Goethe für Eilige
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Produktinformationen zu „Goethe für Eilige “
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Klappentext zu „Goethe für Eilige “
Wer möchte nicht gern mitreden, wenn es heißt: "Schon Goethe sagte ..."? Aber wer kennt überhaupt die Hauptwerke des Dichters, wer erinnert sich der Stationen von Fausts Weltenreise, und wie war das eigentlich mit den Liebesverwicklungen über Kreuz in den "Wahlverwandtschaften"? Und - Respekt beiseite - lohnt sich die Lektüre überhaupt noch?Pointiert und gutgelaunt präsentiert uns Klaus Seehafer, der bekannte Goethe-Biograph, die Nacherzählungen der großen Dramen und Romane, der Erzählungen und autobiographischen Bücher. Dabei stellt sich heraus, daß die behandelten Stoffe allemal bedenkenswert, meistens unterhaltsam und manchmal von einer Modernität sind, die man dem Altmeister gar nicht zugetraut hätte. Ein Intensivkurs der besonderen Art, der die klassischen Werke aus ihrer leserfernen Entrücktheit befreit.Klaus Seehafer, durch seine langjährige Arbeit an der Goethe-Biographie bestens mit diesem unerschöpflichen Werk vertraut, liefert uns unterhaltsame, oft genug verblüffende Nacherzählungen. Mit "Faust" beginnend, wandert er durch die Dramen und Romane, er wendet sich den spannenden Erzählungen ebenso zu wie den großen autobiographischen Büchern. Ein Meisterstück gelingt ihm mit der Vergegenwärtigung der Gedichtzyklen aus Italien und des "West-östlichen Divans". Zum Schluß ist sich der Leser sicher: Goethe ist immer noch zu entdecken. Dabei hilft ihm dieser Intensivkurs der besonderen Art, ergänzt durch eine Kurzbiographie und mancherlei Empfehlungen für ganz Eilige, für Voreilige und für Geduldige.
Lese-Probe zu „Goethe für Eilige “
ZuvorMeine Goethe-Ausgabe hat rund 21 000 Seiten. Dazu kommen 5 000 Seiten naturwissenschaftliche Schriften und 2 000 Seiten Zeichnungen. Das sollte genügen, um zu entmutigen. Außerdem: Den möchte ich sehen, der Goethe gleich bei der ersten Begegnung liebt. Einfach so, total. Goethe kann man sich nähern, ihn sich nach und nach aneignen und, wenn's gut geht, lieben lernen. Daß es sich lohnt, davon bin ich freilich überzeugt. In der Schule habe ich irgendwann einmal den "Erlkönig" auswendig lernen müssen. Das war die einzige Berührung mit Goethe. Glück oder Pech? Ich weiß es nicht. Jedenfalls war ich schon Mitte Vierzig, als die erste richtige Auseinandersetzung mit Goethe anfing. Und eigentlich war es weniger eine Auseinandersetzung als ein Kampf Mann gegen Mann: Hier stieß kein eingeschüchterter Schüler des 20. Jahrhunderts auf den unangreifbar großen Klassiker. Ich hatte schon eine ganze Menge gelesen, und ich wußte - im Gegensatz zu dem Vielgerühmten -, wie sich die deutsche Literatur und die Weltliteratur weiterentwickelt hatten. Goethes Waffen waren von anderer Art: Kenntnis seiner Zeit und ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenhänge, oft sehr ungewöhnliche, gewöhnungsbedürftige Stoffe und immer wieder eine Art zu erzählen, die mich quälte: mal uferte er aus, und ich wurde ungeduldig; dann ging es wieder so zügig und derart verknappt voran, daß ich nachlesen mußte, was schon überblättert war. Irgendwann hatte er mich gepackt, und ich machte eine Entdeckung um die andere: "Reineke Fuchs" - ein Epos, aber was für ein derbes, komisches! Die "Italienische Reise" - der bewegendste Baedeker, den es bis heute gibt! "Faust. Der Tragödie zweiter Teil" - nie gesehen, endlich gelesen! Und immer wieder seine Gedichte; es sind ganz einzigartige poetische Zauberkunststücke darunter, wie "Zueignung", "Willkommen und Abschied", "Prometheus", "An den Mond", "Dem aufgehenden Vollmonde", "Ein Gleiches". Mit einigem bin ich nicht zurecht gekommen, vieles wartet noch
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auf mich, manches werde ich wohl für immer auslassen. Noch kämpfen wir beide miteinander, doch es ist ein fröhlicher Kampf geworden, und der Sieger nach Punkten steht längst fest. Selbst wenn man mit der Zeit dessen Finten kennt, läßt man sich von einem solchen "Originalkerl" gern unterkriegen. Und dennoch bleibt diese einschüchternde Zahl: 21 000 Seiten! Versuchen wir's also anders. Setzen wir uns irgendwo zusammen - ein Strandkorb im Sommer oder ein Kamin im Winter wäre förderlich -, und ich erzähle Ihnen die Geschichten der wichtigsten Werke Goethes. Er soll im Kreise seiner Freunde ein hinreißender Erzähler gewesen sein, und das merkt man seinen Dramen, Romanen und Balladen auch an: Immer steckt in ihnen ein packender Handlungskern. Und den, zumindest, könnte man sich ja mal anhören.
Aus den "Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten"
Die Geschichte des Marschalls von Bassompierre
Als dieser berühmte Herr wieder einmal in Paris war, fiel ihm ein Laden am Seine-Ufer auf, an dessen Fenster die Krämerin - eine auffallend schöne, etwa zwanzigjährige Frau - stand und ihm zulächelte. Als er sich im Weitergehen umdrehte, sah er, daß sie sich weit hinausgelehnt hatte, um ihm länger nachschauen zu können. Bassompierre wollte sie kennenlernen, schickte einen Diener zu ihr, und wirklich war sie zu einem Treffen bereit. Der Marschall war entzückt über die Aussicht auf dieses unverhoffte Liebesabenteuer, und sein Bedienter empfahl ihm ein Haus, das Begegnungen solcher Art diskret ermöglichte. Er schaffte auch gleich frische Matratzen, Decken und Leinentücher dorthin, denn es ging in Paris gerade wieder einmal die Pest um. Als Bassompierre am Abend auf das Zimmer kam, fand er die Frau schon im Negligée vor. Seine Liebkosungen lehnte sie zunächst ab, verlangte aber, mit ihm unter einer Decke zu liegen. Was sich alsdann begab, erfüllte ihn mit solchem Entzücken, daß er sich nicht entsinnen konnte, jemals Vergleichbares erlebt zu haben. Man wollte das schöne Erlebnis noch einmal wiederholen. Zwar hätte der Marschall in der einzig möglichen Nacht schon längst fortsein müssen, aber dann verlängerte er seinen Aufenthalt, hatte diese Frau doch einen allzu nachhaltigen Eindruck auf ihn gemacht. Auch klangen ihm noch ihre letzten Worte in den Ohren: "Möge ich eines elenden Todes sterben, wenn ich außer meinem Mann und Euch irgend jemand zu Willen gewesen bin und nach irgendeinem andern verlange!" Dorthin freilich, wo sie die letzte Nacht zugebracht hatten, wollte sie nicht mehr zurück. Statt dessen schlug sie das Haus der Tante vor. "Ich will Euch von zehn Uhr bis Mitternacht erwarten, ja noch später, die Türe soll offen sein. Erst findet Ihr einen kleinen Gang, in dem haltet Euch nicht auf, denn die Türe meiner Tante geht da heraus. Dann stößt Euch eine Treppe sogleich entgegen, die Euch ins erste Geschoß führt, wo ich Euch mit offnen Armen empfangen werde." Aber weder empfing sie ihn an jenem Abend auf die beschriebene Weise, noch war das Haus dunkel, sondern vielmehr hell erleuchtet, und viele Menschen erfüllten die Räume. Bassompierre stand vor einem Rätsel. Nachdem er eine Weile auf der Straße gewartet hatte, schlich er sich vorsichtig durch die offene Tür herein. "Aber wie erstaunt war ich, als ich in dem Zimmer ein paar Leute fand, welche Bettstroh verbrannten, und bei der Flamme, die das ganze Zimmer erleuchtete, zwei nackte Körper auf dem Tische ausgestreckt sah." Die Pest hatte auch dieses Haus nicht verschont, und der Marschall stürzte hinaus und heim, wo er sogleich mehrere Gläser Wein trank, was als ein probates Mittel gegen die tödliche Krankheit galt. Als Bassompierre das nächste Mal in Paris war und wieder am Laden der Krämerin vorbeikam, hatten sich dort längst neue Kaufleute eingemietet. Von ihrer Vorgängerin wußten sie nichts.
"Auch dieses Rätsel", setzte Fritz hinzu, "ist so leicht nicht zu lösen. Denn es bleibt zweifelhaft, ob das artige Weibchen in dem Hause mit an der Pest gestorben oder ob sie es nur dieses Umstands wegen vermieden habe." - "Ich fürchte immer, sie hat mit auf dem Tische gelegen", meinte Karl, und weil er merkte, wie diese Geschichte seiner Schwester zusetzte, schloß er gleich eine weitere an, die Bassompierre von einem seiner Vorfahren erzählt hatte und die weniger beunruhigend sei. Eine Anekdote eigentlich nur, aber die Nacht war ja auch schon weit vorgeschritten.
Italienische ReiseNicht wenige lieben dieses Buch Goethes vor allen anderen. Sie nehmen die vertraute zerlesene Ausgabe immer wieder auf ihre Reisen in den Süden mit, legen Fahrkarten und getrocknete Blumen als Lesezeichen ein. Es steht ja auch hier wieder viel Gescheites über Pflanzen, Steine, Witterung, Museums- und Kirchenbesuche, aber das ist sicher nicht der Grund für die Beliebtheit der "Italienischen Reise". Vielmehr sind es die hochlebendigen Schilderungen vom Leben hier und von den Menschen, die er kennenlernt. Zudem ist es die Geschichte eines nicht mehr ganz jungen Mannes mitten in der Lebenskrise. Und schließlich wird immer wieder von geradezu abenteuerlichen Begebnissen erzählt. Dreimal klettert Goethe im März 1787 auf den Vesuv. Beim ersten Mal verliert er den Führer. Beim zweiten Mal erlebt er auf der Spitze des Kegelbergs einen Ausbruch. "Erst ein gewaltsamer Donner, der aus dem tiefsten Schlunde hervortönte, sodann Steine, größere und kleinere, zu Tausenden in die Luft geschleudert, von Aschenwolken eingehüllt." Mit dem jüngsten Führer wagt er sich noch weiter vor, über das glühende Geröll, bis an den ungeheuren Abgrund. "Auf einmal erscholl der Donner, die furchtbare Ladung flog an uns vorbei, wir duckten uns unwillkürlich, als wenn uns das vor den niederstürzenden Massen gerettet hätte." Die Kunde von neu aufbrechender Lava reizt ihn, den Vesuv abermals zu besuchen, "die Schlacken rollten regelmäßig an den Seiten herunter bis zu unsern Füßen. Durch einige Lücken des Kanals konnten wir den Glutstrom von unten sehen und, wie er weiter hinabfloß, ihn von oben beobachten." Überhaupt läßt sich die italienische Reise als "ein einzig Abenteuer" schildern. Das beginnt im Grunde schon am Gardasee, als er ein Schloß zeichnet und ihn die Einwohner deswegen als vermeintlichen Spion angreifen. In der Sixtinischen Kapelle, wohin man damals nur gegen ein gutes Trinkgeld für den Kustoden kam, betrachtet er bei großer Augusthitze die Fresken Michelangelos, gibt dann aber irgendwann der großen Mittagsmüdigkeit nach, setzt sich und schläft ein. Wenn in diesem Moment der Papst eingetreten wäre, hätte er seinen Platz neben dem Altar von einem protestantischen Deutschen besetzt gefunden. Die Weiterungen lassen sich unschwer vorstellen. In Messina muß sich Goethe einem uralten, jähzornigen Gouverneur vorstellen, der Fremden damit droht, sie "in Verwahrung zappeln zu lassen". Er selber kommt zwar mit einer Einladung zur Tafel davon, aber nach der rüden Abfertigung dessen, der vor ihm empfangen wurde, hat er nicht die geringste Lust, "dieser Löwenhöhle je wieder nah zu treten". Sizilien wird ihm - und damit uns! - ein Fest der Sinne und Gedanken. Nicht nur die vulkanischen Abenteuer dort lesen sich faszinierend, hier fließt alles in einer rundum geglückten Erzählung zusammen: Autobiografie, Reflexion, Reisebeschreibung. Aber wieder ist zu bedenken: Das Erinnerungswerk wurde zwar zu großen Teilen aus überarbeiteten Reisebriefen zusammengestellt, die neuen Passagen aber erst geschrieben, als alle Eindrücke schon 27, später 30 und in den letzten Kapiteln gar 41 Jahre zurücklagen! Auch hier vertröpfelt der Erinnerungsstrahl gegen Ende ein wenig, werden separat erschienene Beiträge - zum Beispiel über den römischen Karneval - eingebaut. Aber selbst dann hält der alte Magier noch einige Kunststückchen bereit. Etwa die Beschreibung des letzten römischen Vollmonds, der ihn so tief berührt, daß er damit seinen Reisebericht schließt, denn "ein Zauber, der sich dadurch über die ungeheure Stadt verbreitet, so oft empfunden, ward nun aufs eindringlichste fühlbar. Die großen Lichtmassen, klar, wie von einem milden Tage beleuchtet, mit ihren Gegensätzen von tiefen Schatten, durch Reflexe manchmal erhellt, zur Ahnung des Einzelnen, setzen uns in einen Zustand wie von einer andern, einfachern, größern Welt."
Aus den "Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten"
Die Geschichte des Marschalls von Bassompierre
Als dieser berühmte Herr wieder einmal in Paris war, fiel ihm ein Laden am Seine-Ufer auf, an dessen Fenster die Krämerin - eine auffallend schöne, etwa zwanzigjährige Frau - stand und ihm zulächelte. Als er sich im Weitergehen umdrehte, sah er, daß sie sich weit hinausgelehnt hatte, um ihm länger nachschauen zu können. Bassompierre wollte sie kennenlernen, schickte einen Diener zu ihr, und wirklich war sie zu einem Treffen bereit. Der Marschall war entzückt über die Aussicht auf dieses unverhoffte Liebesabenteuer, und sein Bedienter empfahl ihm ein Haus, das Begegnungen solcher Art diskret ermöglichte. Er schaffte auch gleich frische Matratzen, Decken und Leinentücher dorthin, denn es ging in Paris gerade wieder einmal die Pest um. Als Bassompierre am Abend auf das Zimmer kam, fand er die Frau schon im Negligée vor. Seine Liebkosungen lehnte sie zunächst ab, verlangte aber, mit ihm unter einer Decke zu liegen. Was sich alsdann begab, erfüllte ihn mit solchem Entzücken, daß er sich nicht entsinnen konnte, jemals Vergleichbares erlebt zu haben. Man wollte das schöne Erlebnis noch einmal wiederholen. Zwar hätte der Marschall in der einzig möglichen Nacht schon längst fortsein müssen, aber dann verlängerte er seinen Aufenthalt, hatte diese Frau doch einen allzu nachhaltigen Eindruck auf ihn gemacht. Auch klangen ihm noch ihre letzten Worte in den Ohren: "Möge ich eines elenden Todes sterben, wenn ich außer meinem Mann und Euch irgend jemand zu Willen gewesen bin und nach irgendeinem andern verlange!" Dorthin freilich, wo sie die letzte Nacht zugebracht hatten, wollte sie nicht mehr zurück. Statt dessen schlug sie das Haus der Tante vor. "Ich will Euch von zehn Uhr bis Mitternacht erwarten, ja noch später, die Türe soll offen sein. Erst findet Ihr einen kleinen Gang, in dem haltet Euch nicht auf, denn die Türe meiner Tante geht da heraus. Dann stößt Euch eine Treppe sogleich entgegen, die Euch ins erste Geschoß führt, wo ich Euch mit offnen Armen empfangen werde." Aber weder empfing sie ihn an jenem Abend auf die beschriebene Weise, noch war das Haus dunkel, sondern vielmehr hell erleuchtet, und viele Menschen erfüllten die Räume. Bassompierre stand vor einem Rätsel. Nachdem er eine Weile auf der Straße gewartet hatte, schlich er sich vorsichtig durch die offene Tür herein. "Aber wie erstaunt war ich, als ich in dem Zimmer ein paar Leute fand, welche Bettstroh verbrannten, und bei der Flamme, die das ganze Zimmer erleuchtete, zwei nackte Körper auf dem Tische ausgestreckt sah." Die Pest hatte auch dieses Haus nicht verschont, und der Marschall stürzte hinaus und heim, wo er sogleich mehrere Gläser Wein trank, was als ein probates Mittel gegen die tödliche Krankheit galt. Als Bassompierre das nächste Mal in Paris war und wieder am Laden der Krämerin vorbeikam, hatten sich dort längst neue Kaufleute eingemietet. Von ihrer Vorgängerin wußten sie nichts.
"Auch dieses Rätsel", setzte Fritz hinzu, "ist so leicht nicht zu lösen. Denn es bleibt zweifelhaft, ob das artige Weibchen in dem Hause mit an der Pest gestorben oder ob sie es nur dieses Umstands wegen vermieden habe." - "Ich fürchte immer, sie hat mit auf dem Tische gelegen", meinte Karl, und weil er merkte, wie diese Geschichte seiner Schwester zusetzte, schloß er gleich eine weitere an, die Bassompierre von einem seiner Vorfahren erzählt hatte und die weniger beunruhigend sei. Eine Anekdote eigentlich nur, aber die Nacht war ja auch schon weit vorgeschritten.
Italienische ReiseNicht wenige lieben dieses Buch Goethes vor allen anderen. Sie nehmen die vertraute zerlesene Ausgabe immer wieder auf ihre Reisen in den Süden mit, legen Fahrkarten und getrocknete Blumen als Lesezeichen ein. Es steht ja auch hier wieder viel Gescheites über Pflanzen, Steine, Witterung, Museums- und Kirchenbesuche, aber das ist sicher nicht der Grund für die Beliebtheit der "Italienischen Reise". Vielmehr sind es die hochlebendigen Schilderungen vom Leben hier und von den Menschen, die er kennenlernt. Zudem ist es die Geschichte eines nicht mehr ganz jungen Mannes mitten in der Lebenskrise. Und schließlich wird immer wieder von geradezu abenteuerlichen Begebnissen erzählt. Dreimal klettert Goethe im März 1787 auf den Vesuv. Beim ersten Mal verliert er den Führer. Beim zweiten Mal erlebt er auf der Spitze des Kegelbergs einen Ausbruch. "Erst ein gewaltsamer Donner, der aus dem tiefsten Schlunde hervortönte, sodann Steine, größere und kleinere, zu Tausenden in die Luft geschleudert, von Aschenwolken eingehüllt." Mit dem jüngsten Führer wagt er sich noch weiter vor, über das glühende Geröll, bis an den ungeheuren Abgrund. "Auf einmal erscholl der Donner, die furchtbare Ladung flog an uns vorbei, wir duckten uns unwillkürlich, als wenn uns das vor den niederstürzenden Massen gerettet hätte." Die Kunde von neu aufbrechender Lava reizt ihn, den Vesuv abermals zu besuchen, "die Schlacken rollten regelmäßig an den Seiten herunter bis zu unsern Füßen. Durch einige Lücken des Kanals konnten wir den Glutstrom von unten sehen und, wie er weiter hinabfloß, ihn von oben beobachten." Überhaupt läßt sich die italienische Reise als "ein einzig Abenteuer" schildern. Das beginnt im Grunde schon am Gardasee, als er ein Schloß zeichnet und ihn die Einwohner deswegen als vermeintlichen Spion angreifen. In der Sixtinischen Kapelle, wohin man damals nur gegen ein gutes Trinkgeld für den Kustoden kam, betrachtet er bei großer Augusthitze die Fresken Michelangelos, gibt dann aber irgendwann der großen Mittagsmüdigkeit nach, setzt sich und schläft ein. Wenn in diesem Moment der Papst eingetreten wäre, hätte er seinen Platz neben dem Altar von einem protestantischen Deutschen besetzt gefunden. Die Weiterungen lassen sich unschwer vorstellen. In Messina muß sich Goethe einem uralten, jähzornigen Gouverneur vorstellen, der Fremden damit droht, sie "in Verwahrung zappeln zu lassen". Er selber kommt zwar mit einer Einladung zur Tafel davon, aber nach der rüden Abfertigung dessen, der vor ihm empfangen wurde, hat er nicht die geringste Lust, "dieser Löwenhöhle je wieder nah zu treten". Sizilien wird ihm - und damit uns! - ein Fest der Sinne und Gedanken. Nicht nur die vulkanischen Abenteuer dort lesen sich faszinierend, hier fließt alles in einer rundum geglückten Erzählung zusammen: Autobiografie, Reflexion, Reisebeschreibung. Aber wieder ist zu bedenken: Das Erinnerungswerk wurde zwar zu großen Teilen aus überarbeiteten Reisebriefen zusammengestellt, die neuen Passagen aber erst geschrieben, als alle Eindrücke schon 27, später 30 und in den letzten Kapiteln gar 41 Jahre zurücklagen! Auch hier vertröpfelt der Erinnerungsstrahl gegen Ende ein wenig, werden separat erschienene Beiträge - zum Beispiel über den römischen Karneval - eingebaut. Aber selbst dann hält der alte Magier noch einige Kunststückchen bereit. Etwa die Beschreibung des letzten römischen Vollmonds, der ihn so tief berührt, daß er damit seinen Reisebericht schließt, denn "ein Zauber, der sich dadurch über die ungeheure Stadt verbreitet, so oft empfunden, ward nun aufs eindringlichste fühlbar. Die großen Lichtmassen, klar, wie von einem milden Tage beleuchtet, mit ihren Gegensätzen von tiefen Schatten, durch Reflexe manchmal erhellt, zur Ahnung des Einzelnen, setzen uns in einen Zustand wie von einer andern, einfachern, größern Welt."
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Autoren-Porträt von Klaus Seehafer
Klaus Seehafer wurde 1947 in Alsfeld/Hessen geboren und wuchs in Bayern auf. Nach einer Buchhändlerlehre besuchte er die Fachhochschule für Bibliothekswesen in Stuttgart. Seit 1976 ist er Leiter der Stadtbibliothek in Diepholz/Niedersachsen. Er ist Mitglied des Verbandes Deutscher Schriftsteller, Sektion Niedersachsen und Bremen, deren Vorstand er seit 2000 angehört. Neben vielfältigen journalistischen und literarischen Arbeiten, Jugendbüchern und Anthologien hat Klaus Seehafer im Aufbau-Verlag und im Aufbau Taschenbuch Verlag folgende Bücher herausgegeben: Johann Wolfgang Goethe, Mit Seide näht man keinen groben Sack. Kleine feine Gemeinheiten (1999); Wenn ich durch Wald und Fluren geh. Deutsche Naturgedichte der Klassik und Romantik (2000); Ich wandle unter Blumen. Die schönsten Gartengedichte (2000).
Bibliographische Angaben
- Autor: Klaus Seehafer
- 2002, 6. Aufl., 220 Seiten, 1 Abbildungen, Maße: 11,5 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Aufbau TB
- ISBN-10: 3746618894
- ISBN-13: 9783746618890
- Erscheinungsdatum: 01.08.2002
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