Der Beste zum Kuss / Stephanie Plum Bd.16
Ein Stephanie-Plum-Roman
Stephanie Plums Cousin Vinnie ist wegen Spielschulden entführt worden. Und Stephanie soll ihn aufspüren. Ein Glück, dass sie mit solchen Dingen Erfahrung hat. Nur wo soll sie so viel Kohle herkriegen, um Vinnie freizukaufen? Na, wenigstens...
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Buch (Kartoniert)
14.99 €
Produktdetails
Produktinformationen zu „Der Beste zum Kuss / Stephanie Plum Bd.16 “
Stephanie Plums Cousin Vinnie ist wegen Spielschulden entführt worden. Und Stephanie soll ihn aufspüren. Ein Glück, dass sie mit solchen Dingen Erfahrung hat. Nur wo soll sie so viel Kohle herkriegen, um Vinnie freizukaufen? Na, wenigstens hat sie diesmal zwei Männer an ihrer Seite, die Glück bringen.
Lese-Probe zu „Der Beste zum Kuss / Stephanie Plum Bd.16 “
Der Beste zum Kuss von Janet Evanovich1
... mehr
Mein Onkel Pip ist gestorben und hat mir seine Glücksflasche hinterlassen. Ich sollte eigentlich froh darüber sein, denn meiner Grandma Mazur hat er seine dritten Zähne vermacht. Trotzdem weiß ich nicht so recht, was ich mit der Flasche anfangen soll. Einen Kaminsims, auf den ich sie stellen könnte, habe ich nämlich nicht. Ich heiße Stephanie Plum und wohne in einem mickrigen, kleinen Apartment am Stadtrand von Trenton, New Jersey. Die Wohnung teile ich mir mit meinem Hamster Rex, der auch keinen blassen Schimmer hat, was er mit der Flasche anstellen soll. Sie hat die Größe und Form einer Bierflasche. Das Glas ist rot und sieht aus, als wäre es mundgeblasen. Die Buddel ist nicht abgrundtief hässlich, zumindest Biertrinkern müsste sie gefallen, aber eine exotische Schönheit ist sie auch nicht gerade. Und bis jetzt hat sie mir nicht besonders viel Glück gebracht. Sie steht in der Küche auf der Arbeitsfläche zwischen Rex' Hamsterkäfig und der Plätzchendose, in der ich meine Waffe verwahre. Es war ein Montagmorgen Mitte Juni, Lula war bei mir. Sie holte mich ab, weil meine Schrottkarre kaputt war und ich irgendwie zur Arbeit kommen musste.
»Huch!«, machte Lula. »Was ist denn das für eine rote Flasche neben dem Hamsterkäfig?«
»Das ist meine Glücksflasche.«
»Aha, und was soll daran Glück bringen? Danach sieht sie mir aber nicht aus. Eher wie eins von diesen Nobelbieren, nur mit einem schicken Glaspfropfen obendrauf.«
»Die habe ich von Onkel Pip geerbt.«
»Onkel Pip kenne ich noch«, sagte Lula. »Der war schon steinalt, oder? Hatte so ein fettes Geschwür auf der Stirn. Das war doch der Opa, der vor ein paar Wochen bei einem Gewitter aus dem Seniorenwohnheim marschiert ist, auf ein heruntergefallenes Stromkabel gepinkelt hat und dabei einen tödlichen Stromschlag versetzt bekam.«
»Jep. Das war Onkel Pip.«
Ich bin Kautionsdetektivin und arbeite für meinen Vetter Vinnie. Lula ist Büroangestellte, Fahrerin und Modepäpstin in einer Person. Mit Vorliebe stellt sie sich der Herausforderung, ihren voluminösen Körper in einen giftgrünen Stretch-Minirock der Größe 34 und ein Oberteil mit LeoPrint zu quetschen, und irgendwie kriegt sie das sogar hin. Lulas Haut ist schokobraun, das Haar diese Woche feuerrot, und ihre vorlaute Art macht sie zu einem hundertprozentigen Jersey Girl.
Ich bin ein paar Zentimeter größer, und wo Lulas Körper üppig wogt, bringe ich es nur auf 75B. Mein Kleidungsstil beschränkt sich auf enge Stretch-T-Shirts, Jeans und Sneakers. Meine Haut ist das Gegenteil von schokobraun, mein von Natur aus lockiges, schulterlanges Haar langweilig braun und oft zu einem Pferdschwanz nach hinten gebunden. Meine Augen sind blau, und so richtig auf den Putz zu hauen traue ich mich bis heute nicht.
Ich warf mir meine Tasche über die Schulter und schob Lula zur Tür. »Wir müssen los. Connie hat vor zehn Minuten angerufen, und sie war total durch den Wind.«
»Ja, und?«, gab Lula zurück. »Wann ist Connie denn mal nicht durch den Wind?«
Connie Rosolli ist die Büroleiterin der Kautionsagentur. Ich habe halb italienische, halb ungarische Vorfahren. Connie ist durch und durch Italienerin. Sie ist ein paar Jährchen älter als ich, hat mehr Haare und stets manikürte Hände. Ihr Schreibtisch ist strategisch vor Vinnies Tür platziert, um geprellte Buchmacher, Gerichtsboten, Nutten mit akutem Lippenherpes und die kranken Spinner auszubremsen, die unter dem Einfluss von irgendwelchen Suchtmitteln vom schnellen Geld träumen.
An einem verkehrsarmen Tag bin ich in zehn Minuten im Büro. Heute war mehr los auf der Straße. Lula brauchte zwanzig Minuten, um ihren roten Firebird über die Hamilton Avenue zu quälen. Vinnies Kautionsagentur liegt an der Hamilton, gleich nach dem Krankenhaus, zwischen einer Reinigung und einem Antiquariat. Der vordere Raum hat große Schaufenster, im hinteren Büro versteckt sich Vinnie, und hinter den Aktenschränken befindet sich Stauraum für so gut wie alles - von Waffen und Munition bis hin zu den George-Foreman-Grills, die so lange bei uns zwischengelagert werden, bis der Barbecue-Freak, dem das Zeug gehört, vor Gericht erscheint und sein Pfand zurückbekommt.
Lula parkte am Straßenrand, und wir stürzten in die Büroräume. Lula warf sich auf die braune Kunstledercouch an der Wand, ich setzte mich auf den orangefarbenen Plastikstuhl direkt vor Connies Schreibtisch. Die Tür zu Vinnies Büro stand offen, der Chef war nicht da.
»Was ist los?«, fragte ich Connie.
»Mickey Gritch hat sich Vinnie geschnappt. Gestern Abend auf der Stark Street, Ecke Thirteenth. Vinnie hatte die Hose gerade runtergelassen, muss ziemlich peinlich gewesen sein. Und soweit ich mir das zusammenreimen konnte, haben Gritch und zwei seiner Leute Vinnie unter Waffengewalt in einen Cadillac Escalade gezerrt und sind mit ihm abgehauen.«
»Die Ecke kenn ich«, sagte Lula. »Da arbeitet Maureen Brown. Früher hab ich viel mit ihr zu tun gehabt, als ich noch anschaffen ging. Maureen war nicht ganz so gut wie ich, aber sie war auch keine Billignutte.«
Bevor Lula anfing, bei Vinnie die Ablage zu machen, ist sie auf den Strich gegangen. Sie hatte einen holprigen Start ins Leben, aber sie reißt sich echt am Riemen, und wer weiß - vielleicht schafft sie es irgendwann sogar noch und wird Gouverneurin von New Jersey.
»Jedenfalls glaube ich, Vinnie hatte eine Pechsträhne beim Zocken. Er schuldet Mickey 786 000 Mäuse«, sagte Connie.
»Wow!«, machte Lula. »Ganz schön viel Kohle.«
»Ein Teil davon sind Zinsen«, erklärte Connie. »Die sind vielleicht verhandelbar.«
So lange ich zurückdenken konnte, war Mickey Gritch Vinnies Buchmacher. Es war auch nicht das erste Mal, dass Vinnie seinem Bookie etwas schuldete, aber ich wüsste nicht, dass es schon mal so viel gewesen wäre.
»Mickey Gritch arbeitet jetzt für Bobby Sunflower«, warf Lula ein. »Mit dem legt man sich besser nicht an.«
»Glaubst du, er meint es wirklich ernst?«, fragte ich Connie.
»Die Zeiten sind hart, und Mickey will sein Geld haben«, erklärte sie. »Er ist zu oft geprellt worden, jetzt soll an Vinnie ein Exempel statuiert werden. Wenn er nicht bis Ende der Woche die Knete zusammenkratzt, bringen sie ihn um.«
»Bobby Sunflower fackelt nicht lange«, ergänzte Lula. »Er hat Jimmy Sanchez verschwinden lassen ... für immer. Und noch eine Menge Leute mehr, wie ich gehört habe.«
»Bist du schon bei der Polizei gewesen?«, fragte ich Connie.
»Die wollte ich erst einmal aus der Sache raushalten. Vinnies Schulden sind illegale Wettschulden. Und so wie ich unseren Chef kenne, kann es sein, dass ein Teil des Geldes aus der Firma stammt. Bis letztes Jahr gehörte die Agentur Vinnies Schwiegervater, aber dann wurden wir an eine Risikokapitalgesellschaft aus Trenton verkauft. Die wird nicht einverstanden sein, wenn Vinnie mit ihrem Geld herumzockt. Wenn das rauskommt, sind wir vielleicht alle unseren Job los.«
»Was ist denn mit Vinnies Schwiegervater?«, fragte Lula. »Ist doch stadtbekannt, dass der einen Haufen Geld hat. Außerdem könnte er Bobby Sunflower unter Druck setzen.«
Vinnies Schwiegervater ist Harry der Hammer. Solange Vinnie sich gegenüber Harrys Tochter Lucille anständig verhält, ist alles in Butter, aber ich schätze, Harry wird nicht gerade begeistert sein, wenn er erfährt, dass Vinnie geschnappt wurde, als er eine Nutte von der Stark Street bumste.
»Gritch war schon bei Harry. Der wird ganz bestimmt nicht das Geld für Vinnie zusammenkratzen, sondern ihn zu Tode prügeln, falls Vinnie das Ganze lebendig übersteht«, bemerkte Connie.
»Na, damit wäre das ja geklärt«, sagte Lula. »Dann heißt es wohl adiós, Vinnie. Ich persönlich könnte jetzt was von Cluck-in-a-Bucket zum Frühstück vertragen. Hat jemand Lust, einen Happen zu holen?«
»Wenn es keinen Vinnie mehr gibt, gibt es auch keine Kautionsagentur mehr«, erklärte Connie. »Ohne Kautionsagentur bekommen wir kein Geld. Und wenn wir kein Geld bekommen, gibt's auch nichts mehr von Cluck-ina-Bucket.«
»Das ist nicht gut«, sagte Lula. »Ich bin an einen gewissen Lebensstandard gewöhnt. Cluck-in-a-Bucket ist einer meiner Hauptanlaufpunkte fürs Essen. Außerdem muss ich meine Rechnungen bezahlen. Und letzte Woche hab ich mir ein total geiles Paar Via Spigas geholt. Auf Pump, will ich sagen. Hab sie nur einmal angehabt, von daher könnte ich sie wohl zurückbringen. Obwohl ... dann hätte ich keine Schuhe mehr zu meinem neuen roten Kleid, und wegen dem Kleid habe ich für Freitag extra ein Date gemacht.«
»Wir haben keine große Wahl«, sagte Connie. »Diese Sache müssen wir wohl selbst in die Hand nehmen.«
Vinnie war wie ein Schmarotzerpilz an meinem Stammbaum. Er war ein guter Kautionsmakler, doch in jeder anderen Hinsicht ein Kotzbrocken. Vinnie besaß den Körperbau eines Frettchens, schmal und offenbar ohne Knochen. Sein braunes Haar trug er nach hinten gegelt, seine Hosen zu eng, die Schuhe zu spitz, und von seinen schäbigen Hemdknöpfen ließ er zu viele offen. Dazu legte er zig Ringe, Ketten, Armbänder und gelegentlich auch einen Ohrring an. Er ging auf jede Wette ein, beschlief alles, was nicht bei drei auf den Bäumen war, und hatte durchaus etwas übrig für schlüpfrige Abenteuer. Dennoch machte ich mir, ehrlich gesagt, Sorgen um Vinnie. Als es mir ziemlich dreckig ging und niemand mir Arbeit geben wollte, hat Vinnie mir geholfen. Okay, vorher hatte ich ihn erpressen müssen, aber letztendlich hat er mir diesen Job verschafft.
»Ich würde ja gerne helfen«, sagte ich, »aber so viel Geld habe ich nicht.«
Das war eine gewaltige Untertreibung. Ich hatte gar kein Geld. Mit meiner Miete war ich einen Monat im Rückstand, mein Wagen war Schrott, und der Hund meines Freundes hatte mein einziges Paar Turnschuhe gefressen. Die Bezeichnung »Freund« war etwas schwammig. Er heißt Joe Morelli, und ich weiß nicht genau, wie man unsere Beziehung beschreiben soll. Manchmal waren wir ziemlich sicher, dass es Liebe war, dann wieder glaubten wir, es sei Irrsinn. Morelli ist Zivilbulle in Trenton, er hat ein eigenes Haus, eine absolut schreckliche Oma, einen schlanken, durchtrainierten Körper und braune Augen, die mein Herz zum Aussetzen bringen können.
»Ich habe nicht von Geld geredet«, sagte Connie. »Du bist Kautionsdetektivin. Du treibst Leute auf. Du musst nichts weiter tun, als Vinnie aufzuspüren und herzubringen.«
»Oh nee. Nein, nein, nein. Keine gute Idee. Wir reden hier schließlich von Bobby Sunflower! Der ist ein absoluter Fiesling! Der wäre nicht gerade begeistert, wenn ich seine Geisel entführe.«
»He, Mädel«, sagte Lula. »Die lassen Vinnie die Luft raus, wenn du nichts unternimmst. Und du weißt ja wohl, was das heißt.«
»Keine Via Spigas mehr?«
»Darauf kannst du deinen Arsch verwetten.«
»Ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen soll«, sagte ich. »Du könntest mit Ranger anfangen«, schlug Lula vor. »Der weiß alles und hat eine Schwäche für dich.«
Ranger ist der zweite Mann in meinem Leben, und wenn ich gesagt habe, meine Beziehung zu Morelli sei schwer zu beschreiben, dann gibt es überhaupt keine Bezeichnung für meine Beziehung zu Ranger. Er war früher bei den Special Forces, ist jetzt Chef und Teilhaber einer Sicherheitsfirma und sieht umwerfend gut aus auf seine dunkle Latino-Art - Sex auf zwei Beinen. Ranger fährt teure schwarze Schlitten, trägt ausschließlich Schwarz und schläft nackt. Das weiß ich alles aus erster Hand. Außerdem weiß ich, dass dauerhafter Kontakt zu Ranger gefährlich ist. Er kann abhängig machen, und für ein katholisch erzogenes Mädchen wie mich ist das eine schlechte Abhängigkeit, da eine Eheschließung nicht Teil von Rangers Lebensplanung ist. Wenn man allerdings bedenkt, wie viele Feinde Ranger sich gemacht hat, gehört zu seiner Lebensplanung vielleicht nicht mal das Überleben.
»Hast du noch einen anderen Vorschlag als Ranger?«, fragte ich Lula.
»Klar. Ich hab jede Menge Vorschläge. Mickey Gritch ist leicht zu finden. Vinnie hat ihn in seiner Kartei. Ach was, Gritch hat bestimmt eine eigene Homepage und eine Facebook-Seite. «
»Weißt du, wo er wohnt? Wo er seine Geschäfte tätigt? Wo er Vinnie versteckt haben könnte?«
»Nein. Das weiß ich alles nicht«, erwiderte Lula. »He, wart mal kurz! Eins weiß ich doch. Ich weiß, wo er seine Geschäfte tätigt. Aus seinem Auto raus. Gritch fährt einen schwarzen Mercedes. Um das Kennzeichen rum hat er so eine rosa Ludenbeleuchtung. Manchmal sehe ich ihn auf dem Parkplatz neben dem 7-Eleven auf der Marble Street. Das liegt günstig, weil die Stadtverwaltung gleich um die Ecke ist. Wenn man den ganzen Tag im Amt sitzt, will man sich abends entweder die Kugel geben oder einen Wettschein kaufen.«
»Und Bobby Sunflower?«, wollte ich wissen.
»Wo der abhängt, weiß keiner. Der ist wie ein Phantom. Oder wie Rauch. Taucht auf und verschwindet wieder.«
»Wir könnten uns vielleicht vors 7-Eleven stellen und auf Gritch warten«, schlug ich vor.
»Moment mal«, sagte Connie. »Ich lasse ihn erst mal durch den Computer laufen. Wenn er ein Auto hat, kann ich euch sagen, wo er gemeldet ist.«
Die Leute stellen sich oft vor, dass Kautionsdetektive wie im Fernsehen Bösewichte durch enge Gassen jagen und mitten in der Nacht Türen eintreten. Ein paar Typen habe ich schon durch enge Gassen gejagt, aber die Kunst des Türeintretens habe ich noch nie beherrscht. Richtige Kautionsdetektive suchen hauptsächlich im Computer nach Personen, telefonieren herum und behaupten dabei, sie würden eine Umfrage durchführen oder Pizza ausliefern. Das Internet ist echt eine irre Erfindung. Connie hat Computerprogramme, mit deren Hilfe man das Zeugnis des Nachbarn aus der dritten Klasse einsehen kann.
»Von Gritch habe ich zwei Adressen«, sagte Connie. »Unter der einen wohnt er selbst, die andere ist die von seiner Schwester. Sie heißt Jean. Offenbar eine alleinerziehende Mutter. Arbeitet beim Straßenverkehrsamt. Auf Bobby Sunflower sind sechs Geschäftsadressen gemeldet. Ein Pfandleiher, eine Autowerkstatt, eine Waschanlage, ein Mietshaus auf der Stark Street, eine Oben-ohne-Bar und ein Beerdigungsinstitut.«
Übersetzt bedeutete das, dass Sunflower gestohlene Waren vertickte, gestohlene Autos ausschlachtete, Geld wusch, Frauen anschaffen ließ, und das Beerdigungsinstitut verfügte wahrscheinlich über ein Krematorium.
»Schätze mal, dass wir Vinnie davor bewahren müssen, Bobby Sunflowers Krematorium zu besuchen«, sagte Lula.
»Was ist mit meinen ganzen offenen Fällen?«, fragte ich Connie. »Letzte Woche hast du mir sechs Typen übergeben, die nicht vor Gericht erschienen sind. Und das waren nur die obersten Akten von einem großen Stapel. Ich kann nicht Vinnie suchen und gleichzeitig Verbrecher auftreiben.«
»Klar können wir das«, sagte Lula. »Die Hälfte von diesen Spinnern, die du suchst, hockt wahrscheinlich in Sunflowers Tittenbar. Ich würde sagen, wir beschatten sie ein bisschen, aber zuerst fahren wir zur Bäckerei. Ich habe meine Meinung geändert. Bin jetzt in der Stimmung für Donuts. «
Ich folgte Lula aus dem Büro, und drei Minuten später parkten wir draußen vor dem Tasty Pastry.
»Ich hol mir nur einen Donut«, erklärte Lula, als sie aus dem Firebird stieg. »Ich mach gerade eine neue Diät, bei der man von allem immer nur eins essen darf. Ich kann zum Beispiel eine Erbse essen. Oder eine Spargelstange. Oder ich kann ein ganzes Brot essen.«
Beim Betreten der Bäckerei verstummten wir und sogen den Geruch von süßem Teig und Puderzucker ein. Mit großen Augen betrachteten wir die Theken mit Kuchen und Törtchen, Plätzchen, Zimtschnecken, Donuts und Sahnecremegebäck.
»Ich weiß nicht, was ich will«, sagte Lula. »Wie soll ich mich da entscheiden? Das Angebot ist so was von groß, und ich darf nur einen Donut haben. Ich darf hier keinen Fehler machen. Das ist echt schwierig. Wenn ich den falschen Donut nehme, kann mir das den Rest des Tages verderben.«
Ich ließ mir meine Donuts einpacken und bezahlte schon mal. Lula konnte sich immer noch nicht entscheiden, deshalb ging ich nach draußen, um in der Morgensonne zu warten. Ich überlegte, welchen der beiden Donuts ich zuerst essen sollte, doch bevor ich zu einem Entschluss kam, rollte Morellis grüner Geländewagen heran und blieb vor mir stehen.
Morelli stieg aus und kam herüber. Sein schwarzes Haar legte sich im Nacken und über den Ohren in Locken, aber nicht mit Absicht, sondern weil er es nicht für nötig befunden hatte, rechtzeitig zum Friseur zu gehen. Er hatte Jeans und Turnschuhe an, dazu ein blaues Button-down-Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln. Mit seinen eins achtzig war er einen halben Kopf größer als ich, sprich, wenn er nah genug war, konnte er mir von oben ins Tanktop schielen.
»Bist du im Dienst?«, fragte ich.
»Ja. Ich fahr die Straße hoch und runter, was Bullen eben so tun.« Er hakte seinen Finger in meinen Ausschnitt und schaute hinein.
»Herrgott noch mal!«, sagte ich.
»Ist schon 'ne Weile her. Ich wollte nur gucken, ob noch alles an seinem Platz ist.«
»Du könntest vorher fragen!«
»Wenn ich errate, was in der Tüte ist, bekomme ich dann einen Donut ab?«
»Nein.«
»Du hast einen mit Vanillecreme und einen mit Gelee.« Ich sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Woher weißt du das?«
»Die holst du dir immer.«
Die Tür der Bäckerei wurde aufgestoßen, und Lula kam herausgestapft. »Alles klar«, sagte sie. »Jetzt bin ich so weit und kann Vinnie retten.« Als sie sah, dass Morelli neben mir stand, blieb sie abrupt stehen. »Ups.«
»Vinnie retten?«, fragte Morelli.
»Er ist irgendwie nicht aufzutreiben«, erklärte ich.
Morelli holte den Donut mit Vanillecreme aus der Tüte, biss die Hälfte ab und gab mir den Rest zurück. »Man hört, dass viele Leute alles andere als zufrieden mit Vinnie sind. Angeblich hat er einen Berg Schulden. Braucht ihr Hilfe?«
»Muss ich dafür Anzeige erstatten?«
»Nein, aber du müsstest mir den Rest des Donuts geben.«
»Danke für das Angebot. Ich glaube, ich versuch's erst mal auf eigene Faust, und gucke, was sich ergibt.«
Morelli gab mir einen kurzen Schmatzer und lief zurück zu seinem Wagen.
Ich sah, dass Lula zwei Tüten in der Hand hatte. »Ich dachte, du wolltest dir nur einen Donut holen.«
»Hab ich auch gemacht. Genau einen von jeder Sorte. Ich sage dir, das ist eine herrliche Diät.«
Wir setzten uns an den kleinen Tisch vor der Bäckerei und aßen unser Gebäck, während ich die Akten von Mickey Gritch und Bobby Sunflower überflog.
»Wir haben die Adressen von Gritch und seiner Schwester, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er Vinnie an einem von beiden Orten versteckt hat«, sagte ich. »Bleiben die Firmen von Bobby Sunflower. Der Pfandleiher ist auf der Market Street, die Waschanlage in Hamilton Township, der Rest auf der Stark Street. Fahren wir da mal vorbei und gucken, ob uns irgendwas anspringt.«
»Wir können auch als Erstes zur Waschanlage fahren«, meinte Lula. »Wenn die einen guten Eindruck macht, lasse ich dort meinen Firebird waschen.«
...
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2012
by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House Gmb
Mein Onkel Pip ist gestorben und hat mir seine Glücksflasche hinterlassen. Ich sollte eigentlich froh darüber sein, denn meiner Grandma Mazur hat er seine dritten Zähne vermacht. Trotzdem weiß ich nicht so recht, was ich mit der Flasche anfangen soll. Einen Kaminsims, auf den ich sie stellen könnte, habe ich nämlich nicht. Ich heiße Stephanie Plum und wohne in einem mickrigen, kleinen Apartment am Stadtrand von Trenton, New Jersey. Die Wohnung teile ich mir mit meinem Hamster Rex, der auch keinen blassen Schimmer hat, was er mit der Flasche anstellen soll. Sie hat die Größe und Form einer Bierflasche. Das Glas ist rot und sieht aus, als wäre es mundgeblasen. Die Buddel ist nicht abgrundtief hässlich, zumindest Biertrinkern müsste sie gefallen, aber eine exotische Schönheit ist sie auch nicht gerade. Und bis jetzt hat sie mir nicht besonders viel Glück gebracht. Sie steht in der Küche auf der Arbeitsfläche zwischen Rex' Hamsterkäfig und der Plätzchendose, in der ich meine Waffe verwahre. Es war ein Montagmorgen Mitte Juni, Lula war bei mir. Sie holte mich ab, weil meine Schrottkarre kaputt war und ich irgendwie zur Arbeit kommen musste.
»Huch!«, machte Lula. »Was ist denn das für eine rote Flasche neben dem Hamsterkäfig?«
»Das ist meine Glücksflasche.«
»Aha, und was soll daran Glück bringen? Danach sieht sie mir aber nicht aus. Eher wie eins von diesen Nobelbieren, nur mit einem schicken Glaspfropfen obendrauf.«
»Die habe ich von Onkel Pip geerbt.«
»Onkel Pip kenne ich noch«, sagte Lula. »Der war schon steinalt, oder? Hatte so ein fettes Geschwür auf der Stirn. Das war doch der Opa, der vor ein paar Wochen bei einem Gewitter aus dem Seniorenwohnheim marschiert ist, auf ein heruntergefallenes Stromkabel gepinkelt hat und dabei einen tödlichen Stromschlag versetzt bekam.«
»Jep. Das war Onkel Pip.«
Ich bin Kautionsdetektivin und arbeite für meinen Vetter Vinnie. Lula ist Büroangestellte, Fahrerin und Modepäpstin in einer Person. Mit Vorliebe stellt sie sich der Herausforderung, ihren voluminösen Körper in einen giftgrünen Stretch-Minirock der Größe 34 und ein Oberteil mit LeoPrint zu quetschen, und irgendwie kriegt sie das sogar hin. Lulas Haut ist schokobraun, das Haar diese Woche feuerrot, und ihre vorlaute Art macht sie zu einem hundertprozentigen Jersey Girl.
Ich bin ein paar Zentimeter größer, und wo Lulas Körper üppig wogt, bringe ich es nur auf 75B. Mein Kleidungsstil beschränkt sich auf enge Stretch-T-Shirts, Jeans und Sneakers. Meine Haut ist das Gegenteil von schokobraun, mein von Natur aus lockiges, schulterlanges Haar langweilig braun und oft zu einem Pferdschwanz nach hinten gebunden. Meine Augen sind blau, und so richtig auf den Putz zu hauen traue ich mich bis heute nicht.
Ich warf mir meine Tasche über die Schulter und schob Lula zur Tür. »Wir müssen los. Connie hat vor zehn Minuten angerufen, und sie war total durch den Wind.«
»Ja, und?«, gab Lula zurück. »Wann ist Connie denn mal nicht durch den Wind?«
Connie Rosolli ist die Büroleiterin der Kautionsagentur. Ich habe halb italienische, halb ungarische Vorfahren. Connie ist durch und durch Italienerin. Sie ist ein paar Jährchen älter als ich, hat mehr Haare und stets manikürte Hände. Ihr Schreibtisch ist strategisch vor Vinnies Tür platziert, um geprellte Buchmacher, Gerichtsboten, Nutten mit akutem Lippenherpes und die kranken Spinner auszubremsen, die unter dem Einfluss von irgendwelchen Suchtmitteln vom schnellen Geld träumen.
An einem verkehrsarmen Tag bin ich in zehn Minuten im Büro. Heute war mehr los auf der Straße. Lula brauchte zwanzig Minuten, um ihren roten Firebird über die Hamilton Avenue zu quälen. Vinnies Kautionsagentur liegt an der Hamilton, gleich nach dem Krankenhaus, zwischen einer Reinigung und einem Antiquariat. Der vordere Raum hat große Schaufenster, im hinteren Büro versteckt sich Vinnie, und hinter den Aktenschränken befindet sich Stauraum für so gut wie alles - von Waffen und Munition bis hin zu den George-Foreman-Grills, die so lange bei uns zwischengelagert werden, bis der Barbecue-Freak, dem das Zeug gehört, vor Gericht erscheint und sein Pfand zurückbekommt.
Lula parkte am Straßenrand, und wir stürzten in die Büroräume. Lula warf sich auf die braune Kunstledercouch an der Wand, ich setzte mich auf den orangefarbenen Plastikstuhl direkt vor Connies Schreibtisch. Die Tür zu Vinnies Büro stand offen, der Chef war nicht da.
»Was ist los?«, fragte ich Connie.
»Mickey Gritch hat sich Vinnie geschnappt. Gestern Abend auf der Stark Street, Ecke Thirteenth. Vinnie hatte die Hose gerade runtergelassen, muss ziemlich peinlich gewesen sein. Und soweit ich mir das zusammenreimen konnte, haben Gritch und zwei seiner Leute Vinnie unter Waffengewalt in einen Cadillac Escalade gezerrt und sind mit ihm abgehauen.«
»Die Ecke kenn ich«, sagte Lula. »Da arbeitet Maureen Brown. Früher hab ich viel mit ihr zu tun gehabt, als ich noch anschaffen ging. Maureen war nicht ganz so gut wie ich, aber sie war auch keine Billignutte.«
Bevor Lula anfing, bei Vinnie die Ablage zu machen, ist sie auf den Strich gegangen. Sie hatte einen holprigen Start ins Leben, aber sie reißt sich echt am Riemen, und wer weiß - vielleicht schafft sie es irgendwann sogar noch und wird Gouverneurin von New Jersey.
»Jedenfalls glaube ich, Vinnie hatte eine Pechsträhne beim Zocken. Er schuldet Mickey 786 000 Mäuse«, sagte Connie.
»Wow!«, machte Lula. »Ganz schön viel Kohle.«
»Ein Teil davon sind Zinsen«, erklärte Connie. »Die sind vielleicht verhandelbar.«
So lange ich zurückdenken konnte, war Mickey Gritch Vinnies Buchmacher. Es war auch nicht das erste Mal, dass Vinnie seinem Bookie etwas schuldete, aber ich wüsste nicht, dass es schon mal so viel gewesen wäre.
»Mickey Gritch arbeitet jetzt für Bobby Sunflower«, warf Lula ein. »Mit dem legt man sich besser nicht an.«
»Glaubst du, er meint es wirklich ernst?«, fragte ich Connie.
»Die Zeiten sind hart, und Mickey will sein Geld haben«, erklärte sie. »Er ist zu oft geprellt worden, jetzt soll an Vinnie ein Exempel statuiert werden. Wenn er nicht bis Ende der Woche die Knete zusammenkratzt, bringen sie ihn um.«
»Bobby Sunflower fackelt nicht lange«, ergänzte Lula. »Er hat Jimmy Sanchez verschwinden lassen ... für immer. Und noch eine Menge Leute mehr, wie ich gehört habe.«
»Bist du schon bei der Polizei gewesen?«, fragte ich Connie.
»Die wollte ich erst einmal aus der Sache raushalten. Vinnies Schulden sind illegale Wettschulden. Und so wie ich unseren Chef kenne, kann es sein, dass ein Teil des Geldes aus der Firma stammt. Bis letztes Jahr gehörte die Agentur Vinnies Schwiegervater, aber dann wurden wir an eine Risikokapitalgesellschaft aus Trenton verkauft. Die wird nicht einverstanden sein, wenn Vinnie mit ihrem Geld herumzockt. Wenn das rauskommt, sind wir vielleicht alle unseren Job los.«
»Was ist denn mit Vinnies Schwiegervater?«, fragte Lula. »Ist doch stadtbekannt, dass der einen Haufen Geld hat. Außerdem könnte er Bobby Sunflower unter Druck setzen.«
Vinnies Schwiegervater ist Harry der Hammer. Solange Vinnie sich gegenüber Harrys Tochter Lucille anständig verhält, ist alles in Butter, aber ich schätze, Harry wird nicht gerade begeistert sein, wenn er erfährt, dass Vinnie geschnappt wurde, als er eine Nutte von der Stark Street bumste.
»Gritch war schon bei Harry. Der wird ganz bestimmt nicht das Geld für Vinnie zusammenkratzen, sondern ihn zu Tode prügeln, falls Vinnie das Ganze lebendig übersteht«, bemerkte Connie.
»Na, damit wäre das ja geklärt«, sagte Lula. »Dann heißt es wohl adiós, Vinnie. Ich persönlich könnte jetzt was von Cluck-in-a-Bucket zum Frühstück vertragen. Hat jemand Lust, einen Happen zu holen?«
»Wenn es keinen Vinnie mehr gibt, gibt es auch keine Kautionsagentur mehr«, erklärte Connie. »Ohne Kautionsagentur bekommen wir kein Geld. Und wenn wir kein Geld bekommen, gibt's auch nichts mehr von Cluck-ina-Bucket.«
»Das ist nicht gut«, sagte Lula. »Ich bin an einen gewissen Lebensstandard gewöhnt. Cluck-in-a-Bucket ist einer meiner Hauptanlaufpunkte fürs Essen. Außerdem muss ich meine Rechnungen bezahlen. Und letzte Woche hab ich mir ein total geiles Paar Via Spigas geholt. Auf Pump, will ich sagen. Hab sie nur einmal angehabt, von daher könnte ich sie wohl zurückbringen. Obwohl ... dann hätte ich keine Schuhe mehr zu meinem neuen roten Kleid, und wegen dem Kleid habe ich für Freitag extra ein Date gemacht.«
»Wir haben keine große Wahl«, sagte Connie. »Diese Sache müssen wir wohl selbst in die Hand nehmen.«
Vinnie war wie ein Schmarotzerpilz an meinem Stammbaum. Er war ein guter Kautionsmakler, doch in jeder anderen Hinsicht ein Kotzbrocken. Vinnie besaß den Körperbau eines Frettchens, schmal und offenbar ohne Knochen. Sein braunes Haar trug er nach hinten gegelt, seine Hosen zu eng, die Schuhe zu spitz, und von seinen schäbigen Hemdknöpfen ließ er zu viele offen. Dazu legte er zig Ringe, Ketten, Armbänder und gelegentlich auch einen Ohrring an. Er ging auf jede Wette ein, beschlief alles, was nicht bei drei auf den Bäumen war, und hatte durchaus etwas übrig für schlüpfrige Abenteuer. Dennoch machte ich mir, ehrlich gesagt, Sorgen um Vinnie. Als es mir ziemlich dreckig ging und niemand mir Arbeit geben wollte, hat Vinnie mir geholfen. Okay, vorher hatte ich ihn erpressen müssen, aber letztendlich hat er mir diesen Job verschafft.
»Ich würde ja gerne helfen«, sagte ich, »aber so viel Geld habe ich nicht.«
Das war eine gewaltige Untertreibung. Ich hatte gar kein Geld. Mit meiner Miete war ich einen Monat im Rückstand, mein Wagen war Schrott, und der Hund meines Freundes hatte mein einziges Paar Turnschuhe gefressen. Die Bezeichnung »Freund« war etwas schwammig. Er heißt Joe Morelli, und ich weiß nicht genau, wie man unsere Beziehung beschreiben soll. Manchmal waren wir ziemlich sicher, dass es Liebe war, dann wieder glaubten wir, es sei Irrsinn. Morelli ist Zivilbulle in Trenton, er hat ein eigenes Haus, eine absolut schreckliche Oma, einen schlanken, durchtrainierten Körper und braune Augen, die mein Herz zum Aussetzen bringen können.
»Ich habe nicht von Geld geredet«, sagte Connie. »Du bist Kautionsdetektivin. Du treibst Leute auf. Du musst nichts weiter tun, als Vinnie aufzuspüren und herzubringen.«
»Oh nee. Nein, nein, nein. Keine gute Idee. Wir reden hier schließlich von Bobby Sunflower! Der ist ein absoluter Fiesling! Der wäre nicht gerade begeistert, wenn ich seine Geisel entführe.«
»He, Mädel«, sagte Lula. »Die lassen Vinnie die Luft raus, wenn du nichts unternimmst. Und du weißt ja wohl, was das heißt.«
»Keine Via Spigas mehr?«
»Darauf kannst du deinen Arsch verwetten.«
»Ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen soll«, sagte ich. »Du könntest mit Ranger anfangen«, schlug Lula vor. »Der weiß alles und hat eine Schwäche für dich.«
Ranger ist der zweite Mann in meinem Leben, und wenn ich gesagt habe, meine Beziehung zu Morelli sei schwer zu beschreiben, dann gibt es überhaupt keine Bezeichnung für meine Beziehung zu Ranger. Er war früher bei den Special Forces, ist jetzt Chef und Teilhaber einer Sicherheitsfirma und sieht umwerfend gut aus auf seine dunkle Latino-Art - Sex auf zwei Beinen. Ranger fährt teure schwarze Schlitten, trägt ausschließlich Schwarz und schläft nackt. Das weiß ich alles aus erster Hand. Außerdem weiß ich, dass dauerhafter Kontakt zu Ranger gefährlich ist. Er kann abhängig machen, und für ein katholisch erzogenes Mädchen wie mich ist das eine schlechte Abhängigkeit, da eine Eheschließung nicht Teil von Rangers Lebensplanung ist. Wenn man allerdings bedenkt, wie viele Feinde Ranger sich gemacht hat, gehört zu seiner Lebensplanung vielleicht nicht mal das Überleben.
»Hast du noch einen anderen Vorschlag als Ranger?«, fragte ich Lula.
»Klar. Ich hab jede Menge Vorschläge. Mickey Gritch ist leicht zu finden. Vinnie hat ihn in seiner Kartei. Ach was, Gritch hat bestimmt eine eigene Homepage und eine Facebook-Seite. «
»Weißt du, wo er wohnt? Wo er seine Geschäfte tätigt? Wo er Vinnie versteckt haben könnte?«
»Nein. Das weiß ich alles nicht«, erwiderte Lula. »He, wart mal kurz! Eins weiß ich doch. Ich weiß, wo er seine Geschäfte tätigt. Aus seinem Auto raus. Gritch fährt einen schwarzen Mercedes. Um das Kennzeichen rum hat er so eine rosa Ludenbeleuchtung. Manchmal sehe ich ihn auf dem Parkplatz neben dem 7-Eleven auf der Marble Street. Das liegt günstig, weil die Stadtverwaltung gleich um die Ecke ist. Wenn man den ganzen Tag im Amt sitzt, will man sich abends entweder die Kugel geben oder einen Wettschein kaufen.«
»Und Bobby Sunflower?«, wollte ich wissen.
»Wo der abhängt, weiß keiner. Der ist wie ein Phantom. Oder wie Rauch. Taucht auf und verschwindet wieder.«
»Wir könnten uns vielleicht vors 7-Eleven stellen und auf Gritch warten«, schlug ich vor.
»Moment mal«, sagte Connie. »Ich lasse ihn erst mal durch den Computer laufen. Wenn er ein Auto hat, kann ich euch sagen, wo er gemeldet ist.«
Die Leute stellen sich oft vor, dass Kautionsdetektive wie im Fernsehen Bösewichte durch enge Gassen jagen und mitten in der Nacht Türen eintreten. Ein paar Typen habe ich schon durch enge Gassen gejagt, aber die Kunst des Türeintretens habe ich noch nie beherrscht. Richtige Kautionsdetektive suchen hauptsächlich im Computer nach Personen, telefonieren herum und behaupten dabei, sie würden eine Umfrage durchführen oder Pizza ausliefern. Das Internet ist echt eine irre Erfindung. Connie hat Computerprogramme, mit deren Hilfe man das Zeugnis des Nachbarn aus der dritten Klasse einsehen kann.
»Von Gritch habe ich zwei Adressen«, sagte Connie. »Unter der einen wohnt er selbst, die andere ist die von seiner Schwester. Sie heißt Jean. Offenbar eine alleinerziehende Mutter. Arbeitet beim Straßenverkehrsamt. Auf Bobby Sunflower sind sechs Geschäftsadressen gemeldet. Ein Pfandleiher, eine Autowerkstatt, eine Waschanlage, ein Mietshaus auf der Stark Street, eine Oben-ohne-Bar und ein Beerdigungsinstitut.«
Übersetzt bedeutete das, dass Sunflower gestohlene Waren vertickte, gestohlene Autos ausschlachtete, Geld wusch, Frauen anschaffen ließ, und das Beerdigungsinstitut verfügte wahrscheinlich über ein Krematorium.
»Schätze mal, dass wir Vinnie davor bewahren müssen, Bobby Sunflowers Krematorium zu besuchen«, sagte Lula.
»Was ist mit meinen ganzen offenen Fällen?«, fragte ich Connie. »Letzte Woche hast du mir sechs Typen übergeben, die nicht vor Gericht erschienen sind. Und das waren nur die obersten Akten von einem großen Stapel. Ich kann nicht Vinnie suchen und gleichzeitig Verbrecher auftreiben.«
»Klar können wir das«, sagte Lula. »Die Hälfte von diesen Spinnern, die du suchst, hockt wahrscheinlich in Sunflowers Tittenbar. Ich würde sagen, wir beschatten sie ein bisschen, aber zuerst fahren wir zur Bäckerei. Ich habe meine Meinung geändert. Bin jetzt in der Stimmung für Donuts. «
Ich folgte Lula aus dem Büro, und drei Minuten später parkten wir draußen vor dem Tasty Pastry.
»Ich hol mir nur einen Donut«, erklärte Lula, als sie aus dem Firebird stieg. »Ich mach gerade eine neue Diät, bei der man von allem immer nur eins essen darf. Ich kann zum Beispiel eine Erbse essen. Oder eine Spargelstange. Oder ich kann ein ganzes Brot essen.«
Beim Betreten der Bäckerei verstummten wir und sogen den Geruch von süßem Teig und Puderzucker ein. Mit großen Augen betrachteten wir die Theken mit Kuchen und Törtchen, Plätzchen, Zimtschnecken, Donuts und Sahnecremegebäck.
»Ich weiß nicht, was ich will«, sagte Lula. »Wie soll ich mich da entscheiden? Das Angebot ist so was von groß, und ich darf nur einen Donut haben. Ich darf hier keinen Fehler machen. Das ist echt schwierig. Wenn ich den falschen Donut nehme, kann mir das den Rest des Tages verderben.«
Ich ließ mir meine Donuts einpacken und bezahlte schon mal. Lula konnte sich immer noch nicht entscheiden, deshalb ging ich nach draußen, um in der Morgensonne zu warten. Ich überlegte, welchen der beiden Donuts ich zuerst essen sollte, doch bevor ich zu einem Entschluss kam, rollte Morellis grüner Geländewagen heran und blieb vor mir stehen.
Morelli stieg aus und kam herüber. Sein schwarzes Haar legte sich im Nacken und über den Ohren in Locken, aber nicht mit Absicht, sondern weil er es nicht für nötig befunden hatte, rechtzeitig zum Friseur zu gehen. Er hatte Jeans und Turnschuhe an, dazu ein blaues Button-down-Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln. Mit seinen eins achtzig war er einen halben Kopf größer als ich, sprich, wenn er nah genug war, konnte er mir von oben ins Tanktop schielen.
»Bist du im Dienst?«, fragte ich.
»Ja. Ich fahr die Straße hoch und runter, was Bullen eben so tun.« Er hakte seinen Finger in meinen Ausschnitt und schaute hinein.
»Herrgott noch mal!«, sagte ich.
»Ist schon 'ne Weile her. Ich wollte nur gucken, ob noch alles an seinem Platz ist.«
»Du könntest vorher fragen!«
»Wenn ich errate, was in der Tüte ist, bekomme ich dann einen Donut ab?«
»Nein.«
»Du hast einen mit Vanillecreme und einen mit Gelee.« Ich sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Woher weißt du das?«
»Die holst du dir immer.«
Die Tür der Bäckerei wurde aufgestoßen, und Lula kam herausgestapft. »Alles klar«, sagte sie. »Jetzt bin ich so weit und kann Vinnie retten.« Als sie sah, dass Morelli neben mir stand, blieb sie abrupt stehen. »Ups.«
»Vinnie retten?«, fragte Morelli.
»Er ist irgendwie nicht aufzutreiben«, erklärte ich.
Morelli holte den Donut mit Vanillecreme aus der Tüte, biss die Hälfte ab und gab mir den Rest zurück. »Man hört, dass viele Leute alles andere als zufrieden mit Vinnie sind. Angeblich hat er einen Berg Schulden. Braucht ihr Hilfe?«
»Muss ich dafür Anzeige erstatten?«
»Nein, aber du müsstest mir den Rest des Donuts geben.«
»Danke für das Angebot. Ich glaube, ich versuch's erst mal auf eigene Faust, und gucke, was sich ergibt.«
Morelli gab mir einen kurzen Schmatzer und lief zurück zu seinem Wagen.
Ich sah, dass Lula zwei Tüten in der Hand hatte. »Ich dachte, du wolltest dir nur einen Donut holen.«
»Hab ich auch gemacht. Genau einen von jeder Sorte. Ich sage dir, das ist eine herrliche Diät.«
Wir setzten uns an den kleinen Tisch vor der Bäckerei und aßen unser Gebäck, während ich die Akten von Mickey Gritch und Bobby Sunflower überflog.
»Wir haben die Adressen von Gritch und seiner Schwester, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er Vinnie an einem von beiden Orten versteckt hat«, sagte ich. »Bleiben die Firmen von Bobby Sunflower. Der Pfandleiher ist auf der Market Street, die Waschanlage in Hamilton Township, der Rest auf der Stark Street. Fahren wir da mal vorbei und gucken, ob uns irgendwas anspringt.«
»Wir können auch als Erstes zur Waschanlage fahren«, meinte Lula. »Wenn die einen guten Eindruck macht, lasse ich dort meinen Firebird waschen.«
...
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2012
by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House Gmb
... weniger
Autoren-Porträt von Janet Evanovich
Janet Evanovich, die mit jedem ihrer Romane in den USA einen Nummer-1-Bestseller landet, stammt aus South River, New Jersey, und lebt heute in New Hampshire. Die Autorin wurde von der Crime Writers Association mit dem 'Last Laugh Award' und dem 'Silver Dagger' ausgezeichnet und erhielt bereits zweimal den Krimipreis des Verbands der unabhängigen Buchhändler in den USA.Andrea Fischer, geb. 1969, lebt seit 1989 in Düsseldorf und übersetzt aus dem britischen und amerikanischen Englisch u.a. Stephen King, Dennis Lehane, Peter Robinson.
Bibliographische Angaben
- Autor: Janet Evanovich
- 2012, 1, 315 Seiten, Maße: 13,5 x 21,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: Fischer, Andrea
- Übersetzer: Andrea Fischer
- Verlag: MANHATTAN
- ISBN-10: 3442546699
- ISBN-13: 9783442546695
Rezension zu „Der Beste zum Kuss / Stephanie Plum Bd.16 “
"Sprachwitz gepaart mit absurden Handlungssträngen, skurrile Figuren eingebettet in das Nest der Normalität - der neue Roman wie auch die Vorgänger rund um die Kautionsdetektivin sind eine herrliche Sommerlektüre: unterhaltsam, spannend und irgendwie unkonventionell."
Kommentare zu "Der Beste zum Kuss / Stephanie Plum Bd.16"
0 Gebrauchte Artikel zu „Der Beste zum Kuss / Stephanie Plum Bd.16“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
4.5 von 5 Sternen
5 Sterne 7Schreiben Sie einen Kommentar zu "Der Beste zum Kuss / Stephanie Plum Bd.16".
Kommentar verfassen