Das vergessene Pergament
Anno Domini, 1412: In Köln, Straßburg, Regensburg, Chartres und Amiens stürzen Pfeiler ein, bersten Treppen, lösen sich Schlusssteine aus den Gewölben der Dome und Kathedralen - Strafe Gottes oder Teufelswerk?In einem fulminanten Roman erzählt Philipp...
Anno Domini, 1412: In Köln, Straßburg, Regensburg, Chartres und Amiens stürzen Pfeiler ein, bersten Treppen, lösen sich Schlusssteine aus den Gewölben der Dome und Kathedralen - Strafe Gottes oder Teufelswerk? In einem fulminanten Roman erzählt Philipp Vandenberg die abenteuerliche Geschichte des Dombaumeisters Ulrich von Ensingen und der schönen Bibliothekarstochter Afra, die durch Zufall in den Besitz eines geheimnisvollen Pergaments gelangen. Als die Liebenden begreifen, dass sie mit dieser Schrift ein Dokument in Händen halten, für das der Vatikan zu töten bereit ist, sind sie bereits in Lebensgefahr. Gnadenlos von der "Loge der Abtrünnigen" verfolgt, beginnt eine wilde Jagd durch die größten Kirchen Europas.
In einem fulminanten Roman erzählt Philipp Vandenberg die abenteuerliche Geschichte des Dombaumeisters Ulrich von Ensingen und der schönen Bibliothekarstochter Afra, die durch Zufall in den Besitz eines geheimnisvollen Pergaments gelangen. Als die Liebenden begreifen, dass sie mit dieser Schrift ein Dokument in Händen halten, für das der Vatikan zu töten bereit ist, sind sie bereits in Lebensgefahr. Gnadenlos von der "Loge der Abtrünnigen" verfolgt, beginnt eine wilde Jagd durch die größten Kirchen Europas ...
Das vergessene Pergament von Philipp Vandenberg
LESEPROBE
PrologTeufelsspuren
Nacht,tiefe Nacht lag über dem Straßburger Münster. Wie der Bug eines gestrandeten Schiffesragte das Langhaus turmlos in den Himmel. DieKathedrale war noch immer eine riesige Baustelle. Aus den engen Gassen drangvereinzelt Hundegebell zum Domplatz vor. Selbst der Gestank der Stadt, derwährend des Tages über den weiten Platz wehte, schien eingeschlafen. Das wardie Stunde der Ratten. Fette struppige Tiere krochen hungrig aus ihrenSchlupflöchern und huschten durch die Abfälle, die überall reichlichherumlagen. Längst hatten sie zum Inneren des Domes Zugang gefunden durch einenBrunnenschacht im Gebäude. Doch dort, wo die Menschen seelischeLabsal suchten, gab es keine Rattenbeute.
Eine halbeStunde nach Mitternacht versetzte ein mahlendes Geräusch die Domratten inUnruhe. So schnell es ihre fetten Leiber zuließen, verschwanden sie in ihrenVerstecken. Nur hier und da ragte ein kahler Schwanz hervor. Das Geräusch kam näher,wurde lauter. Es hörte sich an, als riebe Stein auf Stein. Dann erneutesSchaben, Kratzen, Scharren - es war, als arbeitete sich der Teufel mit spitzenKrallen an den Wänden hoch. Dann wieder Stille. Man hätte Sand hören können,der zu Boden rieselt. Plötzlich, als rollte ein gewaltiges Gewitter heran,schien es, als rumpelte ein Wagen durch den dunklen Chorraum der Kathedrale,dann hörte man das Krachen und Bersten zerspringenden Sandsteins. Wie bei einemErdbeben erzitterten die fein gegliederten Pfeiler. Eine riesige Staubwolkedrang bis in die entlegensten Winkel vor. Wiederwurde es still, und bald schon krochen die Ratten aus ihren Löchern hervor.
Eine Stundemochte vergangen sein, als das Mahlen und Kratzen erneut einsetzte, so als obein unsichtbarer Steinmetz sich am Dombau zu schaffen machte. Oder versuchteLuzifer den Dom mit einer riesigen Brechstange zum Einsturz zu bringen? Mankonnte geradezu fühlen, wie das Mauerwerk in Bewegung geriet. Stundenlang ginges so, bis im Osten das erste Grau des Morgens heraufzog. Noch hatte keiner vonden Straßburger Bürgern, deren ganzer Stolz die Kathedrale war, bemerkt, was indieser Nacht passiert war.
Am frühenMorgen machte sich der Küster auf den Weg zum Dom. Das Hauptportal warverschlossen, so wie er es am Vorabend zurückgelassen hatte. Er rieb sich dieAugen, als er das Langhaus des Münsters betrat. Inmitten des Kirchenschiffs,dort wo sich Langhaus und Querschiff kreuzten, lagen Gesteinsbrocken herum,Teile eines geborstenen Quaders, der sich aus dem Gewölbe gelöst hatte.
Beim Näherkommen entdeckte der Küster linker Hand einen Pfeiler,der zur Hälfte in der Luft hing, weil ihm der Sockel abhanden gekommen war.Gesteinsreste lagen im Umkreis verstreut wie übel riechendes Futter, das voneinem gefräßigen Ungeheuer zurückgelassen worden war. Fassungslos betrachtete derKüster das Bild der Zerstörung, unfähig, sich von der Stelle zu bewegen.Schließlich stürzte er schreiend und wie von Furien gejagt aus der Kathedraleund rannte, so schnell ihn seine alten Beine trugen,hinüber zur Dombauhütte, um zu berichten, was er mit eigenen Augen gesehenhatte.
DerDombaumeister, ein Künstler seines Fachs und über die Grenzen des Landesberühmt für sein Können und die Exaktheit seinerBerechnungen, brachte kein Wort hervor, als er sah, was sich in der Nachtereignet hatte. Von Natur aus eher den Erkenntnissen der Wissenschaft zugetan,der Physik und Arithmetik, stand er jedem Wunderglauben ablehnend gegenüber. Aberan diesem Morgen kamen ihm ernsthafte Zweifel. Nur ein Wunder war in der Lage,die Kathedrale zum Einsturz zu bringen. Und wenn er den sorgfältig herausgetrennten Schlussstein des Gewölbes betrachtete,dann kam dies einem Wunder gleich, einem teuflischenWunder allerdings.
Wie einLauffeuer verbreitete sich die Nachricht, zuerst in derStadt, schon bald aber im ganzen Land, der Teufel wolle die Kathedrale vonStraßburg zum Einsturz bringen, weil sie, ein Menschenwerk, dem Himmel näherkomme, als dem Leibhaftigen lieb sein konnte. Und bald darauf meldeten sich dieersten Augenzeugen, die in der fraglichen Nacht dem Teufel von Angesicht zuAngesicht begegnet sein wollten. Unter ihnen der Landvermesser, eingottesfürchtiger Mann, wenngleich kein Frömmler. Er behauptete öffentlich, erhabe des Nachts eine hinkende Gestalt beobachtet mit einem Pferdefuß, diemehrmals mit großen Sprüngen die Kathedrale umrundete.
Seitherwagte sich keiner von den Straßburger Bürgern mehr in die stolze Kathedrale,bis Bischof Wilhelm erschien und mit einem Wedel aus feinstem Dachshaargeweihtes Wasser verspritzte im Namen des Allerhöchsten.
Nochwährend '73ich die Nachricht rheinabwärts verbreitete, während Maurer,Steinschneider und Steinmetze forschten, ob die Auflösungserscheinungen ihresDomes nicht eine natürliche Ursache haben könnten, geschah auch andernorts dasUnfassbare. In Köln, wo Meister Arnold einen Dom errichten wollte nach demVorbild der Kathedrale von Amiens, gerieten des Nachts die steinernenPfeilerfiguren Mariens und Petri, des Apostels, denender halb fertige Dom geweiht war, in Bewegung. Ächzend, als litten sie unterihrer eigenen Last, lösten sie sich von ihrem Sockel, drehten sich wie im Tanzum die eigene Achse und stürzten kopfüber in die Tiefe - nicht gleichzeitig wiedurch ein Erdbeben verursacht, sondern als hätten sie sich abgesprochen einenach der anderen in einer einzigen Nacht.
DenSteinmetzen, die nach einer stürmischen Nacht als Erste den Dom betraten, botsich ein geisterhaftes Bild. Arme, Beine und Köpfe mit jenem Lächeln, das sieunter Anstrengung dem harten Stein abgerungen hatten, lagen am Boden verstreutwie billige Innereien, die auf dem nahen Markt feilgeboten wurden. Obwohl siebekannt waren für die Härte ihres Charakters, begannen die Männer zu weinen inhilfloser Wut. Andere blickten ängstlich, ob nicht der Satan persönlich hintereinem der Pfeiler hervorträte, mit hämischem Grinsen im Gesicht und krächzenderStimme.
Bei näheremHinsehen entdeckten die Steinmetze Goldmünzen im Schutt, ein kleines Vermögenwert und für viele der Hinweis, dass der Teufel stets mit barer Münze bezahle.Verächtlich und angewidert blickten die Männer auf das leuchtende Münzgold, undkaum einer wagte sich näher als zehn Fuß an das Teufelsgeld heran.
Endlichtraf der Bischof, halb bekleidet und unordentlich, als habe er sich gerade erstaus den Armen einer Konkubine gelöst, am Schauplatz ein. Leise Gebete murmelnd- oder waren es gar Flüche? -, drängte er die Gaffer beiseite und besah sichden Schaden. Als er die Goldstücke erblickte, begann er die Münzen aufzuklauben.Eine nach der anderen verschwand in der Tasche seines Chorrocks. Bedenken der Steinmetze, es handle sich um Teufelsgeld, wischte ermit einer unwilligen Handbewegung beiseite und der Bemerkung, Geld sei Geld, imÜbrigen habe nicht der Teufel, sondern er selbst vor Jahr und Tag dieGoldmünzen unter dem Sockel des heiligen Petrus einmauern lassen, als Zeugnisfür die Nachwelt. ( )
© VerlagsgruppeLübbe
- Autor: Philipp Vandenberg
- 2007, Neuauflage, 512 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 12,2 x 18,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404157788
- ISBN-13: 9783404157785
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