Die Witwen von Eastwick
Roman
25 Jahre ist es her: Da verließen die Hexen Jane, Sukie und Alexandra nach den Orgien mit ihrem Teufel Darryl van Horne und dem Mord an dessen Favoritin den Ort Eastwick. Nun, als einsame
alte Damen, nehmen sie wieder Kontakt auf und gehen gemeinsam auf...
alte Damen, nehmen sie wieder Kontakt auf und gehen gemeinsam auf...
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Buch
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Die Witwen von Eastwick “
25 Jahre ist es her: Da verließen die Hexen Jane, Sukie und Alexandra nach den Orgien mit ihrem Teufel Darryl van Horne und dem Mord an dessen Favoritin den Ort Eastwick. Nun, als einsame
alte Damen, nehmen sie wieder Kontakt auf und gehen gemeinsam auf Reisen: den Nil hinauf z.B., oder nach China. Schließlich machen sie noch einmal Sommerferien in Eastwick. Keine gute Idee, denn dort erinnert man sich an sie... »John Updike ist der große Zauberer der amerikanischen Literatur. Das ist nicht Schriftstellerei, das ist reine Magie.« (New York Times)
alte Damen, nehmen sie wieder Kontakt auf und gehen gemeinsam auf Reisen: den Nil hinauf z.B., oder nach China. Schließlich machen sie noch einmal Sommerferien in Eastwick. Keine gute Idee, denn dort erinnert man sich an sie... »John Updike ist der große Zauberer der amerikanischen Literatur. Das ist nicht Schriftstellerei, das ist reine Magie.« (New York Times)
Klappentext zu „Die Witwen von Eastwick “
Ein Vierteljahrhundert ist es her, seit die Hexen Alexandra, Jane und Sukie nach den Orgien mit Darryl van Horne und dem Mord an dessen Favoritin den Ort Eastwick verließen. Nun, erneut verheiratet und verwitwet, tun sie, was einsame alte Damen eben tun: Sie nehmen wieder Kontakt auf, reisen zusammen. Den Nil hinauf oder nach China, wo sie den einbalsamierten Mao dazu bringen, ihnen zuzuzwinkern, und die berühmte Terrakotta-Armee marschieren lassen. Schließlich machen sie noch einmal Sommerferien in Eastwick - nicht unbedingt eine gute Idee, denn dort erinnert man sich an sie. Und hat alte Rechnungen offen.Schuld und Sühne, Rache, alt sein unter der Last des Lebens, der Tod, aber auch Freundschaft unter Frauen sind die Grundmotive dieses Romans. Wie alter Wein wird Updike mit den Jahren immer besser. Dies Buch ist gehaltvoll und doch nie schwer, sondern spritzig und charakterreich - nach "Landleben" und "Terrorist" ein neuer Höhepunkt in seinem Schaffen.
Lese-Probe zu „Die Witwen von Eastwick “
Die Witwen von Eastwick von John Updike DER NEUGESCHMIEDETE HEXENRING
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Diejenigen unter uns , die das schmutzige, skandalöse Treiben der drei kannten, waren nicht überrascht, als aus den verschiedenen Gegenden, in denen die Hexen sich nach ihrer Flucht aus unserer rechtschaffenen kleinen Stadt Eastwick, Rhode Island, niedergelassen hatten, Gerüchte zu uns drangen, dass die Ehegatten, welche die drei gottverlassenen Frauen mit Hilfe ihrer schwarzen Kunst für sich erfunden hatten, nicht sehr haltbar waren. Ruchlose Methoden führen zu anfälligen Resultaten. Satan ahmt die Schöpfung nach, ja, aber mit minderwertigen Zutaten. Alexandra, die Älteste an Jahren, die Fülligste im Fleische und dem Wesen nach einer normalen, großzügig gesinnten Menschlichkeit am nächsten, war die Erste, die zur Witwe wurde. Ihre erste Regung – wie die manch einer plötzlich in die Einsamkeit entlassenen Ehefrau – war, auf Reisen zu gehen, als könnte man die weite Welt dazu nötigen, einem mittels lappiger Boarding-Cards, lästiger Flugverspätungen und des leisen, aber unbestreitbaren Risikos, in einer Zeit steigender Treibstoffpreise, grassierender Airline-Pleiten, selbstmörderischer Terroristen und zunehmender Metallermüdung zu fliegen, den fruchtbaren Ärger zu bescheren, den man mit einem Partner hat. Jim Farlander, der Ehemann, den sie sich zusammengezaubert hatte aus einem ausgehöhlten Kürbis, einem Cowboyhut und einer Prise Westernerde, abgekratzt von der Innenseite der hinteren Stoßstange eines Pick-up-Truck mit Colorado-Kennzeichen, der an der Oak Street geparkt war und damals, in den frühen Siebzigern, ominös deplatziert gewirkt hatte, war, wie sich zeigte, als ihre Ehe sich gesetzt und gefestigt hatte, nur mit Mühe herauszuholen gewesen aus seiner Keramikwerkstatt und dem spärlich besuchten Töpferwarenladen an einer Seitenstraße in Taos, New Mexico. Jims Vorstellung von einer Reise war die einstündige Autofahrt Richtung Süden nach Santa Fe gewesen; seine Vorstellung von Ferien hatte darin bestanden, einen Tag in einem der Indianerreservate zu verbringen – Navajo, Zuni, Apache, Acoma, Isleta Pueblo – und auszukundschaften, was die uramerikanischen Töpfer in den Andenkenläden der Reservate anboten, und darauf zu hoffen, in irgendeinem staubigen Indianeragenturladen billig einen authentischen alten, geometrisch schwarz-weiß gemusterten Pueblo-Krug zu ergattern oder ein Aufbewahrungsgefäß der Hohokam, rot auf gelbbraun, mit Spiral- und Labyrinthmuster, Objekte, die er für ein kleines Vermögen einem frisch mit Stiftungsmitteln ausgestatteten Museum in einer der blühenden Freizeitstädte des Südwestens andrehen konnte. Jim war gern dort, wo er war, und Alexandra gefiel das an ihm, denn als seine Frau war sie Teil dessen, wo er war. Sie hatte seinen schmalen Körper gemocht (den bis zu seinem letzten Tag flachen Bauch, obwohl er nie im Leben Sit-ups gemacht hatte), den Sattelgeruch seines Schweißes und den Geruch nach Lehm, der seinen starken, geschickten Händen wie eine Sepia-Aura anhaftete. Sie waren einander – auf der natürlichen Ebene – begegnet, als Alexandra, seit einiger Zeit geschieden, an der Rhode Island School of Design einen Kurs belegt hatte, dessen Leitung Jim vertretungsweise anvertraut worden war. Die vier Stiefkinder, die sie ihm auflud – Marcy, Ben, Linda, Eric –, hätten sich keinen ruhigeren Ersatzvater wünschen können, keinen, der so wohltuend schweigsam war. Ihre Kinder – ohnehin fast flügge, Marcy demnächst achtzehn – gingen ungezwungener mit ihm um als mit ihrem eigenen Vater, Oswald Spofford, einem kleinen Hersteller von Küchenarmaturen aus Norwich, Connecticut. Der arme Ozzie hatte sich so mit Haut und Haar dem Nachwuchs-Baseball und dem Firmen-Bowling verschrieben, dass niemand ihn ernst nehmen konnte, nicht einmal seine Kinder. Jim Farlander dagegen hatten die Leute ernst genommen, vor allem Frauen und Kinder, die ihm seine eigene gelassene Schweigsamkeit entgegenbrachten. Seine unbewegten grauen Augen im Schatten des breitkrempigen Huts mit der gedunkelten Stelle dort, wo er ihn mit Daumen und Fingern zusammenkniff, konnten aufblitzen wie eine Waffe. Wenn er an der Töpferscheibe saß, band er sich ein verblasstes blaues Tuch um den Kopf, um seine langen Haare – grau, aber immer noch von Strähnen des ursprünglichen sonnengebleichten Nussbaums durchzogen und hinten zu einem acht Zoll langen Pferdeschwanz zusammengefasst – vom nassen Ton auf der mit dem Fuß angetriebenen Scheibe fernzuhalten. Als Teenager war Jim einmal vom Pferd gestürzt, seitdem hinkte er, und die Scheibe, die er nicht mit einem Elektromotor versehen lassen wollte, hinkte mit ihm, während seine maskulinen Hände aus dem Drehen heraus Tonklumpen in die Höhe zogen und zu anmutigen Gefäßen mit schlanken Taillen und schwellenden Unterteilen formten. Dass sein Tod nah war, hatte sie zuerst im Bett gefühlt. Seine Erektionen begannen eben dann zu welken, wenn sie, hätte er durchgehalten, vielleicht gekommen wäre; stattdessen wurde in seinem auf ihr liegenden Körper, in seinem Sehnen- und Muskelgefüge, ein Erschlaffen spürbar. Die Akkuratesse, mit der Jim sich kleidete, hatte etwas herausfordernd Kokettes gehabt – spitz zulaufende vanillefarbene Stiefel, straff über den Hintern sich spannende Jeans, die Taschen mit Nieten umrandet, und frische karierte Hemden mit zwei Knöpfen an den Manschetten. Er, der früher auf seine Art ein Dandy gewesen war, begann, dasselbe Hemd zwei, ja sogar drei Tage hintereinander anzuziehen. An der Unterseite seines Kinns zeigten sich weiße Bartstoppeln, Zeichen nachlässiger Rasur oder schlechter Augen. Als die beunruhigenden Blutbefunde aus dem Krankenhaus eintrafen und die Schatten auf den Röntgenbildern selbst für Alexandras ungeübte Augen sichtbar waren, nahm er die Nachricht mit stoischer Mattigkeit hin; Alexandra hatte Mühe, ihn aus seinen verkrusteten Arbeitsklamotten zu pellen und ihn dazu zu bewegen, etwas Anständiges anzuziehen. Sie hatten sich in das Heer älterer Paare eingereiht, die in Krankenhäusern die Wartezimmer füllen, vor Nervosität so ruhig wie Eltern und Kinder kurz vor einem Auftritt in der Aula. Sie fühlte, wie die anderen Paare mit ihren Blicken müßig über sie hinpatschten und herauszufinden versuchten, wer von ihnen beiden der Kranke war, der Verurteilte; sie wollte nicht, dass es offensichtlich war. Sie wollte Jim präsentieren, wie eine Mutter ein Kind präsentiert, das zum ersten Mal zur Schule geht, sie wollte Ehre mit ihm einlegen. Sie hatten in diesen mehr als dreißig Jahren, seit sie von Eastwick fortgegangen war, nach ihren eigenen Regeln gelebt, oben in Taos; dort schufen die freien Geister von D. H. Lawrence und seiner Frau und Mabel Dodge Luhan noch immer ein schützendes Zelt über dem kümmerlichen Rest des Stamms von Möchtegernkünstlern, einer schwer alkoholisierten, New-Ageabergläubischen Kunstgewerbeclique, die sich mit ihren Arbeiten in den Schaufensterauslagen immer wehmütiger an knapsende, banausenhafte Touristen wendete statt an gutbetuchte Sammler von «Western Art». Alexandra hatte für eine Weile ihre Produktion kleiner Keramik-«Duttelchen » wiederaufgenommen – gesichts- und fußlose kleine weibliche Figuren, angenehm in der Hand zu halten in ihrer pummeligen Unförmigkeit, mit knallig gemalten Kleidern, hautnah wie Tattoos; aber Jim, in seiner Kunst eifersüchtig und diktatorisch, wie wahre Künstler es sind, war alles andere als großzügig gewesen, als es darum ging, seinen Brennofen zu teilen. Ohnehin gehörten die Miniaturfrauen, denen sie mit einem Zahnstocher oder einer seitwärts gehaltenen Stricknadel kühn eine Schamlippenspalte in den vorgebrannten Ton geritzt hatte, einer unerfreulichen früheren Phase ihres Lebens an, als sie mit zwei anderen Geschiedenen aus Rhode Island eine halbgare Vorstadtspielart von Hexenkunst praktiziert hatte. Jims Krankheit trieben sie und Jim aus dem sicheren, kunstgewerblichen Taos hinunter in die breitere Gesellschaft, in die Täler der Sterbenden – eine riesige Herde, die wie eine Bisonstampede auf die tödliche Klippe zustürmte. Das ihr aufgezwungene Sozialverhalten – Unterredungen mit Ärzten, die meisten verstörend jung; Gespräche mit Schwestern barmherziger Gefälligkeiten wegen, um die selbst zu bitten der hospitalisierte Patient zu sehr Mann und zu deprimiert war; Mitgefühl mit anderen, die wie sie selbst in absehbarer Zeit Witwen und Witwer sein würden und um die sie auf der Straße einen Bogen gemacht hätte, die sie aber jetzt, auf diesen keimfreien Fluren, unter gemeinsamen Tränen umarmte –, all das hatte sie aufs Reisen in der Gesellschaft von Fremden vorbereitet. Sie konnte es nicht glauben – wie total Jim fort war, seine Abwesenheit am Morgen so wachrüttelnd wie das Krähen eines Hahns, sein Nichterscheinen am Abend eine Weigerung, die jeden Augenblick, das spürte sie, widerrufen werden würde vom schlurrenden Geräusch seiner Stiefel, die durch die Eingangsdiele hinkten, oder vom Knarren seiner Töpferscheibe zwei Zimmer entfernt. Drei Monate nach seinem Tod buchte sie eine Zehntagestour durch die kanadischen Rockies. Ihr altes, verheiratetes verwöhntes Ich, diese bohemienhafte versnobte Person, die stolz war auf ihre nachlässige, männliche Kleidung, ihre Wüstenabgeschiedenheit, hätte ein Hohnlächeln gehabt für die geheuchelte Kameraderie einer Gruppenreise. Sie sah voraus, wie es sein würde: die tägliche Pflicht, aufzustehen, sich an cafeteriaartigen Hotelfrühstücksbüfetts vollzustopfen, bevor man zum Wunder des Tages aufbrach, die Nickerchen, gegen die man sich wehrte, denen man aber doch erlag im schwankenden Bus, in der klebrigen Nähe eines fremden Körpers, meist dem einer anderen forschen Witwe, übergewichtig und erbarmungslos gesprächig. Dann die schlaflosen Stunden inmitten nervender kleiner Geräusche und geheimnisvoller roter Lämpchen in einem Kingsize-Bett, das für ein Paar gedacht war. Die Hotelkopfkissen waren immer zu prall, ihr Kopf lag zu hoch, sodass sie mit steifem Hals aufwachte und sich benommen fragte, ob sie überhaupt geschlafen hatte. Das Kissen neben dem ihren war nicht eingedellt. Sie würde nie wieder die eine Hälfte eines Paares sein. Sie war in Colorado geboren und hielt es für eine gute Idee, den Rockies nach Norden zu folgen, in ein anderes Land, wo eine dramatische Landschaft nicht der Befriedigung der habgierigen Eitelkeit der Vereinigten Staaten diente. Kanada, entdeckte sie, hatte tatsächlich seine guten Seiten: Flughäfen, die nicht bestochen worden waren, überall Fernseher zu installieren, aus denen sich ein unentrinnbares Gebrabbel ergoss, Stimmen, aus deren vertrautem amerikanischen Akzent ein paar übrig gebliebene schottische Vokale ragten, und der graue, imperiale Ernst der öffentlichen Bauten. Diese nationale Identität war von vernünftigem Unternehmergeist erschaffen worden, der die Provinzen wie große, an einer Eisenbahnlinie aufgefädelte Perlen verband, statt das Ergebnis eines Manifest Destiny zu sein, dieses evangelikalen Predigt-Topos – offenkundige Bestimmung nur für seine angelsächsischen Verfechter, die die Vereinigten Staaten nach Westen getrieben hatte und dann hinaus, über alle Ozeane, dorthin, wo ihre jungen Soldaten Arme und Beine verloren und starben. Die täglichen Gefallenenmeldungen aus dem Irak waren zum Davonlaufen. Andererseits schienen die Hotelrestaurants in Kanada Frank Sinatra und Nat «King» Cole immer noch für das Neueste an Hintergrundmusik zu halten, und die riesigen Kreuzfahrtschiffe, die in Vancouver anlegten, waren unterwegs zum öden kalten Alaska. Kanada, das mit seiner Tundra, seinen Eisfeldern und meilenweiten Wäldern die Bevölkerung fest nach unten drückte an den neunundvierzigsten Breitengrad, hatte sich aus Notwehr ein grünes Gewissen zugelegt und trachtete, Vorteil daraus zu ziehen, indem es für Touristendollars auf die seiner Sache innewohnende Nostalgie und moralische Richtigkeit pochte. Die Natur zurückholen – wer konnte etwas dagegen haben? Für Alexandra aber waren Totempfähle und Elche grundlangweilig. Sie fühlte sich hier oben wie auf einem Dachboden voller ausgestopfter Tiere gefangen. Beim Hexen war die Natur ihre Verbündete gewesen, dennoch misstraute sie ihr, hielt sie für mörderisch gewissenlos, für verschwenderisch und blind. Nach einem Tag in Vancouver und einem zweiten im angestrengt malerischen Victoria stieg die Reisegruppe – vierzig Mitglieder, keines darunter jung und acht von ihnen Australier – in einen Schlafwagenzug und wurde durch die Dunkelheit nach Norden gezogen. Sie erwachten umgeben von Bergen, die gelb leuchteten vom sich verfärbenden Laub der Espen. Der Reiseveranstalter hatte einen Aussichtswagen reserviert, und Alexandra, die nach einem schweren Frühstück, das im Speisewagen von schwankenden Kellnern serviert worden war, zögernd eintrat, wurde von den bereits sitzenden Paaren mit zögerndem Lächeln begrüßt. Sie nahm einen der wenigen noch freien Plätze und war sich der Leere neben ihr bewusst wie eines monströsen Kropfes, der ihr Gesicht aus der Balance stieß. Doch andererseits hätte sie Jim nie dazu überreden können, sie bei einem solchen Abenteuer zu begleiten. Er hasste fremde Länder, sogar die Virgin Islands, zu denen sie ihn in den Anfangsjahren ihrer Ehe einige Male beschwatzt hatte, als kurze Erholung vom langen Taos-Winter und von den Verkehrsstaus auf der Route 522 während der Skisaison. Sie waren am Spätnachmittag in St. Thomas angekommen, zur Rushhour, wie sich herausstellte, und gerieten mit ihrem gemieteten VW-Käfer in den abendlichen Berufsverkehr; Jim saß am Steuer und musste zum ersten Mal in seinem Leben auf der falschen Straßenseite fahren. Zu allem Überfluss waren sie von Fahrern umgeben, fast alle schwarz, die sich ein rassistisches Vergnügen daraus machten, zu dicht aufzufahren und jedes Zeichen ihrer Unsicherheit mit anhaltendem, entrüstetem Hupen zu tadeln. Irgendwann fanden sie zwar die Ferienanlage am Ende einer schlechtbeschilderten Straße, dafür aber bekam Jim gleich am ersten Tag Sonnenbrand, nachdem er das Sonnenschutzmittel, das sie ihm mehrmals anbot, verschmäht hatte, und wurde von irgendeinem Meeresschneckensalat sterbenskrank. Wann immer er sich später, bei einem Austausch von Beschuldigungen, in die Enge gedrängt fühlte, erinnerte er sie bis ins Kleinste an diese Woche, die ihn fast – fünfundzwanzig Jahre bevor er wirklich starb – umgebracht hätte. Jetzt, in Kanada, war weit und breit keine Straße, kein Auto zu sehen, nur die Schienen und Tunnel vor ihnen, indes der Zug sich hinaufbohrte durch Berge, die mit zitterndem goldenen Laub gesprenkelt waren. «Da ist Mount Robson!», sagte eine Frau hinter Alexandra aufgeregt zu ihrem Mann. Ein Australier, auf der anderen Seite des Mittelgangs, wollte freundlich sein und sagte zu Alexandra: «Mount Robson, da vorn», als sei sie nicht bloß allein, sondern auch taub. Vom Sitz hinter diesem Sprecher kam eine andere Stimme, keine australische, nicht so forsch, mit Südstaatenfärbung, und erklärte ihr – alle um sie herum waren plötzlich so bemüht, als hätten sie es mit einer Geistesgestörten zu tun –: «Der höchste Gipfel in den kanadischen Rockies.» «Wirklich? Schon?» Alexandra wusste, dass sich das töricht anhörte, und setzte, um sich abzusichern, hinzu: «Ich meine, hätten sie den nicht für einen späteren Zeitpunkt der Reise aufheben sollen?» Niemand lachte; vielleicht hatte niemand sie gehört oder verstanden. Der Zug ging in eine lange Kurve, und die schimmernde Bergspitze verschwand hinter den lebhaften Espen. Sie war merkwürdig regelmäßig gewesen, wie die Pyramide im Bauklötzchensatz eines Kindes, nur weiß. «Wie hoch ist er?», fragte sie laut, entschlossen, gegen ihr Gefühl des Nichtvorhandenseins anzukämpfen. Wieder hatte sie einen zum Schweigen bringenden Ton getroffen. «Fast viertausend Meter», meldete sich eine australische Stimme. Sie hatte Schwierigkeiten mit Metern, musste sie immer erst in Fuß umrechnen, und sich ein bisschen von ihres gestorbenen Mannes Xenophobie leihend, verweigerte sie diesmal die Rechnerei. Die Stimme mit der leichten Südstaatenfärbung verstand und erklärte: «Fast dreizehntausend Fuß, Ma’am.» «Meine Güte!», sagte Alexandra; die Rolle der Törichten begann ihr Spaß zu machen. Sie wandte den Kopf, um sich ihren Informanten anzusehen. Er war schlaksig, wie Jim, hatte ein schmales Gesicht und einen Schnurrbart, der gerade lang genug war, um herunterzuhängen. Auch seine Aufmachung – ausgeblichene enge Bluejeans und ein langärmeliges rotkariertes Hemd – erinnerte sie an Jim. «Vielen Dank», sagte sie mit mehr Wärme, als sie beabsichtigt hatte. Vielleicht war dieser Mann mit der Miene würdevollen Kummers Witwer. Oder er wartete darauf, dass eine langsame Ehefrau sich hier im Aussichtswagen zu ihm gesellte. «Mount Robson gehört nicht zum Reiseprogramm», sagte die Ehefrau hinter Alexandra dicht an ihrem Ohr, mit einer durchdringenden, leicht verärgerten Stimme. «Er liegt in einem gesonderten Nationalpark, nicht in dem von Jasper.»
© 2009 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbeck
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Autoren-Porträt von John Updike
John Updike, geboren 1932 in Shillington/Pennsylvania; Kindheit in materieller Bedrücktheit; 1950 Stipendium zum Studium am Harvard College, Hauptfach Anglistik; Abschluss des Untergraduiertenstudiums 1954 mit summa cum laude. 1953 Heirat mit der Kunststudentin Mary Entwistle Pennington, mit ihr zusammen - nach dem Studium - ein Jahr an die Ruskin School of Drawing and Fine Art in Oxford/England. Rückkehr in die USA. 1955 - 57 fest angestellt beim Magazin 'The New Yorker', danach freier Mitarbeiter mit Veröffentlichung von Kurzgeschichten sowie einflussreicher literarischer Kritiken. 1957 Umzug nach Ipswich im neuenglischen Massachusetts. 1964 Vortragsreisen durch die UdSSR, Rumänien, Bulgarien und Tschechien. Seit 1964 Mitglied des National Institute of Arts and Letters. 1973 Fulbright-Lektor in Afrika. 1976 Mitglied der American Academy of Arts and Letters. Auszeichnungen: 1983 Lincoln Literary Award und Distinguished Pennsylvania Artist Award, 1988 St. Louis Literary Award, 1989 National Medal of Arts, 1991 Premio Scanno, 1993 Common Wealth Award und Conch Republic Prize for Literature, 1995 Commandeur de l'ordre des arts et des lettres und The Howells Medal from the Adademy of Arts and Letters. John Updike verstarb 2009.Angela Praesent übertrug u. a. Werke von E. L. Doctorow und Harold Brodkey. 1996 erhielt sie den Paul-Celan-Preis und den Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis.
Bibliographische Angaben
- Autor: John Updike
- 2009, 1, 416 Seiten, Maße: 13,4 x 21 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Praesent, Angela
- Übersetzer: Angela Praesent, Maria Carlsson
- Verlag: Rowohlt
- ISBN-10: 3498068865
- ISBN-13: 9783498068868
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