Der Kuss des Highlanders
Robbie MacKenzie mag die Frauen, und die Frauen liegen dem gut gebauten Highlander zu Füßen. Doch nach nunmehr zehn Jahren unsteten Lebenswandels wird es allmählich Zeit für den alleinigen Erben des Black Stag Clans, die Nachfolge...
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Produktinformationen zu „Der Kuss des Highlanders “
Robbie MacKenzie mag die Frauen, und die Frauen liegen dem gut gebauten Highlander zu Füßen. Doch nach nunmehr zehn Jahren unsteten Lebenswandels wird es allmählich Zeit für den alleinigen Erben des Black Stag Clans, die Nachfolge seines Vaters anzutreten. Als nun die hübsche Juliana Mackay nach einem Unfall geradewegs in seinen starken Armen landet, spüren beide die Flamme der Leidenschaft, die von ihnen Besitz ergriffen hat. Doch Robbie ist bereits einer anderen versprochen, und seine zukünftige Braut ist alles andere als erfreut, als er Juliana auf seinem Schloss Unterschlupf gewährt.
Lese-Probe zu „Der Kuss des Highlanders “
Der Kuss des Highlanders von Sue-Ellen WelfonderDas Vermächtnis des Schwarzen Hirschs
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In den nebelverhangenen Tälern von Kintail, einem zerklüfteten Gebiet aus Seen, mit Stechginster und Erika bestandenen Bergen und Moorlandschaften an der Westküste Schottlands, hat immer nur ein Mann regiert. Seit undenklichen Zeiten schon, würden einige vielleicht sogar sagen, hat Duncan MacKenzie, der berühmte Schwarze Hirsch von Kintail, diesen wunderschönen Landstrich sein Eigen genannt.
Das seine und das des großen Hauses der MacKenzie, des mächtigsten Clans der Gegend.
Und wer Kintail besucht, wird selber merken, wie beeindruckend die Erhabenheit und der Zauber dieses Landes oder die großartigen Geschichten, die man sich über das legendäre Oberhaupt des Clans erzählt, sind. Eine trügerische Atmosphäre des Friedens und der Zeitlosigkeit haftet den dunklen Gipfeln und schattigen Seen an, ein Friede, der nur durch die Herrschaft des mächtigen Schwarzen Hirschs - und seines Furcht erregenden Rufs - ermöglicht wird.
Es gibt nur wenige, die es wagen würden, ihn zu verärgern.
Und fast alle, die es versucht haben, leben nicht mehr.
In letzter Zeit jedoch, während der endlosen Hochlandnächte neben dem Kamin, behaupten die kühneren der Lästerzungen, der Schwarze Hirsch sei viel zu selbstzufrieden geworden und werde seine Herrschaft schon bald an seinen einzigen Sohn und Erben, Robbie MacKenzie, übergeben. Robbie ist ein strammer junger Mann, dem es wie eine nicht gerade aufregende Aufgabe erscheinen muss, ein derart vom Glück begünstigtes Land zu erben, dessen loyale Bevölkerung seinem Clan geradezu treu ergeben ist.
Aber in der sanften Hochlandluft und den ausgedehnten, wolkenverhangenen Bergen von Kintail, in seinen roten Mooren und den leeren Seen ist längst nicht alles so, wie es auf den ersten Blick erscheint.
Denn im entferntesten Winkel dieser ausgedehnten Fläche aus Meer und Bergen beginnen sich Veränderung und Störung auszubreiten, unaufhaltsam ziehen sie über die Heidelandschaft, bis selbst ein so mächtiger Mann wie der Schwarze Hirsch die Wahrheit des Gehörten nicht länger verleugnen kann.
Und auch nicht mehr vor den Belastungen und Erinnerungen der Vergangenheit fliehen kann.
Auch Robbie muss den ihm vom Schicksal vorgeschriebenen Pfad beschreiten.
Einen Pfad, der ein unauflöslicher Bestandteil seines Schicksals ist und ihm von den geflüsterten letzten Wünschen einer schwachen, sterbenden Frau vorgezeichnet wurde.
1. Kapitel
Glenelg, Frühjahr 1344
Duncan MacKenzie entschädigen?« Juliana Mackay starrte ihre Mutter an und strich das
dünne alte Plaid glatt, mit dem sie den abgezehrten Körper der Kranken fürsorglich bedeckt hatte. Julianas einzige Hoffnung war, dass sie sich vielleicht verhört und die unvorstellbare Bitte ihrer Mutter missverstanden hatte.
Immerhin hatte sie in den letzten Tagen sehr viel Kraft verloren, und ihre Worte waren nur noch als raues Flüstern zu vernehmen gewesen.
Juliana richtete sich auf, wischte sich ihre Hände an den mehrfach geflickten Röcken ab und kämpfte gegen das Bedürfnis an, vor dem herzergreifenden Anblick, der sich ihren Augen bot, davonzulaufen. Am liebsten hätte sie die grobe Holztür aufgerissen, um aus der hässlichen, kleinen, aus Erde, Heidekrautgeflecht und Stein erbauten Kate hinauszustürzen und davonzulaufen, bis sie alle ihre Pflichten und Sorgen hinter sich gelassen hatte.
Stattdessen aber atmete sie nur tief ein und richtete ihren Blick auf das Torffeuer, das rauchend unter einem schweren Eisenkochtopf brannte. Duncan MacKenzie entschädigen. Die bloße Vorstellung erfüllte sie mit unbändiger Wut.
Aye, sie hatte sich bestimmt verhört.
Für den Fall, dass sie aber doch richtig gehört hatte, straffte sie ihre Schultern und verschränkte ablehnend ihre Arme vor der Brust. Nahm eine Haltung ein, die ebenso sehr dazu dienen sollte, jede weitere Bitte zurückzuweisen, wie auch sich selbst davor zu bewahren, den eigenen Ängsten, der Panik nachzugeben und tausend Flüche auf den Mann herabhageln zu lassen, dessen Familie solches Leid über die ihre gebracht hatte.
Juliana ballte die Fäuste. Duncan MacKenzie verdiente es, hunderttausendmal verflucht zu werden.
Aber sie wusste, dass ein derartiger Ausbruch nur einen weiteren dieser grauenhaften Hustenanfälle bei ihrer Mutter bewirken würde.
»Der Schwarze Hirsch ist einer der vermögendsten Gutsbesitzer im Land«, sagte sie schließlich und gab sich die größte Mühe, den fieberhaften Glanz in den Augen ihrer Mutter - oder die verzweifelte Bitte, die in diesen müden Augen lag - zu übersehen.
Aber selbst in dem schwachen Licht einer einzelnen Talgkerze war nicht zu übersehen, dass Marjory Mackays einst so schönes Gesicht bereits vom Tod gezeichnet war.
Und die Wahrheit, die in dieser Erkenntnis lag, nahm Juliana alle Kraft aus den Gliedern und brachte gleichzeitig das Schlimmste in ihr hervor.
Ihren unbändigen Stolz und ihren Groll und Zorn darüber, dass ihre Mutter, die langjährige Geliebte Kenneth MacKenzies, des von niemandem betrauerten, inzwischen längst verstorbenen Halbbruders des Clanchefs, trotz der Geldzuwendungen und anderer Hilfe, die sie im Laufe der Jahre von dem Oberhaupt des Clans erhalten hatte, gezwungen gewesen war, ihre Kinder in einer armseligen Hütte mit Lehmboden und nur einem einzigen, von einem Ochsenledervorhang abgeteilten Zimmer aufzuziehen.
»Duncan MacKenzie hat dein Leben lang auf dir herumgetrampelt«, fauchte Juliana, während sie mit ihrem Fuß ein lockeres Steinchen aus dem festgestampften Lehmboden her ausscharrte. »Er hat deine Verbindung zu seinem Bruder niemals anerkannt, und es hat ihn auch nie gekümmert, dass mein Vater zwei Kinder mit dir hatte - die also des Schwarzen Hirsches eigene Nichte und Neffe sind!«
Stirnrunzelnd hielt sie inne, um den kleinen Stein wieder in den Lehmboden zu treten. »Er veranstaltet üppige Feste in seinem von soliden Mauern umgebenen Eilean Creag Castle, aber dich, die Mätresse seines eigenen Bruders, hat er das Allernotwendigste zum Leben in diesen rauen Bergen hier zusammenkratzen lassen! Und um sein Gewissen zu beruhigen, hat er dir hin und wieder eine Kuh oder einen Beutel Münzen bringen lassen, wenn er sich mal wieder an unsere Existenz erinnerte.«
»Er hatte seine Gründe, Kind«, keuchte Marjory Mackay auf ihrem Strohlager.
Juliana rümpfte die Nase. »Es missfällt mir, dass du auch nur glaubst, du schuldetest ihm etwas.« Sie trat näher an das schäbige Krankenlager ihrer Mutter heran und tupfte ihr mit einem feuchten Tuch über die Stirn. »Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie etwas ... Überflüssigeres gehört.«
Marjory schloss die Augen und holte rasselnd Atem. »Du weißt nicht, wie schlecht die Zeiten waren, und das Essen war damals sehr knapp. Ohne die Großzügigkeit der MacKenzies hättet du und dein Bruder sogar noch ein härteres und ungemütlicheres Leben ertragen müssen. Glaubst du, ich könnte ... diese Welt verlassen, ohne den Mann zu entschädigen, dessen Hilfe meine Kinder vor dem Hungern bewahrt hat?«
»Du wirst nicht sterben.« Juliana wrang das Tuch aus und zerknüllte es mit jedem Wort noch fester, bevor sie es wieder in eine Holzschale mit kühlem Quellwasser eintauchte. »Das lasse ich nicht zu.«
Eine magere, aber doch erstaunlich starke Hand schloss sich um Julianas Handgelenk. »Der Herrgott allein beschließt, wann er jemanden zu sich ruft, Kind, aber ich ... « Ein Hustenanfall zwang Marjory, sich zu unterbrechen, und der rosafarbene Speichel, den Juliana sie wieder aushusten sah, zerriss ihr fast das Herz.
»Wenn der liebe Gott oder seine wunderbaren Heiligen auch nur einen Funken von Barmherzigkeit in ihren beschwingten Seelen haben, werden sie Wunder bewirken, um dich wieder ganz gesund zu machen«, versetzte Juliana schärfer, als sie es beabsichtigt hatte.
»Du musst tun, was ich dir sage, und dem Schwarzen Hirsch die Gelder überbringen. Ich habe auch ein Schreiben für ihn, das ich verfasst habe, als ich spürte, dass es bald mit mir zu Ende geht.« Marjory setzte sich auf ihrem Strohlager ein Stückchen auf und richtete ihren glasigen Blick auf das zusammengerollte Pergament, das auf dem einzigen Tisch der Kate lag.
»Mir bleibt nicht mehr viel Zeit«, fügte sie hinzu und drückte noch einmal Julianas Handgelenk, bevor sie, sichtlich geschwächt von der Anstrengung, ihre Hand wieder auf das Plaid zurückfallen ließ. »Ich möchte, dass die Angelegenheit erledigt wird.«
Juliana, die dem Blick ihrer Mutter gefolgt war, presste die Lippen zusammen und sagte nichts. Sie hatte ihre Mutter mühevoll auf diesem kostbaren Stück Pergament herumkritzeln sehen - und der liebe Himmel mochte wissen, wie sie überhaupt daran gekommen war. Oder an das Tintenhörnchen und die Feder, die so arglos neben dem zusammengerollten Schreiben lagen. Solche Luxusgegenstände waren nämlich äußerst rar in diesem engen, fast vollständig von der Außenwelt abgeschnittenen Tal, in dem sie lebten.
»Duncan MacKenzie hat Geld genug - mehr als genug!«, sagte Juliana mit einem ungehaltenen Blick auf die rostige, mit einem Eisenriegel versehene Geldkassette, in der ihre Mutter das Geld verwahrte, das ihr Bruder Kenneth ihnen schickte.
Schwer verdientes Geld, das für den persönlichen Gebrauch ihrer Mutter bestimmt war und nicht dazu, gehortet und nicht ausgegeben zu werden.
Und schon gar nicht, um dem berüchtigten Schwarzen Hirsch übergeben zu werden, um dessen ohnehin schon übervolle Geldkassetten noch weiter anzufüllen.
Juliana erstickte fast an ihrer Wut, und bitterer Groll durchströmte sie wie ein tiefer, dunkler Fluss, als sie stirnrunzelnd die schäbige alte Geldkassette ihrer Mutter ansah. Denn ihre Mutter hätte das Geld wirklich sehr viel besser nutzen können. Wenn sie es dazu verwendet hätte, das undichte Strohdach ihrer Kate zu erneuern oder die unzähligen Löcher in den Stein- und Lehmmauern reparieren zu lassen, hätten ihre Beschwerden vielleicht keine so furchtbare Wende zum Schlechteren genommen.
Doch so, wie die Dinge lagen, konnte Juliana nur für die Genesung ihrer Mutter beten - oder den Herrgott um eine friedliche Erlösung von ihren Qualen bitten.
Und den Schwarzen Hirsch von Kintail in die tiefste und abscheulichste aller Höllen wünschen.
Sie konnte nur hoffen, dass ihr Zorn und Groll ihr nicht zu deutlich anzusehen waren, als sie sich ihrer Mutter wieder zuwandte. »MacKenzie hat dir keine Hilfe mehr zukommen lassen, seit Kenneth und ich erwachsen sind. Wenn dieser Mann je eine Entschädigung von dir gewollt hätte, hätte er sie inzwischen längst verlangt«, erklärte sie und war selbst erstaunt darüber, wie ruhig ihre Stimme klang.
Dann nickte sie empört in Richtung Geldkassette. »Dieses Geld stammt von Kenneth - deinem Sohn, was du bitte nicht vergessen solltest. Und ich kann dir versichern, dass er, wenn er hier wäre, genau dasselbe wie ich sagen würde. Duncan MacKenzie ist ein harter, sturer Mann. Er braucht keine Entschädigung.«
Juliana hielt inne, um das feuchte Tuch noch einmal auf die fieberheiße Stirn ihrer Mutter zu legen, und biss sich auf die Lippe, um die Flut von Schimpfworten zu unterdrücken, die ihr auf der Zunge brannten. »Bei meiner Seele, Mutter, wenn du die Wahrheit wissen willst ... es gibt so manche, die behaupten, dass Duncan MacKenzie den Teufel in sich hat, und du weißt, dass er schon immer sehr nobel und auf großem Fuß gelebt hat. Ich bezweifle, dass er deine Geste auch nur zu schätzen wissen würde. Warum willst du ihm also eine solche Gunst erweisen?«
Ein tiefer, unsicherer Seufzer entrang sich Marjorys ausgedörrten Lippen. »Wie kannst du nur so blind sein, Kind? Siehst du denn nicht, dass die Sache kaum etwas mit dem Geld an sich zu tun hat - oder auch nur mit der Frage, ob der Schwarze Hirsch die Botschaft, die du ihm überbringen sollst, verstehen oder nicht verstehen wird?«
»Ich sehe nichts außer purer Torheit, und ich wünschte, du würdest von solch närrischen Ideen Abstand nehmen«, versetzte Juliana, während sie mit ihrer Stiefelspitze ein weiteres Steinchen aus dem sauber gefegten Lehmboden her-ausscharrte.
»Dann habe ich es leider versäumt, dir beizubringen, so viel Weitblick an den Tag zu legen, wie ich es mir gewünscht hätte.« Marjorys Finger umklammerten das dünne Plaid, das sie bedeckte. »Denn viel wichtiger als die Annahme oder die Ablehnung meines Geschenks durch diesen guten Mann ist der Trost, den ich durch seine Übergabe finden werde. Und solange auch nur noch ein Hauch von Leben in mir ist, bitte ich dich, meine Wünsche zu erfüllen, Kind.«
»Dieser gute Mann.« Juliana konnte sich die spöttische Bemerkung nicht verkneifen. Gleichzeitig lief es ihr kalt über den Rücken, als ihr die Kapitulation bewusst wurde, die schon in ihren nächsten Worten lag. »Kenneth wird furchtbar aufgebracht sein, wenn er davon hört.«
»Das mag ja sein, aber dein Bruder ist nicht hier, und wir können auch nicht wissen, wann er das nächste Mal beschließt, uns einen seiner seltenen Besuche abzustatten. Ich möchte die Sache jetzt erledigt wissen, damit ich ... « Marjory unterbrach sich, um sich auf einen Ellbogen aufzustützen, und richtete dann einen entschiedenen Blick auf Juliana. »Damit ich diese Welt in Frieden verlassen kann.«
»Und ich kann nicht einfach in die Heide hinausmarschieren und dich hier ganz alleine ... sterben lassen.« Juliana ließ sich neben dem Strohlager ihrer Mutter auf die Knie fallen und strich ihr eine feuchte Haarsträhne aus der Stirn. Marjory Mackay hatte das gleiche schöne, flammend rote Haar wie Juliana. »Ich kann es einfach nicht.«
»Du kannst es, und du wirst es, weil du stark bist, mein Kind«, widersprach ihre Mutter und nahm einen von Julianas dicken roten Zöpfen in die Hand. »Lass uns nun Abschied nehmen, mein liebes Herz, und gib mir dein Wort darauf, dass du tun wirst, worum ich dich gebeten habe.«
Wieder biss Juliana sich auf die Lippe und schüttelte noch immer abwehrend den Kopf, während heiße Tränen so ungehindert über ihre Wangen rannen, dass sie von ihnen geblendet wurde.
»Ich bitte dich nur darum, damit ich Frieden finde«, beharrte ihre Mutter und ließ Julianas Zopf los, um mit ihren zitternden kalten Fingern die Wange ihrer Tochter zu berühren. »Versprich es mir, mein Kind. Ich bitte dich. Schwör mir, dass du es tun wirst - und dass du dich morgen schon beim ersten Hahnenschrei auf den Weg nach Kintail machen wirst. Damit ich ... «
»Herrgott noch mal, sag es bitte nicht noch mal!«, bat Juliana und wunderte sich, dass ihre Knie ihr nicht den Dienst versagten, als sie sich erhob. »Wenn es dir so wichtig ist, dann werde ich es tun ... ich werde diese Angelegenheit für dich erledigen, das verspreche ich dir«, versicherte sie ihrer Mutter, obwohl die Worte sich wie bittere Asche auf ihrer Zunge anfühlten.
Dann schluckte sie, straffte ihre Schultern und holte tief Luft. »Aye, ich gebe dir mein Wort darauf, dass die Sache schon fast so gut wie erledigt ist.«
Später, als Dunkelheit sich über die Küste von Kintail legte und abendliche Stille sich rund um die soliden Mauern von Eilean Creag Castle, der von Seen umgebenen Festung des Clans MacKenzie, ausbreitete, ging Lady Linnet noch immer unruhig in dem gut ausgestatteten Arbeitszimmer der Burg hin und her. Sie war eine noch immer sehr gut aussehende Frau in mittleren Jahren, die das gleiche flammend rote Haar wie Juliana hatte.
Ein ungutes Gefühl beschlich Linnet und begleitete sie bei jedem ihrer Schritte. Ein anhaltendes Frösteln, das so unangenehm war wie die tintenschwarzen Schatten in den Ecken der Bibliothek, bis zu denen der Schein des in dem riesigen Kamin prasselnden Feuers nicht ganz vordrang.
Linnet versuchte mit aller Kraft, dieses ihr zu ihrem Unbehagen so vertraute Gefühl zu unterdrücken, als sie an einem der hohen Rundbogenfenster stehen blieb und auf das schiefergraue, stille Wasser des Loch Duich hinuntersah.
Normalerweise empfand sie den Ausblick aus diesem Zimmer als sehr beruhigend. Sie kam in der Tat sogar sehr oft hierher, weil die einsame Schönheit der leeren Küsten und der mächtigen, mit Heidekraut bestandenen Berge, die das Land wie eine endlose Kette durchzogen, all die unwillkommenen Gedanken abmildern konnte.
Bis jetzt.
Denn an diesem Abend lasteten schwerwiegendere Sorgen als die üblichen auf ihren Schultern und beschäftigten ihre zunehmend aufgewühlteren Gedanken.
Sie hatte tatsächlich nicht einmal einen Blick für diese herzergreifend schöne Welt übrig, die so still und friedlich hinter den hohen Fenstern lag. Sie hörte noch nicht einmal den scharfen Wind, der vom nicht allzu fernen Meer herüberwehte, die dunklen Gewässer des Loch Duich kräuselte und an Eilean Creags nächtlich dunklen Wehrgängen und Türmen vorbeipfiff.
Denn statt den Wind zu hören, hatte Lady Linnet das Geräusch von Bienen in den Ohren.
Einer Vielzahl laut summender Bienen.
Das meistgefürchtete Geräusch, das sie je quälte - das Geräusch, auf das immer eine ihrer Ahnungen folgte.
Ihrer Visionen.
Als siebte Tochter einer siebten Tochter war sie mit diesem Fluch geschlagen, und obwohl sie in den letzten Jahren weitgehend von ihm verschont geblieben war, schien er nun noch heftiger denn je zurückzukehren. Und dabei hätte gerade dieser Abend doch mit nichts anderem als Feierstimmung und Freude erfüllt sein müssen, da sie endlich Nachricht erhalten hatten, dass Robbie MacKenzie, ihr Stiefsohn, nach langer, langer Zeit nach Eilean Creag zurückkehren würde.
»Zehn lange Jahre«, bemerkte sie an ihren Ehemann, Duncan MacKenzie gerichtet, hoffend, dass ihre Stimme ruhig und gelassen klang. Sie hätte es selbst nicht sagen können, da das Summen der Bienen in ihrem Kopf inzwischen geradezu ohrenbetäubend laut geworden war.
Ein albtraumhafter Lärm, der ihr den Verstand zu rauben drohte und sie schwach und überaus verwundbar machte.
Linnet befeuchtete ihre Lippen und verschränkte ihre Finger, um ihr Zittern zu verbergen. »Glaubst du, dass er wirklich endlich kommt?«
Ihr Ehemann stellte den Weinkelch ab, aus dem er gerade getrunken hatte, und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Du denkst doch nicht, er würde es nicht wagen, herzukommen? Weil er weiß, dass sich seine Verlobte auf dem Weg hierher befindet? In diesem Augenblick schon, während wir uns noch darüber unterhalten?«
Ein Frösteln durchlief Linnet bei dem Wort Verlobte - eine tiefgehende, atemberaubende Kälte, die bis in ihre Zehenspitzen ging und sie völlig einzuhüllen und zu umschließen schien.
...
Übersetzung: Ulrike Moreno
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
In den nebelverhangenen Tälern von Kintail, einem zerklüfteten Gebiet aus Seen, mit Stechginster und Erika bestandenen Bergen und Moorlandschaften an der Westküste Schottlands, hat immer nur ein Mann regiert. Seit undenklichen Zeiten schon, würden einige vielleicht sogar sagen, hat Duncan MacKenzie, der berühmte Schwarze Hirsch von Kintail, diesen wunderschönen Landstrich sein Eigen genannt.
Das seine und das des großen Hauses der MacKenzie, des mächtigsten Clans der Gegend.
Und wer Kintail besucht, wird selber merken, wie beeindruckend die Erhabenheit und der Zauber dieses Landes oder die großartigen Geschichten, die man sich über das legendäre Oberhaupt des Clans erzählt, sind. Eine trügerische Atmosphäre des Friedens und der Zeitlosigkeit haftet den dunklen Gipfeln und schattigen Seen an, ein Friede, der nur durch die Herrschaft des mächtigen Schwarzen Hirschs - und seines Furcht erregenden Rufs - ermöglicht wird.
Es gibt nur wenige, die es wagen würden, ihn zu verärgern.
Und fast alle, die es versucht haben, leben nicht mehr.
In letzter Zeit jedoch, während der endlosen Hochlandnächte neben dem Kamin, behaupten die kühneren der Lästerzungen, der Schwarze Hirsch sei viel zu selbstzufrieden geworden und werde seine Herrschaft schon bald an seinen einzigen Sohn und Erben, Robbie MacKenzie, übergeben. Robbie ist ein strammer junger Mann, dem es wie eine nicht gerade aufregende Aufgabe erscheinen muss, ein derart vom Glück begünstigtes Land zu erben, dessen loyale Bevölkerung seinem Clan geradezu treu ergeben ist.
Aber in der sanften Hochlandluft und den ausgedehnten, wolkenverhangenen Bergen von Kintail, in seinen roten Mooren und den leeren Seen ist längst nicht alles so, wie es auf den ersten Blick erscheint.
Denn im entferntesten Winkel dieser ausgedehnten Fläche aus Meer und Bergen beginnen sich Veränderung und Störung auszubreiten, unaufhaltsam ziehen sie über die Heidelandschaft, bis selbst ein so mächtiger Mann wie der Schwarze Hirsch die Wahrheit des Gehörten nicht länger verleugnen kann.
Und auch nicht mehr vor den Belastungen und Erinnerungen der Vergangenheit fliehen kann.
Auch Robbie muss den ihm vom Schicksal vorgeschriebenen Pfad beschreiten.
Einen Pfad, der ein unauflöslicher Bestandteil seines Schicksals ist und ihm von den geflüsterten letzten Wünschen einer schwachen, sterbenden Frau vorgezeichnet wurde.
1. Kapitel
Glenelg, Frühjahr 1344
Duncan MacKenzie entschädigen?« Juliana Mackay starrte ihre Mutter an und strich das
dünne alte Plaid glatt, mit dem sie den abgezehrten Körper der Kranken fürsorglich bedeckt hatte. Julianas einzige Hoffnung war, dass sie sich vielleicht verhört und die unvorstellbare Bitte ihrer Mutter missverstanden hatte.
Immerhin hatte sie in den letzten Tagen sehr viel Kraft verloren, und ihre Worte waren nur noch als raues Flüstern zu vernehmen gewesen.
Juliana richtete sich auf, wischte sich ihre Hände an den mehrfach geflickten Röcken ab und kämpfte gegen das Bedürfnis an, vor dem herzergreifenden Anblick, der sich ihren Augen bot, davonzulaufen. Am liebsten hätte sie die grobe Holztür aufgerissen, um aus der hässlichen, kleinen, aus Erde, Heidekrautgeflecht und Stein erbauten Kate hinauszustürzen und davonzulaufen, bis sie alle ihre Pflichten und Sorgen hinter sich gelassen hatte.
Stattdessen aber atmete sie nur tief ein und richtete ihren Blick auf das Torffeuer, das rauchend unter einem schweren Eisenkochtopf brannte. Duncan MacKenzie entschädigen. Die bloße Vorstellung erfüllte sie mit unbändiger Wut.
Aye, sie hatte sich bestimmt verhört.
Für den Fall, dass sie aber doch richtig gehört hatte, straffte sie ihre Schultern und verschränkte ablehnend ihre Arme vor der Brust. Nahm eine Haltung ein, die ebenso sehr dazu dienen sollte, jede weitere Bitte zurückzuweisen, wie auch sich selbst davor zu bewahren, den eigenen Ängsten, der Panik nachzugeben und tausend Flüche auf den Mann herabhageln zu lassen, dessen Familie solches Leid über die ihre gebracht hatte.
Juliana ballte die Fäuste. Duncan MacKenzie verdiente es, hunderttausendmal verflucht zu werden.
Aber sie wusste, dass ein derartiger Ausbruch nur einen weiteren dieser grauenhaften Hustenanfälle bei ihrer Mutter bewirken würde.
»Der Schwarze Hirsch ist einer der vermögendsten Gutsbesitzer im Land«, sagte sie schließlich und gab sich die größte Mühe, den fieberhaften Glanz in den Augen ihrer Mutter - oder die verzweifelte Bitte, die in diesen müden Augen lag - zu übersehen.
Aber selbst in dem schwachen Licht einer einzelnen Talgkerze war nicht zu übersehen, dass Marjory Mackays einst so schönes Gesicht bereits vom Tod gezeichnet war.
Und die Wahrheit, die in dieser Erkenntnis lag, nahm Juliana alle Kraft aus den Gliedern und brachte gleichzeitig das Schlimmste in ihr hervor.
Ihren unbändigen Stolz und ihren Groll und Zorn darüber, dass ihre Mutter, die langjährige Geliebte Kenneth MacKenzies, des von niemandem betrauerten, inzwischen längst verstorbenen Halbbruders des Clanchefs, trotz der Geldzuwendungen und anderer Hilfe, die sie im Laufe der Jahre von dem Oberhaupt des Clans erhalten hatte, gezwungen gewesen war, ihre Kinder in einer armseligen Hütte mit Lehmboden und nur einem einzigen, von einem Ochsenledervorhang abgeteilten Zimmer aufzuziehen.
»Duncan MacKenzie hat dein Leben lang auf dir herumgetrampelt«, fauchte Juliana, während sie mit ihrem Fuß ein lockeres Steinchen aus dem festgestampften Lehmboden her ausscharrte. »Er hat deine Verbindung zu seinem Bruder niemals anerkannt, und es hat ihn auch nie gekümmert, dass mein Vater zwei Kinder mit dir hatte - die also des Schwarzen Hirsches eigene Nichte und Neffe sind!«
Stirnrunzelnd hielt sie inne, um den kleinen Stein wieder in den Lehmboden zu treten. »Er veranstaltet üppige Feste in seinem von soliden Mauern umgebenen Eilean Creag Castle, aber dich, die Mätresse seines eigenen Bruders, hat er das Allernotwendigste zum Leben in diesen rauen Bergen hier zusammenkratzen lassen! Und um sein Gewissen zu beruhigen, hat er dir hin und wieder eine Kuh oder einen Beutel Münzen bringen lassen, wenn er sich mal wieder an unsere Existenz erinnerte.«
»Er hatte seine Gründe, Kind«, keuchte Marjory Mackay auf ihrem Strohlager.
Juliana rümpfte die Nase. »Es missfällt mir, dass du auch nur glaubst, du schuldetest ihm etwas.« Sie trat näher an das schäbige Krankenlager ihrer Mutter heran und tupfte ihr mit einem feuchten Tuch über die Stirn. »Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie etwas ... Überflüssigeres gehört.«
Marjory schloss die Augen und holte rasselnd Atem. »Du weißt nicht, wie schlecht die Zeiten waren, und das Essen war damals sehr knapp. Ohne die Großzügigkeit der MacKenzies hättet du und dein Bruder sogar noch ein härteres und ungemütlicheres Leben ertragen müssen. Glaubst du, ich könnte ... diese Welt verlassen, ohne den Mann zu entschädigen, dessen Hilfe meine Kinder vor dem Hungern bewahrt hat?«
»Du wirst nicht sterben.« Juliana wrang das Tuch aus und zerknüllte es mit jedem Wort noch fester, bevor sie es wieder in eine Holzschale mit kühlem Quellwasser eintauchte. »Das lasse ich nicht zu.«
Eine magere, aber doch erstaunlich starke Hand schloss sich um Julianas Handgelenk. »Der Herrgott allein beschließt, wann er jemanden zu sich ruft, Kind, aber ich ... « Ein Hustenanfall zwang Marjory, sich zu unterbrechen, und der rosafarbene Speichel, den Juliana sie wieder aushusten sah, zerriss ihr fast das Herz.
»Wenn der liebe Gott oder seine wunderbaren Heiligen auch nur einen Funken von Barmherzigkeit in ihren beschwingten Seelen haben, werden sie Wunder bewirken, um dich wieder ganz gesund zu machen«, versetzte Juliana schärfer, als sie es beabsichtigt hatte.
»Du musst tun, was ich dir sage, und dem Schwarzen Hirsch die Gelder überbringen. Ich habe auch ein Schreiben für ihn, das ich verfasst habe, als ich spürte, dass es bald mit mir zu Ende geht.« Marjory setzte sich auf ihrem Strohlager ein Stückchen auf und richtete ihren glasigen Blick auf das zusammengerollte Pergament, das auf dem einzigen Tisch der Kate lag.
»Mir bleibt nicht mehr viel Zeit«, fügte sie hinzu und drückte noch einmal Julianas Handgelenk, bevor sie, sichtlich geschwächt von der Anstrengung, ihre Hand wieder auf das Plaid zurückfallen ließ. »Ich möchte, dass die Angelegenheit erledigt wird.«
Juliana, die dem Blick ihrer Mutter gefolgt war, presste die Lippen zusammen und sagte nichts. Sie hatte ihre Mutter mühevoll auf diesem kostbaren Stück Pergament herumkritzeln sehen - und der liebe Himmel mochte wissen, wie sie überhaupt daran gekommen war. Oder an das Tintenhörnchen und die Feder, die so arglos neben dem zusammengerollten Schreiben lagen. Solche Luxusgegenstände waren nämlich äußerst rar in diesem engen, fast vollständig von der Außenwelt abgeschnittenen Tal, in dem sie lebten.
»Duncan MacKenzie hat Geld genug - mehr als genug!«, sagte Juliana mit einem ungehaltenen Blick auf die rostige, mit einem Eisenriegel versehene Geldkassette, in der ihre Mutter das Geld verwahrte, das ihr Bruder Kenneth ihnen schickte.
Schwer verdientes Geld, das für den persönlichen Gebrauch ihrer Mutter bestimmt war und nicht dazu, gehortet und nicht ausgegeben zu werden.
Und schon gar nicht, um dem berüchtigten Schwarzen Hirsch übergeben zu werden, um dessen ohnehin schon übervolle Geldkassetten noch weiter anzufüllen.
Juliana erstickte fast an ihrer Wut, und bitterer Groll durchströmte sie wie ein tiefer, dunkler Fluss, als sie stirnrunzelnd die schäbige alte Geldkassette ihrer Mutter ansah. Denn ihre Mutter hätte das Geld wirklich sehr viel besser nutzen können. Wenn sie es dazu verwendet hätte, das undichte Strohdach ihrer Kate zu erneuern oder die unzähligen Löcher in den Stein- und Lehmmauern reparieren zu lassen, hätten ihre Beschwerden vielleicht keine so furchtbare Wende zum Schlechteren genommen.
Doch so, wie die Dinge lagen, konnte Juliana nur für die Genesung ihrer Mutter beten - oder den Herrgott um eine friedliche Erlösung von ihren Qualen bitten.
Und den Schwarzen Hirsch von Kintail in die tiefste und abscheulichste aller Höllen wünschen.
Sie konnte nur hoffen, dass ihr Zorn und Groll ihr nicht zu deutlich anzusehen waren, als sie sich ihrer Mutter wieder zuwandte. »MacKenzie hat dir keine Hilfe mehr zukommen lassen, seit Kenneth und ich erwachsen sind. Wenn dieser Mann je eine Entschädigung von dir gewollt hätte, hätte er sie inzwischen längst verlangt«, erklärte sie und war selbst erstaunt darüber, wie ruhig ihre Stimme klang.
Dann nickte sie empört in Richtung Geldkassette. »Dieses Geld stammt von Kenneth - deinem Sohn, was du bitte nicht vergessen solltest. Und ich kann dir versichern, dass er, wenn er hier wäre, genau dasselbe wie ich sagen würde. Duncan MacKenzie ist ein harter, sturer Mann. Er braucht keine Entschädigung.«
Juliana hielt inne, um das feuchte Tuch noch einmal auf die fieberheiße Stirn ihrer Mutter zu legen, und biss sich auf die Lippe, um die Flut von Schimpfworten zu unterdrücken, die ihr auf der Zunge brannten. »Bei meiner Seele, Mutter, wenn du die Wahrheit wissen willst ... es gibt so manche, die behaupten, dass Duncan MacKenzie den Teufel in sich hat, und du weißt, dass er schon immer sehr nobel und auf großem Fuß gelebt hat. Ich bezweifle, dass er deine Geste auch nur zu schätzen wissen würde. Warum willst du ihm also eine solche Gunst erweisen?«
Ein tiefer, unsicherer Seufzer entrang sich Marjorys ausgedörrten Lippen. »Wie kannst du nur so blind sein, Kind? Siehst du denn nicht, dass die Sache kaum etwas mit dem Geld an sich zu tun hat - oder auch nur mit der Frage, ob der Schwarze Hirsch die Botschaft, die du ihm überbringen sollst, verstehen oder nicht verstehen wird?«
»Ich sehe nichts außer purer Torheit, und ich wünschte, du würdest von solch närrischen Ideen Abstand nehmen«, versetzte Juliana, während sie mit ihrer Stiefelspitze ein weiteres Steinchen aus dem sauber gefegten Lehmboden her-ausscharrte.
»Dann habe ich es leider versäumt, dir beizubringen, so viel Weitblick an den Tag zu legen, wie ich es mir gewünscht hätte.« Marjorys Finger umklammerten das dünne Plaid, das sie bedeckte. »Denn viel wichtiger als die Annahme oder die Ablehnung meines Geschenks durch diesen guten Mann ist der Trost, den ich durch seine Übergabe finden werde. Und solange auch nur noch ein Hauch von Leben in mir ist, bitte ich dich, meine Wünsche zu erfüllen, Kind.«
»Dieser gute Mann.« Juliana konnte sich die spöttische Bemerkung nicht verkneifen. Gleichzeitig lief es ihr kalt über den Rücken, als ihr die Kapitulation bewusst wurde, die schon in ihren nächsten Worten lag. »Kenneth wird furchtbar aufgebracht sein, wenn er davon hört.«
»Das mag ja sein, aber dein Bruder ist nicht hier, und wir können auch nicht wissen, wann er das nächste Mal beschließt, uns einen seiner seltenen Besuche abzustatten. Ich möchte die Sache jetzt erledigt wissen, damit ich ... « Marjory unterbrach sich, um sich auf einen Ellbogen aufzustützen, und richtete dann einen entschiedenen Blick auf Juliana. »Damit ich diese Welt in Frieden verlassen kann.«
»Und ich kann nicht einfach in die Heide hinausmarschieren und dich hier ganz alleine ... sterben lassen.« Juliana ließ sich neben dem Strohlager ihrer Mutter auf die Knie fallen und strich ihr eine feuchte Haarsträhne aus der Stirn. Marjory Mackay hatte das gleiche schöne, flammend rote Haar wie Juliana. »Ich kann es einfach nicht.«
»Du kannst es, und du wirst es, weil du stark bist, mein Kind«, widersprach ihre Mutter und nahm einen von Julianas dicken roten Zöpfen in die Hand. »Lass uns nun Abschied nehmen, mein liebes Herz, und gib mir dein Wort darauf, dass du tun wirst, worum ich dich gebeten habe.«
Wieder biss Juliana sich auf die Lippe und schüttelte noch immer abwehrend den Kopf, während heiße Tränen so ungehindert über ihre Wangen rannen, dass sie von ihnen geblendet wurde.
»Ich bitte dich nur darum, damit ich Frieden finde«, beharrte ihre Mutter und ließ Julianas Zopf los, um mit ihren zitternden kalten Fingern die Wange ihrer Tochter zu berühren. »Versprich es mir, mein Kind. Ich bitte dich. Schwör mir, dass du es tun wirst - und dass du dich morgen schon beim ersten Hahnenschrei auf den Weg nach Kintail machen wirst. Damit ich ... «
»Herrgott noch mal, sag es bitte nicht noch mal!«, bat Juliana und wunderte sich, dass ihre Knie ihr nicht den Dienst versagten, als sie sich erhob. »Wenn es dir so wichtig ist, dann werde ich es tun ... ich werde diese Angelegenheit für dich erledigen, das verspreche ich dir«, versicherte sie ihrer Mutter, obwohl die Worte sich wie bittere Asche auf ihrer Zunge anfühlten.
Dann schluckte sie, straffte ihre Schultern und holte tief Luft. »Aye, ich gebe dir mein Wort darauf, dass die Sache schon fast so gut wie erledigt ist.«
Später, als Dunkelheit sich über die Küste von Kintail legte und abendliche Stille sich rund um die soliden Mauern von Eilean Creag Castle, der von Seen umgebenen Festung des Clans MacKenzie, ausbreitete, ging Lady Linnet noch immer unruhig in dem gut ausgestatteten Arbeitszimmer der Burg hin und her. Sie war eine noch immer sehr gut aussehende Frau in mittleren Jahren, die das gleiche flammend rote Haar wie Juliana hatte.
Ein ungutes Gefühl beschlich Linnet und begleitete sie bei jedem ihrer Schritte. Ein anhaltendes Frösteln, das so unangenehm war wie die tintenschwarzen Schatten in den Ecken der Bibliothek, bis zu denen der Schein des in dem riesigen Kamin prasselnden Feuers nicht ganz vordrang.
Linnet versuchte mit aller Kraft, dieses ihr zu ihrem Unbehagen so vertraute Gefühl zu unterdrücken, als sie an einem der hohen Rundbogenfenster stehen blieb und auf das schiefergraue, stille Wasser des Loch Duich hinuntersah.
Normalerweise empfand sie den Ausblick aus diesem Zimmer als sehr beruhigend. Sie kam in der Tat sogar sehr oft hierher, weil die einsame Schönheit der leeren Küsten und der mächtigen, mit Heidekraut bestandenen Berge, die das Land wie eine endlose Kette durchzogen, all die unwillkommenen Gedanken abmildern konnte.
Bis jetzt.
Denn an diesem Abend lasteten schwerwiegendere Sorgen als die üblichen auf ihren Schultern und beschäftigten ihre zunehmend aufgewühlteren Gedanken.
Sie hatte tatsächlich nicht einmal einen Blick für diese herzergreifend schöne Welt übrig, die so still und friedlich hinter den hohen Fenstern lag. Sie hörte noch nicht einmal den scharfen Wind, der vom nicht allzu fernen Meer herüberwehte, die dunklen Gewässer des Loch Duich kräuselte und an Eilean Creags nächtlich dunklen Wehrgängen und Türmen vorbeipfiff.
Denn statt den Wind zu hören, hatte Lady Linnet das Geräusch von Bienen in den Ohren.
Einer Vielzahl laut summender Bienen.
Das meistgefürchtete Geräusch, das sie je quälte - das Geräusch, auf das immer eine ihrer Ahnungen folgte.
Ihrer Visionen.
Als siebte Tochter einer siebten Tochter war sie mit diesem Fluch geschlagen, und obwohl sie in den letzten Jahren weitgehend von ihm verschont geblieben war, schien er nun noch heftiger denn je zurückzukehren. Und dabei hätte gerade dieser Abend doch mit nichts anderem als Feierstimmung und Freude erfüllt sein müssen, da sie endlich Nachricht erhalten hatten, dass Robbie MacKenzie, ihr Stiefsohn, nach langer, langer Zeit nach Eilean Creag zurückkehren würde.
»Zehn lange Jahre«, bemerkte sie an ihren Ehemann, Duncan MacKenzie gerichtet, hoffend, dass ihre Stimme ruhig und gelassen klang. Sie hätte es selbst nicht sagen können, da das Summen der Bienen in ihrem Kopf inzwischen geradezu ohrenbetäubend laut geworden war.
Ein albtraumhafter Lärm, der ihr den Verstand zu rauben drohte und sie schwach und überaus verwundbar machte.
Linnet befeuchtete ihre Lippen und verschränkte ihre Finger, um ihr Zittern zu verbergen. »Glaubst du, dass er wirklich endlich kommt?«
Ihr Ehemann stellte den Weinkelch ab, aus dem er gerade getrunken hatte, und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Du denkst doch nicht, er würde es nicht wagen, herzukommen? Weil er weiß, dass sich seine Verlobte auf dem Weg hierher befindet? In diesem Augenblick schon, während wir uns noch darüber unterhalten?«
Ein Frösteln durchlief Linnet bei dem Wort Verlobte - eine tiefgehende, atemberaubende Kälte, die bis in ihre Zehenspitzen ging und sie völlig einzuhüllen und zu umschließen schien.
...
Übersetzung: Ulrike Moreno
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
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Autoren-Porträt von Sue-Ellen Welfonder
Sue-Ellen Welfonder hat fast 20 Jahre als Stewardess gearbeitet, bevor sie sich ganz dem Schreiben von historischen Liebesromanen widmete. Ihre besondere Liebe gilt der mittelalterlichen Geschichte Englands und Schottlands. Sie selbst hat schottische Vorfahren und fährt regelmäßig nach Groß - britannien, um für ihre Bücher zu recherchieren.Sie lebt mit ihrem Mann Manfred und ihrem Jack Russell Terrier Em in Florida. Welfonder hat für ihren ersten Roman Der Verführer im Kilt, beim Romantic Times Award den Preis für den besten, ersten historischen Liebesroman verliehen bekommen. Für weitere Informationen über die Autorin, besuchen Sie ihre Homepage unter www.welfonder.com.
Bibliographische Angaben
- Autor: Sue-Ellen Welfonder
- 2012, 1, 448 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 386365076X
- ISBN-13: 9783863650766
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