Mein Wille sei dein Wille
Thriller. Deutsche Erstausgabe
Lindsay O'Neil leitet eine Sozialeinrichtung, die zerrütteten Familien beisteht. Als dort eines Tages ein Verbrechen geschieht, übernimmt ausgerechnet ihr Ex-Mann den Fall. Und es bleibt nicht bei einem Todesopfer. Der Mörder scheint Lindsay zu kennen.
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Produktinformationen zu „Mein Wille sei dein Wille “
Lindsay O'Neil leitet eine Sozialeinrichtung, die zerrütteten Familien beisteht. Als dort eines Tages ein Verbrechen geschieht, übernimmt ausgerechnet ihr Ex-Mann den Fall. Und es bleibt nicht bei einem Todesopfer. Der Mörder scheint Lindsay zu kennen.
Klappentext zu „Mein Wille sei dein Wille “
In ihrer Kindheit litt Lindsay O'Neil unter einem gewalttätigen Vater. Nun versucht sie selbst, zerrütteten Familien zu helfen. Eines Tages wird jedoch in der Nähe der Sozialeinrichtung, die sie leitet, eine Leiche gefunden. Und ausgerechnet ihr Ex-Mann, Mordkommissar Zach Kier, übernimmt die Ermittlungen in dem Fall. Als weitere Leichen auftauchen, wird deutlich, dass der Mörder eine besondere Verbindung zu Lindsay hat. Er verfolgt sie und schickt ihr grauenhafte Botschaften. Lindsay und Zach müssen alles daran setzen, den Schuldigen zu finden, bevor er erneut zuschlägt.
Lese-Probe zu „Mein Wille sei dein Wille “
Mein Wille sei dein Wille von Mary Burton1
Richmond, Virginia, Montag, 7. Juli, 4:10 Uhr
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Du sollst nicht töten.
Kaum mehr als ein Schatten, so hockte er im Dunkel neben Harold Turners leblosem Körper. Zu seinem eigenen Erstaunen erfüllte ihn nicht Reue, sondern Erregung.
Das Gefühl von Macht und moralischer Überlegenheit war nahezu überwältigend. Er war der Beschützer, der Schutzengel, der Hüter. Nie war ihm Gottes Auftrag klarer gewesen als jetzt.
Er legte die .45er mit dem Schalldämpfer in eine schwarze Tasche und betrachtete die Leiche, die gegen die ramponierten Blechmülltonnen gelehnt dalag.
Selbst im Tod strahlte Harold Turner noch Arroganz und Selbstgefälligkeit aus.
Sein lichtes Haar wurde durch einen sauberen Scheitel geteilt. Die manikürten Fingernägel schimmerten im Mondlicht. Doppelreiher und weißes Hemd sahen immer noch sauber und frisch gebügelt aus, und seine gelbe Seidenkrawatte passte farblich zu dem Taschentuch in seiner Brusttasche. Die goldenen Manschettenknöpfe mit Monogramm verrieten sofort, dass er einen erlesenen Geschmack, aber auch das nötige Kleingeld dafür besaß.
Doch der teure Anzug verbarg Spuren an den Armen und in den Kniekehlen. Es war ein offenes Geheimnis, dass Harold Turner jahrelang drogenabhängig gewesen war.
Der Hüter rückte dem Toten die Krawatte so zurecht, dass sie den größer werdenden Blutfleck auf dessen weißem Hemd verdeckte. unzählige Stunden hatte er in die Planung dieses ersten Mordes investiert, bis hin zur Erschöpfung. Doch am Ende hatte er den Kerl ganz einfach mit der Aussicht auf Drogen hierher gelockt. und ihm die Kugel in den Leib zu jagen, war ein Kinderspiel gewesen.
»Ein passender ort ist das hier, nicht wahr?«, sagte er leise. »Die Zuflucht geprügelter Ehefrauen. Deine Frau hätte sicher verstanden, warum ich diesen ort gewählt habe.«
Das Frauenhaus hinter ihnen trug die gleiche weiße Kolonialstilfassade wie die anderen Gebäude in der Straße, sodass die meisten Nachbarn gar nicht ahnten, was es beherbergte. Der Mondschein tauchte den Garten hinter dem Haus in weiches Licht. Hinter einem zwei Meter fünfzig hohen Sichtschutzzaun verbargen sich Kickbälle, Fahrräder und angerostete Puppenwagen - Sachspenden für die Kinder, die in diesem Haus lebten. Es gab eine Schaukel und eine lange gelbe Rutsche, die in weichen Rindenmulch mündete.
Beim Gedanken an die Kinder stieg Wut in ihm auf. »Es dürfte solche orte nicht geben«, murmelte er leise. »Kinder sollten sich in ihrem Zuhause sicher fühlen.«
Er warf einen prüfenden Blick auf Harold Turner. Der mächtige Strafverteidiger hatte heute Morgen noch einen Drogendealer vor Gericht vertreten und mit selbstzufriedener Autorität und sichtlicher Genugtuung »begründete Zweifel« an der Schuld seines Mandanten angemeldet.
Der Harold Turner aus dem Gerichtssaal hatte nichts gemein mit dem, der hier vor wenigen Minuten gestanden und mit tränenüberströmtem Gesicht um sein Leben gewinselt hatte. Der Harold Turner aus dem Gerichtssaal hatte nicht gewusst, dass die Angst einen Menschen auffressen konnte.
Dieser hier schon.
Dieser hier war auf die Knie gesunken. Er hatte Geld angeboten und alle möglichen Versprechungen gemacht, um sein erbärmliches Leben zu retten.
»Aber mich kannst du doch nicht mit deinem gedrechselten Gerede umstimmen, Harold«, hatte der Hüter erwidert. »Für dich gibt es keine Begnadigung.«
Eine leichte Brise ließ das dichte Blätterdach über ihm rascheln. Bald würde die Sonne aufgehen. Dieser Juli war einer der heißesten seit Aufzeichnung der Wetterdaten, Pflanzen verdorrten, der Grundwasserspiegel sank, und die Menschen waren gereizt.
in der Ferne bellte ein Hund. Eine Katze fauchte. Sie jagten durch die dunklen Gärten, die Geräusche verklangen in der Nacht.
Der Hüter blickte zum Haus hoch und versuchte festzustellen, ob die Tiere jemanden geweckt hatten. im ersten Stock ging kurz ein Licht an, das aber im nächsten Moment wieder erlosch. Die Menschen in der Straße schliefen tief und fest.
Es war eine heilige, eine gesegnete Tageszeit. in den stillen, friedlichen Augenblicken vor der Dämmerung fühlte man sich unbesiegbar und unverwundbar.
Er löste den goldenen Manschettenknopf von Harolds linkem Handgelenk und steckte ihn in dessen Jacketttasche, um ihm dann Jacken- und Hemdärmel bis zum Ellbogen hochzuschieben. Am linken Ringfinger steckte ein Platin-Ehering.
»Der Herr ist von großer Macht, und Er lässt keinen ungestraft«, murmelte er. in den dunkelsten Stunden nach Debras Tod hatte dieser Bibelvers dem Hüter Trost gegeben. Die süße Debra, die mit neununddreißig gestorben war, durch die Hand ihres eigenen Ehemannes. Wie Harold war Debras Gatte nach außen hin ein angesehener Mann und zu Hause ein brutaler Schläger und Tyrann gewesen. Debra und ihre Tochter hatten jahrelang die Hölle durchlebt.
Die Erinnerung an Debra und ihr Kind erfüllte ihn mit Trauer und Reue. Debra hatte um Hilfe gerufen. Sie hatte ihre Ehe beenden und einen Neuanfang machen wollen, doch niemand hatte ihr geholfen. Niemanden hatte es gekümmert, was hinter verschlossenen Türen geschah.
und dann hatte ihr Mann sie getötet. Er hatte sie zu Tode geprügelt und sich dann feige selbst gerichtet. Debras einzige Tochter hatte ihre Mutter gefunden und war davongelaufen. Das Erlebnis hatte sie fürs Leben gezeichnet.
Viele Nächte lang hatte der Hüter an Debra und ihr Kind gedacht und für ihre Erlösung gebetet.
Zwölf Jahre waren seither vergangen. und dann hatte vor einigen Monaten Gott ein Zeichen gesandt - in Gestalt eines Artikels in einem Magazin. Es war so klar und deutlich gewesen, dass ihm die Tränen gekommen waren: Die Zeit der Vergeltung war gekommen.
Debra war für immer verloren, ebenso wie die Unschuld ihres Kindes. Doch diejenigen, die sich an ihr und ihrer Familie schuldig gemacht hatten, konnten aufgespürt und bestraft werden. Sie sollten für die Sünden bezahlen, die sie begangen hatten.
Der Hüter zog eine Machete aus einer schwarzen Tasche und hob die Klinge über den Kopf. Die Schneide war rasiermesserscharf, fachmännisch so lange gewetzt, bis sie Papier teilen konnte.
Das Mondlicht glitzerte auf der Klinge, ehe sie in einem Bogen auf Harolds linke Hand herniederging und sie vom Arm trennte.
Blut spritzte auf Harolds Gesicht und auf den Overall und die Handschuhe des Hüters. im fahlen Licht sickerte es bräunlich aus dem Stumpf und bildete eine Lache auf dem ausgedörrten Boden neben der Leiche.
Archaische Kräfte durchströmten ihn. Das Leben hatte sich nie süßer angefühlt als in diesem Augenblick.
Die Rache ist mein.
Er wickelte die Hand in eine Gefriertüte mit Zipper und steckte sie zusammen mit der bluttriefenden Machete in die schwarze Tasche.
Zufrieden darüber, dass er unbemerkt geblieben war, schloss er den Reißverschluss der Tasche, trabte über den Rasen zum Zaun, schlüpfte hindurch und lief zu seinem Van, der ein paar Häuser weiter parkte.
Als er die Wagentür öffnete, ging die Innenraumbeleuchtung an. Blinzelnd stieg er ein und schloss die Tür rasch wieder. Sofort herrschte Dunkelheit. Mehrere Sekunden lang blieb er regungslos sitzen und ließ seine Augen über die Hausfronten wandern, um sicherzugehen, dass niemand etwas gesehen hatte. Doch die Häuser blieben stumm und dunkel.
Schließlich wandte er sich beruhigt der offenen Blumenbox auf dem Beifahrersitz zu. Sie enthielt lila Schwertlilien, die einzeln in Glaszylindern voller Wasser steckten.
Er nahm Harolds Hand aus der Tasche und wickelte sie behutsam in grünes Papier, um sie unter die Blumen zu legen.
Er hatte die Blumen ganz bewusst gewählt - Schwertlilien standen für Freundschaft, Hoffnung, Weisheit und Mut. Sie würde die Bedeutung verstehen.
Nachdem er den Deckel wieder auf die Box gelegt hatte, schlang er ein rotes Seidenband darum und band eine ordentliche Schleife. Er nahm eine vorgeschriebene Karte aus dem Handschuhfach und schob sie unter den Knoten.
Dann startete er den Motor. Die Armaturenbeleuchtung fiel auf die Box und die mit dickem Stift handgeschriebenen Worte auf der Karte: »Für Lindsay. «
2
Montag, 7. Juli, 8:10 Uhr
Lindsay O'Neil war spät dran, verdammt spät - und zwar weil ihr Wecker wegen eines Stromausfalls nicht geklingelt hatte und sie fast drei Stunden verschlafen hatte.
Sie sah auf den Tacho ihres Geländewagens. Die Nadel zeigte etwas mehr als fünfundfünfzig Stundenkilometer an. Doch sie wäre gerne doppelt so schnell gefahren, wenn der Berufsverkehr auf der vierspurigen Broad Street es nur zugelassen hätte.
Sie war angespannt. Normalerweise brauchte sie fünfzehn Minuten für die sechzehn Kilometer von ihrer Wohnung zum Sanctuary-Frauenhaus, wo sie arbeitete. Doch normalerweise schlief sie auch nicht so tief wie letzte Nacht. in den meisten Nächten wachte sie regelmäßig aus Träumen auf und hatte kein Problem damit, früh um fünf aufzustehen und zur Arbeit zu fahren.
Lindsay schaltete das Radio ein und drückte mehrmals auf den Sendersuchlauf, bis sie einen Song fand, der ihr gefiel. Musik und Text beruhigten sie, und sie atmete ein paarmal tief durch, bis sich ihre Nervosität etwas löste.
Seit anderthalb Jahren leitete Lindsay das Sanctuary. ihr Arbeitstag war normalerweise voll mit Beratungsterminen und verwaltungstechnischen Meetings, und meist kam sie noch nicht einmal dazu, mittags etwas zu essen.
Heute hatte sie sogar noch mehr Termine als sonst. Verpasst hatte sie bislang die Gruppenbesprechung, die sie jeden Montag um sieben Uhr abhielt. Die Besprechung war für alle Hausbewohner bindend. Ebenfalls vorbei war die auf acht Uhr angesetzte Telefonkonferenz mit der Vorstandsvorsitzenden des Frauenhauses, Dana Miller, die auf den neuesten Stand gebracht werden wollte.
Dass sie die Telefonkonferenz verschlafen hatte, war nicht ganz unproblematisch, aber da würde sie sich herausreden können. Dass sie aber die Gruppenbesprechung verpasst hatte, war ganz und gar inakzeptabel. Die Frauen waren alle Opfer häuslicher Gewalt. Viele von ihnen hatten seit Jahren nicht mehr gearbeitet, und die meisten hatten jetzt mehr Angst vor dem unbekannten, das vor ihnen lag, als vor der physischen Gewalt in ihrer Beziehung. Häufig hörte Lindsay bei den Gruppentreffen nur zu, verteilte Taschentücher und nahm die Frauen in den Arm. Das Entscheidende war, dass sie immer da war, um ihnen Mut zu machen. Immer.
Nur heute nicht. Heute hatte sie sie alle hängen lassen.
Lindsay klappte ihr Handy auf. Sie hatte das Haus heute früh so hektisch verlassen, dass sie ganz vergessen hatte, im Büro anzurufen. Aber das Display blieb dunkel - der Akku war leer. Hatte sie es nicht über Nacht aufgeladen? Doch dann fiel es ihr wieder ein: »Der Stromausfall. So ein Mist!«
Sie hielt an einer roten Ampel und warf das Handy auf den Beifahrersitz. Die Hitze des schwarzen Asphalts drang durch das Bodenblech, obwohl die Klimaanlage auf Hochtouren lief. Die Motorkühlung sprang an, und binnen Sekunden geriet der Motor ins Stottern und drohte abzusterben.
»oh verdammt!«, murmelte sie.
Seit Monaten nahm sie sich vor, den Wagen zur Inspektion zu bringen, hatte es aber immer wieder aufgeschoben. Nie war genug Zeit. Aber jetzt machten die hohen Temperaturen dem Motor zu schaffen. Sie schaltete die Klimaanlage ab und kurbelte das Fenster herunter. Schwere, heiße Juliluft drang ins Innere.
Ohne die Belastung der Klimaanlage lief der Motor wieder ruhiger, doch bald fing sie an zu schwitzen.
»Verdammt, ich hasse das.«
Es war, als wollte die Hitze sie erdrücken, sie reizte ihre Nerven und ließ verdrängte Erinnerungen an die Oberfläche steigen. »Mom«, flüsterte sie und schloss die Augen.
Es war zwölf Jahre her, da war sie, gerade siebzehn, an einem heißen, stürmischen Nachmittag früher von ihrem Job als Poolaufsicht nach Hause gekommen. Normalerweise hatte sie immer bis zum Schluss gearbeitet, meist bis nach einundzwanzig Uhr. Doch dieser Tag war so gewittrig gewesen, dass der Bademeister das Schwimmbad schon gegen vierzehn Uhr geschlossen und seine Leute nach Hause geschickt hatte.
Joel, ein Kollege aus dem Verein, hatte sie heimgefahren. »Hallo, wie wär's, wollen wir ins Kino gehen?« Joel war ein magerer Schlacks mit fleckiger Haut und Zahnspange. »ich lad dich ein.«
Sie wusste, dass Joel in sie verknallt war, und wollte seine Gefühle nicht verletzen. »Danke, das ist nett, aber ich habe immer so wenig Zeit mit meiner Mom. Nächste Woche gehen wir, versprochen.«
»Also dann - abgemacht.« Er ließ sie auf der kreisförmigen Auffahrt aussteigen, direkt vor dem schön begrünten Haus, das ihre Urgroßeltern vor fast hundert Jahren gebaut hatten.
Lindsay winkte und sauste mit ihrer Schwimmtasche durch die preisgekrönten Vorgartenbeete ihrer Mutter, die mit Lilien, Begonien und Tagetes bepflanzt waren. Seltsamerweise war die Tür nicht abgeschlossen. Sie hatte ihrer Mutter extra eingeschärft, immer abzuschließen.
Zwei Monate zuvor hatte ihre Mutter den Vater rausgeworfen, weil sie seine verbale und physische Gewalt nicht mehr ertragen konnte. Seitdem war die Atmosphäre zu Hause wesentlich besser. ihre Mutter hatte wieder zu singen begonnen und trug neuerdings sogar Make-up. Lindsay hatte immer nach Vorwänden gesucht, um nicht nach Hause gehen zu müssen - jetzt freute sie sich darauf.
Lindsay ließ ihre Tasche an der Eingangstür fallen und blickte auf die uhr. Die Schicht im Ashland Town Restaurant, wo Mom als Kellnerin arbeitete, würde erst in ein paar Stunden beginnen, sie hatten also noch jede Menge Zeit.
Ein Donnerschlag krachte, und die Fenster im Haus klirrten. Über den Maisfeldern und den Bäumen in der Ferne hingen finstere Wolken. Windböen fuhren in die Eichen und ließen ihre Blätter flattern, sodass es aussah, als würden sie silbern glitzern. Der Sturm drang mit Macht nach osten vor. Bald würde er direkt über ihnen sein.
»Mom?«
Keine Antwort.
Aus dem Radio in der Küche wehte California Dreamin' von The Mamas & The Papas herüber, der Lieblingssong ihrer Mutter. Lindsay musste lächeln, als ihr einfiel, wie sie vor einigen Wochen zusammen zu dem Lied getanzt hatten. Mom träumte davon, nach Kalifornien zu gehen, den Pazifik zu sehen und die universal Studios in Hollywood zu besuchen. Lindsay hatte ihr versprochen, nächstes Jahr mit ihr dorthin zu fahren, sobald sie ihren Highschoolabschluss in der Tasche hatte. Seither verbrachten sie ihre Freizeit damit, den Trip nach Westen zu planen.
»Mom! ich bin da!«
im Song begann die zweite Strophe. Stepped into a church ... Lindsay begann mitzusummen und nahm eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank.
Als sie sie öffnete, fiel ihr Blick auf die abgetragenen Arbeitshandschuhe ihres Vaters, die auf dem Küchentisch lagen. ihr Magen zog sich zusammen. Was hatte er hier zu suchen?
in den zurückliegenden Wochen hatte er Mom ein paarmal angerufen. Die Anrufe hatten Lindsay beunruhigt, doch ihre Mutter hatte alles heruntergespielt. Sie solle sich keine Sorgen machen.
Alles sah aus wie immer. Der Linoleumboden war sauber aufgewischt. Gespülte Teller standen zum Trocknen im Abtropfkorb. Weiße Spitzenvorhänge flatterten im Fenster. Auf dem PVC-Tisch lagen zwei Gedecke einander gegenüber. ihr Vater konnte charmant sein, wenn er wollte, und meistens hatte er ihre Mutter überreden können, ihm etwas zu kochen.
Ein kühler Luftzug streifte Lindsays Nacken. Das Haus fühlte sich plötzlich anders an. Falsch. Eine schreckliche Ahnung drückte ihr die Brust zusammen.
Lindsay sah sich um. »Mom!«
Sie durchquerte die Küche, stieß die Tür zum Garten auf und blickte auf die Schaukel neben dem Geräteschuppen. Dunkle Wolken verhingen den Horizont.
»Mom, wo bist - «
Lindsay wandte sich nach rechts und hielt abrupt inne. Neben den Mülltonnen am Zaun lag ihre Mutter auf dem Rücken.
Mit wenigen Schritten war Lindsay bei ihr, blieb aber Zentimeter von ihr entfernt stehen. Das Gesicht ihrer Mutter war durch Prügel fast bis zur Unkenntlichkeit verschwollen. ihr Kopf ruhte in einer Blutlache. Neben ihr lag ein blutiger Hammer, der aussah, als hätte ihn jemand eilig fallen gelassen.
Lindsay ging neben ihrer Mutter auf die Knie und streckte die Hand aus, zögerte dann jedoch. Sie hatte Angst, sie zu berühren.
Angst, die Frau zu berühren, die sie geliebt und umsorgt hatte und die sie niemals, unter keinen umständen, im Stich gelassen hätte.
Eine Hupe riss Lindsay aus ihren Erinnerungen. Sie sah auf und blickte auf eine grüne Ampel. Schweiß trat auf ihre Stirn, und ihre Hände zitterten. Fluchend gab sie Gas.
...
© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
Du sollst nicht töten.
Kaum mehr als ein Schatten, so hockte er im Dunkel neben Harold Turners leblosem Körper. Zu seinem eigenen Erstaunen erfüllte ihn nicht Reue, sondern Erregung.
Das Gefühl von Macht und moralischer Überlegenheit war nahezu überwältigend. Er war der Beschützer, der Schutzengel, der Hüter. Nie war ihm Gottes Auftrag klarer gewesen als jetzt.
Er legte die .45er mit dem Schalldämpfer in eine schwarze Tasche und betrachtete die Leiche, die gegen die ramponierten Blechmülltonnen gelehnt dalag.
Selbst im Tod strahlte Harold Turner noch Arroganz und Selbstgefälligkeit aus.
Sein lichtes Haar wurde durch einen sauberen Scheitel geteilt. Die manikürten Fingernägel schimmerten im Mondlicht. Doppelreiher und weißes Hemd sahen immer noch sauber und frisch gebügelt aus, und seine gelbe Seidenkrawatte passte farblich zu dem Taschentuch in seiner Brusttasche. Die goldenen Manschettenknöpfe mit Monogramm verrieten sofort, dass er einen erlesenen Geschmack, aber auch das nötige Kleingeld dafür besaß.
Doch der teure Anzug verbarg Spuren an den Armen und in den Kniekehlen. Es war ein offenes Geheimnis, dass Harold Turner jahrelang drogenabhängig gewesen war.
Der Hüter rückte dem Toten die Krawatte so zurecht, dass sie den größer werdenden Blutfleck auf dessen weißem Hemd verdeckte. unzählige Stunden hatte er in die Planung dieses ersten Mordes investiert, bis hin zur Erschöpfung. Doch am Ende hatte er den Kerl ganz einfach mit der Aussicht auf Drogen hierher gelockt. und ihm die Kugel in den Leib zu jagen, war ein Kinderspiel gewesen.
»Ein passender ort ist das hier, nicht wahr?«, sagte er leise. »Die Zuflucht geprügelter Ehefrauen. Deine Frau hätte sicher verstanden, warum ich diesen ort gewählt habe.«
Das Frauenhaus hinter ihnen trug die gleiche weiße Kolonialstilfassade wie die anderen Gebäude in der Straße, sodass die meisten Nachbarn gar nicht ahnten, was es beherbergte. Der Mondschein tauchte den Garten hinter dem Haus in weiches Licht. Hinter einem zwei Meter fünfzig hohen Sichtschutzzaun verbargen sich Kickbälle, Fahrräder und angerostete Puppenwagen - Sachspenden für die Kinder, die in diesem Haus lebten. Es gab eine Schaukel und eine lange gelbe Rutsche, die in weichen Rindenmulch mündete.
Beim Gedanken an die Kinder stieg Wut in ihm auf. »Es dürfte solche orte nicht geben«, murmelte er leise. »Kinder sollten sich in ihrem Zuhause sicher fühlen.«
Er warf einen prüfenden Blick auf Harold Turner. Der mächtige Strafverteidiger hatte heute Morgen noch einen Drogendealer vor Gericht vertreten und mit selbstzufriedener Autorität und sichtlicher Genugtuung »begründete Zweifel« an der Schuld seines Mandanten angemeldet.
Der Harold Turner aus dem Gerichtssaal hatte nichts gemein mit dem, der hier vor wenigen Minuten gestanden und mit tränenüberströmtem Gesicht um sein Leben gewinselt hatte. Der Harold Turner aus dem Gerichtssaal hatte nicht gewusst, dass die Angst einen Menschen auffressen konnte.
Dieser hier schon.
Dieser hier war auf die Knie gesunken. Er hatte Geld angeboten und alle möglichen Versprechungen gemacht, um sein erbärmliches Leben zu retten.
»Aber mich kannst du doch nicht mit deinem gedrechselten Gerede umstimmen, Harold«, hatte der Hüter erwidert. »Für dich gibt es keine Begnadigung.«
Eine leichte Brise ließ das dichte Blätterdach über ihm rascheln. Bald würde die Sonne aufgehen. Dieser Juli war einer der heißesten seit Aufzeichnung der Wetterdaten, Pflanzen verdorrten, der Grundwasserspiegel sank, und die Menschen waren gereizt.
in der Ferne bellte ein Hund. Eine Katze fauchte. Sie jagten durch die dunklen Gärten, die Geräusche verklangen in der Nacht.
Der Hüter blickte zum Haus hoch und versuchte festzustellen, ob die Tiere jemanden geweckt hatten. im ersten Stock ging kurz ein Licht an, das aber im nächsten Moment wieder erlosch. Die Menschen in der Straße schliefen tief und fest.
Es war eine heilige, eine gesegnete Tageszeit. in den stillen, friedlichen Augenblicken vor der Dämmerung fühlte man sich unbesiegbar und unverwundbar.
Er löste den goldenen Manschettenknopf von Harolds linkem Handgelenk und steckte ihn in dessen Jacketttasche, um ihm dann Jacken- und Hemdärmel bis zum Ellbogen hochzuschieben. Am linken Ringfinger steckte ein Platin-Ehering.
»Der Herr ist von großer Macht, und Er lässt keinen ungestraft«, murmelte er. in den dunkelsten Stunden nach Debras Tod hatte dieser Bibelvers dem Hüter Trost gegeben. Die süße Debra, die mit neununddreißig gestorben war, durch die Hand ihres eigenen Ehemannes. Wie Harold war Debras Gatte nach außen hin ein angesehener Mann und zu Hause ein brutaler Schläger und Tyrann gewesen. Debra und ihre Tochter hatten jahrelang die Hölle durchlebt.
Die Erinnerung an Debra und ihr Kind erfüllte ihn mit Trauer und Reue. Debra hatte um Hilfe gerufen. Sie hatte ihre Ehe beenden und einen Neuanfang machen wollen, doch niemand hatte ihr geholfen. Niemanden hatte es gekümmert, was hinter verschlossenen Türen geschah.
und dann hatte ihr Mann sie getötet. Er hatte sie zu Tode geprügelt und sich dann feige selbst gerichtet. Debras einzige Tochter hatte ihre Mutter gefunden und war davongelaufen. Das Erlebnis hatte sie fürs Leben gezeichnet.
Viele Nächte lang hatte der Hüter an Debra und ihr Kind gedacht und für ihre Erlösung gebetet.
Zwölf Jahre waren seither vergangen. und dann hatte vor einigen Monaten Gott ein Zeichen gesandt - in Gestalt eines Artikels in einem Magazin. Es war so klar und deutlich gewesen, dass ihm die Tränen gekommen waren: Die Zeit der Vergeltung war gekommen.
Debra war für immer verloren, ebenso wie die Unschuld ihres Kindes. Doch diejenigen, die sich an ihr und ihrer Familie schuldig gemacht hatten, konnten aufgespürt und bestraft werden. Sie sollten für die Sünden bezahlen, die sie begangen hatten.
Der Hüter zog eine Machete aus einer schwarzen Tasche und hob die Klinge über den Kopf. Die Schneide war rasiermesserscharf, fachmännisch so lange gewetzt, bis sie Papier teilen konnte.
Das Mondlicht glitzerte auf der Klinge, ehe sie in einem Bogen auf Harolds linke Hand herniederging und sie vom Arm trennte.
Blut spritzte auf Harolds Gesicht und auf den Overall und die Handschuhe des Hüters. im fahlen Licht sickerte es bräunlich aus dem Stumpf und bildete eine Lache auf dem ausgedörrten Boden neben der Leiche.
Archaische Kräfte durchströmten ihn. Das Leben hatte sich nie süßer angefühlt als in diesem Augenblick.
Die Rache ist mein.
Er wickelte die Hand in eine Gefriertüte mit Zipper und steckte sie zusammen mit der bluttriefenden Machete in die schwarze Tasche.
Zufrieden darüber, dass er unbemerkt geblieben war, schloss er den Reißverschluss der Tasche, trabte über den Rasen zum Zaun, schlüpfte hindurch und lief zu seinem Van, der ein paar Häuser weiter parkte.
Als er die Wagentür öffnete, ging die Innenraumbeleuchtung an. Blinzelnd stieg er ein und schloss die Tür rasch wieder. Sofort herrschte Dunkelheit. Mehrere Sekunden lang blieb er regungslos sitzen und ließ seine Augen über die Hausfronten wandern, um sicherzugehen, dass niemand etwas gesehen hatte. Doch die Häuser blieben stumm und dunkel.
Schließlich wandte er sich beruhigt der offenen Blumenbox auf dem Beifahrersitz zu. Sie enthielt lila Schwertlilien, die einzeln in Glaszylindern voller Wasser steckten.
Er nahm Harolds Hand aus der Tasche und wickelte sie behutsam in grünes Papier, um sie unter die Blumen zu legen.
Er hatte die Blumen ganz bewusst gewählt - Schwertlilien standen für Freundschaft, Hoffnung, Weisheit und Mut. Sie würde die Bedeutung verstehen.
Nachdem er den Deckel wieder auf die Box gelegt hatte, schlang er ein rotes Seidenband darum und band eine ordentliche Schleife. Er nahm eine vorgeschriebene Karte aus dem Handschuhfach und schob sie unter den Knoten.
Dann startete er den Motor. Die Armaturenbeleuchtung fiel auf die Box und die mit dickem Stift handgeschriebenen Worte auf der Karte: »Für Lindsay. «
2
Montag, 7. Juli, 8:10 Uhr
Lindsay O'Neil war spät dran, verdammt spät - und zwar weil ihr Wecker wegen eines Stromausfalls nicht geklingelt hatte und sie fast drei Stunden verschlafen hatte.
Sie sah auf den Tacho ihres Geländewagens. Die Nadel zeigte etwas mehr als fünfundfünfzig Stundenkilometer an. Doch sie wäre gerne doppelt so schnell gefahren, wenn der Berufsverkehr auf der vierspurigen Broad Street es nur zugelassen hätte.
Sie war angespannt. Normalerweise brauchte sie fünfzehn Minuten für die sechzehn Kilometer von ihrer Wohnung zum Sanctuary-Frauenhaus, wo sie arbeitete. Doch normalerweise schlief sie auch nicht so tief wie letzte Nacht. in den meisten Nächten wachte sie regelmäßig aus Träumen auf und hatte kein Problem damit, früh um fünf aufzustehen und zur Arbeit zu fahren.
Lindsay schaltete das Radio ein und drückte mehrmals auf den Sendersuchlauf, bis sie einen Song fand, der ihr gefiel. Musik und Text beruhigten sie, und sie atmete ein paarmal tief durch, bis sich ihre Nervosität etwas löste.
Seit anderthalb Jahren leitete Lindsay das Sanctuary. ihr Arbeitstag war normalerweise voll mit Beratungsterminen und verwaltungstechnischen Meetings, und meist kam sie noch nicht einmal dazu, mittags etwas zu essen.
Heute hatte sie sogar noch mehr Termine als sonst. Verpasst hatte sie bislang die Gruppenbesprechung, die sie jeden Montag um sieben Uhr abhielt. Die Besprechung war für alle Hausbewohner bindend. Ebenfalls vorbei war die auf acht Uhr angesetzte Telefonkonferenz mit der Vorstandsvorsitzenden des Frauenhauses, Dana Miller, die auf den neuesten Stand gebracht werden wollte.
Dass sie die Telefonkonferenz verschlafen hatte, war nicht ganz unproblematisch, aber da würde sie sich herausreden können. Dass sie aber die Gruppenbesprechung verpasst hatte, war ganz und gar inakzeptabel. Die Frauen waren alle Opfer häuslicher Gewalt. Viele von ihnen hatten seit Jahren nicht mehr gearbeitet, und die meisten hatten jetzt mehr Angst vor dem unbekannten, das vor ihnen lag, als vor der physischen Gewalt in ihrer Beziehung. Häufig hörte Lindsay bei den Gruppentreffen nur zu, verteilte Taschentücher und nahm die Frauen in den Arm. Das Entscheidende war, dass sie immer da war, um ihnen Mut zu machen. Immer.
Nur heute nicht. Heute hatte sie sie alle hängen lassen.
Lindsay klappte ihr Handy auf. Sie hatte das Haus heute früh so hektisch verlassen, dass sie ganz vergessen hatte, im Büro anzurufen. Aber das Display blieb dunkel - der Akku war leer. Hatte sie es nicht über Nacht aufgeladen? Doch dann fiel es ihr wieder ein: »Der Stromausfall. So ein Mist!«
Sie hielt an einer roten Ampel und warf das Handy auf den Beifahrersitz. Die Hitze des schwarzen Asphalts drang durch das Bodenblech, obwohl die Klimaanlage auf Hochtouren lief. Die Motorkühlung sprang an, und binnen Sekunden geriet der Motor ins Stottern und drohte abzusterben.
»oh verdammt!«, murmelte sie.
Seit Monaten nahm sie sich vor, den Wagen zur Inspektion zu bringen, hatte es aber immer wieder aufgeschoben. Nie war genug Zeit. Aber jetzt machten die hohen Temperaturen dem Motor zu schaffen. Sie schaltete die Klimaanlage ab und kurbelte das Fenster herunter. Schwere, heiße Juliluft drang ins Innere.
Ohne die Belastung der Klimaanlage lief der Motor wieder ruhiger, doch bald fing sie an zu schwitzen.
»Verdammt, ich hasse das.«
Es war, als wollte die Hitze sie erdrücken, sie reizte ihre Nerven und ließ verdrängte Erinnerungen an die Oberfläche steigen. »Mom«, flüsterte sie und schloss die Augen.
Es war zwölf Jahre her, da war sie, gerade siebzehn, an einem heißen, stürmischen Nachmittag früher von ihrem Job als Poolaufsicht nach Hause gekommen. Normalerweise hatte sie immer bis zum Schluss gearbeitet, meist bis nach einundzwanzig Uhr. Doch dieser Tag war so gewittrig gewesen, dass der Bademeister das Schwimmbad schon gegen vierzehn Uhr geschlossen und seine Leute nach Hause geschickt hatte.
Joel, ein Kollege aus dem Verein, hatte sie heimgefahren. »Hallo, wie wär's, wollen wir ins Kino gehen?« Joel war ein magerer Schlacks mit fleckiger Haut und Zahnspange. »ich lad dich ein.«
Sie wusste, dass Joel in sie verknallt war, und wollte seine Gefühle nicht verletzen. »Danke, das ist nett, aber ich habe immer so wenig Zeit mit meiner Mom. Nächste Woche gehen wir, versprochen.«
»Also dann - abgemacht.« Er ließ sie auf der kreisförmigen Auffahrt aussteigen, direkt vor dem schön begrünten Haus, das ihre Urgroßeltern vor fast hundert Jahren gebaut hatten.
Lindsay winkte und sauste mit ihrer Schwimmtasche durch die preisgekrönten Vorgartenbeete ihrer Mutter, die mit Lilien, Begonien und Tagetes bepflanzt waren. Seltsamerweise war die Tür nicht abgeschlossen. Sie hatte ihrer Mutter extra eingeschärft, immer abzuschließen.
Zwei Monate zuvor hatte ihre Mutter den Vater rausgeworfen, weil sie seine verbale und physische Gewalt nicht mehr ertragen konnte. Seitdem war die Atmosphäre zu Hause wesentlich besser. ihre Mutter hatte wieder zu singen begonnen und trug neuerdings sogar Make-up. Lindsay hatte immer nach Vorwänden gesucht, um nicht nach Hause gehen zu müssen - jetzt freute sie sich darauf.
Lindsay ließ ihre Tasche an der Eingangstür fallen und blickte auf die uhr. Die Schicht im Ashland Town Restaurant, wo Mom als Kellnerin arbeitete, würde erst in ein paar Stunden beginnen, sie hatten also noch jede Menge Zeit.
Ein Donnerschlag krachte, und die Fenster im Haus klirrten. Über den Maisfeldern und den Bäumen in der Ferne hingen finstere Wolken. Windböen fuhren in die Eichen und ließen ihre Blätter flattern, sodass es aussah, als würden sie silbern glitzern. Der Sturm drang mit Macht nach osten vor. Bald würde er direkt über ihnen sein.
»Mom?«
Keine Antwort.
Aus dem Radio in der Küche wehte California Dreamin' von The Mamas & The Papas herüber, der Lieblingssong ihrer Mutter. Lindsay musste lächeln, als ihr einfiel, wie sie vor einigen Wochen zusammen zu dem Lied getanzt hatten. Mom träumte davon, nach Kalifornien zu gehen, den Pazifik zu sehen und die universal Studios in Hollywood zu besuchen. Lindsay hatte ihr versprochen, nächstes Jahr mit ihr dorthin zu fahren, sobald sie ihren Highschoolabschluss in der Tasche hatte. Seither verbrachten sie ihre Freizeit damit, den Trip nach Westen zu planen.
»Mom! ich bin da!«
im Song begann die zweite Strophe. Stepped into a church ... Lindsay begann mitzusummen und nahm eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank.
Als sie sie öffnete, fiel ihr Blick auf die abgetragenen Arbeitshandschuhe ihres Vaters, die auf dem Küchentisch lagen. ihr Magen zog sich zusammen. Was hatte er hier zu suchen?
in den zurückliegenden Wochen hatte er Mom ein paarmal angerufen. Die Anrufe hatten Lindsay beunruhigt, doch ihre Mutter hatte alles heruntergespielt. Sie solle sich keine Sorgen machen.
Alles sah aus wie immer. Der Linoleumboden war sauber aufgewischt. Gespülte Teller standen zum Trocknen im Abtropfkorb. Weiße Spitzenvorhänge flatterten im Fenster. Auf dem PVC-Tisch lagen zwei Gedecke einander gegenüber. ihr Vater konnte charmant sein, wenn er wollte, und meistens hatte er ihre Mutter überreden können, ihm etwas zu kochen.
Ein kühler Luftzug streifte Lindsays Nacken. Das Haus fühlte sich plötzlich anders an. Falsch. Eine schreckliche Ahnung drückte ihr die Brust zusammen.
Lindsay sah sich um. »Mom!«
Sie durchquerte die Küche, stieß die Tür zum Garten auf und blickte auf die Schaukel neben dem Geräteschuppen. Dunkle Wolken verhingen den Horizont.
»Mom, wo bist - «
Lindsay wandte sich nach rechts und hielt abrupt inne. Neben den Mülltonnen am Zaun lag ihre Mutter auf dem Rücken.
Mit wenigen Schritten war Lindsay bei ihr, blieb aber Zentimeter von ihr entfernt stehen. Das Gesicht ihrer Mutter war durch Prügel fast bis zur Unkenntlichkeit verschwollen. ihr Kopf ruhte in einer Blutlache. Neben ihr lag ein blutiger Hammer, der aussah, als hätte ihn jemand eilig fallen gelassen.
Lindsay ging neben ihrer Mutter auf die Knie und streckte die Hand aus, zögerte dann jedoch. Sie hatte Angst, sie zu berühren.
Angst, die Frau zu berühren, die sie geliebt und umsorgt hatte und die sie niemals, unter keinen umständen, im Stich gelassen hätte.
Eine Hupe riss Lindsay aus ihren Erinnerungen. Sie sah auf und blickte auf eine grüne Ampel. Schweiß trat auf ihre Stirn, und ihre Hände zitterten. Fluchend gab sie Gas.
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© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
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Autoren-Porträt von Mary Burton
Mary Burton ist im Süden der USA aufgewachsen. Sie hat an der Universität von Virginia Englisch studiert. Nach einer Karriere im Bereich Marketing begann sie äußerst erfolgreich, Liebesromane zu schreiben. Burton lebt und arbeitet in Virginia.
Bibliographische Angaben
- Autor: Mary Burton
- 2012, 4. Aufl., 432 Seiten, Maße: 12,5 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Dorn-Ruhl, Kristiana
- Übersetzer: Kristiana Dorn-Ruhl
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802586549
- ISBN-13: 9783802586545
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