Mord auf Raten/ Peter Brandt Reihe Bd. 2
Kriminalroman
Hauptkommissar Peter Brandt geht auf Ermittlungstour in Offenbach.
Der Arzt Jürgen Kaufung wird in seiner Praxis ermordet aufgefunden. Doch niemand versteht warum, denn er war überaus beliebt, besonders in der Frauenwelt....
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Produktinformationen zu „Mord auf Raten/ Peter Brandt Reihe Bd. 2 “
Hauptkommissar Peter Brandt geht auf Ermittlungstour in Offenbach.
Der Arzt Jürgen Kaufung wird in seiner Praxis ermordet aufgefunden. Doch niemand versteht warum, denn er war überaus beliebt, besonders in der Frauenwelt. Der Offenbacher Hauptkommissar Peter Brandt stößt bei seinen Ermittlungen schnell auf einen ersten Verdächtigen: Kaufungs bester Freund Klaus Wedel. Doch als Klaus auch umgebracht wird, steht Brandt erstmal vor einem Rätsel. Was haben die beiden Morde miteinander zu tun? Und warum mussten die Freunde sterben?
Lese-Probe zu „Mord auf Raten/ Peter Brandt Reihe Bd. 2 “
Mord auf Raten von Andreas FranzFreitag, 18. Juli 2003, 18.05 Uhr
Dr. Jürgen Kaufung hatte seine Praxis vor zwanzig Minuten geschlossen, sich umgezogen und noch einmal prüfend um sich geblickt, ob auch alles aufgeräumt und der Computer ausgeschaltet war. Seine Sprechstundenhilfe war bereits vor einer halben Stunde gegangen, weil es nichts mehr für sie zu tun gab. Das Wochenende konnte kommen, keine Patienten, die ihm die Ohren voll jammerten, wie schlecht es ihnen gehe, obwohl den wenigsten von ihnen etwas fehlte, höchstens ein sinnvoller Lebensinhalt, obgleich er natürlich auch Patienten hatte, die krank waren. Einige von ihnen blickten dem Tod sogar schon ins Auge, und doch klammerten sie sich wie Ertrinkende an das Leben, das aber nicht mehr als ein brüchiger Strohhalm war. Andere ergaben sich in ihr Schicksal, fanden sich damit ab, dass ihre Zeit gekommen war. Sein gegenwärtig schlimmster Fall war eine achtundzwanzigjährige Frau, verheiratet, Mutter von zwei kleinen Kindern, die an einem inoperablen Tumor des Stammhirns litt. Wie lange sie noch durchhalten würde, konnte keiner sagen, einen Tag, eine Woche, vielleicht auch noch ein Jahr. Die einzige Hoffnung war ein Wunder, und Kaufung war überzeugt, dass es diese Wunder gab. Er hatte selbst einige miterlebt, von denen das großartigste, die Spontanheilung eines Todgeweihten, alle behandelnden Ärzte in Erstaunen versetzte, denn die Schulmedizin hatte ihn längst aufgegeben. Mittlerweile hatte er seine große Liebe, die er in der höchsten Not kennengelernt hatte, geheiratet, der Krebs war vollständig aus seinem Körper verschwunden, und keiner hatte eine Erklärung für das, was da geschehen war. Kaufung aber wusste, es war diese Liebe, die dem Körper neue Kraft eingehaucht hatte.
Er schloss die Praxis ab, stieg in seinen Porsche 928 und fuhr kaum zehn Minuten, bis er am
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Tennisplatz Siebeneichen ankam. Er hielt vergeblich Ausschau nach dem Auto seines Matchpartners, mit dem er sich für halb sieben verabredet hatte, der aber meist schon mindestens eine Viertelstunde vorher da war, und wollte gerade aussteigen, als sein Handy klingelte.
»Hi«, meldete er sich, nachdem er die Nummer auf seinem Display erkannt hatte. »Wo bist du?«
»Tut mir leid, aber ich schaff das nicht. Ich hatte bis eben ein wichtiges Kundengespräch und muss noch einige Besorgungen machen. Außerdem muss ich ganz ehrlich sagen, dass es mir heute zu heiß ist.«
»Hättest du mich nicht ein paar Minuten früher anrufen können, dann wäre ich auch nicht hergefahren«, sagte Kaufung leicht ungehalten. »Du kommst also nicht?«
»Wirklich, ich steck noch mitten in der Arbeit. Ich mach's wieder gut, versprochen.«
»Okay, dann such ich mir eben jemand anders. Aber bevor du auflegst, ich müsste mit dir reden. Passt es am Montag um halb neun?«
»Um was geht's?«
»Nicht am Telefon. Komm am Montag um halb neun in meine Praxis, oder nenn mir einen andern Termin.«
»Mein Gott, jetzt mach's doch nicht so spannend. Du tust ja grad so, als ob ich todkrank wäre«, sagte der andere lachend.
»Lass uns am Montag in Ruhe über alles sprechen, ich habe einen anstrengenden Tag hinter mir. Und keine Angst, okay?«
»Ich hab keine Angst, verdammt noch mal! Mir geht nur deine Geheimniskrämerei auf den Senkel«, entgegnete der andere wütend.
»Moment«, bat Kaufung und stieg aus. Eine junge Dame, die eben in einem Mercedes Cabrio auf den Parkplatz gefahren war, kam auf ihn zu und hauchte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange, doch der Blick, den sie ihm zuwarf; war mehr als eindeutig. Ohne die Sprechmuschel zuzuhalten, sagte er: »Hi, Denise. Hast du Lust, eine Partie mit mir zu spielen?«
»Mit Vergnügen. Ich hab nämlich eben eine Absage erhalten.«
»Was für ein Zufall, ich auch. Geh schon mal vor, ich muss noch das Telefonat zu Ende bringen, bin aber gleich bei dir.« Kaufung sah ihr nach. Er würde eine Runde mit ihr spielen, wenn auch nur in gedrosseltem Tempo, obwohl sie eine exzellente Spielerin war. Nachdem Denise außer Sichtweite war, wandte sich Kaufung wieder seinem Gesprächspartner zu. »Ich hab schon einen Ersatz für dich gefunden.«
»Hab ich mitbekommen. Sag mal, hast du mit Denise etwa auch schon ...«
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, erwiderte Kaufung grinsend.
»Hahaha! Deine Mädels werden auch immer jünger.«
»Genau das ist der Reiz am Ganzen, mein Lieber. Außerdem ist das meine Sache. Und überhaupt, wenn du meinst, ich würde dein Grinsen nicht sehen, das kannst du dir sparen. Ich würd mal lieber vor der eigenen Haustür kehren. So, und jetzt muss ich Schluss machen, ich hab nämlich heute Abend noch eine Verabredung.«
»Mit Denise?«
»Nein.«
»Sag bloß, du machst noch immer mit Petra rum. Sie ist verheiratet.«
»Na und? Du hast auch eine tolle Frau zu Hause und ...« »Aber man gönnt sich ja sonst nichts, oder siehst du das an¬ders?«
Kaufung nahm, während er telefonierte, die Sporttasche aus dem Kofferraum, in der sich zwei Tennisschläger mit un¬terschiedlicher Bespannung, ein kleines Handtuch zum Ab¬trocknen des Schweißes während des Spiels, ein großes für die Dusche danach und mehrere andere Utensilien befanden, die er für das anstehende Match und das folgende obligatorische Beisammensitzen an der Bar benötigte. Es war ein drückend schwüler Tag, die Sonne schien durch dünne Schleierwolken, ein leichter Südwestwind brachte kaum Milderung. Und sollte der Wetterbericht Recht behalten, dann würden die Tempera¬turen in den folgenden Tagen auf über fünfunddreißig Grad steigen und sich später kräftige Gewitter entwickeln.
Kaufung zog den Reißverschluss seiner Tasche auf, nahm einen der beiden Schläger in die Hand und klopfte ein paar¬mal gewohnheitsmäßig gegen die Bespannung.
»Wie geht's dir eigentlich heute?«, fragte er wie beiläufig, das Handy zwischen Ohr und Schulter geklemmt, während er mit der Funkfernbedienung den Porsche abschloss.
»Wie soll's mir schon gehen? Gut, außer dass ich in Arbeit fast ersticke und beim Tennis nie eine Chance gegen dich habe«, antwortete der andere verkniffen lächelnd, was Kau¬fung zwar nicht sah, aber am Ton hörte.
»Aha, daher weht also der Wind!«, sagte Kaufung lachend.
»Das hat damit nichts zu tun. Ich hab dir doch gesagt, dass ich noch einiges zu erledigen habe. Und jetzt rück schon raus, weshalb willst du mich am Montag sprechen?«
Kaufung zuckte mit den Schultern, schürzte die Lippen und fuhr erneut wie beiläufig fort: »Deine Ergebnisse sind heute gekommen, und darüber sollten wir mal reden.«
Der andere griff sich an die Stirn und entgegnete: »Das hät¬test du doch gleich sagen können, ich hab's wirklich über all dem Stress vergessen. Und, muss ich bald sterben?«
»Quatsch! Montag, okay? Und jetzt lass uns aufhören, ich will spielen.«
»Wart doch mal. Ich hab am Montag keine Zeit, ich bin fürchterlich im Druck. Im Prinzip kann ich die ganze nächste Woche nicht. Ist es etwa doch was Ernstes?«, hakte der andere nach, dem das seltsame Gehabe von Kaufung nicht ganz geheuer war. Er benahm sich anders als sonst, auch wenn er sich das nicht anmerken lassen wollte. »Könntest du vielleicht nachher noch ein paar Minuten deiner kostbaren Zeit für einen guten Freund opfern, bevor du zu deiner Petra fährst? Ich bitte dich als Freund darum, denn ich möchte mir nicht gerne das ganze Wochenende über den Kopf zerbrechen, weshalb du so ein Geheimnis aus der ganzen Sache machst.«
Kaufung überlegte und antwortete nach einigem Zögern mit leichtem Unmut in der Stimme: »Also gut, dann eben heute, denn ab übernächste Woche bin ich, wie du weißt, für drei Wochen auf Sylt. Ich muss dir was zeigen und auch erklä¬ren. Sei um Punkt acht in der Praxis, aber länger als eine halbe Stunde hab ich nicht Zeit.«
»Keine Sorge, du wirst deine Verabredung schon nicht ver¬passen.«
»Das will ich auch stark hoffen. So, und jetzt möchte ich noch ein bisschen was für meine Fitness tun«, entgegnete Kaufung, dem es überhaupt nicht in den Kram passte, nach¬her noch einmal in die Praxis zu müssen. Bei fast jedem andern hätte er nein gesagt, wäre er am Freitagabend um einen Termin gebeten worden, aber weil es sich um einen Freund handelte, willigte er ein. »Bis dann. Und sei bitte pünktlich.«
Kaufung war dreiundvierzig, eins zweiundachtzig groß, braun gebrannt und durchtrainiert. Er wirkte sehr jugendlich und legte großen Wert auf seinen Körper, rauchte nicht, trank nur hin und wieder etwas Alkohol, aber er war stolz darauf, noch nie betrunken gewesen zu sein. Für viele seiner Patienten war Alkohol eine Art Lebenselixier, manche von ihnen tranken schon morgens auf nüchternen Magen Cognac oder Whiskey, um den Tremor, das Zittern der Finger und Hände, die Schweißausbrüche und die Übelkeit in den Griff zu bekommen. Sie hatten alles, Geld, Macht, Einfluss, und doch waren sie aus den unterschiedlichsten Gründen unzu¬frieden mit ihrem Leben. Ein Immobilienmakler, den er seit zehn Jahren kannte und der gerade einmal zwei Jahre älter war als er, lag seit einer Woche im Krankenhaus, wo man nach einer Biopsie eine sich noch im Anfangsstadium befind¬liche Leberzirrhose diagnostiziert hatte. Sollte er seinen Le¬benswandel nicht grundlegend ändern, würde ihm nicht mehr viel Zeit bleiben, das Leben zu genießen, das er in den letzten fünfzehn Jahren ohnehin nur noch durch den ver¬schwommenen Schleier des permanenten Betrunkenseins wahrgenommen hatte. Ein Pegeltrinker, wie er im Buche stand.
Kaufung, Allgemeinmediziner und Naturheilkundler, dazu Reiki-Meister und Akupunkteur und ständig auf der Suche nach neuen, eigentlich aber alten, meist ostasiatischen Heil¬methoden, führte eine etablierte Praxis für Privatpatienten, die zu einem Großteil aus der Offenbacher Oberschicht, aber auch aus der des Umlandes kamen. Sein Name hatte sich in
den vergangenen elf Jahren herumgesprochen. Er nahm sich Zeit für seine Patienten, die zu über siebzig Prozent aus einer weiblichen Klientel bestand, unter ihnen einige gelangweilte und bisweilen auch langweilige Damen, die ihn genauso oft konsultierten, wie sie zum Friseur oder zur Kosmetikerin gin¬gen oder den Friseur oder die Kosmetikerin zu sich ins Haus kommen ließen. Diese Damen kamen nur äußerst selten, weil sie krank waren, sie brauchten einfach jemanden, bei dem sie sich ausquatschen konnten, auch wenn sie ihrem Friseur oder der Kosmetikerin bereits allen Klatsch und Tratsch anvertraut hatten. Es war das von so vielen erträumte und erlangte Lu¬xusleben, das sie frustriert und irgendwie abgestumpft hatte werden lassen, ein Leben, das kaum noch Platz für Hobbys bot außer Einkaufen oder sich mit Freundinnen oder Lieb¬habern zu treffen. Sie vertrieben sich die Zeit mit Shopping, aber nicht in Offenbach oder Frankfurt, nein, es mussten schon die außergewöhnlichen Orte sein wie Paris, London, Mailand oder New York, wo sie das Geld ihrer Männer mit vollen Händen ausgaben, um nach diesen sinnlosen Shop¬pingtouren schon bald wieder in die alte Frustration und Me¬lancholie zu verfallen, bis sie ein paar Tage oder Wochen spä¬ter erneut einen Flieger bestiegen, um sich Dinge zu kaufen, die sie gar nicht benötigten.
Kaufung kannte genügend Frauen, darunter welche, die kaum älter als zwanzig waren, die bereits mehrere Schön¬heitsoperationen hinter sich hatten, die sich den Busen auf¬pumpen und die Lippen unterspritzen ließen, die meinten, unter Zellulitis zu leiden, obgleich ihre Haut an den Ober¬schenkeln und dem Po makellos oder zumindest beinahe makellos war, und die trotzdem ein ums andere Mal den Schönheitschirurgen aufsuchten, um Korrekturen durchfüh
ren zu lassen, welche letztlich gar keine waren. Aber nach einer Narkose und nachdem die Bandagen abgenommen waren, glaubten die Patientinnen endlich perfekt zu sein. Da¬bei hatte der Chirurg meist nur geringfügig etwas verändert, dafür jedoch exzellent an dieser Geringfügigkeit verdient. Kaufung sah in den Gesichtern, vor allem in den glanzlosen Augen und am Mund vieler dieser Frauen, dass sie im Innern leer waren. Sie konnten sich kaum noch wirklich über etwas freuen, achteten einerseits auf gesunde Ernährung, versuch¬ten aber andererseits diese Leere und bisweilen sogar Sinn¬losigkeit ihres Daseins mit Alkohol, Medikamenten oder gar Drogen zu füllen, auch wenn nur die wenigsten von ihnen sich dieser Sinnlosigkeit und Leere wirklich bewusst waren, weil sie sie nicht wahrhaben wollten.
Nur ein paar, Kaufung konnte sie an einer Hand abzählen, führten eine harmonische Ehe oder Beziehung, und diese paar erschienen nur dann in seiner Praxis, wenn ihnen wirk¬lich etwas fehlte. Sie gehörten nicht zur Party-Society, lebten eher zurückgezogen, hatten jedoch gelernt, ihrem Dasein einen Sinn zu verleihen, indem sie einer Tätigkeit nachgin¬gen, die sie erfüllte, und wenn es nur ein Hobby war wie Ma¬len oder Schreiben. Eine von ihnen hatte sich eine Töpfer¬werkstatt eingerichtet und verkaufte mittlerweile ihre selbst gefertigten Produkte zu hohen Preisen, spendete jedoch das eingenommene Geld einer Organisation, die sich um Ob¬dachlose kümmerte, wobei sie sich selbst regelmäßig verge¬wisserte, dass ihr Geld auch sinnvoll verwendet wurde. Eine andere schrieb Sachbücher über geschichtliche Themen, die hohe Auflagen erzielten, wieder eine andere hatte im Alter von fünfunddreißig beschlossen, Jura zu studieren.
Doch das Verhalten vieler dieser frustrierten Frauen war auch wiederum von Vorteil für ihn, schließlich hatte er da¬durch schon das eine und andere Techtelmechtel mit Patien¬tinnen gehabt. Aber er wusste immer genau, wo die Grenze war, denn sobald er merkte, dass eine von ihnen ernstere Ab¬sichten hegte und alles zu einem Spiel mit dem Feuer zu wer¬den drohte, zog er sich zurück. Seine Menschenkenntnis war ausgeprägt genug, um zu erkennen, wer wie er nur das unver¬bindliche Abenteuer und die Befriedigung körperlicher Lust suchte und wer nicht. Die junge Dame, mit der er die kom¬mende Nacht verbringen würde, gehörte zur ersten Katego¬rie. Sie liebte den Reichtum und ein bisweilen ausschweifen¬des Leben, ohne jedoch dabei den Boden unter den Füßen zu verlieren. Ihr Mann war knapp dreißig Jahre älter und konnte ihr außer einem prall gefüllten Bankkonto und einem luxuri¬ösen Haus kaum etwas bieten, nur hin und wieder etwas Sex, weshalb sie sich ihre Befriedigung woanders holte. Petras Mann wusste darüber Bescheid, angeblich hatte er ihr sogar gesagt, sie solle sich andere Spielplätze suchen, um sich auszu¬toben, denn sie hatte etwas Nymphomanisches an sich, auch wenn sie keine Nymphomanin im klinischen Sinn war. Dazu hatte sie sich zu sehr unter Kontrolle. Sich mit ihr zu unterhal¬ten war ein Vergnügen. Sie hatte eine hervorragende Schulbil¬dung genossen, das Abitur bereits mit sechzehn bestanden und das Sinologiestudium mit zwanzig beendet, beherrschte neben Chinesisch sechs weitere Fremdsprachen — und sie war im Bett ein wahrer Teufel, und etwas anderes wollte Kaufung auch nicht. Sie stellte keine Ansprüche an ihn, und das war das Wichtigste, neben der Anonymität. Wenn er sich bis jetzt auf etwas verlassen konnte, dann auf die Verschwiegenheit seiner Liebschaften. Petra hatte bisher auch noch keinen Schönheits¬chirurgen konsultiert, sie hatte es nicht nötig. Sie lebte nicht in den Tag hinein, sondern übersetzte Bücher vom Chinesischen ins Deutsche oder Englische und umgekehrt, eine Powerfrau, deren IQ weit über dem der Normalsterblichen lag.
Für einundzwanzig Uhr hatten sie sich verabredet, um zu Lorenzo, seinem Stammitaliener, zu fahren, und danach wür¬den sie die Nacht in seinem Haus im Hunsrückweg verbrin¬gen, wo ihn zwar viele kannten, sich aber trotzdem jeder um seine eigenen Angelegenheiten kümmerte, auch wenn einige seiner Patienten ebenfalls in seinem Viertel residierten. Abge¬schieden, wie es dort eben so üblich war.
Und weil die Zeiger der Uhr schon auf fast halb sieben stan¬den, wollte er so schnell wie möglich mit dem Spiel beginnen, sich eine Stunde in der Hitze auspowern, hinterher an der Bar noch einen Orangensaft trinken, sich vielleicht kurz unterhal¬ten, Smalltalk wie zumeist, außer wenn Petra oder Denise da¬bei waren und er Zeit hatte, denn die Gespräche mit ihnen waren alles andere als oberflächlich, dazu waren die beiden zu intelligent. Hübsch und intelligent, eine reizvolle Mischung. Erst philosophischer Tiefgang, danach sexueller Höhepunkt.
Die Plätze waren alle belegt bis auf einen, der für ihn bis um halb acht reserviert war.
Er wurde von Denise bereits erwartet, die am Zaun lehnte und ihn anlächelte. Sie spielten drei Sätze, einen ließ er Denise gewinnen, obwohl er ein Gewinnertyp war und sich noch nie mit halben Sachen zufrieden gegeben hatte. Das Leben hatte es einfach gut mit ihm gemeint, er genoss es in vollen Zügen und hatte vor, dies auch in den kommenden Jahren und Jahr¬zehnten zu tun. Natürlich hatte Kaufung auch seine Schwach¬punkte, zwei, um genau zu sein, Frauen und ein luxuriöses Le¬ben, aber diese störten ihn wenig, im Gegenteil, sie machten für ihn das Dasein erst so richtig spannend und interessant.
Weil Kaufung unter Zeitdruck stand, verzichtete er dies¬mal ausnahmsweise auf das Duschen nach dem Match, genau wie Denise. Sie verstauten die verschwitzten Sachen in ihren Taschen, trockneten sich lediglich den Schweiß ab und be¬gaben sich an die Bar, die um diese Zeit noch nicht so gut besucht war wie in einer Stunde, wenn der Betrieb richtig los¬ging.
Kaufung bestellte bei Pierre, den er seit sechs Jahren kannte, zwei Orangensaft mit Eis, unterhielt sich noch ein paar Mi¬nuten mit der bezaubernden Denise, die ihre körperlichen Vorzüge wie immer hervorragend in Szene zu setzen ver¬stand, verabredete sich mit ihr für den kommenden Dienstag¬abend, schaute zum wer weiß wievielten Mal auf die Uhr, zehn vor acht, zahlte und sagte, er habe noch einen wichtigen Termin. Doch er verriet nicht, mit wem. Es ging auch keinen etwas an, nicht einmal Denise, die Frau, mit der er schon einige heiße Nächte verbracht hatte.
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright der Originalausgabe © 2005 by Knauer Taschenbuch
»Hi«, meldete er sich, nachdem er die Nummer auf seinem Display erkannt hatte. »Wo bist du?«
»Tut mir leid, aber ich schaff das nicht. Ich hatte bis eben ein wichtiges Kundengespräch und muss noch einige Besorgungen machen. Außerdem muss ich ganz ehrlich sagen, dass es mir heute zu heiß ist.«
»Hättest du mich nicht ein paar Minuten früher anrufen können, dann wäre ich auch nicht hergefahren«, sagte Kaufung leicht ungehalten. »Du kommst also nicht?«
»Wirklich, ich steck noch mitten in der Arbeit. Ich mach's wieder gut, versprochen.«
»Okay, dann such ich mir eben jemand anders. Aber bevor du auflegst, ich müsste mit dir reden. Passt es am Montag um halb neun?«
»Um was geht's?«
»Nicht am Telefon. Komm am Montag um halb neun in meine Praxis, oder nenn mir einen andern Termin.«
»Mein Gott, jetzt mach's doch nicht so spannend. Du tust ja grad so, als ob ich todkrank wäre«, sagte der andere lachend.
»Lass uns am Montag in Ruhe über alles sprechen, ich habe einen anstrengenden Tag hinter mir. Und keine Angst, okay?«
»Ich hab keine Angst, verdammt noch mal! Mir geht nur deine Geheimniskrämerei auf den Senkel«, entgegnete der andere wütend.
»Moment«, bat Kaufung und stieg aus. Eine junge Dame, die eben in einem Mercedes Cabrio auf den Parkplatz gefahren war, kam auf ihn zu und hauchte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange, doch der Blick, den sie ihm zuwarf; war mehr als eindeutig. Ohne die Sprechmuschel zuzuhalten, sagte er: »Hi, Denise. Hast du Lust, eine Partie mit mir zu spielen?«
»Mit Vergnügen. Ich hab nämlich eben eine Absage erhalten.«
»Was für ein Zufall, ich auch. Geh schon mal vor, ich muss noch das Telefonat zu Ende bringen, bin aber gleich bei dir.« Kaufung sah ihr nach. Er würde eine Runde mit ihr spielen, wenn auch nur in gedrosseltem Tempo, obwohl sie eine exzellente Spielerin war. Nachdem Denise außer Sichtweite war, wandte sich Kaufung wieder seinem Gesprächspartner zu. »Ich hab schon einen Ersatz für dich gefunden.«
»Hab ich mitbekommen. Sag mal, hast du mit Denise etwa auch schon ...«
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, erwiderte Kaufung grinsend.
»Hahaha! Deine Mädels werden auch immer jünger.«
»Genau das ist der Reiz am Ganzen, mein Lieber. Außerdem ist das meine Sache. Und überhaupt, wenn du meinst, ich würde dein Grinsen nicht sehen, das kannst du dir sparen. Ich würd mal lieber vor der eigenen Haustür kehren. So, und jetzt muss ich Schluss machen, ich hab nämlich heute Abend noch eine Verabredung.«
»Mit Denise?«
»Nein.«
»Sag bloß, du machst noch immer mit Petra rum. Sie ist verheiratet.«
»Na und? Du hast auch eine tolle Frau zu Hause und ...« »Aber man gönnt sich ja sonst nichts, oder siehst du das an¬ders?«
Kaufung nahm, während er telefonierte, die Sporttasche aus dem Kofferraum, in der sich zwei Tennisschläger mit un¬terschiedlicher Bespannung, ein kleines Handtuch zum Ab¬trocknen des Schweißes während des Spiels, ein großes für die Dusche danach und mehrere andere Utensilien befanden, die er für das anstehende Match und das folgende obligatorische Beisammensitzen an der Bar benötigte. Es war ein drückend schwüler Tag, die Sonne schien durch dünne Schleierwolken, ein leichter Südwestwind brachte kaum Milderung. Und sollte der Wetterbericht Recht behalten, dann würden die Tempera¬turen in den folgenden Tagen auf über fünfunddreißig Grad steigen und sich später kräftige Gewitter entwickeln.
Kaufung zog den Reißverschluss seiner Tasche auf, nahm einen der beiden Schläger in die Hand und klopfte ein paar¬mal gewohnheitsmäßig gegen die Bespannung.
»Wie geht's dir eigentlich heute?«, fragte er wie beiläufig, das Handy zwischen Ohr und Schulter geklemmt, während er mit der Funkfernbedienung den Porsche abschloss.
»Wie soll's mir schon gehen? Gut, außer dass ich in Arbeit fast ersticke und beim Tennis nie eine Chance gegen dich habe«, antwortete der andere verkniffen lächelnd, was Kau¬fung zwar nicht sah, aber am Ton hörte.
»Aha, daher weht also der Wind!«, sagte Kaufung lachend.
»Das hat damit nichts zu tun. Ich hab dir doch gesagt, dass ich noch einiges zu erledigen habe. Und jetzt rück schon raus, weshalb willst du mich am Montag sprechen?«
Kaufung zuckte mit den Schultern, schürzte die Lippen und fuhr erneut wie beiläufig fort: »Deine Ergebnisse sind heute gekommen, und darüber sollten wir mal reden.«
Der andere griff sich an die Stirn und entgegnete: »Das hät¬test du doch gleich sagen können, ich hab's wirklich über all dem Stress vergessen. Und, muss ich bald sterben?«
»Quatsch! Montag, okay? Und jetzt lass uns aufhören, ich will spielen.«
»Wart doch mal. Ich hab am Montag keine Zeit, ich bin fürchterlich im Druck. Im Prinzip kann ich die ganze nächste Woche nicht. Ist es etwa doch was Ernstes?«, hakte der andere nach, dem das seltsame Gehabe von Kaufung nicht ganz geheuer war. Er benahm sich anders als sonst, auch wenn er sich das nicht anmerken lassen wollte. »Könntest du vielleicht nachher noch ein paar Minuten deiner kostbaren Zeit für einen guten Freund opfern, bevor du zu deiner Petra fährst? Ich bitte dich als Freund darum, denn ich möchte mir nicht gerne das ganze Wochenende über den Kopf zerbrechen, weshalb du so ein Geheimnis aus der ganzen Sache machst.«
Kaufung überlegte und antwortete nach einigem Zögern mit leichtem Unmut in der Stimme: »Also gut, dann eben heute, denn ab übernächste Woche bin ich, wie du weißt, für drei Wochen auf Sylt. Ich muss dir was zeigen und auch erklä¬ren. Sei um Punkt acht in der Praxis, aber länger als eine halbe Stunde hab ich nicht Zeit.«
»Keine Sorge, du wirst deine Verabredung schon nicht ver¬passen.«
»Das will ich auch stark hoffen. So, und jetzt möchte ich noch ein bisschen was für meine Fitness tun«, entgegnete Kaufung, dem es überhaupt nicht in den Kram passte, nach¬her noch einmal in die Praxis zu müssen. Bei fast jedem andern hätte er nein gesagt, wäre er am Freitagabend um einen Termin gebeten worden, aber weil es sich um einen Freund handelte, willigte er ein. »Bis dann. Und sei bitte pünktlich.«
Kaufung war dreiundvierzig, eins zweiundachtzig groß, braun gebrannt und durchtrainiert. Er wirkte sehr jugendlich und legte großen Wert auf seinen Körper, rauchte nicht, trank nur hin und wieder etwas Alkohol, aber er war stolz darauf, noch nie betrunken gewesen zu sein. Für viele seiner Patienten war Alkohol eine Art Lebenselixier, manche von ihnen tranken schon morgens auf nüchternen Magen Cognac oder Whiskey, um den Tremor, das Zittern der Finger und Hände, die Schweißausbrüche und die Übelkeit in den Griff zu bekommen. Sie hatten alles, Geld, Macht, Einfluss, und doch waren sie aus den unterschiedlichsten Gründen unzu¬frieden mit ihrem Leben. Ein Immobilienmakler, den er seit zehn Jahren kannte und der gerade einmal zwei Jahre älter war als er, lag seit einer Woche im Krankenhaus, wo man nach einer Biopsie eine sich noch im Anfangsstadium befind¬liche Leberzirrhose diagnostiziert hatte. Sollte er seinen Le¬benswandel nicht grundlegend ändern, würde ihm nicht mehr viel Zeit bleiben, das Leben zu genießen, das er in den letzten fünfzehn Jahren ohnehin nur noch durch den ver¬schwommenen Schleier des permanenten Betrunkenseins wahrgenommen hatte. Ein Pegeltrinker, wie er im Buche stand.
Kaufung, Allgemeinmediziner und Naturheilkundler, dazu Reiki-Meister und Akupunkteur und ständig auf der Suche nach neuen, eigentlich aber alten, meist ostasiatischen Heil¬methoden, führte eine etablierte Praxis für Privatpatienten, die zu einem Großteil aus der Offenbacher Oberschicht, aber auch aus der des Umlandes kamen. Sein Name hatte sich in
den vergangenen elf Jahren herumgesprochen. Er nahm sich Zeit für seine Patienten, die zu über siebzig Prozent aus einer weiblichen Klientel bestand, unter ihnen einige gelangweilte und bisweilen auch langweilige Damen, die ihn genauso oft konsultierten, wie sie zum Friseur oder zur Kosmetikerin gin¬gen oder den Friseur oder die Kosmetikerin zu sich ins Haus kommen ließen. Diese Damen kamen nur äußerst selten, weil sie krank waren, sie brauchten einfach jemanden, bei dem sie sich ausquatschen konnten, auch wenn sie ihrem Friseur oder der Kosmetikerin bereits allen Klatsch und Tratsch anvertraut hatten. Es war das von so vielen erträumte und erlangte Lu¬xusleben, das sie frustriert und irgendwie abgestumpft hatte werden lassen, ein Leben, das kaum noch Platz für Hobbys bot außer Einkaufen oder sich mit Freundinnen oder Lieb¬habern zu treffen. Sie vertrieben sich die Zeit mit Shopping, aber nicht in Offenbach oder Frankfurt, nein, es mussten schon die außergewöhnlichen Orte sein wie Paris, London, Mailand oder New York, wo sie das Geld ihrer Männer mit vollen Händen ausgaben, um nach diesen sinnlosen Shop¬pingtouren schon bald wieder in die alte Frustration und Me¬lancholie zu verfallen, bis sie ein paar Tage oder Wochen spä¬ter erneut einen Flieger bestiegen, um sich Dinge zu kaufen, die sie gar nicht benötigten.
Kaufung kannte genügend Frauen, darunter welche, die kaum älter als zwanzig waren, die bereits mehrere Schön¬heitsoperationen hinter sich hatten, die sich den Busen auf¬pumpen und die Lippen unterspritzen ließen, die meinten, unter Zellulitis zu leiden, obgleich ihre Haut an den Ober¬schenkeln und dem Po makellos oder zumindest beinahe makellos war, und die trotzdem ein ums andere Mal den Schönheitschirurgen aufsuchten, um Korrekturen durchfüh
ren zu lassen, welche letztlich gar keine waren. Aber nach einer Narkose und nachdem die Bandagen abgenommen waren, glaubten die Patientinnen endlich perfekt zu sein. Da¬bei hatte der Chirurg meist nur geringfügig etwas verändert, dafür jedoch exzellent an dieser Geringfügigkeit verdient. Kaufung sah in den Gesichtern, vor allem in den glanzlosen Augen und am Mund vieler dieser Frauen, dass sie im Innern leer waren. Sie konnten sich kaum noch wirklich über etwas freuen, achteten einerseits auf gesunde Ernährung, versuch¬ten aber andererseits diese Leere und bisweilen sogar Sinn¬losigkeit ihres Daseins mit Alkohol, Medikamenten oder gar Drogen zu füllen, auch wenn nur die wenigsten von ihnen sich dieser Sinnlosigkeit und Leere wirklich bewusst waren, weil sie sie nicht wahrhaben wollten.
Nur ein paar, Kaufung konnte sie an einer Hand abzählen, führten eine harmonische Ehe oder Beziehung, und diese paar erschienen nur dann in seiner Praxis, wenn ihnen wirk¬lich etwas fehlte. Sie gehörten nicht zur Party-Society, lebten eher zurückgezogen, hatten jedoch gelernt, ihrem Dasein einen Sinn zu verleihen, indem sie einer Tätigkeit nachgin¬gen, die sie erfüllte, und wenn es nur ein Hobby war wie Ma¬len oder Schreiben. Eine von ihnen hatte sich eine Töpfer¬werkstatt eingerichtet und verkaufte mittlerweile ihre selbst gefertigten Produkte zu hohen Preisen, spendete jedoch das eingenommene Geld einer Organisation, die sich um Ob¬dachlose kümmerte, wobei sie sich selbst regelmäßig verge¬wisserte, dass ihr Geld auch sinnvoll verwendet wurde. Eine andere schrieb Sachbücher über geschichtliche Themen, die hohe Auflagen erzielten, wieder eine andere hatte im Alter von fünfunddreißig beschlossen, Jura zu studieren.
Doch das Verhalten vieler dieser frustrierten Frauen war auch wiederum von Vorteil für ihn, schließlich hatte er da¬durch schon das eine und andere Techtelmechtel mit Patien¬tinnen gehabt. Aber er wusste immer genau, wo die Grenze war, denn sobald er merkte, dass eine von ihnen ernstere Ab¬sichten hegte und alles zu einem Spiel mit dem Feuer zu wer¬den drohte, zog er sich zurück. Seine Menschenkenntnis war ausgeprägt genug, um zu erkennen, wer wie er nur das unver¬bindliche Abenteuer und die Befriedigung körperlicher Lust suchte und wer nicht. Die junge Dame, mit der er die kom¬mende Nacht verbringen würde, gehörte zur ersten Katego¬rie. Sie liebte den Reichtum und ein bisweilen ausschweifen¬des Leben, ohne jedoch dabei den Boden unter den Füßen zu verlieren. Ihr Mann war knapp dreißig Jahre älter und konnte ihr außer einem prall gefüllten Bankkonto und einem luxuri¬ösen Haus kaum etwas bieten, nur hin und wieder etwas Sex, weshalb sie sich ihre Befriedigung woanders holte. Petras Mann wusste darüber Bescheid, angeblich hatte er ihr sogar gesagt, sie solle sich andere Spielplätze suchen, um sich auszu¬toben, denn sie hatte etwas Nymphomanisches an sich, auch wenn sie keine Nymphomanin im klinischen Sinn war. Dazu hatte sie sich zu sehr unter Kontrolle. Sich mit ihr zu unterhal¬ten war ein Vergnügen. Sie hatte eine hervorragende Schulbil¬dung genossen, das Abitur bereits mit sechzehn bestanden und das Sinologiestudium mit zwanzig beendet, beherrschte neben Chinesisch sechs weitere Fremdsprachen — und sie war im Bett ein wahrer Teufel, und etwas anderes wollte Kaufung auch nicht. Sie stellte keine Ansprüche an ihn, und das war das Wichtigste, neben der Anonymität. Wenn er sich bis jetzt auf etwas verlassen konnte, dann auf die Verschwiegenheit seiner Liebschaften. Petra hatte bisher auch noch keinen Schönheits¬chirurgen konsultiert, sie hatte es nicht nötig. Sie lebte nicht in den Tag hinein, sondern übersetzte Bücher vom Chinesischen ins Deutsche oder Englische und umgekehrt, eine Powerfrau, deren IQ weit über dem der Normalsterblichen lag.
Für einundzwanzig Uhr hatten sie sich verabredet, um zu Lorenzo, seinem Stammitaliener, zu fahren, und danach wür¬den sie die Nacht in seinem Haus im Hunsrückweg verbrin¬gen, wo ihn zwar viele kannten, sich aber trotzdem jeder um seine eigenen Angelegenheiten kümmerte, auch wenn einige seiner Patienten ebenfalls in seinem Viertel residierten. Abge¬schieden, wie es dort eben so üblich war.
Und weil die Zeiger der Uhr schon auf fast halb sieben stan¬den, wollte er so schnell wie möglich mit dem Spiel beginnen, sich eine Stunde in der Hitze auspowern, hinterher an der Bar noch einen Orangensaft trinken, sich vielleicht kurz unterhal¬ten, Smalltalk wie zumeist, außer wenn Petra oder Denise da¬bei waren und er Zeit hatte, denn die Gespräche mit ihnen waren alles andere als oberflächlich, dazu waren die beiden zu intelligent. Hübsch und intelligent, eine reizvolle Mischung. Erst philosophischer Tiefgang, danach sexueller Höhepunkt.
Die Plätze waren alle belegt bis auf einen, der für ihn bis um halb acht reserviert war.
Er wurde von Denise bereits erwartet, die am Zaun lehnte und ihn anlächelte. Sie spielten drei Sätze, einen ließ er Denise gewinnen, obwohl er ein Gewinnertyp war und sich noch nie mit halben Sachen zufrieden gegeben hatte. Das Leben hatte es einfach gut mit ihm gemeint, er genoss es in vollen Zügen und hatte vor, dies auch in den kommenden Jahren und Jahr¬zehnten zu tun. Natürlich hatte Kaufung auch seine Schwach¬punkte, zwei, um genau zu sein, Frauen und ein luxuriöses Le¬ben, aber diese störten ihn wenig, im Gegenteil, sie machten für ihn das Dasein erst so richtig spannend und interessant.
Weil Kaufung unter Zeitdruck stand, verzichtete er dies¬mal ausnahmsweise auf das Duschen nach dem Match, genau wie Denise. Sie verstauten die verschwitzten Sachen in ihren Taschen, trockneten sich lediglich den Schweiß ab und be¬gaben sich an die Bar, die um diese Zeit noch nicht so gut besucht war wie in einer Stunde, wenn der Betrieb richtig los¬ging.
Kaufung bestellte bei Pierre, den er seit sechs Jahren kannte, zwei Orangensaft mit Eis, unterhielt sich noch ein paar Mi¬nuten mit der bezaubernden Denise, die ihre körperlichen Vorzüge wie immer hervorragend in Szene zu setzen ver¬stand, verabredete sich mit ihr für den kommenden Dienstag¬abend, schaute zum wer weiß wievielten Mal auf die Uhr, zehn vor acht, zahlte und sagte, er habe noch einen wichtigen Termin. Doch er verriet nicht, mit wem. Es ging auch keinen etwas an, nicht einmal Denise, die Frau, mit der er schon einige heiße Nächte verbracht hatte.
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright der Originalausgabe © 2005 by Knauer Taschenbuch
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Autoren-Porträt von Andreas Franz
Andreas Franz' große Leidenschaft war von jeher das Schreiben. Bereits mit seinem ersten Erfolgsroman "Jung, blond, tot" gelang es ihm, unzählige Krimileser in seinen Bann zu ziehen. Seitdem folgte Bestseller auf Bestseller, die ihn zu Deutschlands erfolgreichstem Krimiautor machten. Seinen ausgezeichneten Kontakten zu Polizei und anderen Dienststellen ist die große Authentizität seiner Kriminalromane zu verdanken. Andreas Franz starb im März 2011. Er war verheiratet und hatte fünf Kinder.
Bibliographische Angaben
- Autor: Andreas Franz
- 2010, 1, 415 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3868003886
- ISBN-13: 9783868003888
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