden durfte. Ich sollte mich ganz wie die Urmutter fühlen und selbstverständlich stolz sein. Doch innerlich fühlte ich mich wie Sigourney Weaver, die dem geifernden Alien gegenübersteht, und als ich an Umfang zunahm, hatte ich das Gefühl, der Alien hätte mich geschwängert und es wäre nur eine Frage der Zeit, bis sein Abkömmling sich den Weg nach draußen boxte.
Als ich mich also der örtlichen Schwangerengruppe anschloss und feststellte, dass ich mit meinen Ängsten nicht allein dastand, klammerte ich mich an sie wie an einen Rettungsring. Sie gaben mir das Gefühl, normal zu sein. Sie sprachen mit mir, als hätte ich durchaus noch ein funktionierendes Hirn und wäre nicht nur eine Zuchtstute auf zwei Beinen. Im Handumdrehen verbündeten wir uns angesichts all der schrecklichen Dinge, die wir vor unseren Männern zu verbergen versuchten: Krampfadern, die uns wie hungrige Würmer über die Leisten krochen, Haufen, auf die jeder Maulwurf stolz wäre, Dehnungsstreifen, die auf unseren Bäuchen auftauchten wie Umrisse auf einer Landkarte, und schmerzende Hüften, die uns humpeln ließen wie alte Frauen. Ganz zu schweigen von Brüsten, die tropften wie Softeis-Maschinen, Warzen und Leberflecken, die plötzlich merkwürdig aussahen und juckten, und unseren unmöglich buschigen Bikinizonen (keineswegs brasilianisch gewachst, eher kubanisch - wie Fidel Castros Bart).
Wir lernten, über all das zu lachen, genauso wie darüber, wie aufgedunsen sich unsere Gesichter anfühlten und dass wir regelmäßig in der Badewanne stecken blieben, während wir einander gleichzeitig versicherten, das sei nur unser Babybauch und wir hätten ansonsten überhaupt kein Gewicht zugelegt.
Dann haben wir alle in rascher Folge unsere Kinder bekommen und uns leichenblass wieder mit neuer Bedürftigkeit aneinandergeklammert, heilfroh, dass es auch noch andere Frauen gab, die ebenfalls das Gefühl hatten, nur knapp einen schrecklichen Autounfall überlebt zu haben. (Als »Vietnam« hat mein filmverrückter Jack Bens Geburt bezeichnet. »Wie eine Nacht auf dem Hamburger Hill.« In gewissem Sinne hatte er recht. Wir kamen uns vor wie Kriegsveteranen.)
Das Schlimmste war der Vertrauensbruch. Die Entdeckung der großen weiblichen Verschwörung. Es muss sie wohl geben, um die menschliche Rasse am Leben zu erhalten, doch Tatsache ist, dass einem niemand - vor allem nicht andere Frauen - die Wahrheit über die Geburt sagt.
Niemand spricht über das ganze gynäkologische Grauen, das es bedeutet, ein menschliches Wesen auf die Welt zu bringen. Niemand bereitet einen auf den Augenblick vor, in dem man feststellt, dass man einzig aus Fleisch besteht und nicht aus Make-up; dass man mehr Metzger ist als Body Shop - und dass diese Erkenntnis einen für immer verändern wird.
In den Wochen nach der Geburt trösteten wir uns also gegenseitig, wir Schlangen. In entsetztem Flüsterton vertrauten wir uns die blutigen Einzelheiten dessen an, was wir durchgemacht hatten. Wir weinten uns bei den anderen aus, versuchten tapfer, mit genähtem Dammschnitt, wunden Brustwarzen und schlaflosen Nächten klarzukommen, und taten dem Rest der Welt gegenüber so, als wären wir erfüllt von mütterlicher Gelassenheit.
Doch das Problem bei Frauen ist (wie jede Frau weiß), dass sich eine Gruppe von Frauen mit der Zeit in ein Hornissennest heimlicher Konkurrenz verwandelt. Was geschah also, sobald unsere Babys keine Neugeborenen mehr waren? Da gerieten wir ganz schnell in die Zickenzone.
Bald ging es nicht mehr darum, wie gut wir uns fühlten, sondern nur noch darum, wie gut wir uns machten. Wir fingen an, einander zu taxieren und unsere Leistungen als Mutter zu vergleichen - und fanden uns gegenseitig unzureichend.
Glaubensprobe
Ich atme tief durch und nähere mich mit einem strahlenden Lächeln unseren üblichen Tischen neben dem Sandkasten. Sie sind aus Holz und von der Art, wie man sie auch draußen vor Pubs findet, die Bänke sind fest mit dem Tisch verbunden. Ich erinnere mich, dass Jack so einen im Garten des Hauses stehen hatte, in dem er mal mit seinem besten Kumpel Matt wohnte. Nur dass der hier sehr viel weniger anziehend ist, denn es gibt weder Erdnüsse noch eiskaltes Bier, dafür aber geschmacksneutrale Grissini und klebrige Saftbecher im Überfluss.
Im Sandkasten tollen mehrere Kinder, die ich seit ihrer Geburt kenne. Eine der größten Überraschungen des Elternseins ist, dass die meisten Eigenschaften angeboren und nicht anerzogen sind, trotz des ganzen Mists, den sie einem im Fernsehen erzählen. Diese Kinder sind alle mit ihren eigenen Persönlichkeiten auf die Welt gekommen. Die Süßen sind süß, gleich von Anfang an, und die Gemeinen sind gemein. Das darf man natürlich niemals laut aussprechen, genauso wenig, wie man sagen darf, dass es durchaus möglich ist, die Nachkommenschaft anderer Leute einfach nicht ausstehen zu können.
Verstehen Sie mich nicht falsch - einige dieser Kinder mag ich wirklich. Und ich meine es ernst, wenn ich darüber Witze mache, dass wir auf der Party zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag wild und peinlich tanzen werden. Doch wir haben insgesamt acht Kinder. Statistisch gesehen wird eines von ihnen sich zu einem gefährlichen Kriminellen entwickeln.
Die Schlangen sind alle da und, wie es sich gehört, von einem Schutzwall aus Buggys umgeben. Camilla hält Hof. Ich könnte schwören, ihre Sonnenbräune stammt aus der Tube. Sie trägt ein hübsches Sommerkleid und Converse-Turnschuhe, sitzt mit gespreizten Beinen auf der Bank und schaukelt mit einer Hand ihren Bugaboo-Buggy (den teuersten im Angebot), in dem Teufel Tyler glücklicherweise schläft. Ihre andere Hand (mit diamantbesetztem Memoire-Ring geschmückt, den Gatte Geoff, leitender Angestellter bei der BBC, ihr in dem privaten Entbindungsheim nach der Geburt geschenkt hat) ruht demonstrativ auf ihrem runden Bauch. Sie ist schon in der sechzehnten Woche. Sie lacht Sophie an.
Sophie beteiligt sich nicht am Super-Mutti-Wettbewerb. Sie ist natürlich hübsch, mit Sommersprossen und Himmelfahrtsnase, trägt Kakihosen und Kopftücher und erlaubt flüchtige Blicke auf ihren flachen Bauch und die Spitze ihrer Tätowierung. »Womb Raider« nennt Jack sie immer mit einem beunruhigenden Augenzwinkern, genau, wie wenn er die echte Angelina Jolie im Fernsehen sieht. Das bereitet mir jedoch keine schlaflosen Nächte. Jack mag neugierig sein, aber er ist nicht der streunende Typ. Inzwischen jedenfalls nicht mehr.
Wer auf den freien Platz neben sich klopft, als sie mich sieht, ist die immer ein bisschen übertrieben begeisterte Faith. Modemäßig scheint Faith mit ihrer Rachel-aus-Friends-Gedächtnisfrisur in den neunziger Jahren stecken geblieben zu sein, doch heute fällt mir auf, dass auch sie neue Converse-Turnschuhe trägt. Ist sie Camilla womöglich gefolgt und hat heimlich dieselben Turnschuhe gekauft? Sagen wir mal so: Camilla würde auf keinen Fall Faith nachahmen.
»Ah, da bist du ja, Amy«, sagt Camilla lächelnd. Ich gebe allen Küsschen und setze mich auf den Platz neben Faith.
Irgendwie habe ich mich aber auch auf heute gefreut. Sehen wir den Tatsachen ins Auge, in meinem Alltag gibt es nicht viel, worauf ich mich freuen kann. Sogar so wenig, dass ich nicht mal mehr einen Terminkalender benutze. Zum einen sind da die immer wiederkehrenden Tätigkeiten, die meine Zeit ausfüllen:
ein regelmäßiger Kreislauf von Spülmaschine ausräumen, Lebensmittel einkaufen, Windeln wechseln und Waschmaschine füllen. Dann mein Programm mit Ben: Babyschwimmen am Montag, Bogaloo-Zwerge am Dienstag, Monkey Music am Mittwoch und Toben im Park am Donnerstag. (Freitags machen wir offensichtlich, was wir wollen.)
Zum anderen gibt es die gelegentlichen Treffen mit den Schlangen.
Doch in der Sekunde, in der ich mich dazugeselle, weiß ich wieder, was ich an alldem verabscheue. Wie ich nämlich festgestellt habe, ist Mutterschaft der große Gleichmacher. Ich könnte Spitzenanwältin oder Architektin sein oder sogar eine gefeierte Modedesignerin (was ich, wie ich einst dachte, in meinem jetzigen Alter sein würde), doch das zählt hier alles nicht.
Ein Kind im selben Alter zu haben wie Faith macht mich anscheinend zu einer Faith sehr ähnlichen Person. Nennen Sie mich ruhig einen Snob, aber Faith ist wirklich ziemlich dämlich. Aber womöglich so wie Faith zu sein weckt in mir den Wunsch, auszubrechen und etwas schrecklich Unbesonnenes zu tun. Wie zum Beispiel, ihr zu sagen, dass ich ihre permanente Gutmütigkeit unglaublich verlogen finde und dass ihre nervigen Vermutungen über mein Leben dumm und falsch sind. Und dass ich den Verdacht hege, dass sie unter der tugendhaften äußeren Fassade die giftigste aller Schlangen ist. »Oh. Er hat also immer noch diesen bösen Hautausschlag«, lautet Faiths Gesprächseröffnung. Sie zeigt auf den schlafenden Ben, der völlig erschöpft ist von dem mit Augenverdrehen, Spielzeug-durch-die-Gegend-Werfen und barbarischem Geschrei begleiteten Wutanfall, den er vorhin hatte, weil ich ihn in seinem Buggy festgeschnallt habe. (Man hätte glauben können, er wäre ein Gefangener, der unschuldig in den Todestrakt geraten ist und nun zum elektrischen Stuhl gezerrt wird.)
Schützend umfasse ich das Engelsgesicht meines lieben Söhnchens. Ein paar durch einen hysterischen Anfall ausgelöste Flecken sind noch lange kein böser Hautausschlag. Vor lauter schlechtem Gewissen und schuldbewusster Liebe zu meinem kleinen Jungen dreht sich mir das Herz um. Jetzt wünschte ich mir, ich hätte bei dem Wrestlingkampf, den ich mit ihm ausgetragen habe, nicht die Geduld verloren und ihn einen »kleinen Scheißkerl« genannt, weil ich seinetwegen zu spät kommen würde.
»Es geht ihm gut«, konstatiere ich in einem Tonfall, der dieses Thema hoffentlich sehr rasch abschließt.
Doch Faith hat so wenig Einfühlungsvermögen wie Stalin Talent zur Öffentlichkeitsarbeit.
»Könnten erste Anzeichen von Windpocken sein«, spekuliert sie.
Sie hofft eindeutig, dass es das ist. Ich würde nicht im Traum daran denken, ihre Tochter Amalie zu kritisieren oder deren Krankheiten schärfstens zu begutachten, als wären sie Schwächen. Ich würde es nicht wagen, meine Meinung zu der Tatsache zu äußern, dass Amalie - mit Sarahs Worten - »aussieht, als hätte sie einen leichten Stich«.
»Aber das ist ja verständlich, nicht wahr?«, fährt Faith fort. »Nach dem schrecklichen Husten, den er beim letzten Mal hatte, ist das Immunsystem vom armen kleinen Ben wahrscheinlich geschwächt ... Es geht gerade was um.«
Ich lächle so höflich wie möglich. »Vielleicht ist es auch die Vogelgrippe«, sage ich. »Man weiß nie ...«
Einen Augenblick lang hoffe ich, dass Faith diese Aussage als das betrachtet, was sie ist: als Witz. Doch weit gefehlt. Sie beugt sich vor.
»Ich habe Tamiflu zu Hause«, vertraut sie mir an. »Ich horte es seit Monaten. Ich habe genug, um dir ein oder zwei Schachteln abzugeben. Ich kann dir auch die Website verraten, wenn du willst.«
Ich weiß wirklich nicht, was ich darauf sagen soll, denn mein erster instinktiver Gedanke ist der, dass ich lieber mit den Massen umkommen würde, als mit Typen wie Faith eine solche Pandemie zu überleben.
Zum Glück lenkt Camilla unsere Aufmerksamkeit auf sich, indem sie sich verschwörerisch vorbeugt, mit einer rosafarbenen Flasche Tabletten rasselt und Sophie einen Blick zuwirft, woraufhin die ganze Gruppe kichert und gurrt. Natürlich, deshalb haben Camilla und Sophie so selbstgefällige Mienen aufgesetzt: Sophie ist schwanger.
Dann stellt sich in einer plötzlichen Welle von Geständnissen heraus, dass auch Faith, Linda und Abby aktiv an »Nummer zwei« arbeiten. Lan hält nur zwei Fäuste mit gedrückten Daumen hoch und schaut auf ihren Bauch hinunter (obwohl der so winzig ist, dass es an ein Wunder grenzt, wenn dort etwas von der Größe einer Olive, ganz zu schweigen von einem Fötus, Platz hätte). Camilla kreischt vor Entzücken und beginnt, Folsäure- und Vitamintabletten zu verteilen wie ein Teenager, der mit Ecstasy dealt.
Und dann geht es los.
...
Übersetzung: Petra Lingsminat und Elvira Willems
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Als ich acht war, schrieb mein Großvater mir ins Poesiealbum: Wenn vier Frauen zu einem Plausch zusammenkommen, dann stehe Gott der bei, die als Erste geht.
Ich habe nie so recht verstanden, was er damit meinte, bis ich zu den Schlangen stieß.
Es ist unser zweimonatliches Treffen, und ich bin spät dran. Ich persönlich betrachte sie nicht als Schlangen, sondern eher als eine Gruppe von gutbefreundeten Frauen, die ihr erstes Kind bekommen haben. Aber Jack nennt sie immer so, oder auch Hexenzirkel, was ich genauso schlimm finde. Obwohl es wahrscheinlich in Ordnung ist, denn mein armer nachsichtiger Ehemann muss sich hinterher meine Grübeleien über die spitzen Kommentare und Anspielungen anhören, die bei den Treffen der Schlangen einfach zur Tagesordnung gehören.
Jack versteht natürlich nicht, warum ich überhaupt noch zu diesen Treffen gehe, aber das ist wie bei der Mafia: einmal dabei, immer dabei. Ich kenne diese Frauen, und sie kennen mich. Uns verbinden Schmerz und hässliche Szenen voller außergewöhnlicher Gefühle. Wenn ich die Runde verließe, wäre ich auf ewig eine Verräterin. Sie würden mir im Park aus dem Weg gehen und mich nicht mehr zu Geburtstagspartys einladen, und bald würde ich beim Aufwachen einen abgetrennten Pferdekopf in meinem Bett vorfinden - nun, wenigstens einen Mein-kleines-Pony-Kopf.
Ich eile durch die Tore des Queen's Parks und nehme die Abkürzung an den Tennisplätzen vorbei. Es ist ein wolkenloser Maitag, und die Rosskastanien sind beladen mit Blütenkerzen. Leider habe ich kaum Zeit, sie eines Blickes zu würdigen. Schwitzend schiebe ich den Buggy über die holprige Wiese.
Auf einem Platz spielt ein junger Kerl mit seinem Trainer Tennis. Seine Beine sind sonnengebräunt und geschmeidig, und seine Bewegungen sind sportlich-dynamisch. Als ein leichter Wind sein schallendes Gelächter zu mir herüberträgt, werde ich daran erinnert, wie Jack früher war, bevor zu viel Arbeit, Elternschaft und unsere anhaltende finanzielle Krise ihn zu so einem ernsten Menschen gemacht haben.
Damals haben Jack und ich immer davon gesprochen, uns einmal die Woche in der Mittagspause zu treffen, um Tennis zu spielen. Das war mit ein Grund, warum wir uns eine Wohnung am Park gekauft haben, zumindest so nah dran, wie wir es uns leisten konnten. Doch in den drei Jahren, die wir hier wohnen, haben wir uns nicht einmal zum Lunch getroffen, geschweige denn zum Tennisspielen, und jetzt sprechen wir auch nicht mehr davon.
Bevor ich in Sichtweite des Spielplatzes komme, bleibe ich stehen und hole Jetzt geht es ins Bett raus, das Lieblingsbuch meines Sohnes Ben. Ich schlage es an der Stelle auf, wo Buster sich die Zähne putzt. Auf einer der bunten Seiten ist ein Spiegel aus Stanniolpapier aufgeklebt. Darin suche ich mein verzerrtes Gesicht nach verräterischen Spuren des verbotenen Croissants ab, das ich vorhin gegessen habe, und nach verschmiertem Eyeliner von gestern. Alles in Ordnung, trotzdem wünschte ich mir, ich hätte mir die Haare gewaschen. Und ich wünschte, ich hätte die Ansätze nachgefärbt. Und als ich das Buch wieder in das Netz am Boden des Buggys zu dem ekligen Sammelsurium aus Bananenschalen und sandigen Feuchttüchern packe, wünschte ich mir vor allem, dass meine äußere Erscheinung keine Rolle spielen würde. Aber hier geht es um die Schlangen, und da spielen Äußerlichkeiten eine Rolle.
Glauben Sie mir, bei denen wird alles übertrieben. Wenn eine von uns neue Schuhe mit einem kleinen Absatz trägt, könnte sie genauso gut Stilettos tragen. Wenn eine Lippenstift auflegt, hat sie gleich eine Affäre. Und wenn eine von uns mal ein Pfund zunimmt, dann könnten es genauso gut gleich fünf Kilo sein.
Es ist, als würde man beruflich »Entdecke den Unterschied« spielen, und jeder Unterschied, der auffällt, wird sogleich einer kritischen Beurteilung unterzogen. Aus dem Grund hole ich das Buch noch einmal raus und frische sorgfältig mein Lipgloss auf, damit es so aussieht, als hätte ich gar keines aufgelegt. Denn ich hasse es, von diesen Treffen niedergeschlagen nach Hause zu gehen. Dann fühle ich mich mies, und ich glaube, das ertrage ich heute einfach nicht.
Die große weibliche Verschwörung
Das war natürlich nicht immer so. Zuerst war es toll, zu den Schlangen zu gehören, denn als ich mit Ben schwanger wurde, legte sich die erste Begeisterung über die dünne blaue Linie auf dem Schwangerschaftstest genauso rasch, wie sich Entsetzen breitmachte bei der Aussicht, ein Kind zu gebären.
Natürlich wusste ich, dass ich so etwas nicht empfinden durfte. Ich sollte mich ganz wie die Urmutter fühlen und selbstverständlich stolz sein. Doch innerlich fühlte ich mich wie Sigourney Weaver, die dem geifernden Alien gegenübersteht, und als ich an Umfang zunahm, hatte ich das Gefühl, der Alien hätte mich geschwängert und es wäre nur eine Frage der Zeit, bis sein Abkömmling sich den Weg nach draußen boxte.
Als ich mich also der örtlichen Schwangerengruppe anschloss und feststellte, dass ich mit meinen Ängsten nicht allein dastand, klammerte ich mich an sie wie an einen Rettungsring. Sie gaben mir das Gefühl, normal zu sein. Sie sprachen mit mir, als hätte ich durchaus noch ein funktionierendes Hirn und wäre nicht nur eine Zuchtstute auf zwei Beinen. Im Handumdrehen verbündeten wir uns angesichts all der schrecklichen Dinge, die wir vor unseren Männern zu verbergen versuchten: Krampfadern, die uns wie hungrige Würmer über die Leisten krochen, Haufen, auf die jeder Maulwurf stolz wäre, Dehnungsstreifen, die auf unseren Bäuchen auftauchten wie Umrisse auf einer Landkarte, und schmerzende Hüften, die uns humpeln ließen wie alte Frauen. Ganz zu schweigen von Brüsten, die tropften wie Softeis-Maschinen, Warzen und Leberflecken, die plötzlich merkwürdig aussahen und juckten, und unseren unmöglich buschigen Bikinizonen (keineswegs brasilianisch gewachst, eher kubanisch - wie Fidel Castros Bart).
Wir lernten, über all das zu lachen, genauso wie darüber, wie aufgedunsen sich unsere Gesichter anfühlten und dass wir regelmäßig in der Badewanne stecken blieben, während wir einander gleichzeitig versicherten, das sei nur unser Babybauch und wir hätten ansonsten überhaupt kein Gewicht zugelegt.
Dann haben wir alle in rascher Folge unsere Kinder bekommen und uns leichenblass wieder mit neuer Bedürftigkeit aneinandergeklammert, heilfroh, dass es auch noch andere Frauen gab, die ebenfalls das Gefühl hatten, nur knapp einen schrecklichen Autounfall überlebt zu haben. (Als »Vietnam« hat mein filmverrückter Jack Bens Geburt bezeichnet. »Wie eine Nacht auf dem Hamburger Hill.« In gewissem Sinne hatte er recht. Wir kamen uns vor wie Kriegsveteranen.)
Das Schlimmste war der Vertrauensbruch. Die Entdeckung der großen weiblichen Verschwörung. Es muss sie wohl geben, um die menschliche Rasse am Leben zu erhalten, doch Tatsache ist, dass einem niemand - vor allem nicht andere Frauen - die Wahrheit über die Geburt sagt.
Niemand spricht über das ganze gynäkologische Grauen, das es bedeutet, ein menschliches Wesen auf die Welt zu bringen. Niemand bereitet einen auf den Augenblick vor, in dem man feststellt, dass man einzig aus Fleisch besteht und nicht aus Make-up; dass man mehr Metzger ist als Body Shop - und dass diese Erkenntnis einen für immer verändern wird.
In den Wochen nach der Geburt trösteten wir uns also gegenseitig, wir Schlangen. In entsetztem Flüsterton vertrauten wir uns die blutigen Einzelheiten dessen an, was wir durchgemacht hatten. Wir weinten uns bei den anderen aus, versuchten tapfer, mit genähtem Dammschnitt, wunden Brustwarzen und schlaflosen Nächten klarzukommen, und taten dem Rest der Welt gegenüber so, als wären wir erfüllt von mütterlicher Gelassenheit.
Doch das Problem bei Frauen ist (wie jede Frau weiß), dass sich eine Gruppe von Frauen mit der Zeit in ein Hornissennest heimlicher Konkurrenz verwandelt. Was geschah also, sobald unsere Babys keine Neugeborenen mehr waren? Da gerieten wir ganz schnell in die Zickenzone.
Bald ging es nicht mehr darum, wie gut wir uns fühlten, sondern nur noch darum, wie gut wir uns machten. Wir fingen an, einander zu taxieren und unsere Leistungen als Mutter zu vergleichen - und fanden uns gegenseitig unzureichend.
Glaubensprobe
Ich atme tief durch und nähere mich mit einem strahlenden Lächeln unseren üblichen Tischen neben dem Sandkasten. Sie sind aus Holz und von der Art, wie man sie auch draußen vor Pubs findet, die Bänke sind fest mit dem Tisch verbunden. Ich erinnere mich, dass Jack so einen im Garten des Hauses stehen hatte, in dem er mal mit seinem besten Kumpel Matt wohnte. Nur dass der hier sehr viel weniger anziehend ist, denn es gibt weder Erdnüsse noch eiskaltes Bier, dafür aber geschmacksneutrale Grissini und klebrige Saftbecher im Überfluss.
Im Sandkasten tollen mehrere Kinder, die ich seit ihrer Geburt kenne. Eine der größten Überraschungen des Elternseins ist, dass die meisten Eigenschaften angeboren und nicht anerzogen sind, trotz des ganzen Mists, den sie einem im Fernsehen erzählen. Diese Kinder sind alle mit ihren eigenen Persönlichkeiten auf die Welt gekommen. Die Süßen sind süß, gleich von Anfang an, und die Gemeinen sind gemein. Das darf man natürlich niemals laut aussprechen, genauso wenig, wie man sagen darf, dass es durchaus möglich ist, die Nachkommenschaft anderer Leute einfach nicht ausstehen zu können.
Verstehen Sie mich nicht falsch - einige dieser Kinder mag ich wirklich. Und ich meine es ernst, wenn ich darüber Witze mache, dass wir auf der Party zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag wild und peinlich tanzen werden. Doch wir haben insgesamt acht Kinder. Statistisch gesehen wird eines von ihnen sich zu einem gefährlichen Kriminellen entwickeln.
Die Schlangen sind alle da und, wie es sich gehört, von einem Schutzwall aus Buggys umgeben. Camilla hält Hof. Ich könnte schwören, ihre Sonnenbräune stammt aus der Tube. Sie trägt ein hübsches Sommerkleid und Converse-Turnschuhe, sitzt mit gespreizten Beinen auf der Bank und schaukelt mit einer Hand ihren Bugaboo-Buggy (den teuersten im Angebot), in dem Teufel Tyler glücklicherweise schläft. Ihre andere Hand (mit diamantbesetztem Memoire-Ring geschmückt, den Gatte Geoff, leitender Angestellter bei der BBC, ihr in dem privaten Entbindungsheim nach der Geburt geschenkt hat) ruht demonstrativ auf ihrem runden Bauch. Sie ist schon in der sechzehnten Woche. Sie lacht Sophie an.
Sophie beteiligt sich nicht am Super-Mutti-Wettbewerb. Sie ist natürlich hübsch, mit Sommersprossen und Himmelfahrtsnase, trägt Kakihosen und Kopftücher und erlaubt flüchtige Blicke auf ihren flachen Bauch und die Spitze ihrer Tätowierung. »Womb Raider« nennt Jack sie immer mit einem beunruhigenden Augenzwinkern, genau, wie wenn er die echte Angelina Jolie im Fernsehen sieht. Das bereitet mir jedoch keine schlaflosen Nächte. Jack mag neugierig sein, aber er ist nicht der streunende Typ. Inzwischen jedenfalls nicht mehr.
Wer auf den freien Platz neben sich klopft, als sie mich sieht, ist die immer ein bisschen übertrieben begeisterte Faith. Modemäßig scheint Faith mit ihrer Rachel-aus-Friends-Gedächtnisfrisur in den neunziger Jahren stecken geblieben zu sein, doch heute fällt mir auf, dass auch sie neue Converse-Turnschuhe trägt. Ist sie Camilla womöglich gefolgt und hat heimlich dieselben Turnschuhe gekauft? Sagen wir mal so: Camilla würde auf keinen Fall Faith nachahmen.
»Ah, da bist du ja, Amy«, sagt Camilla lächelnd. Ich gebe allen Küsschen und setze mich auf den Platz neben Faith.
Irgendwie habe ich mich aber auch auf heute gefreut. Sehen wir den Tatsachen ins Auge, in meinem Alltag gibt es nicht viel, worauf ich mich freuen kann. Sogar so wenig, dass ich nicht mal mehr einen Terminkalender benutze. Zum einen sind da die immer wiederkehrenden Tätigkeiten, die meine Zeit ausfüllen:
ein regelmäßiger Kreislauf von Spülmaschine ausräumen, Lebensmittel einkaufen, Windeln wechseln und Waschmaschine füllen. Dann mein Programm mit Ben: Babyschwimmen am Montag, Bogaloo-Zwerge am Dienstag, Monkey Music am Mittwoch und Toben im Park am Donnerstag. (Freitags machen wir offensichtlich, was wir wollen.)
Zum anderen gibt es die gelegentlichen Treffen mit den Schlangen.
Doch in der Sekunde, in der ich mich dazugeselle, weiß ich wieder, was ich an alldem verabscheue. Wie ich nämlich festgestellt habe, ist Mutterschaft der große Gleichmacher. Ich könnte Spitzenanwältin oder Architektin sein oder sogar eine gefeierte Modedesignerin (was ich, wie ich einst dachte, in meinem jetzigen Alter sein würde), doch das zählt hier alles nicht.
Ein Kind im selben Alter zu haben wie Faith macht mich anscheinend zu einer Faith sehr ähnlichen Person. Nennen Sie mich ruhig einen Snob, aber Faith ist wirklich ziemlich dämlich. Aber womöglich so wie Faith zu sein weckt in mir den Wunsch, auszubrechen und etwas schrecklich Unbesonnenes zu tun. Wie zum Beispiel, ihr zu sagen, dass ich ihre permanente Gutmütigkeit unglaublich verlogen finde und dass ihre nervigen Vermutungen über mein Leben dumm und falsch sind. Und dass ich den Verdacht hege, dass sie unter der tugendhaften äußeren Fassade die giftigste aller Schlangen ist. »Oh. Er hat also immer noch diesen bösen Hautausschlag«, lautet Faiths Gesprächseröffnung. Sie zeigt auf den schlafenden Ben, der völlig erschöpft ist von dem mit Augenverdrehen, Spielzeug-durch-die-Gegend-Werfen und barbarischem Geschrei begleiteten Wutanfall, den er vorhin hatte, weil ich ihn in seinem Buggy festgeschnallt habe. (Man hätte glauben können, er wäre ein Gefangener, der unschuldig in den Todestrakt geraten ist und nun zum elektrischen Stuhl gezerrt wird.)
Schützend umfasse ich das Engelsgesicht meines lieben Söhnchens. Ein paar durch einen hysterischen Anfall ausgelöste Flecken sind noch lange kein böser Hautausschlag. Vor lauter schlechtem Gewissen und schuldbewusster Liebe zu meinem kleinen Jungen dreht sich mir das Herz um. Jetzt wünschte ich mir, ich hätte bei dem Wrestlingkampf, den ich mit ihm ausgetragen habe, nicht die Geduld verloren und ihn einen »kleinen Scheißkerl« genannt, weil ich seinetwegen zu spät kommen würde.
»Es geht ihm gut«, konstatiere ich in einem Tonfall, der dieses Thema hoffentlich sehr rasch abschließt.
Doch Faith hat so wenig Einfühlungsvermögen wie Stalin Talent zur Öffentlichkeitsarbeit.
»Könnten erste Anzeichen von Windpocken sein«, spekuliert sie.
Sie hofft eindeutig, dass es das ist. Ich würde nicht im Traum daran denken, ihre Tochter Amalie zu kritisieren oder deren Krankheiten schärfstens zu begutachten, als wären sie Schwächen. Ich würde es nicht wagen, meine Meinung zu der Tatsache zu äußern, dass Amalie - mit Sarahs Worten - »aussieht, als hätte sie einen leichten Stich«.
»Aber das ist ja verständlich, nicht wahr?«, fährt Faith fort. »Nach dem schrecklichen Husten, den er beim letzten Mal hatte, ist das Immunsystem vom armen kleinen Ben wahrscheinlich geschwächt ... Es geht gerade was um.«
Ich lächle so höflich wie möglich. »Vielleicht ist es auch die Vogelgrippe«, sage ich. »Man weiß nie ...«
Einen Augenblick lang hoffe ich, dass Faith diese Aussage als das betrachtet, was sie ist: als Witz. Doch weit gefehlt. Sie beugt sich vor.
»Ich habe Tamiflu zu Hause«, vertraut sie mir an. »Ich horte es seit Monaten. Ich habe genug, um dir ein oder zwei Schachteln abzugeben. Ich kann dir auch die Website verraten, wenn du willst.«
Ich weiß wirklich nicht, was ich darauf sagen soll, denn mein erster instinktiver Gedanke ist der, dass ich lieber mit den Massen umkommen würde, als mit Typen wie Faith eine solche Pandemie zu überleben.
Zum Glück lenkt Camilla unsere Aufmerksamkeit auf sich, indem sie sich verschwörerisch vorbeugt, mit einer rosafarbenen Flasche Tabletten rasselt und Sophie einen Blick zuwirft, woraufhin die ganze Gruppe kichert und gurrt. Natürlich, deshalb haben Camilla und Sophie so selbstgefällige Mienen aufgesetzt: Sophie ist schwanger.
Dann stellt sich in einer plötzlichen Welle von Geständnissen heraus, dass auch Faith, Linda und Abby aktiv an »Nummer zwei« arbeiten. Lan hält nur zwei Fäuste mit gedrückten Daumen hoch und schaut auf ihren Bauch hinunter (obwohl der so winzig ist, dass es an ein Wunder grenzt, wenn dort etwas von der Größe einer Olive, ganz zu schweigen von einem Fötus, Platz hätte). Camilla kreischt vor Entzücken und beginnt, Folsäure- und Vitamintabletten zu verteilen wie ein Teenager, der mit Ecstasy dealt.
Und dann geht es los.
...
Übersetzung: Petra Lingsminat und Elvira Willems
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
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Bibliographische Angaben
- Autoren: Josie Lloyd , Emlyn Rees
- 432 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3863650794
- ISBN-13: 9783863650797
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