Die Bruderschaft
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Doch eines Tages geraten sie dabei an das falsche Opfer.
Drei verurteilte Richter brüten im Gefängnis über einem genialen Coup. Wenn alles klappt, haben sie für die Zeit nach dem Knast ausgesorgt. Sie sind gerissen und haben die richtigen Kontakte, aber ist ihre Strategie wirklich wasserdicht? Ein raffiniertes Szenario entlang der Säulen der Macht.
«Der spannendste Grisham seit "Der Partner" - ein geradezu diebisches Vergnügen.» Entertainment Weekly
"Meisterhaft komponiert." -- Publisher's Weekly
Die Bruderschaft von John Grisham
LESEPROBE
Zur Vorlesung derwöchentlichen Prozessliste trug der Gerichtsnarr sein übliches Kostüm, das auseinem abgetragenen, verblichenen dunkelroten Pyjama und lavendelfarbenen Frotteesandalenohne Socken bestand. Er war nicht der einzige Insasse, der seine Arbeit imPyjama verrichtete, wohl aber der Einzige, der es wagte, lavendelfarbene Schuhezu tragen. Er hieß T. Karl und früher hatten ihm in Boston ein paar Bankengehört.
Weit beunruhigender alsder Pyjama und die Schuhe war jedoch die Perücke. Sie hatte einenMittelscheitel, und das Haar fiel schwer, dicht gelockt und in Kaskaden überseine Ohren und Schultern. Es war hellgrau, beinahe weiß, und das Ganze war denenglischen Gerichtsperücken aus vergangenen Jahrhunderten nachempfunden. EinFreund von draußen hatte sie in Greenwich Village in einem Laden für gebrauchteKostüme entdeckt.
Bei denGerichtsverhandlungen trug T. Karl sie mit großem Stolz, und mit der Zeit warsie, so seltsam sie auch wirkte, zu einem festen Bestandteil der Veranstaltunggeworden. Trotzdem hielten die anderen Insassen Abstand zu T. Karl.
Er stand in derGefängnis-Cafeteria, klopfte mit einem Plastikhammer auf seinen wackligenKlapptisch, räusperte sich und verkündete mit großer Würde: »Höret, höret,höret! Die Sitzung des Untersten Bundesgerichts von Nord-Florida ist eröffnet.Die Anwesenden mögen sich erheben.«
Niemand rührte sich -zumindest machte niemand Anstalten sich zu erheben. Dreißig Insassen saßen inden verschiedensten Haltungen auf den Plastikstühlen, musterten denGerichtsnarren oder unterhielten sich, als existiere er gar nicht.
»Mögen alle, dieGerechtigkeit suchen, vortreten und beschissen werden«, fuhr T. Karl fort.
Keiner lachte. VorMonaten, als T. Karl diesen Spruch zum ersten Mal losgelassen hatte, war ernoch witzig gewesen, doch inzwischen war auch dies zu einem festen Bestandteilder Verhandlungen geworden. T. Karl nahm gemessen Platz, wobei er daraufachtete, dass die dichten Reihen von Locken, die ihm über die Schultern fielen,auch gut zu sehen waren, und schlug ein dickes, in rotes Leder gebundenes Buchauf, in dem die offiziellen Gerichtsprotokolle eingetragen wurden. Er nahmseine Aufgabe sehr ernst.
Drei Männer traten ausder Küche in die Cafeteria. Zwei von ihnen trugen Schuhe. Einer knabberte aneiner Salzstange. Der barfüßige Mann hatte außerdem nur eine kurze Hose an, sodass unterhalb der Robe seine dünnen Beine zu sehen waren. Sie waren glatt,unbehaart und tief gebräunt. Auf der linken Wade prangte eine großeTätowierung. Er stammte aus Kalifornien.
Alle drei waren in alteKirchenchorroben gekleidet - blassgrün mit goldfarbenen Verzierungen -, die ausdemselben Laden stammten wie T. Karls Perücke. Er hatte sie den Richtern zuWeihnachten geschenkt und sich so seinen Job als Protokollführer gesichert.
Einige Zuschauer zischtenund johlten, als die Richter in vollem Ornat und mit wehenden Roben über dengekachelten Boden zu einem langen Klapptisch schlenderten, nicht zu weitentfernt von T. Karl, aber auch nicht zu nah. Sie nahmen Platz und mustertendie Männer, die sich zur wöchentlichen Verhandlung eingefunden hatten. DerPlatz in der Mitte gehörte einem kleinen, rundlichen Mann. Er hieß Joe RoySpicer und führte gewöhnlich den Vorsitz. Früher war Spicer ordnungsgemäßgewählter Friedensrichter in Mississippi gewesen, bis die Bundespolizeifestgestellt hatte, dass er einen Teil der Bingoeinnahmen einer örtlichenShriner-Loge einstrich.
»Die Anwesenden mögensich setzen«, sagte er. Niemand stand.
Die Richter rückten ihreKlappstühle zurecht und arrangierten ihre Roben, bis sie mit dem Faltenwurfzufrieden waren. Etwas abseits standen, unbeachtet von den Gefangenen, derstellvertretende Gefängnisdirektor und ein uniformierter Wärter. DieBruderschaft trat, mit Billigung der Anstaltsleitung, einmal wöchentlichzusammen. Sie entschied in Streitfällen, beseitigte Spannungen zwischen denInsassen, vermittelte zwischen den Kontrahenten und hatte sich insgesamt alsstabilisierender Faktor erwiesen.
Spicer warf einen Blickauf die Prozessliste, ein von T. Karl sorgfältig mit Druckbuchstabenbeschriftetes Blatt Papier, und sagte: »Die Verhandlung ist eröffnet.«
Zu seiner Rechten befandsich der sechzigjährige ehrenwerte Finn Yarber aus Kalifornien, der seit zweiJahren hier einsaß und noch fünf Jahre vor sich hatte. Er war wegenSteuerhinterziehung verurteilt - ein Racheakt, wie er noch immer allenversicherte, die es hören wollten, ein Kreuzzug des republikanischen Gouverneurs,der es geschafft hatte, die Wähler zu mobilisieren und Oberrichter Yarber ausdem Obersten Gericht des Staates Kalifornien zu entfernen. Die Gründe warenYarbers Ablehnung der Todesstrafe und seine eigenmächtigen Verzögerungen derHinrichtungen gewesen. Die Leute hatten Blut sehen wollen, Yarber hatte dasverhindert, und die Republikaner hatten einen Riesenzirkus veranstaltet. SeineAbwahl war ein voller Erfolg gewesen. Man hatte ihn also hinausgeworfen, unddann war die Steuerfahndung gekommen und hatte Fragen gestellt.
Er hatte in Stanfordstudiert, war in Sacramento angeklagt und in San Francisco verurteilt worden,und nun saß er seine Strafe in einem Bundesgefängnis in Florida ab.
Seit zwei Jahren war ernun schon hier, und noch immer kämpfte er gegen die Bitterkeit an. Er glaubtean seine Unschuld und träumte von einem Triumph über seine Feinde. Doch dieTräume verblassten. Er verbrachte eine Menge Zeit allein auf der Aschenbahn,ließ sich von der Sonne bräunen und gab sich Phantasien von einem anderen Lebenhin.
»Der erste Fall istSchneiter gegen Magruder«, verkündete Spicer mit einer Stimme, als ginge es umein bedeutendes Kartellrechtsverfahren.
»Schneiter ist nicht da«,sagte Beech.
»Wo ist er?«
»In der Krankenstation.Wieder mal Gallensteine. Ich komme gerade von dort.«
Hatlee Beech war derdritte Richter. Er verbrachte die meiste Zeit in der Krankenstation, wegenHämorrhoiden, Kopfschmerzen oder geschwollenen Drüsen. Beech war mitsechsundfünfzig Jahren der jüngste der drei. Er hatte noch neun Jahreabzusitzen und war überzeugt, dass er im Gefängnis sterben würde. Er warBundesrichter in Ost-Texas gewesen, ein in der Wolle gefärbter Konservativer,der sich in der Bibel bestens auskannte und in Verhandlungen gern darauszitierte. Er hatte politische Ambitionen, eine nette Familie und Geld aus denÖlaktien der Familie seiner Frau gehabt. Außerdem war er mit einemAlkoholproblem geschlagen gewesen, von dem niemand etwas gewusst hatte, bis erim Yellowstone Park zwei Wanderer überfahren hatte. Beide waren ihrenVerletzungen erlegen. Der Wagen, an dessen Steuer Beech gesessen hatte, war dereiner jungen Frau gewesen, mit der er nicht verheiratet gewesen war. Sie hattenackt auf dem Beifahrersitz gesessen, zu betrunken, um sich auf den Beinen zu halten.
Das hatte ihm zwölf Jahreeingebracht.
Joe Roy Spicer, FinnYarber, Hatlee Beech, auch bekannt unter dem Namen »die Bruderschaft«: dasUnterste Bundesgericht von Nord-Florida in Trumble, einem Bundesgefängnis ohneMaschendrahtzäune, Stacheldraht und Wachtürme. Wenn man schon in den Knastmusste, saß man seine Zeit nach Möglichkeit in einem Bundesgefängnis wieTrumble ab.
»Sollen wir einVersäumnisurteil ergehen lassen?« fragte Spicer Beech.
»Nein. Vertagen wir denFall auf nächste Woche.«
»Na gut. Er wird unsschon nicht davonlaufen.«
»Ich erhebe Einspruchgegen eine Vertagung«, sagte Magruder, der irgendwo unter den Zuschauern saß.
»Tja, Pech«, erwiderteSpicer. »Der Fall ist auf nächste Woche vertagt.«
Magruder sprang auf. »Dasist jetzt schon das dritte Mal. Ich bin der Kläger. Ich hab ihn verklagt. JedesMal, wenn gegen ihn verhandelt werden soll, rennt er in die Krankenstation.«
»Worum gehts überhaupt?«fragte Spicer.
»Um siebzehn Dollar undzwei Magazine«, sagte T. Karl hilfsbereit.
»So viel, hm?« sagteSpicer. Siebzehn Dollar waren in Trumble eine ernste Angelegenheit.
Finn Yarber war bereitsjetzt gelangweilt. Er strich sich den schütteren grauen Bart und zog seinelangen Fingernägel über die Tischplatte. Dann ließ er seine Zehengelenke lautknacken, indem er sie fest gegen den Boden drückte - eine wirkungsvolle Übung,die an den Nerven der Anwesenden zerren konnte. In seinem früheren Leben, alser noch einen Titel gehabt hatte - Oberrichter am Obersten Gerichtshof vonKalifornien -, hatte er bei Verhandlungen oft Lederclogs ohne Socken getragen,damit er bei langweiligen mündlichen Ausführungen seine Zehen trainierenkonnte. »Vertagen wir«, sagte er.
»Gerechtigkeitaufschieben heißt, Gerechtigkeit verweigern«, sagte Magruder salbungsvoll.
»Wie originell«,erwiderte Beech. »Wir vertagen auf nächste Woche. Wenn Schneiter dann nichterscheint, ergeht ein Versäumnisurteil.«
»Beschlossen undverkündet«, sagte Spicer mit Entschiedenheit. T. Karl machte einen Vermerk imProtokoll und Magruder setzte sich verärgert. Er hatte seine Klage vor demUntersten Bundesgericht eingereicht, indem er T. Karl eine einseitigeZusammenfassung seiner Behauptungen gegen Schneiter übergab. Nur eine Seite.Die Bruderschaft verabscheute Papierkram. Eine Seite, und man bekam einenGerichtstermin. Schneiters Erwiderung hatte aus sechs Seiten vollerBeschimpfungen bestanden, die T. Karl allesamt gestrichen hatte.
Die Regeln waren einfach:kurze Plädoyers, keine Offenlegung von Schriftstücken, schnelle Urteile, diefür alle, die die Zuständigkeit des Gerichts anerkannten, bindend waren. Es gabkeine Berufung - an wen hätte man sich auch wenden sollen? Zeugen wurden nichtvereidigt; man erwartete geradezu, dass sie logen. Immerhin befand man sich jain einem Gefängnis.
»Wer ist als Nächstesdran?« fragte Spicer.
T. Karl zögerte kurz undsagte dann: »Ass.«
Für einen Augenblick wares totenstill, doch dann ertönte großer Lärm: Drängelnd und stoßend rückten dieGefangenen ihre Plastikstühle vor. »Das reicht jetzt!« rief T. Karl. DieZuschauer waren weniger als sechs Meter vom Richtertisch entfernt. »Die Würdedes Gerichts wird gewahrt bleiben!« erklärte er.
© Heyne Verlag
Übersetzer: Dirk vanGunsteren
Autoren-Porträt von John Grisham
JohnGrisham wird 1955 in Jonesboro, Arkansas, als Sohneines kleinen Bauunternehmers geboren. Er studiert Jura an der Universität vonMississippi und wird Anwalt und Strafverteidiger. 1983 wird er ins Parlamentdes Staates Mississippi gewählt. Aus Spaß beginnt er seinen ersten Roman undschreibt ihn jeden Morgen vor der Arbeit in seiner Kanzlei. 1988 erscheint seinerster Gerichstthriller Die Jury mit einer Auflage von 5000 Exemplaren. Mit seinem zweitenRoman Die Firma wird Grishamendgültig zum Bestsellerautor und hängt im Frühjahr 1991 seinen Beruf alsAnwalt und seine politischen Ämter an den Nagel, um nur noch als Schriftstellerzu arbeiten. Ihm gelingt, was noch keinem Autor bisher geglückt ist: er ist mitvier Titeln gleichzeitig in den Bestseller-Listen der New York Times Book Review vertreten, wobei ersowohl die Hardcover- als auch die Paperback-Liste anführte.
Mit seiner Frau und seinen beiden Kindern lebt der strenggläubige Baptist inOxford, einer Kleinstadt in Tennessee (wo schon William Faulkner lebte).
- Autor: John Grisham
- 2002, 464 Seiten, Maße: 11,5 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Dirk van Gunsteren
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453210697
- ISBN-13: 9783453210691
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