Die Seidenweberin
Köln, 1470: Nach dem Tod ihrer Eltern lernt die junge Fygen bei ihrer Tante Mettel das Handwerk der Seidenweberei. Fygen hat großes Talent, was in Mettel und
ihren Töchtern Neid auslöst. Sie versuchen, Fygen das
Leben zur Hölle zu machen.
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Produktinformationen zu „Die Seidenweberin “
Köln, 1470: Nach dem Tod ihrer Eltern lernt die junge Fygen bei ihrer Tante Mettel das Handwerk der Seidenweberei. Fygen hat großes Talent, was in Mettel und
ihren Töchtern Neid auslöst. Sie versuchen, Fygen das
Leben zur Hölle zu machen.
Lese-Probe zu „Die Seidenweberin “
Die Seidenweberin von Ursula Niehaus Prolog 1458
... mehr
Trübe starrte der beleibte Kaufmann in seinen Bierkrug.
Heute konnte ihn selbst das süßliche, blassgoldene
Gebräu nicht aufmuntern. Dieses liederliche Weibsbild,
seine Schwester! Er hatte kein moralisches Problem
damit, dass sie herumhurte und sich dem ersten Besten, der
ein seidenes Wams trug, an den Hals warf. Aber dass sie nun
ein Balg zur Welt brachte, das keinen Vater hatte, nahm er
ihr übel. Als seriöser Kaufmann hatte er schließlich einen
Ruf zu verlieren. Noch dazu in dieser kleinen Stadt, wo jeder
ihn kannte. Weniger mit Fleiß und Arbeit, dafür aber
mit viel Geiz und Verhandlungsgeschick hatte er in den vergangenen
Jahren aus dem Geschäft seines Vaters ein richtiggehendes
Handelsunternehmen gemacht, das größte der
Stadt. Er war jetzt in den Dreißigern und hatte wenig Lust,
sich alles, was er aufgebaut hatte, durch die Liederlichkeiten
seiner Schwester zunichtemachen zu lassen.
Die Luft im Alten Eber, dem Bierzapf am Markt, wurde
immer dicker, und der Lärm der Zechenden schwoll weiter
an. Unaufgefordert stellte die Wirtin einen vollen Krug
vor Mathys hin und wischte mit einem Zipfel ihrer schmierigen
Schürze über das abgeschabte Holz des Schanktisches.
Wortlos wies sie mit dem Kinn in Richtung eines
Tisches in der Ecke, an dem es besonders hoch herging.
»Der ist nicht ganz bei Trost«, sagte sie.
Mathys' feiste Finger griffen nach dem Krug. Er nahm
einen kräftigen Schluck und leckte sich den Schaum von
den feuchten, für einen Mann ein wenig zu roten Lippen.
»Wer?«, fragte er mehr höflich als wirklich interessiert.
»Na, der Dünne da mit der hellblauen Juppe.«
Mathys' Blick folgte dem ihren und machte durch den
Dunst einen jungen Mann aus, auf den ihre Beschreibung
passte. »Wieso? Was ist mit dem?«, wollte er wissen.
»Der verliert jetzt schon seit Stunden beim Würfeln. Entweder
ist er dumm, oder er hat Geld an den Füßen.«
»Na, nach Geld sieht der mir nicht aus. Kennst du ihn?«
Die Wirtin schüttelte nachdrücklich den Kopf, und ihr
ausladender Busen wogte energisch auf und ab. »Nee, hab
ich noch nie hier gesehen. Muss ein Fremder sein.«
Dumm und fremd, ging es Mathys durch den Kopf, eine
ideale Kombination. Und am trüben Horizont seiner düsteren
Gedanken erschien ein kleiner Lichtstreif. Geduldig
beobachtete er von Ferne, wie der Fremde sein Glück herausforderte,
Stunde für Stunde. Der junge Mann war groß
gewachsen, mit kräftigen Gliedmaßen, doch sah er nicht
aus wie einer, der sein Geld mit Arbeit verdiente. Seine
Hände waren gepflegt, das Gesicht fein geschnitten, mit
hübsch geschwungenen Lippen und blauen Augen. Sein
Kinn war vielleicht eine Spur zu weich, doch alles in allem
war er ein ansehnlicher Bursche. Seine Schwester würde
ihm noch dankbar sein, dachte Mathys.
Der Fremde schien auch kein Händler zu sein, eher ein
nichtsnutziger Spross aus adligem Hause. Einer jener Habenichtse,
die mit Geschick und Findigkeit anderen auf
der Tasche lagen.
Mathys' Ausdauer wurde belohnt. In den frühen Morgen
stunden saß der junge Mann endlich, abgebrannt und des
Inhaltes seiner Taschen beraubt, allein an seinem Tisch.
Seine Zechkumpanen hatten sich zerstreut. Mathys gab
der Wirtin einen Wink, und mit mitleidigem Lächeln stellte
sie einen gut gefüllten Krug vor den Fremden hin. Auf
seine Frage hin deutete sie auf Mathys, der seinen Krug
zum Gruße hob.
Kurz kamen Mathys Bedenken. Nicht über die Rechtschaffenheit
seines Planes, sondern weil der Mann ein
Spieler war. Doch freilich, einen Ehrenmann brauchte er
unter diesen Umständen nicht zu suchen. Also stand er
auf, setzte sich ungebeten zu dem Fremden an den Tisch
und sprach ihn an: »Nicht gut gelaufen, was?«
»Kann man so sagen.« Der Fremde starrte in seinen Krug.
»Und was habt Ihr jetzt vor?«, erkundigte Mathys sich
höfl ich.
»Mal sehen, was sich so anbietet.«
Mathys hatte sich nicht verschätzt. Der Fremde war völlig
mittellos und wusste nicht, wo er die Nacht verbringen
sollte.
»Ein Mann wie Ihr sollte nicht arbeiten müssen.« Mathys
zielte ins Blaue.
Der Fremde nickte zustimmend.
»Ich hätte Euch ein Geschäft vorzuschlagen«, sagte Mathys
und wagte einen Vorstoß.
Erstaunt zog der Fremde die fein geschwungenen Augenbrauen
hoch und blickte Mathys zum ersten Mal aufmerksam an.
Dieser, sich nun der vollen Aufmerksamkeit des Fremden
sicher, sagte: »Ich bin Kaufmann wie mein Vater vor
mir. Nicht unvermögend, versteht sich. Und ich habe
eine Schwester. Dieser fällt, im Falle ihrer Verehelichung,
die Hälfte des Handelskontors, das mein Vater hinterlassen
hat, zu.« Mathys machte eine beredte Pause, um
sicherzugehen, dass sein Gegenüber die Worte auch richtig
erfasste.
»Und worin besteht das Geschäft?«, wollte der Fremde
wissen und blickte Mathys verständnislos an.
»Nun, ich suche einen passenden Gatten für meine Schwester
und frage mich, ob Ihr nicht interessiert wärt.«
Konrad, dem Fremden, blieb für einen Moment vor Überraschung
der Mund offen stehen, dann verzog er sein Gesicht
zu einem spöttischen Grinsen. Er war keineswegs so
dumm, wie Mathys vermutet hatte. »Was stimmt denn
nicht mit Eurer Schwester?«, fragte er. »Ist sie alt, buckelig
oder lahm, dass Ihr sie zu verschachern sucht wie einen
krummen Gaul?«
»Ihr braucht sie nicht zu lieben, Ihr sollt sie nur ehelichen«,
antwortete Mathys. »Seid Ihr nicht ein Spieler? So seht es
doch als Spiel an. Eines, bei dem Ihr nur gewinnen
könnt.«
»Wo liegt nun der Haken?«, bohrte Konrad nach.
Die Schwangerschaft war bereits zu weit fortgeschritten,
als dass dieser Tatbestand zu verbergen wäre. Es war
höchste Zeit zu handeln. »Sie trägt das Kind eines anderen
«, gestand Mathys widerwillig.
Konrad ließ sich dadurch nicht aus der Fassung bringen.
»Und wie groß ist das Vermögen der Dame?«, brachte er
die Verhandlungen auf den Punkt.
Ausführlich schilderte Mathys ihm den Umfang seiner
Handelsaktivitäten, nannte ihm den momentanen Bestand
an Lagerware, die offenen Forderungen und zählte stolz
seine guten Handelskontakte auf, die nach Köln, Mainz
und Lübeck reichten. »Die Hälfte des Handelskontors
also«, schloss er. Es lag nicht in seiner Natur, das schwer
verdiente Geld zu verschleudern. Doch diesem Mann hier
brauchte er nicht mit einem geringeren Angebot zu kommen,
das wusste er.
Konrad nickte bedächtig. Vom Grunde einiger Bierkrüge
aus betrachtet, klang der Handel ganz verlockend. Doch
er war nicht zu trunken, um Für und Wider dieses Vorschlages
abzuwägen. Die Vorteile schienen bei weitem zu
überwiegen. Und sollte sich die Situation als absolut unerträglich
herausstellen, nun, dann würde er einfach wieder
sein Bündel packen und weiterziehen. Das Risiko war gering.
Ein letztes Bier genehmigten sich die künftigen Schwäger
auf ihren Handel, dann machten sie sich auf den kurzen
Weg zu Mathys' Haus.
Die mollige Haushälterin war noch auf den Beinen. Voller
Freude funkelten ihre braunen Augen, als sie Mathys berichtete,
Irma, seine Schwester, wäre niedergekommen,
just vor wenigen Stunden, während er im Bierzapf weilte.
Die Hebamme hätte sie von einem niedlichen, kleinen
Mädchen entbunden, ein allerliebstes Kind sei es, und Irma
ginge es den Umständen entsprechend gut.
Früh in den Morgenstunden des folgenden Tages kam der
Pfarrer ins Haus. Er war ein altgedienter Mann des Glaubens,
der schon allerhand erlebt hatte. Und wenn es ihn
wunderte, dass er den Bräutigam nie zuvor in der Stadt
gesehen hatte, so ließ er es sich nicht anmerken.
Die Braut war recht schwach. Es fiel ihr sichtlich schwer,
sich für die Eheschließung von ihrem Kindbett zu erhe-
ben, doch hatte sie der Haushälterin gestattet, sie anzukleiden
und ihre langen dunklen Locken zu bürsten, bis
sie glänzten. Ihre kohlefarbenen Augen lagen tief und ein
wenig fiebrig in dem zarten Gesicht, und ihr sonst so frischer
Teint war einer kalten Blässe gewichen.
Konrad sog überrascht die Luft ein, als er seine Gemahlin
erblickte. Wenn diese Frau sich von den Strapazen des
Kindbettes erholt hätte, dessen war er sicher, würde sie
wieder zu einer außergewöhnlichen Schönheit erblühen.
Diskret beschränkte der Pfarrer die Trauungszeremonie
auf das absolut Notwendige, und angesichts der Umstände
verzichtete man auch auf die üblichen Feierlichkeiten.
Konrad war entzückt von seiner jungen Gattin. Welchem
Heiligen hatte er nur dieses Glück zu verdanken?
Doch in der Nacht darauf setzte das Bluten ein. Stärker
und immer stärker sog es alle Lebenskraft aus Irmas Körper
mit sich hinaus, und die ersten Sonnenstrahlen des folgenden
Tages machten Konrad zum Witwer.
Er verspürte ein vages Bedauern um den Tod seiner Gattin.
Sie war zu jung und zu hübsch, um schon vom Herrgott
heimgeholt zu werden, doch es wäre müßig, mit dem
Schicksal zu hadern. Konrad beschloss stattdessen, sich
das kleine Wesen genauer anzuschauen, dessen Ankunft
auf Erden ihm so unvermittelt zu neuem Wohlstand verholfen
hatte.
Erfreut über sein Interesse, brachte Mathys' Haushälterin
das winzige Bündel eilig herbei und schlug stolz, als sei es
ihre eigene Tochter, die Tücher zurück, die das Gesichtchen
umhüllten. Vorsichtig streckte Konrad den Zeigefi nger
aus und strich sanft über den zarten dunklen Flaum,
der das winzige Köpfchen bedeckte.
Überraschend öffnete das Kind zwei große, bernsteinfarbene
Augen und schenkte Konrad ein blubberndes, zahnloses
Lächeln, das wie ein Dolch direkt in sein Herz fuhr.
Zum ersten und letzten Mal in seinem Leben verliebte sich
Konrad van Bellinghoven wahrhaftig.
Teil I
1470 - 1471
1. Kapitel
Mit dem Ellenbogen drückte Fygen die eiserne Türklinke
herab und schob die schwere Tür zum
Kontor auf, vorsichtig darauf bedacht, weder den sauren
Wein zu verschütten, der gefährlich hoch den Krug füllte,
noch den Teller mit Kraut und Speck fallen zu lassen.
»Hinaus!«, donnerte es ihr vom anderen Ende des Raumes
entgegen.
Vor Schreck machte Fygen einen Satz zurück. Ein
Speckstreifen rutschte über den Tellerrand, und das
Mädchen konnte ihn gerade noch mit dem Daumen auf
dem Teller festhalten. Langsam schob sie sich in den
spärlich möblierten Raum hinein. In einem Regal an der
Wand waren sorgfältig Geschäftsbücher aufgereiht, alle
in speckiges Leder gebunden. An der gegenüberliegenden
Wand stand eine geschnitzte, mit schweren Schlössern
gesicherte Holztruhe. Staubkörnchen tanzten im Licht,
das durch die beiden spitzen Buntglasfenster hereinfi el.
In der hinteren Zimmerecke quoll die feiste Gestalt ihres
Oheims hinter einem Schreibpult hervor, den runden
Kopf tief über das aufgeschlagene Journal gebeugt. Der
ganze Raum wirkte verstaubt, und Fygen erinnerte sich,
dass Lijse gesagt hatte, hier dürfe sie nie zum Fegen hinein,
der Alte hätte wohl Angst, jemand würde seine Juwelen
mausen.
Fygen räusperte sich.
»Ich sagte doch ...«
»Onkel Mathys, ich bringe dein Essen«, unterbrach Fygen
ihn rasch und versuchte, ihrer Stimme mehr Selbstsicherheit
zu geben, als sie wirklich verspürte.
»Hm«, brummte der Kaufmann, hob den Kopf und nickte
mit waberndem Kinn in Richtung der Truhe. »Stell es dahin.
Und dann verschwinde. Und nimm die Finger von
meinem Speck.«
Fygen tat wie ihr geheißen, wandte dem Onkel den Rücken
zu, beugte sich über das niedrige Möbel und stellte
das Essen ab. Erleichtert, ihre Last loszuwerden, war sie
schon fast wieder zur Tür hinaus, als Mathys sie noch einmal
zurückrief.
»Komm mal her.« Mit einer herrischen Geste seiner fl eischigen
Linken winkte er das Mädchen zu sich heran.
Misstrauisch trat Fygen näher an das hölzerne Schreibpult.
Es reichte fast bis zum Scheitel ihrer langen gefl ochtenen
Zöpfe. Seit sie nach Vaters Tod in den Haushalt des Onkels
gekommen war, und das lag schon ein paar Jahre zurück,
hatte dieser vielleicht zweimal das Wort an sie gerichtet.
Und das sicher nicht auf freundliche Weise,
erinnerte Fygen sich. Damals hatte er sie oberfl ächlich gemustert
und befunden: »Knochig, mager, unansehnlich
wie ein nasser Spatz. Sie schlägt ihrer Mutter so gar nicht
nach.« Und brummend hatte er hinzugefügt: »Nun, das ist
vielleicht kein Schaden.« Im Übrigen hatte er das Mädchen
ignoriert, was Fygen nur recht sein konnte.
Was konnte er jetzt von ihr wollen? Hatte er vielleicht
eines ihrer langen dunklen Haare im Kraut entdeckt? O
weh, dann konnte sie sich auf etwas gefasst machen. Zu
dumm aber auch, dass ihre widerspenstigen Locken sich
immer wieder aus den Bändern mogelten, mit denen Lijse
sie morgens zu bändigen suchte.
Auf das Schlimmste gefasst, trat Fygen vor das Pult, die
Augen starr auf die Holzplanken gesenkt, um den Oheim
nicht noch zusätzlich zu reizen.
»Wie alt bist du jetzt, meine Kleine?«, fragte Mathys
freundlich.
Fygen hatte vor Spannung die Luft angehalten, nun entwich
diese mit einem Zischen, so dass ihre Antwort mehr
wie »pfflf« als zwölf klang. Hatte sie sich verhört?
»Du hast dich ja richtig herausgemacht.« Mathys nickte
und ließ wohlwollend seinen Blick über Fygens biegsame
Gestalt wandern. Das Mädchen war recht schlank, nicht
sehr groß gewachsen, und seine Bewegungen hatten das
Eckige der Kindheit noch nicht zur Gänze abgelegt. Von
der Sonne gebräunte, olivfarbene Haut spannte sich über
zarte Wangenknochen, und bis auf das fast zu vorwitzige
Kinn prägten ebenmäßige Züge das ovale Gesicht. Einzig
der Mund mit den vollen Lippen war eine Spur zu breit
geraten, um als schön zu gelten. Das Auffallendste an Fygens
Erscheinung jedoch waren ihre ein wenig schräg stehenden,
funkelnden, bernsteinfarbenen Augen, die jede
Minute ihre Farbe zu ändern schienen, von warmem Honig
bis zu funkensprühendem Phosphor.
Endlich traute Fygen sich, den Kopf zu heben, und sah
direkt in die schmalen, wässrigen Augen ihres Oheims, die
zwischen den wulstigen Wangen zu versinken drohten.
Unsicher sah sie zu, wie er seine massige Gestalt um das
Pult herum auf sie zu bewegte. Auf seinen feucht glänzenden
roten Lippen lag ein freundliches Lächeln.
»Immer noch ein wenig knochig, aber doch schon die
Rundungen an den rechten Stellen«, sagte er gedehnt. Sein
Blick saugte sich an dem rechteckigen, mit schmaler Litze
besetzten Ausschnitt ihres Mieders fest, das gerade die
Ansätze einer jugendlichen Brust erahnen ließ. Fygen
spürte seine klebrigen Blicke wie Egel auf der Haut.
Mathys streckte seinen kurzen Arm aus und pfl ückte ihr
eine Schleife aus dem Haar. Als sich die Locken befreit um
ihr Kinn ringelten, trat ein Glitzern in seine blassen Augen,
und seine Stimme war ein wenig atemlos, als er sagte:
»Du ähnelst deiner Mutter, weißt du das?« Er legte einen
dicken Finger unter ihr Kinn und schob sein Gesicht direkt
vor ihres. Fygen konnte seinen unangenehm fauligen
Atem riechen und versuchte, den Kopf abzuwenden.
»Sie war eine richtige Schönheit«, fuhr ihr Onkel fort und
ließ seinen Finger langsam von ihrem Kinn den schlanken
Hals hinabwandern.
Fygen versuchte, einen Schritt zurückzuweichen, doch das
Schreibpult in ihrem Rücken hinderte sie daran. Mathys
legte seinen freien Arm um ihre mageren Schultern und
murmelte dicht an ihrem Ohr: »So wie du einmal eine
Schönheit sein wirst.« Sein Finger hatte den Ansatz ihrer
Brust erreicht, und Fygen spürte ein flaues Gefühl im Magen.
Starr sah sie zu, wie sich seine Hand mit den tiefen
Grübchen im Fett unangenehm fest um ihre Brust schloss,
und stöhnte mehr vor Überraschung denn vor Schmerz
auf. Mathys schoss das Blut ins Gesicht. Grob presste er
Fygens schmalen Körper mit seinem Leib gegen das Pult
und vergrub seinen Mund in ihren Haaren. Das üble Gefühl
in Fygens Magen verdichtete sich zu einem festen,
kleinen Knoten, als er mit der Rechten ihre Gesäßbacken
packte und erregt seinen Unterleib an ihr rieb.
Fygen versuchte sich loszumachen und stemmte beide
Hände gegen seine Brust.
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright der Originalausgabe © 2007 by Knaur Verlag.
Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt
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Printed in the EU
ISBN 978-3-86800-823-4
2014 2013 2012 2011
Die letzte Jahreszahl gibt die aktuelle Lizenzausgabe an.
Trübe starrte der beleibte Kaufmann in seinen Bierkrug.
Heute konnte ihn selbst das süßliche, blassgoldene
Gebräu nicht aufmuntern. Dieses liederliche Weibsbild,
seine Schwester! Er hatte kein moralisches Problem
damit, dass sie herumhurte und sich dem ersten Besten, der
ein seidenes Wams trug, an den Hals warf. Aber dass sie nun
ein Balg zur Welt brachte, das keinen Vater hatte, nahm er
ihr übel. Als seriöser Kaufmann hatte er schließlich einen
Ruf zu verlieren. Noch dazu in dieser kleinen Stadt, wo jeder
ihn kannte. Weniger mit Fleiß und Arbeit, dafür aber
mit viel Geiz und Verhandlungsgeschick hatte er in den vergangenen
Jahren aus dem Geschäft seines Vaters ein richtiggehendes
Handelsunternehmen gemacht, das größte der
Stadt. Er war jetzt in den Dreißigern und hatte wenig Lust,
sich alles, was er aufgebaut hatte, durch die Liederlichkeiten
seiner Schwester zunichtemachen zu lassen.
Die Luft im Alten Eber, dem Bierzapf am Markt, wurde
immer dicker, und der Lärm der Zechenden schwoll weiter
an. Unaufgefordert stellte die Wirtin einen vollen Krug
vor Mathys hin und wischte mit einem Zipfel ihrer schmierigen
Schürze über das abgeschabte Holz des Schanktisches.
Wortlos wies sie mit dem Kinn in Richtung eines
Tisches in der Ecke, an dem es besonders hoch herging.
»Der ist nicht ganz bei Trost«, sagte sie.
Mathys' feiste Finger griffen nach dem Krug. Er nahm
einen kräftigen Schluck und leckte sich den Schaum von
den feuchten, für einen Mann ein wenig zu roten Lippen.
»Wer?«, fragte er mehr höflich als wirklich interessiert.
»Na, der Dünne da mit der hellblauen Juppe.«
Mathys' Blick folgte dem ihren und machte durch den
Dunst einen jungen Mann aus, auf den ihre Beschreibung
passte. »Wieso? Was ist mit dem?«, wollte er wissen.
»Der verliert jetzt schon seit Stunden beim Würfeln. Entweder
ist er dumm, oder er hat Geld an den Füßen.«
»Na, nach Geld sieht der mir nicht aus. Kennst du ihn?«
Die Wirtin schüttelte nachdrücklich den Kopf, und ihr
ausladender Busen wogte energisch auf und ab. »Nee, hab
ich noch nie hier gesehen. Muss ein Fremder sein.«
Dumm und fremd, ging es Mathys durch den Kopf, eine
ideale Kombination. Und am trüben Horizont seiner düsteren
Gedanken erschien ein kleiner Lichtstreif. Geduldig
beobachtete er von Ferne, wie der Fremde sein Glück herausforderte,
Stunde für Stunde. Der junge Mann war groß
gewachsen, mit kräftigen Gliedmaßen, doch sah er nicht
aus wie einer, der sein Geld mit Arbeit verdiente. Seine
Hände waren gepflegt, das Gesicht fein geschnitten, mit
hübsch geschwungenen Lippen und blauen Augen. Sein
Kinn war vielleicht eine Spur zu weich, doch alles in allem
war er ein ansehnlicher Bursche. Seine Schwester würde
ihm noch dankbar sein, dachte Mathys.
Der Fremde schien auch kein Händler zu sein, eher ein
nichtsnutziger Spross aus adligem Hause. Einer jener Habenichtse,
die mit Geschick und Findigkeit anderen auf
der Tasche lagen.
Mathys' Ausdauer wurde belohnt. In den frühen Morgen
stunden saß der junge Mann endlich, abgebrannt und des
Inhaltes seiner Taschen beraubt, allein an seinem Tisch.
Seine Zechkumpanen hatten sich zerstreut. Mathys gab
der Wirtin einen Wink, und mit mitleidigem Lächeln stellte
sie einen gut gefüllten Krug vor den Fremden hin. Auf
seine Frage hin deutete sie auf Mathys, der seinen Krug
zum Gruße hob.
Kurz kamen Mathys Bedenken. Nicht über die Rechtschaffenheit
seines Planes, sondern weil der Mann ein
Spieler war. Doch freilich, einen Ehrenmann brauchte er
unter diesen Umständen nicht zu suchen. Also stand er
auf, setzte sich ungebeten zu dem Fremden an den Tisch
und sprach ihn an: »Nicht gut gelaufen, was?«
»Kann man so sagen.« Der Fremde starrte in seinen Krug.
»Und was habt Ihr jetzt vor?«, erkundigte Mathys sich
höfl ich.
»Mal sehen, was sich so anbietet.«
Mathys hatte sich nicht verschätzt. Der Fremde war völlig
mittellos und wusste nicht, wo er die Nacht verbringen
sollte.
»Ein Mann wie Ihr sollte nicht arbeiten müssen.« Mathys
zielte ins Blaue.
Der Fremde nickte zustimmend.
»Ich hätte Euch ein Geschäft vorzuschlagen«, sagte Mathys
und wagte einen Vorstoß.
Erstaunt zog der Fremde die fein geschwungenen Augenbrauen
hoch und blickte Mathys zum ersten Mal aufmerksam an.
Dieser, sich nun der vollen Aufmerksamkeit des Fremden
sicher, sagte: »Ich bin Kaufmann wie mein Vater vor
mir. Nicht unvermögend, versteht sich. Und ich habe
eine Schwester. Dieser fällt, im Falle ihrer Verehelichung,
die Hälfte des Handelskontors, das mein Vater hinterlassen
hat, zu.« Mathys machte eine beredte Pause, um
sicherzugehen, dass sein Gegenüber die Worte auch richtig
erfasste.
»Und worin besteht das Geschäft?«, wollte der Fremde
wissen und blickte Mathys verständnislos an.
»Nun, ich suche einen passenden Gatten für meine Schwester
und frage mich, ob Ihr nicht interessiert wärt.«
Konrad, dem Fremden, blieb für einen Moment vor Überraschung
der Mund offen stehen, dann verzog er sein Gesicht
zu einem spöttischen Grinsen. Er war keineswegs so
dumm, wie Mathys vermutet hatte. »Was stimmt denn
nicht mit Eurer Schwester?«, fragte er. »Ist sie alt, buckelig
oder lahm, dass Ihr sie zu verschachern sucht wie einen
krummen Gaul?«
»Ihr braucht sie nicht zu lieben, Ihr sollt sie nur ehelichen«,
antwortete Mathys. »Seid Ihr nicht ein Spieler? So seht es
doch als Spiel an. Eines, bei dem Ihr nur gewinnen
könnt.«
»Wo liegt nun der Haken?«, bohrte Konrad nach.
Die Schwangerschaft war bereits zu weit fortgeschritten,
als dass dieser Tatbestand zu verbergen wäre. Es war
höchste Zeit zu handeln. »Sie trägt das Kind eines anderen
«, gestand Mathys widerwillig.
Konrad ließ sich dadurch nicht aus der Fassung bringen.
»Und wie groß ist das Vermögen der Dame?«, brachte er
die Verhandlungen auf den Punkt.
Ausführlich schilderte Mathys ihm den Umfang seiner
Handelsaktivitäten, nannte ihm den momentanen Bestand
an Lagerware, die offenen Forderungen und zählte stolz
seine guten Handelskontakte auf, die nach Köln, Mainz
und Lübeck reichten. »Die Hälfte des Handelskontors
also«, schloss er. Es lag nicht in seiner Natur, das schwer
verdiente Geld zu verschleudern. Doch diesem Mann hier
brauchte er nicht mit einem geringeren Angebot zu kommen,
das wusste er.
Konrad nickte bedächtig. Vom Grunde einiger Bierkrüge
aus betrachtet, klang der Handel ganz verlockend. Doch
er war nicht zu trunken, um Für und Wider dieses Vorschlages
abzuwägen. Die Vorteile schienen bei weitem zu
überwiegen. Und sollte sich die Situation als absolut unerträglich
herausstellen, nun, dann würde er einfach wieder
sein Bündel packen und weiterziehen. Das Risiko war gering.
Ein letztes Bier genehmigten sich die künftigen Schwäger
auf ihren Handel, dann machten sie sich auf den kurzen
Weg zu Mathys' Haus.
Die mollige Haushälterin war noch auf den Beinen. Voller
Freude funkelten ihre braunen Augen, als sie Mathys berichtete,
Irma, seine Schwester, wäre niedergekommen,
just vor wenigen Stunden, während er im Bierzapf weilte.
Die Hebamme hätte sie von einem niedlichen, kleinen
Mädchen entbunden, ein allerliebstes Kind sei es, und Irma
ginge es den Umständen entsprechend gut.
Früh in den Morgenstunden des folgenden Tages kam der
Pfarrer ins Haus. Er war ein altgedienter Mann des Glaubens,
der schon allerhand erlebt hatte. Und wenn es ihn
wunderte, dass er den Bräutigam nie zuvor in der Stadt
gesehen hatte, so ließ er es sich nicht anmerken.
Die Braut war recht schwach. Es fiel ihr sichtlich schwer,
sich für die Eheschließung von ihrem Kindbett zu erhe-
ben, doch hatte sie der Haushälterin gestattet, sie anzukleiden
und ihre langen dunklen Locken zu bürsten, bis
sie glänzten. Ihre kohlefarbenen Augen lagen tief und ein
wenig fiebrig in dem zarten Gesicht, und ihr sonst so frischer
Teint war einer kalten Blässe gewichen.
Konrad sog überrascht die Luft ein, als er seine Gemahlin
erblickte. Wenn diese Frau sich von den Strapazen des
Kindbettes erholt hätte, dessen war er sicher, würde sie
wieder zu einer außergewöhnlichen Schönheit erblühen.
Diskret beschränkte der Pfarrer die Trauungszeremonie
auf das absolut Notwendige, und angesichts der Umstände
verzichtete man auch auf die üblichen Feierlichkeiten.
Konrad war entzückt von seiner jungen Gattin. Welchem
Heiligen hatte er nur dieses Glück zu verdanken?
Doch in der Nacht darauf setzte das Bluten ein. Stärker
und immer stärker sog es alle Lebenskraft aus Irmas Körper
mit sich hinaus, und die ersten Sonnenstrahlen des folgenden
Tages machten Konrad zum Witwer.
Er verspürte ein vages Bedauern um den Tod seiner Gattin.
Sie war zu jung und zu hübsch, um schon vom Herrgott
heimgeholt zu werden, doch es wäre müßig, mit dem
Schicksal zu hadern. Konrad beschloss stattdessen, sich
das kleine Wesen genauer anzuschauen, dessen Ankunft
auf Erden ihm so unvermittelt zu neuem Wohlstand verholfen
hatte.
Erfreut über sein Interesse, brachte Mathys' Haushälterin
das winzige Bündel eilig herbei und schlug stolz, als sei es
ihre eigene Tochter, die Tücher zurück, die das Gesichtchen
umhüllten. Vorsichtig streckte Konrad den Zeigefi nger
aus und strich sanft über den zarten dunklen Flaum,
der das winzige Köpfchen bedeckte.
Überraschend öffnete das Kind zwei große, bernsteinfarbene
Augen und schenkte Konrad ein blubberndes, zahnloses
Lächeln, das wie ein Dolch direkt in sein Herz fuhr.
Zum ersten und letzten Mal in seinem Leben verliebte sich
Konrad van Bellinghoven wahrhaftig.
Teil I
1470 - 1471
1. Kapitel
Mit dem Ellenbogen drückte Fygen die eiserne Türklinke
herab und schob die schwere Tür zum
Kontor auf, vorsichtig darauf bedacht, weder den sauren
Wein zu verschütten, der gefährlich hoch den Krug füllte,
noch den Teller mit Kraut und Speck fallen zu lassen.
»Hinaus!«, donnerte es ihr vom anderen Ende des Raumes
entgegen.
Vor Schreck machte Fygen einen Satz zurück. Ein
Speckstreifen rutschte über den Tellerrand, und das
Mädchen konnte ihn gerade noch mit dem Daumen auf
dem Teller festhalten. Langsam schob sie sich in den
spärlich möblierten Raum hinein. In einem Regal an der
Wand waren sorgfältig Geschäftsbücher aufgereiht, alle
in speckiges Leder gebunden. An der gegenüberliegenden
Wand stand eine geschnitzte, mit schweren Schlössern
gesicherte Holztruhe. Staubkörnchen tanzten im Licht,
das durch die beiden spitzen Buntglasfenster hereinfi el.
In der hinteren Zimmerecke quoll die feiste Gestalt ihres
Oheims hinter einem Schreibpult hervor, den runden
Kopf tief über das aufgeschlagene Journal gebeugt. Der
ganze Raum wirkte verstaubt, und Fygen erinnerte sich,
dass Lijse gesagt hatte, hier dürfe sie nie zum Fegen hinein,
der Alte hätte wohl Angst, jemand würde seine Juwelen
mausen.
Fygen räusperte sich.
»Ich sagte doch ...«
»Onkel Mathys, ich bringe dein Essen«, unterbrach Fygen
ihn rasch und versuchte, ihrer Stimme mehr Selbstsicherheit
zu geben, als sie wirklich verspürte.
»Hm«, brummte der Kaufmann, hob den Kopf und nickte
mit waberndem Kinn in Richtung der Truhe. »Stell es dahin.
Und dann verschwinde. Und nimm die Finger von
meinem Speck.«
Fygen tat wie ihr geheißen, wandte dem Onkel den Rücken
zu, beugte sich über das niedrige Möbel und stellte
das Essen ab. Erleichtert, ihre Last loszuwerden, war sie
schon fast wieder zur Tür hinaus, als Mathys sie noch einmal
zurückrief.
»Komm mal her.« Mit einer herrischen Geste seiner fl eischigen
Linken winkte er das Mädchen zu sich heran.
Misstrauisch trat Fygen näher an das hölzerne Schreibpult.
Es reichte fast bis zum Scheitel ihrer langen gefl ochtenen
Zöpfe. Seit sie nach Vaters Tod in den Haushalt des Onkels
gekommen war, und das lag schon ein paar Jahre zurück,
hatte dieser vielleicht zweimal das Wort an sie gerichtet.
Und das sicher nicht auf freundliche Weise,
erinnerte Fygen sich. Damals hatte er sie oberfl ächlich gemustert
und befunden: »Knochig, mager, unansehnlich
wie ein nasser Spatz. Sie schlägt ihrer Mutter so gar nicht
nach.« Und brummend hatte er hinzugefügt: »Nun, das ist
vielleicht kein Schaden.« Im Übrigen hatte er das Mädchen
ignoriert, was Fygen nur recht sein konnte.
Was konnte er jetzt von ihr wollen? Hatte er vielleicht
eines ihrer langen dunklen Haare im Kraut entdeckt? O
weh, dann konnte sie sich auf etwas gefasst machen. Zu
dumm aber auch, dass ihre widerspenstigen Locken sich
immer wieder aus den Bändern mogelten, mit denen Lijse
sie morgens zu bändigen suchte.
Auf das Schlimmste gefasst, trat Fygen vor das Pult, die
Augen starr auf die Holzplanken gesenkt, um den Oheim
nicht noch zusätzlich zu reizen.
»Wie alt bist du jetzt, meine Kleine?«, fragte Mathys
freundlich.
Fygen hatte vor Spannung die Luft angehalten, nun entwich
diese mit einem Zischen, so dass ihre Antwort mehr
wie »pfflf« als zwölf klang. Hatte sie sich verhört?
»Du hast dich ja richtig herausgemacht.« Mathys nickte
und ließ wohlwollend seinen Blick über Fygens biegsame
Gestalt wandern. Das Mädchen war recht schlank, nicht
sehr groß gewachsen, und seine Bewegungen hatten das
Eckige der Kindheit noch nicht zur Gänze abgelegt. Von
der Sonne gebräunte, olivfarbene Haut spannte sich über
zarte Wangenknochen, und bis auf das fast zu vorwitzige
Kinn prägten ebenmäßige Züge das ovale Gesicht. Einzig
der Mund mit den vollen Lippen war eine Spur zu breit
geraten, um als schön zu gelten. Das Auffallendste an Fygens
Erscheinung jedoch waren ihre ein wenig schräg stehenden,
funkelnden, bernsteinfarbenen Augen, die jede
Minute ihre Farbe zu ändern schienen, von warmem Honig
bis zu funkensprühendem Phosphor.
Endlich traute Fygen sich, den Kopf zu heben, und sah
direkt in die schmalen, wässrigen Augen ihres Oheims, die
zwischen den wulstigen Wangen zu versinken drohten.
Unsicher sah sie zu, wie er seine massige Gestalt um das
Pult herum auf sie zu bewegte. Auf seinen feucht glänzenden
roten Lippen lag ein freundliches Lächeln.
»Immer noch ein wenig knochig, aber doch schon die
Rundungen an den rechten Stellen«, sagte er gedehnt. Sein
Blick saugte sich an dem rechteckigen, mit schmaler Litze
besetzten Ausschnitt ihres Mieders fest, das gerade die
Ansätze einer jugendlichen Brust erahnen ließ. Fygen
spürte seine klebrigen Blicke wie Egel auf der Haut.
Mathys streckte seinen kurzen Arm aus und pfl ückte ihr
eine Schleife aus dem Haar. Als sich die Locken befreit um
ihr Kinn ringelten, trat ein Glitzern in seine blassen Augen,
und seine Stimme war ein wenig atemlos, als er sagte:
»Du ähnelst deiner Mutter, weißt du das?« Er legte einen
dicken Finger unter ihr Kinn und schob sein Gesicht direkt
vor ihres. Fygen konnte seinen unangenehm fauligen
Atem riechen und versuchte, den Kopf abzuwenden.
»Sie war eine richtige Schönheit«, fuhr ihr Onkel fort und
ließ seinen Finger langsam von ihrem Kinn den schlanken
Hals hinabwandern.
Fygen versuchte, einen Schritt zurückzuweichen, doch das
Schreibpult in ihrem Rücken hinderte sie daran. Mathys
legte seinen freien Arm um ihre mageren Schultern und
murmelte dicht an ihrem Ohr: »So wie du einmal eine
Schönheit sein wirst.« Sein Finger hatte den Ansatz ihrer
Brust erreicht, und Fygen spürte ein flaues Gefühl im Magen.
Starr sah sie zu, wie sich seine Hand mit den tiefen
Grübchen im Fett unangenehm fest um ihre Brust schloss,
und stöhnte mehr vor Überraschung denn vor Schmerz
auf. Mathys schoss das Blut ins Gesicht. Grob presste er
Fygens schmalen Körper mit seinem Leib gegen das Pult
und vergrub seinen Mund in ihren Haaren. Das üble Gefühl
in Fygens Magen verdichtete sich zu einem festen,
kleinen Knoten, als er mit der Rechten ihre Gesäßbacken
packte und erregt seinen Unterleib an ihr rieb.
Fygen versuchte sich loszumachen und stemmte beide
Hände gegen seine Brust.
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ISBN 978-3-86800-823-4
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Die letzte Jahreszahl gibt die aktuelle Lizenzausgabe an.
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Autoren-Porträt von Ursula Niehaus
Ursula Niehaus wurde 1965 geboren. Ihre Leidenschaft für Stoffe führte dazu, dass sie sich nach dem Studium mit einem Stoffgeschäft selbstständig machte. Heute lebt sie mit ihrem Mann in einem kleinen historischen Winzerstädtchen am Rhein, doch im Herzen ist die gebürtige Kölnerin ihrer Heimatstadt treu geblieben.
Bibliographische Angaben
- Autor: Ursula Niehaus
- 640 Seiten, Maße: 12,4 x 18,7 cm, Taschenbuch
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3868008233
- ISBN-13: 9783868008234
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