Die Welt aus den Fugen
Peter Scholl-Latour analysiert eine Welt im Umbruch - den Aufstieg Chinas, den Niedergang der USA, den Aufbruch Arabiens und den Zerfall Europas
In seinem Bestseller „Die Welt aus den Fugen“ analysiert der kürzlich verstorbene Journalist Peter Scholl-Latour kenntnisreich und scharfsinnig die Krisenherde der Welt.
Für das Nachrichtenmagazin Spiegel war er...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Die Welt aus den Fugen “
In seinem Bestseller „Die Welt aus den Fugen“ analysiert der kürzlich verstorbene Journalist Peter Scholl-Latour kenntnisreich und scharfsinnig die Krisenherde der Welt.
Für das Nachrichtenmagazin Spiegel war er „der letzte Welterklärer“, die Frankfurter Allgemeine Zeitung bezeichnete ihn einmal als den „letzten Dandy des Journalismus“ und Die Zeit beschrieb ihn in einer Würdigung seines Schaffens als „unermüdlich, eigenwillig und zuletzt immer gegen den Mainstream gebürstet“. Am 16. August 2014 starb Peter Scholl-Latour im Alter von 90 Jahren. Er war ein journalistisches Urgestein, einer der bekanntesten Nahost-Experten, Autor von rund 30 Büchern, darunter Millionseller wie „Der Tod im Reisfeld“, und ein nimmermüder Weltenbummler, den es immer dahin zog, wo gerade eine große Krise ausgebrochen war oder ein Krieg wütete.
Mit seinem jetzt als Taschenbuch vorliegenden, 2012 erstmals erschienenen Bestseller „Die Welt aus den Fugen“ beleuchtet Peter Scholl-Latour die Brennpunkte der Weltpolitik. Als Folge des Abzugs der USA aus dem Irak und Afghanistan sieht er zerrüttete Staaten, die in blutigen Bürgerkriegen versinken. Pakistan bezeichnet er als Pulverfass. Die Zahl der „failed states“, Brutstätten des Terrorismus, nehme beständig zu, stellt der Journalist fest, insbesondere in Afrika. Und außerdem stolperten Europa und Amerika von einer Finanzkrise in die nächste, was sie international zunehmend handlungsunfähig machen würden.
Der Arabische Frühling - eine Illusion
Über die Aufstände in der arabischen Welt schreibt Peter Scholl-Latour, dass der sogenannte „Arabische Frühling“ eine Illusion gewesen sei. Die Hoffnungen, die viele Menschen mit den Umwälzungen verknüpft hätten, bezeichnet er als maßlos überzogen. Scholl-Latour: „Das ist eine arabische Katastrophe. Kein Land steht heute besser da als vor der Revolte." Der Journalist ist davon überzeugt, dass die eigentliche Auseinandersetzung noch kommen werde!
Ein weiterer thematischer Schwerpunkt in „Die Welt aus den Fugen“ ist der ferne Osten. Scholl-Latour geht davon aus, dass die Volkrepublik China im 21. Jahrhundert eine hegemoniale Rolle spielen wird. Aber auch mit den Entwicklungen in den USA und in Europa befasst sich der Autor – mit profunder Sachkenntnis, analytischer Schärfe, prophetischer Urteilskraft und einem unbestechlichem Blick.
Der Hintergrund des Syrien-Konflikts
Zum immer noch brandaktuellem Thema Syrien schreibt Peter Scholl-Latour: „Viele in Europa nehmen an, hinter dem Konflikt von Syrien steht der Ruf nach Freiheit und Menschenrechten. Das ist Unsinn. Bei diesem Konflikt geht es um die Frage, ob die Iraner eine Verbindung zum Mittelmeer bekommen - und zwar über Irak, Syrien und den Libanon. Dies bildet den Hintergrund der Aktionen gegen den syrischen Präsidenten.“
Für das Buchkritik-Portal inkultura-online.de ist „Die Welt aus den Fugen“ ein profundes Dokument journalistischer Kompetenz. Es sei kein Wunder, bemerkt der Rezensent, dass sich nur wenige deutsche Politiker trauen würden, mit Peter Scholl-Latour zusammen an einer politischen Gesprächsrunde teilzunehmen. Deren Dilettantismus, „Unkenntnis gepaart mit Überheblichkeit“, würde der Journalist binnen weniger Minuten entlarven.
Ab dem 12. September 2014 ist bei Weltbild übrigens das neue Buch von Peter Scholl-Latour erhältlich: „Der Fluch der bösen Tat. Das Scheitern des Westens“.
Für das Nachrichtenmagazin Spiegel war er „der letzte Welterklärer“, die Frankfurter Allgemeine Zeitung bezeichnete ihn einmal als den „letzten Dandy des Journalismus“ und Die Zeit beschrieb ihn in einer Würdigung seines Schaffens als „unermüdlich, eigenwillig und zuletzt immer gegen den Mainstream gebürstet“. Am 16. August 2014 starb Peter Scholl-Latour im Alter von 90 Jahren. Er war ein journalistisches Urgestein, einer der bekanntesten Nahost-Experten, Autor von rund 30 Büchern, darunter Millionseller wie „Der Tod im Reisfeld“, und ein nimmermüder Weltenbummler, den es immer dahin zog, wo gerade eine große Krise ausgebrochen war oder ein Krieg wütete.
Mit seinem jetzt als Taschenbuch vorliegenden, 2012 erstmals erschienenen Bestseller „Die Welt aus den Fugen“ beleuchtet Peter Scholl-Latour die Brennpunkte der Weltpolitik. Als Folge des Abzugs der USA aus dem Irak und Afghanistan sieht er zerrüttete Staaten, die in blutigen Bürgerkriegen versinken. Pakistan bezeichnet er als Pulverfass. Die Zahl der „failed states“, Brutstätten des Terrorismus, nehme beständig zu, stellt der Journalist fest, insbesondere in Afrika. Und außerdem stolperten Europa und Amerika von einer Finanzkrise in die nächste, was sie international zunehmend handlungsunfähig machen würden.
Der Arabische Frühling - eine Illusion
Über die Aufstände in der arabischen Welt schreibt Peter Scholl-Latour, dass der sogenannte „Arabische Frühling“ eine Illusion gewesen sei. Die Hoffnungen, die viele Menschen mit den Umwälzungen verknüpft hätten, bezeichnet er als maßlos überzogen. Scholl-Latour: „Das ist eine arabische Katastrophe. Kein Land steht heute besser da als vor der Revolte." Der Journalist ist davon überzeugt, dass die eigentliche Auseinandersetzung noch kommen werde!
Ein weiterer thematischer Schwerpunkt in „Die Welt aus den Fugen“ ist der ferne Osten. Scholl-Latour geht davon aus, dass die Volkrepublik China im 21. Jahrhundert eine hegemoniale Rolle spielen wird. Aber auch mit den Entwicklungen in den USA und in Europa befasst sich der Autor – mit profunder Sachkenntnis, analytischer Schärfe, prophetischer Urteilskraft und einem unbestechlichem Blick.
Der Hintergrund des Syrien-Konflikts
Zum immer noch brandaktuellem Thema Syrien schreibt Peter Scholl-Latour: „Viele in Europa nehmen an, hinter dem Konflikt von Syrien steht der Ruf nach Freiheit und Menschenrechten. Das ist Unsinn. Bei diesem Konflikt geht es um die Frage, ob die Iraner eine Verbindung zum Mittelmeer bekommen - und zwar über Irak, Syrien und den Libanon. Dies bildet den Hintergrund der Aktionen gegen den syrischen Präsidenten.“
Für das Buchkritik-Portal inkultura-online.de ist „Die Welt aus den Fugen“ ein profundes Dokument journalistischer Kompetenz. Es sei kein Wunder, bemerkt der Rezensent, dass sich nur wenige deutsche Politiker trauen würden, mit Peter Scholl-Latour zusammen an einer politischen Gesprächsrunde teilzunehmen. Deren Dilettantismus, „Unkenntnis gepaart mit Überheblichkeit“, würde der Journalist binnen weniger Minuten entlarven.
Ab dem 12. September 2014 ist bei Weltbild übrigens das neue Buch von Peter Scholl-Latour erhältlich: „Der Fluch der bösen Tat. Das Scheitern des Westens“.
Klappentext zu „Die Welt aus den Fugen “
Die Weltpolitik gleicht einem aufziehenden Gewittersturm. Ob in Schwarzafrika oder Lateinamerika, in Arabien oder im Mittleren Osten - überall braut sich Unheilvolles zusammen. Und auch Europa und die USA, einst Hort der Stabilität, werden von Krisen heimgesucht wie seit langem nicht. Peter Scholl-Latour kennt die Welt wie kein Zweiter. Vor dem Hintergrund seiner sechzigjährigen Erfahrung als Chronist des Weltgeschehens beleuchtet er in seinem neuen Buch die Brennpunkte der aktuellen Weltpolitik.
Lese-Probe zu „Die Welt aus den Fugen “
Die Welt aus den Fugen von Peter Scholl-LatourEL MUQADDIMA - EINFÜHRUNG
Am Rande des Abgrundes
Ulan Bator (Mongolei), im Sommer 2012
Es mag ein seltsamer Einfall sein, Betrachtungen über die Schicksalswende, der unsere Welt ausgesetzt ist, in der Mongolei beginnen zu lassen. Der zentralasiatische Staat - acht Mal so groß wie Deutschland, aber nur von knapp drei Millionen Menschen bevölkert - ist für die meisten Europäer bedeutungslos. Die Mongolei lebt eingeklemmt zwischen zwei Giganten - Rußland und China. Sie war jahrhundertelang der Einflußnahme dieser beiden expansiven Nachbarn ausgeliefert. Aber von der endlosen Gras- und Wüstenlandschaft ist vor 800 Jahren die Gründung des gewaltigsten Imperiums der Geschichte ausgegangen, das sich - wenn auch zeitlich begrenzt - unter der Herrschaft seines legendären Gründers Dschingis Khan den immensen Raum zwischen Mittelmeer und Pazifischem Ozean unterworfen hatte. Die kriegerischen Horden seiner Steppenreiter, denen keine Streitmacht gewachsen war, haben damals fürchterliche Verwüstungen angerichtet, ganze Völkerschaften ausgelöscht. Der persische und arabische Orient hat sich von den Nachwehen dieser Vernichtung bis auf den heutigen Tag nicht erholt. Dem christlichen Abendland erschienen diese gespenstischen Boten des Unheils als Ausgeburten der Hölle, sie waren »ex tartaro« aufgetaucht, weswegen man sie »Tartaren« nannte.
... mehr
Ein paar Kilometer von der Hauptstadt Ulan Bator entfernt ragt das kolossale, silbern glänzende Reiterstandbild Dschingis Khans - vierzig Meter hoch, aus 250 Tonnen Edelstahl gegossen - über der Weidelandschaft. Es erinnert die Russen daran, daß die Enkel dieses Gewaltmenschen den ganzen slawischen Siedlungsraum bis zu den Pripjet-Sümpfen Weißrußlands fast drei Jahrhunderte lang unter das Joch der »Goldenen Horde« zwängten. Ein anderer Erbe des in der heutigen Mongolei als Nationalheld verehrten Welteroberers hatte das chinesische Reich der Mitte beherrscht und auf dem Drachenthron von Peking die mongolische Yuan-Dynastie etabliert, über deren Kaiser Kublai Khan und dessen Prachtentfaltung der Venezianer Marco Polo bewundernd und fasziniert berichtete.
Bis an die Schwelle des Heiligen Römischen Reiches waren die unbesiegbaren Bogenschützen vorgedrungen. Im Jahr des Herrn 1241 vernichteten sie nahe der schlesischen Stadt Liegnitz die vereinten Heere der deutschen und polnischen Ritterschaft. Ihr nach Westen vorstürmender Befehlshaber hatte den Feldzug jedoch jäh abgebrochen, um - in Gewaltetappen durch Rußland und Sibirien galoppierend - seine Ansprüche am Hof von Karakorum geltend zu machen, wo ein blutiger Erbfolgestreit ausgetragen wurde. Nur diesen fernen dynastischen Rivalitäten verdankte damals das mittelalterliche Abendland, daß es von der Heimsuchung durch die unheimlichen Krieger verschont blieb, die ihre schamanistischen Kultbräuche sehr bald durch die Bekehrung zum Islam ersetzten.
Es sollte eine lange Frist verstreichen, ehe Europa auf den Karavellen seiner iberischen Conquistadoren zu jener Weltherrschaft des »Weißen Mannes« ausholte, die noch vor wenigen Jahrzehnten mit dem globalen Hegemonialanspruch der Vereinigten Staaten von Amerika einerseits, der weltrevolutionären Sendungsanmaßung der Sowjetunion andererseits ihren triumphalen Gipfel und gleichzeitig ihren Bruchpunkt erreichte.
Vielleicht muß man am Rande der Wüste Gobi vor den Ruinen der Paläste von Karakorum stehen, wo die Großkhane der Mongolen einst ihre Allmacht zelebrierten, um sich des unvermeidlichen Erschöpfungsprozesses, der fatalen Folgen der überdimensionalen Ausdehnung bewußt zu werden, der zunächst die ermatteten europäischen Kolonisatoren, dann die vergreiste Führungsmannschaft der Sowjetunion erlagen, während manche Auguren der USA im Hinblick auf den eigenen Niedergang von bangen Ahnungen heimgesucht werden. Angesichts der sich anbahnenden Verlagerung des globalen Schwerpunktes vom Atlantischen zum Pazifischen Ozean sollten vor allem die Politiker unseres zerstrittenen Kontinents die Bedeutungslosigkeit, die Prekarität der »condition européenne « erkennen. Der Blick auf die Weltkarte, deren fünf Kontinente noch zur Zeit meiner Kindheit in den Farben der europäischen Kolonialmächte koloriert waren, verweist diese erschlafften »Graeculi« der Neuzeit auf die beklemmende Mahnung des französischen Schriftstellers Paul Valéry, daß nämlich Europa nur ein »Kap Asiens« sei.
In dem vorliegenden Buch beabsichtige ich nicht, eine ausführliche Schilderung des Schwebezustandes vorzunehmen, in dem sich die heutige Mongolei befindet. Sie sieht sich umringt von der sogenannten Shanghai-Organisation, in der Rußland und China ein opportunistisches Zweckbündnis geschlossen haben. Die Mongolei ist - anders als die zentralasiatischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion - diesem lockeren Verbund nur als Beobachter beigetreten. Gleichzeitig pflegt sie ihre Beziehungen zu jener amerikanisch dominierten Gruppierung, die als Gegengewicht zur Einflußnahme Moskaus und Pekings eine De-facto-Allianz mit Japan, Südkorea und Taiwan eingegangen ist. Die folgenden Kapitel stellen sich wie ein Kaleidoskop dar und reihen eine Serie von Kommentaren, Fernsehdokumentationen und Interviews aneinander. Sie sind in chronologischer Reihenfolge ohne jede nachfolgende Berichtigung abgedruckt. Beim Blättern in früheren Notizen bin ich auf einen Text gestoßen, der - obwohl seine Niederschrift etwa zwanzig Jahre zurückliegt - überaus aktuell klingt.
»Es geht um nichts weniger als um die Überprüfung der Pauschalbegriffe ›Menschenrechte‹ und ›Parlamentarische Demokratie‹«, schrieb ich damals. »Auf diese Grundwerte zivilisatorischen Zusammenlebens sollte in unserem christlichabendländischen Kulturkreis niemand verzichten. Aber die Übertragung dieser westlichen Postulate auf die völlig andersgeartete Staatenvielfalt der sogenannten Dritten Welt verkommt meist zum Zerrbild. Die wirtschaftlich oder strategisch motivierte Heuchelei, eine opportunistisch selektive Einforderung dieser hohen Prinzipien würden von den Betroffenen oft und zu Recht als eine neue Form arroganter Überfremdung, ja des Neo-Imperialismus empfunden.«
»Die Debatte ist angebracht«, so fuhr ich fort, »ob die repräsentative Demokratie, eine Tochter des bürgerlichen 19. Jahrhunderts, nicht ihre Glanzzeit - selbst in Europa und Amerika - hinter sich hat, seit die Omnipräsenz der audio visuellen, aber auch der Printmedien einer betrüblichen Nivel lierung der Meinungs- und Informationsvermittlung Vorschub leistet. Unter dem Druck dieser kollektiven Stimmungsmache, die unseren Volksvertretern oft mehr Furcht einflößt als die Gesinnungsschwankungen ihrer Wähler, könnte der klassische Parlamentarismus eines Tages ersticken oder zum Formalismus werden.«
Copyright © Ullstein Verlag.
Ein paar Kilometer von der Hauptstadt Ulan Bator entfernt ragt das kolossale, silbern glänzende Reiterstandbild Dschingis Khans - vierzig Meter hoch, aus 250 Tonnen Edelstahl gegossen - über der Weidelandschaft. Es erinnert die Russen daran, daß die Enkel dieses Gewaltmenschen den ganzen slawischen Siedlungsraum bis zu den Pripjet-Sümpfen Weißrußlands fast drei Jahrhunderte lang unter das Joch der »Goldenen Horde« zwängten. Ein anderer Erbe des in der heutigen Mongolei als Nationalheld verehrten Welteroberers hatte das chinesische Reich der Mitte beherrscht und auf dem Drachenthron von Peking die mongolische Yuan-Dynastie etabliert, über deren Kaiser Kublai Khan und dessen Prachtentfaltung der Venezianer Marco Polo bewundernd und fasziniert berichtete.
Bis an die Schwelle des Heiligen Römischen Reiches waren die unbesiegbaren Bogenschützen vorgedrungen. Im Jahr des Herrn 1241 vernichteten sie nahe der schlesischen Stadt Liegnitz die vereinten Heere der deutschen und polnischen Ritterschaft. Ihr nach Westen vorstürmender Befehlshaber hatte den Feldzug jedoch jäh abgebrochen, um - in Gewaltetappen durch Rußland und Sibirien galoppierend - seine Ansprüche am Hof von Karakorum geltend zu machen, wo ein blutiger Erbfolgestreit ausgetragen wurde. Nur diesen fernen dynastischen Rivalitäten verdankte damals das mittelalterliche Abendland, daß es von der Heimsuchung durch die unheimlichen Krieger verschont blieb, die ihre schamanistischen Kultbräuche sehr bald durch die Bekehrung zum Islam ersetzten.
Es sollte eine lange Frist verstreichen, ehe Europa auf den Karavellen seiner iberischen Conquistadoren zu jener Weltherrschaft des »Weißen Mannes« ausholte, die noch vor wenigen Jahrzehnten mit dem globalen Hegemonialanspruch der Vereinigten Staaten von Amerika einerseits, der weltrevolutionären Sendungsanmaßung der Sowjetunion andererseits ihren triumphalen Gipfel und gleichzeitig ihren Bruchpunkt erreichte.
Vielleicht muß man am Rande der Wüste Gobi vor den Ruinen der Paläste von Karakorum stehen, wo die Großkhane der Mongolen einst ihre Allmacht zelebrierten, um sich des unvermeidlichen Erschöpfungsprozesses, der fatalen Folgen der überdimensionalen Ausdehnung bewußt zu werden, der zunächst die ermatteten europäischen Kolonisatoren, dann die vergreiste Führungsmannschaft der Sowjetunion erlagen, während manche Auguren der USA im Hinblick auf den eigenen Niedergang von bangen Ahnungen heimgesucht werden. Angesichts der sich anbahnenden Verlagerung des globalen Schwerpunktes vom Atlantischen zum Pazifischen Ozean sollten vor allem die Politiker unseres zerstrittenen Kontinents die Bedeutungslosigkeit, die Prekarität der »condition européenne « erkennen. Der Blick auf die Weltkarte, deren fünf Kontinente noch zur Zeit meiner Kindheit in den Farben der europäischen Kolonialmächte koloriert waren, verweist diese erschlafften »Graeculi« der Neuzeit auf die beklemmende Mahnung des französischen Schriftstellers Paul Valéry, daß nämlich Europa nur ein »Kap Asiens« sei.
In dem vorliegenden Buch beabsichtige ich nicht, eine ausführliche Schilderung des Schwebezustandes vorzunehmen, in dem sich die heutige Mongolei befindet. Sie sieht sich umringt von der sogenannten Shanghai-Organisation, in der Rußland und China ein opportunistisches Zweckbündnis geschlossen haben. Die Mongolei ist - anders als die zentralasiatischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion - diesem lockeren Verbund nur als Beobachter beigetreten. Gleichzeitig pflegt sie ihre Beziehungen zu jener amerikanisch dominierten Gruppierung, die als Gegengewicht zur Einflußnahme Moskaus und Pekings eine De-facto-Allianz mit Japan, Südkorea und Taiwan eingegangen ist. Die folgenden Kapitel stellen sich wie ein Kaleidoskop dar und reihen eine Serie von Kommentaren, Fernsehdokumentationen und Interviews aneinander. Sie sind in chronologischer Reihenfolge ohne jede nachfolgende Berichtigung abgedruckt. Beim Blättern in früheren Notizen bin ich auf einen Text gestoßen, der - obwohl seine Niederschrift etwa zwanzig Jahre zurückliegt - überaus aktuell klingt.
»Es geht um nichts weniger als um die Überprüfung der Pauschalbegriffe ›Menschenrechte‹ und ›Parlamentarische Demokratie‹«, schrieb ich damals. »Auf diese Grundwerte zivilisatorischen Zusammenlebens sollte in unserem christlichabendländischen Kulturkreis niemand verzichten. Aber die Übertragung dieser westlichen Postulate auf die völlig andersgeartete Staatenvielfalt der sogenannten Dritten Welt verkommt meist zum Zerrbild. Die wirtschaftlich oder strategisch motivierte Heuchelei, eine opportunistisch selektive Einforderung dieser hohen Prinzipien würden von den Betroffenen oft und zu Recht als eine neue Form arroganter Überfremdung, ja des Neo-Imperialismus empfunden.«
»Die Debatte ist angebracht«, so fuhr ich fort, »ob die repräsentative Demokratie, eine Tochter des bürgerlichen 19. Jahrhunderts, nicht ihre Glanzzeit - selbst in Europa und Amerika - hinter sich hat, seit die Omnipräsenz der audio visuellen, aber auch der Printmedien einer betrüblichen Nivel lierung der Meinungs- und Informationsvermittlung Vorschub leistet. Unter dem Druck dieser kollektiven Stimmungsmache, die unseren Volksvertretern oft mehr Furcht einflößt als die Gesinnungsschwankungen ihrer Wähler, könnte der klassische Parlamentarismus eines Tages ersticken oder zum Formalismus werden.«
Copyright © Ullstein Verlag.
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Autoren-Porträt von Peter Scholl-Latour
Peter Scholl-Latour, geboren 1924 in Bochum. Promotion an der Sorbonne in Paris in den Sciences Politiques, Diplom an der Libanesischen Universität in Beirut in Arabistik und Islamkunde. Er war in vielfältigen Funktionen als Journalist und Publizist tätig, unter anderem als ARD-Korrespondent in Afrika und Indochina, als ARD- und ZDF-Studioleiter in Paris, als Programmdirektor des WDR-Fernsehens, als Chefredakteur und Herausgeber des STERN und als Vorstandsmitglied von Gruner + Jahr. Seine TV-Sendungen erreichten höchste Einschaltquoten, seine Bücher haben ihn zu Deutschlands erfolgreichstem Sachbuchautor gemacht. Zuletzt erschienen bei Propyläen »Die Welt aus den Fugen« (2012) und "Der Fluch der bösen Tat" (2014). Peter Scholl-Latour verstarb am 16. August 2014.
Bibliographische Angaben
- Autor: Peter Scholl-Latour
- 2013, 14. Aufl., 400 Seiten, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548375278
- ISBN-13: 9783548375274
- Erscheinungsdatum: 07.11.2013
Rezension zu „Die Welt aus den Fugen “
"Profunde historische Einsichten, breites Faktenwissen und stichhaltige politische Analysen." Denis Scheck ARD Druckfrisch 20121125
Pressezitat
"Profunde historische Einsichten, breites Faktenwissen und stichhaltige politische Analysen." Denis Scheck ARD Druckfrisch 20121125
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