Inspector Lynley Band 14: Am Ende war die Tat
Roman
Die Kollegen von Scotland Yard sind erschüttert: Die Frau und das ungeborene Kind von Inspector Lynley werden auf brutale Weise ermordet. Die schreckliche Tat wurde von einem 12-Jährigen begangen.
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Produktinformationen zu „Inspector Lynley Band 14: Am Ende war die Tat “
Die Kollegen von Scotland Yard sind erschüttert: Die Frau und das ungeborene Kind von Inspector Lynley werden auf brutale Weise ermordet. Die schreckliche Tat wurde von einem 12-Jährigen begangen.
Klappentext zu „Inspector Lynley Band 14: Am Ende war die Tat “
Chief Inspector Lynleys Frau Helen und sein ungeborenes Kind sind einem willkürlichen Akt sinnloser Gewalt zum Opfer gefallen. Doch was hat einen erst Zwölfjährigen zu dieser schrecklichen Bluttat getrieben? Die Anatomie eines Mordes: Meisterhaft erzählt Elizabeth George die Geschichte des Jungen Joel, der sich im verzweifelten Versuch, sein Leben am Rande der Gesellschaft zu meistern, auf einen Pakt mit dem Teufel einlässt ...Lese-Probe zu „Inspector Lynley Band 14: Am Ende war die Tat “
Am Ende war die Tat von Elizabeth GeorgeFür Joel Campbell, elf Jahre alt, begann der abstieg mit einer Busfahrt. Es war ein neuerer bus, keiner dieser älteren Doppeldecker, er trug die Nummer 70 und bediente die Du Cane road in East Aston - nur ein kurzes Stück auf dem nördlichen abschnitt der Busroute, auf der es nicht sonderlich viel bemerkenswertes zu sehen gab. Der südliche abschnitt war ansehnlicher, führte am Victoria and albert Museum und an den stattlichen weißen Gebäuden von Queen s Gate in South Kensington vorbei. im Norden jedoch lagen Stationen, die sich wie eine liste zu meidender Örtlichkeiten in London lasen: die Swift Wash Laundry an der North Pole Road, H. J. Bent Bestattungsinstitut (Einäscherung und Bestattung) auf der Old Oak Common Lane, das unsägliche Gewirr von Läden an der turbulenten Kreuzung, wo die Western Avenue zum Western Way wird und Autos und Lastwagen dem Stadtzentrum zustreben. Drohend über all dem, fast wie Charles Dickens Feder entsprungen, ragt Wormwood Scrubs auf: nicht das von Bahnlinien begrenzte Stück land namens Wormwood Scrubs, sondern das gleichnamige Gefängnis, das halb wie eine Festung, halb wie eine Klinik aussieht und ein ort nicht enden wollender düsterer Realitäten ist.
Doch an diesem Januartag nahm Joel Campbell nichts von alledem zur Kenntnis, was draußen vor den Busfenstern vorüberglitt. Er war in Begleitung dreier weiterer Personen und spürte eine vage Hoffnung, dass sein leben im begriff war, sich zum Positiven zu wenden. bis jetzt hatten East Acton und ein winziges Reihenhaus an der Henchman Street seine Lebensumstände umrissen: ein schäbiges Wohnzimmer und eine schmierige Küche im Erdgeschoss, drei Schlafzimmer oben und ein Fleckchen Grün vor dem Eingang, um welches die Gebäude sich hufeisenförmig drängten wie Kriegerwitwen um ein Grab.
... mehr
Vor fünfzig Jahren mochte die Siedlung einmal hübsch gewesen sein, doch eine jede Generation ihrer Bewohner hatte Spuren hinterlassen, und die Spuren der derzeitigen Bewohner bestanden vornehmlich aus Müll vor den Haustüren, zerbrochenem Spielzeug auf dem Gehweg, der die Gebäude miteinander verband, Plastikschneemännern und pummeligen Nikoläusen und rentieren, die von November bis Mai auf den Dächern der Erkerfenster residierten, und einer Schlammpfütze inmitten des Rasens, die sich dort acht Monate des Jahres hielt und in der es wimmelte wie in dem Labor eines Insektenforschers. Joel war froh, diesen ort hinter sich zu lassen, auch wenn sein abschied eine lange Flugreise und ein neues leben auf einer Insel mit sich brachte, die vollkommen anders war als die einzige Insel, die er bislang kannte.
»Ja-mai-ka.« Seine Großmutter sagte das Wort nicht, sie intonierte es vielmehr. Glory Campbell zog das »mai« in die Länge, bis es sich wie eine warme Brise anhörte, einladend und lau und verheißungsvoll. »Was sagt ihr dazu, ihr drei? Ja-mai-ka.« »ihr drei« waren die Campbell-Kinder - Opfer einer Tragödie, die sich eines Samstagvormittags auf der Old Oak Common Lane zugetragen hatte. Glorys ältester Sohn, der Vater der Kinder, war inzwischen ebenso tot wie ihr zweitältester, wenn auch unter völlig anderen Umständen. Die Kinder hießen Joel, Ness und Toby. oder »arm klein Dinger«, wie Glory sie gern nannte, seit ihr Freund, George Gilbert, seinen Ausweisungsbescheid bekommen hatte und sie ahnte, worauf sein leben fortan hinauslaufen würde.
»Arme kleine Dinger« - diese Ausdrucksweise war neu und ungewohnt für Glory. Seit die Campbell-Kinder bei ihr lebten - was seit gut drei Jahren der Fall war und zum Dauerzustand zu werden schien -, hatte sie stets größten Wert auf eine korrekte Sprache gelegt. auf der katholischen Mädchenschule von Kingston hatte sie selbst vor langer zeit gelernt, Englisch zu sprechen wie die Queen. Das hatte ihr zwar nicht annähernd so viel genützt, wie sie gehofft hatte, als sie nach England emigrierte, aber sie konnte ihr hochenglisch immer noch aus dem hut zaubern, wenn etwa eine Verkäuferin zurechtgestutzt werden musste, und sie wollte, dass auch ihre Enkelkinder die Fähigkeit erwarben, Leute zurechtzustutzen, wenn es sich je als notwendig erweisen sollte.
Doch als Georges Ausweisungsbescheid eintraf - nachdem der dicke Umschlag geöffnet worden war und sein Inhalt gelesen, verdaut und verstanden und nachdem alle juristischen Schritte, das Unvermeidliche wenigstens aufzuschieben, wenn schon nicht zu verhindern, sich als ergebnislos erwiesen hatten -, legte Glory ihren englischen Patriotismus von einer Sekunde zur nächsten ab. Wenn ihr George sich auf den Weg nach Ja-mai-ka machte, dann würde sie das auch tun. Dort brauchte man kein königlich-makelloses Englisch. Vielmehr konnte es dort sogar ein Hindernis sein.
Also wandelten sich Tonfall, Satzmelodie und Syntax von Glorys charmant antiquiert wirkender Hochsprache zum honigweichen Karibischen. Sie wurde wieder zur »Eingeborenen«, wie ihre Nachbarn sagten.
George Gilbert hatte London bereits verlassen. beamte der Einwanderungsbehörde hatten ihn nach Heathrow eskortiert, um das Versprechen des Premierministers einzulösen, etwas gegen jene Besucher zu unternehmen, die ihr Visum »überstrapazierten «. Sie waren in einem Zivilfahrzeug gekommen und hatten unablässig auf ihre Uhren geschaut, während George sich ausführlich von Glory verabschiedete - angenehm beflügelt von jamaikanischem Red-Stripe-Bier, auf das er angesichts der bevorstehenden Rückkehr zu seinen Wurzeln umgestiegen war. »Kommen Sie, Mr. Gilbert«, hatten sie gesagt und ihn an den armen gepackt. Einer hatte die hand in die Tasche gesteckt, als wolle er Handschellen hervorziehen für den Fall, dass George nicht kooperierte.
Aber George hatte keine Einwände dagegen, sie zu begleiten. Nichts war in Glorys Haushalt mehr so wie früher, seit die Enkel dort aufgeschlagen waren wie drei menschliche Meteoriten aus einer Galaxie, die er nie so recht begriffen hatte. »Die seh n echt komisch aus, Glory«, hatte er manchmal gesagt, wenn er glaubte, die Kinder hörten es nicht. »Die Jungs jedenfalls, das Mädchen geht ja noch.«
»Bist du wohl still«, lautete Glorys antwort dann immer. Schon das blut ihrer eigenen Kinder war ein wildes Durcheinander, aber es war nichts im Vergleich zu dem blut ihrer Enkel - und sie ließ nicht zu, dass irgendjemand sich über eine Tatsache mokierte, die ohnehin so unübersehbar war wie verbrannter toast im Schnee. außerdem war gemischtes blut heutzutage keine Schande mehr wie in vergangenen Jahrhunderten. Es brandmarkte niemanden mehr.
Aber George schürzte die Lippen. Dann saugte er an den zähnen, musterte die Campbell-Kinder aus dem Augenwinkel und bemerkte: »Die passen nicht nach Jamaika.«
Diese Einschätzung konnte Glory nicht abschrecken. zumindest sah es so für ihre Enkel aus, als der abschied von East Acton näher rückte. Glory verkaufte die Möbel. Sie verstaute die Küchenutensilien. Sie sortierte Kleider aus. Sie packte die Koffer, und als sich herausstellte, dass sie nicht ausreichend Platz hatten, um all das zu verstauen, was ihre Enkelin Ness mit nach Jamaika nehmen wollte, faltete sie diese Kleidungsstücke und stopfte sie in ihren Einkaufstrolley. Sie würden unterwegs einen zusätzlichen Koffer besorgen, verkündete sie.
Die kleine Prozession sorgte auf dem Weg zur Du Cane Road für aufsehen: Glory führte sie an, in einem marineblauen Wintermantel, der ihr bis zu den Knöcheln reichte, und mit einem grün-orangefarbenen Turban auf dem Kopf. ihr folgte der kleine Toby, trippelnd auf zehenspitzen, wie es seine Gewohnheit war. Er trug einen aufgeblasenen Schwimmreifen um die Taille.
Der Nächste, Joel, hatte seine liebe Mühe, Schritt zu halten, denn die beiden Koffer, die er schleppte, behinderten seine Schritte. Ness bildete die Nachhut. Sie hatte sich in eine Jeans gezwängt, die so eng war, dass man sich fragen musste, wie sie sich damit hinsetzen konnte, ohne dass die Nähte platzten. Das Mädchen stöckelte auf den zehn Zentimeter hohen Absätzen ihrer schwarzen Stiefel einher. Sie zog den Einkaufstrolley hinter sich her, und sie war alles andere als glücklich darüber. Genau genommen war sie über gar nichts glücklich. ihre Miene war voller hohn; ihr Schritt drückte Verachtung aus.
Es war ein kalter tag, einer von der Sorte, wie es sie nur in London im Januar gibt. Feuchtigkeit lag schwer in der Luft, vermischt mit Autoabgasen und dem ruß längst verbotener Kohleöfen. Der Nachtfrost war nicht getaut, und vereiste Gehwegplatten lauerten auf unachtsame Fußgänger. alles war grau: vom Himmel über die bäume und Straßen bis hin zu den Gebäuden. Und alles war beherrscht von einer Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit. im schwindenden tageslicht schienen Sonne und Frühling ein leeres Versprechen. Selbst in London, wo man jeden nur denkbaren Anblick irgendwann schon einmal gesehen hatte, zogen die Campbell- Kinder im Bus neugierige blicke auf sich; aus verschiedenen Gründen allerdings: bei Toby waren es die mehr oder weniger kahlen Stellen an seinem Kopf, auf dem das haar ungleichmäßig nachwuchs und für einen Siebenjährigen viel zu spärlich war - und natürlich der Schwimmreifen, der viel zu viel Platz beanspruchte, von dem er sich aber um keinen Preis trennen wollte. auch Ness Vorschlag: »Nimm das verdammte Ding einfach in die hand«, stieß nicht auf Gegenliebe. bei Ness selbst war es der unnatürlich dunkle ton ihrer haut, offensichtlich durch Make-up verstärkt, als wolle sie ihre ethnische Herkunft schwärzer malen, als sie tatsächlich war. hätte sie die Jacke ausgezogen, wäre außer ihrer Jeans auch ihrer übrigen Kleidung einige Aufmerksamkeit zuteilgeworden: Das paillettenbesetzte Top ließ ihren Bauchnabel frei und offenbarte ein üppiges Dekolleté. in Joels Fall waren es die münzgroßen Pigmentflecken im Gesicht, die man beim besten Willen nicht mehr als Sommersprossen abtun konnte und die eine physische Folge der ethnischen und genetischen Scharmützel waren, die sein blut vom Moment seiner Zeugung an ausgetragen hatte. Und wie bei Toby war auch sein haar auffällig: Unbändig und widerspenstig stand es vom Kopf ab wie rostige Stahlwolle. Nur Toby und Joel sahen aus, als könnten sie möglicherweise mit- einander verwandt sein; und keines der Kinder hatte auch nur die geringste Ähnlichkeit mit Glory.
Also fielen sie auf. Nicht nur nahmen sie mit ihren Koffern, dem Einkaufstrolley und den fünf randvollen Sainsbury-Plastiktüten, die Glory zu ihren Füßen abgestellt hatte, fast den ganzen Platz im Gang ein. Sie boten eben auch einen denkwürdigen Anblick. ( )
© Blanvalet Verlag
Übersetzung: Ingrid Krane-Müschen und Michael J. Müschen
»Ja-mai-ka.« Seine Großmutter sagte das Wort nicht, sie intonierte es vielmehr. Glory Campbell zog das »mai« in die Länge, bis es sich wie eine warme Brise anhörte, einladend und lau und verheißungsvoll. »Was sagt ihr dazu, ihr drei? Ja-mai-ka.« »ihr drei« waren die Campbell-Kinder - Opfer einer Tragödie, die sich eines Samstagvormittags auf der Old Oak Common Lane zugetragen hatte. Glorys ältester Sohn, der Vater der Kinder, war inzwischen ebenso tot wie ihr zweitältester, wenn auch unter völlig anderen Umständen. Die Kinder hießen Joel, Ness und Toby. oder »arm klein Dinger«, wie Glory sie gern nannte, seit ihr Freund, George Gilbert, seinen Ausweisungsbescheid bekommen hatte und sie ahnte, worauf sein leben fortan hinauslaufen würde.
»Arme kleine Dinger« - diese Ausdrucksweise war neu und ungewohnt für Glory. Seit die Campbell-Kinder bei ihr lebten - was seit gut drei Jahren der Fall war und zum Dauerzustand zu werden schien -, hatte sie stets größten Wert auf eine korrekte Sprache gelegt. auf der katholischen Mädchenschule von Kingston hatte sie selbst vor langer zeit gelernt, Englisch zu sprechen wie die Queen. Das hatte ihr zwar nicht annähernd so viel genützt, wie sie gehofft hatte, als sie nach England emigrierte, aber sie konnte ihr hochenglisch immer noch aus dem hut zaubern, wenn etwa eine Verkäuferin zurechtgestutzt werden musste, und sie wollte, dass auch ihre Enkelkinder die Fähigkeit erwarben, Leute zurechtzustutzen, wenn es sich je als notwendig erweisen sollte.
Doch als Georges Ausweisungsbescheid eintraf - nachdem der dicke Umschlag geöffnet worden war und sein Inhalt gelesen, verdaut und verstanden und nachdem alle juristischen Schritte, das Unvermeidliche wenigstens aufzuschieben, wenn schon nicht zu verhindern, sich als ergebnislos erwiesen hatten -, legte Glory ihren englischen Patriotismus von einer Sekunde zur nächsten ab. Wenn ihr George sich auf den Weg nach Ja-mai-ka machte, dann würde sie das auch tun. Dort brauchte man kein königlich-makelloses Englisch. Vielmehr konnte es dort sogar ein Hindernis sein.
Also wandelten sich Tonfall, Satzmelodie und Syntax von Glorys charmant antiquiert wirkender Hochsprache zum honigweichen Karibischen. Sie wurde wieder zur »Eingeborenen«, wie ihre Nachbarn sagten.
George Gilbert hatte London bereits verlassen. beamte der Einwanderungsbehörde hatten ihn nach Heathrow eskortiert, um das Versprechen des Premierministers einzulösen, etwas gegen jene Besucher zu unternehmen, die ihr Visum »überstrapazierten «. Sie waren in einem Zivilfahrzeug gekommen und hatten unablässig auf ihre Uhren geschaut, während George sich ausführlich von Glory verabschiedete - angenehm beflügelt von jamaikanischem Red-Stripe-Bier, auf das er angesichts der bevorstehenden Rückkehr zu seinen Wurzeln umgestiegen war. »Kommen Sie, Mr. Gilbert«, hatten sie gesagt und ihn an den armen gepackt. Einer hatte die hand in die Tasche gesteckt, als wolle er Handschellen hervorziehen für den Fall, dass George nicht kooperierte.
Aber George hatte keine Einwände dagegen, sie zu begleiten. Nichts war in Glorys Haushalt mehr so wie früher, seit die Enkel dort aufgeschlagen waren wie drei menschliche Meteoriten aus einer Galaxie, die er nie so recht begriffen hatte. »Die seh n echt komisch aus, Glory«, hatte er manchmal gesagt, wenn er glaubte, die Kinder hörten es nicht. »Die Jungs jedenfalls, das Mädchen geht ja noch.«
»Bist du wohl still«, lautete Glorys antwort dann immer. Schon das blut ihrer eigenen Kinder war ein wildes Durcheinander, aber es war nichts im Vergleich zu dem blut ihrer Enkel - und sie ließ nicht zu, dass irgendjemand sich über eine Tatsache mokierte, die ohnehin so unübersehbar war wie verbrannter toast im Schnee. außerdem war gemischtes blut heutzutage keine Schande mehr wie in vergangenen Jahrhunderten. Es brandmarkte niemanden mehr.
Aber George schürzte die Lippen. Dann saugte er an den zähnen, musterte die Campbell-Kinder aus dem Augenwinkel und bemerkte: »Die passen nicht nach Jamaika.«
Diese Einschätzung konnte Glory nicht abschrecken. zumindest sah es so für ihre Enkel aus, als der abschied von East Acton näher rückte. Glory verkaufte die Möbel. Sie verstaute die Küchenutensilien. Sie sortierte Kleider aus. Sie packte die Koffer, und als sich herausstellte, dass sie nicht ausreichend Platz hatten, um all das zu verstauen, was ihre Enkelin Ness mit nach Jamaika nehmen wollte, faltete sie diese Kleidungsstücke und stopfte sie in ihren Einkaufstrolley. Sie würden unterwegs einen zusätzlichen Koffer besorgen, verkündete sie.
Die kleine Prozession sorgte auf dem Weg zur Du Cane Road für aufsehen: Glory führte sie an, in einem marineblauen Wintermantel, der ihr bis zu den Knöcheln reichte, und mit einem grün-orangefarbenen Turban auf dem Kopf. ihr folgte der kleine Toby, trippelnd auf zehenspitzen, wie es seine Gewohnheit war. Er trug einen aufgeblasenen Schwimmreifen um die Taille.
Der Nächste, Joel, hatte seine liebe Mühe, Schritt zu halten, denn die beiden Koffer, die er schleppte, behinderten seine Schritte. Ness bildete die Nachhut. Sie hatte sich in eine Jeans gezwängt, die so eng war, dass man sich fragen musste, wie sie sich damit hinsetzen konnte, ohne dass die Nähte platzten. Das Mädchen stöckelte auf den zehn Zentimeter hohen Absätzen ihrer schwarzen Stiefel einher. Sie zog den Einkaufstrolley hinter sich her, und sie war alles andere als glücklich darüber. Genau genommen war sie über gar nichts glücklich. ihre Miene war voller hohn; ihr Schritt drückte Verachtung aus.
Es war ein kalter tag, einer von der Sorte, wie es sie nur in London im Januar gibt. Feuchtigkeit lag schwer in der Luft, vermischt mit Autoabgasen und dem ruß längst verbotener Kohleöfen. Der Nachtfrost war nicht getaut, und vereiste Gehwegplatten lauerten auf unachtsame Fußgänger. alles war grau: vom Himmel über die bäume und Straßen bis hin zu den Gebäuden. Und alles war beherrscht von einer Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit. im schwindenden tageslicht schienen Sonne und Frühling ein leeres Versprechen. Selbst in London, wo man jeden nur denkbaren Anblick irgendwann schon einmal gesehen hatte, zogen die Campbell- Kinder im Bus neugierige blicke auf sich; aus verschiedenen Gründen allerdings: bei Toby waren es die mehr oder weniger kahlen Stellen an seinem Kopf, auf dem das haar ungleichmäßig nachwuchs und für einen Siebenjährigen viel zu spärlich war - und natürlich der Schwimmreifen, der viel zu viel Platz beanspruchte, von dem er sich aber um keinen Preis trennen wollte. auch Ness Vorschlag: »Nimm das verdammte Ding einfach in die hand«, stieß nicht auf Gegenliebe. bei Ness selbst war es der unnatürlich dunkle ton ihrer haut, offensichtlich durch Make-up verstärkt, als wolle sie ihre ethnische Herkunft schwärzer malen, als sie tatsächlich war. hätte sie die Jacke ausgezogen, wäre außer ihrer Jeans auch ihrer übrigen Kleidung einige Aufmerksamkeit zuteilgeworden: Das paillettenbesetzte Top ließ ihren Bauchnabel frei und offenbarte ein üppiges Dekolleté. in Joels Fall waren es die münzgroßen Pigmentflecken im Gesicht, die man beim besten Willen nicht mehr als Sommersprossen abtun konnte und die eine physische Folge der ethnischen und genetischen Scharmützel waren, die sein blut vom Moment seiner Zeugung an ausgetragen hatte. Und wie bei Toby war auch sein haar auffällig: Unbändig und widerspenstig stand es vom Kopf ab wie rostige Stahlwolle. Nur Toby und Joel sahen aus, als könnten sie möglicherweise mit- einander verwandt sein; und keines der Kinder hatte auch nur die geringste Ähnlichkeit mit Glory.
Also fielen sie auf. Nicht nur nahmen sie mit ihren Koffern, dem Einkaufstrolley und den fünf randvollen Sainsbury-Plastiktüten, die Glory zu ihren Füßen abgestellt hatte, fast den ganzen Platz im Gang ein. Sie boten eben auch einen denkwürdigen Anblick. ( )
© Blanvalet Verlag
Übersetzung: Ingrid Krane-Müschen und Michael J. Müschen
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Autoren-Porträt von Elizabeth George
George, ElizabethAkribische Recherche, präziser Spannungsaufbau und höchste psychologische Raffinesse zeichnen die Bücher der Amerikanerin Elizabeth George aus. Ihre Fälle sind stets detailgenaue Porträts unserer Zeit und Gesellschaft. Elizabeth George, die lange an der Universität »Creative Writing« lehrte, lebt heute auf Whidbey Island im Bundesstaat Washington, USA. Ihre Bücher sind allesamt internationale Bestseller, die sofort nach Erscheinen nicht nur die Spitzenplätze der deutschen Verkaufscharts erklimmen. Ihre Lynley-Havers-Romane wurden von der BBC verfilmt und auch im deutschen Fernsehen mit großem Erfolg ausgestrahlt.
Autoren-Interview mit Elizabeth George
Interview mit Elizabeth George
Wenn Sie ein Buch veröffentlichen, so wird es inzwischen automatisch zum Bestseller. Haben Sie sich vorgestellt, einmal so erfolgreich zu sein? Wie wichtig ist Ihnen Erfolg?
Ich denke nicht daran, ob ein Buch ein Bestseller wird oder nicht. Ich versuche einfach nur, die Messlatte für meine Kreativität immer ein Stückchen höher zu legen. Ich betrachte jedes Buch als neue Herausforderung und versuche immer, etwas Neues zu lernen.
Wie gefallen Ihnen die Verfilmungen Ihrer Romane?
Die Filme sind, was sie sind. Und sie sind eben nicht die Romane. Wenn ich die Wahl gehabt hätte, hätte ich die Filme nicht auf die reine Kriminalgeschichte reduziert. Ich hätte Nebengeschichten erhalten, und ich hätte auch nicht auf wichtige Charaktere verzichtet.
Was mögen Sie am Schreiben? Was nicht so sehr?
Ich liebe das Schreiben! Eigentlich gibt es nichts daran, was ich nicht mag, mit Ausnahme vielleicht des Korrekturlesens der Druckfahnen.
Wie kommen Sie auf die Idee zu einem neuen Buch? Wie entwickeln Sie sie weiter?
Ich bin gut organisiert und arbeite sehr systematisch. Alle Details meiner Arbeitsweise zu schildern, würde den Rahmen dieses Interviews sprengen. Wer sich dafür interessiert, kann sie in meinem Buch "Wort für Wort oder Die Kunst, ein gutes Buch zu schreiben" nachlesen.
Haben Sie einen Traum, den Sie gern noch verwirklichen würden?
Ich fände es großartig, wenn George W. Bush angeklagt werden würde - was er unbedingt verdient. Ich würde sehr gerne erleben, dass Dick Cheney ins Gefängnis wandert. Und sehr gerne würde ich auch sehen, dass das Gleiche mit Rumsfeld geschieht. Ich wünsche mir, dass sich alle drei vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag verantworten müssen. Die Fragen stellte Roland Große Holtforth, Literaturtest.
Bibliographische Angaben
- Autor: Elizabeth George
- 2009, 670 Seiten, Maße: 12,4 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Ingrid Krane-Müschen, Michael J. Müschen
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 344247132X
- ISBN-13: 9783442471324
- Erscheinungsdatum: 04.11.2009
Rezension zu „Inspector Lynley Band 14: Am Ende war die Tat “
"Elizabeth George übertrifft alle - ihr Stil ist überwältigend!" Wall Street Journal
Pressezitat
"Elizabeth George übertrifft alle - ihr Stil ist überwältigend!" Wall Street Journal
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