Todesschrei
Thriller
Er hat eine Vorliebe für mittelalterliche Folterinstrumente und für seine ''Kunst'' überschreitet er jede Grenze. Doch nun hat sich Detective Vito Ciccotelli an seine Fersen geheftet. Aber um den Serienkiller wirklich in die Falle zu...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Todesschrei “
Er hat eine Vorliebe für mittelalterliche Folterinstrumente und für seine ''Kunst'' überschreitet er jede Grenze. Doch nun hat sich Detective Vito Ciccotelli an seine Fersen geheftet. Aber um den Serienkiller wirklich in die Falle zu locken, braucht Vito die Hilfe der Archäologin Sophie.
Gänsehaut pur!
Tess Gerritsen
Klappentext zu „Todesschrei “
Er hat eine Vorliebe für mittelalterliche Folterinstrumente, und für seine Kunst überschreitet er jede menschliche Grenze. Er lässt seine Opfer um ihr Leben schreien. Doch dann heften sich Detective Vito Ciccotelli und die junge Archäologin Sophie Johannsen an seine Fersen. Als die Polizei von Philadelphia auf einem verwilderten Grundstück eine Leiche findet, wird Sophie Johannsen, Archäologin und Spezialistin für mittelalterliche Kunst, um ihre Mithilfe gebeten: Sie soll mit einem Ausgrabungsdetektor den Erdboden nach weiteren Toten absuchen. Schon bald entdeckt Sophie mehrere Leichen und noch mehr ausgehöhlte Gräber. Die Polizei hat es offenbar mit dem privatenFriedhof eines Serienkillers zu tun. Und noch während sich Detective Vito Ciccotelli fragt, warum der Mörder die Toten wie mittelalterliche Grabfiguren drapiert, nähert sich der Täter seinem nächsten Opfer ...
Lese-Probe zu „Todesschrei “
Todesschrei von Karen Rose LESEPROBE PrologPhiladelphia, Samstag, 6. Januar
Das Erste, was Warren Keyes bewusst wahrnahm, war der Geruch. Ammoniak, Desinfektionsmittel ... und noch etwas. Was noch? Mach die Augen auf, Keyes. Er hörte die eigene Stimme in seinem Kopf widerhallen und mühte sich, die Augen aufzuschlagen. Schwer. Seine Lider waren so schwer, aber er gab nicht auf, bis es ihm gelang. Es war dunkel. Nein. Da war ein wenig Licht. Warren blinzelte einmal, zweimal, bis er einen flackernden Schein ausmachen konnte.
Eine Fackel, die an der Wand befestigt war. Sein Herz begann zu hämmern. Die Wand bestand aus nacktem Fels. Ich bin in einer Höhle. Was zum Teufel ist hier los? Mit einem Ruck versuchte er sich aufzusetzen, und ein greller Schmerz schoss durch seine Arme in seinen Rücken. Er schnappte nach Luft und fi el gegen etwas Flaches, Hartes zurück.
Er war gefesselt. O Gott. Hände und Füße waren fest zusammengebunden. Und er war nackt. Gefangen! Die Furcht stieg aus seinem Bauch auf und raste durch seine Glieder. Er wand sich, zappelte wie ein wildes Tier, kämpfte gegen die Fesseln an und musste einsehen, dass es nichts nützte. Keuchend sog er die Luft ein und schmeckte das Desinfektionsmittel. Das und ...
Sein Atem stockte, als er den Gestank unter dem Desinfektionsmittel erkannte. Etwas Totes. Verwesendes. Er schloss die Augen und zwang die Panik nieder. Das kann nicht sein. Ich träume bloß. Das ist ein furchtbarer Alptraum, und gleich wache ich auf.
... mehr
Aber er träumte nicht. Das hier war real. Er war auf einem leicht geneigten Brett festgebunden, seine Arme ausgestreckt über seinem Kopf gefesselt. Warum? Er versuchte zu denken, sich zu erinnern. Da war etwas ... ein Bild in seinem Kopf, doch er konnte es nicht fassen. Er wollte die Erinnerung herbeizwingen, doch stattdessen setzten Kopfschmerzen ein - starke Kopfschmerzen -, und plötzlich tanzten schwarze Flecken über seine Pupillen. Gott, es fühlte sich an wie ein heftiger Kater. Aber er hatte nicht getrunken, oder?
Kaffee. Er erinnerte sich daran, Kaffee getrunken, seine Hände um einen heißen Becher gelegt zu haben. Er hatte gefroren. Er war draußen gewesen. Ich bin gerannt. Warum war er gerannt? Er bewegte die Handgelenke, spürte das Brennen seiner aufgescheuerten Haut, betastete mit den Fingerspitzen den Strick.
»Ah, du bist endlich wach.«
Die Stimme erklang hinter ihm, und er versuchte, den Kopf zu drehen, um etwas zu sehen. Und dann wusste er es, und der Druck in seiner Brust ließ etwas nach. Ein Film. Ich bin Schauspieler, und wir drehen einen Film. Eine historische Dokumentation. Er war gerannt und hatte etwas in der Hand gehabt - was? Er verzog das Gesicht, als er sich konzentrierte. Ein Schwert! Er hatte ein mittelalterliches Kostüm getragen, einen Helm, einen Schild ... ja, sogar ein Kettenhemd, Herrgottnochmal! Jetzt endlich sah er die komplette Szenerie wieder vor sich. Er hatte ein formloses, kratziges, tunikaartiges Etwas angezogen, das seine Haut reizte. Er hatte ein Schwert in der Hand gehalten und war aus vollem Hals brüllend auf dem Außengelände von Munchs Studio durch den Wald gelaufen. Er war sich wie ein Vollidiot vorgekommen, aber er hatte es getan, weil es eben in dem verdammten Drehbuch gestanden hatte. Aber dies hier, er zerrte ohne Erfolg erneut an den Stricken, stand nicht im Drehbuch.
»Munch.« Warrens Stimme war belegt und heiser und schmerzte in seiner wunden Kehle. »Was soll das?«
Ed Munch erschien zu seiner Linken. »Ich dachte schon, du wachst gar nicht mehr auf.«
Warren blinzelte, als das Licht der flackernden Kerze über das Gesicht des Mannes fi el. Sein Herz setzte einen Schlag aus. Munch hatte sich verändert. Er war doch alt gewesen, die Schultern gebeugt! Weißes Haar, gestutzter Schnurrbart. Warren schluckte. Aber jetzt stand Munch sehr aufrecht. Der Schnurrbart war fort. Und auch das Haar. Dieser Mann hier hatte einen glänzenden, kahlrasierten Schädel. Munch war gar nicht alt. Wieder drang Furcht durch seine Eingeweide. Ihm waren fünfhundert Dollar für die Dokumentation versprochen worden, bar auf die Hand. Warren war misstrauisch gewesen - das war viel Geld für eine Geschichtsdoku, die, wenn er Glück hatte, auf PBS lief. Aber er hatte eingewilligt. Ein einziger komischer Alter stellte schließlich keine Bedrohung dar.
Aber der komische Alte war nicht alt. Bittere Galle stieg in Warrens Kehle auf. Was habe ich getan? Und dieser Frage folgte direkt eine andere, die viel beängstigender war: Was hat er mit mir vor?
»Wer sind Sie?«, krächzte Warren, und Munch hielt ihm eine Flasche Wasser an die Lippen. Warren wollte den Kopf wegdrehen, doch Munch packte sein Kinn und hielt ihn mit erstaunlicher Kraft fest. Seine dunklen Augen verengten sich, und nackte Angst ließ Warren erstarren.
»Es ist nur Wasser«, knurrte Munch. »Diesmal ja. Also trink schon.«
Warren spuckte ihm das Wasser ins Gesicht und wappnete sich, als der Mann die Faust hob. Aber dann ließ Munch die Hand sinken und zuckte die Achseln. »Du trinkst schon irgendwann. Ich brauche eine feuchte Kehle.«
Warren leckte sich über die Lippen. »Und warum?« Munch verschwand hinter ihm, und Warren hörte etwas rollen. Kurz darauf wurde eine Videokamera an ihm vorbeigeschoben und in etwa zwei Meter Entfernung ausgerichtet. Und zwar direkt auf sein Gesicht. »Warum?«, fragte Warren noch einmal.
Munch blickte durch das Objektiv und trat zurück. »Weil du schreien sollst.« Er zog eine Braue hoch, doch seine Miene blieb völlig ausdruckslos. »Schreien tun sie alle. Und du wirst das auch.«
Entsetzen durchfuhr ihn, doch Warren kämpfte dagegen an. Bleib ruhig. Du wirst ihm nie entkommen, wenn du nicht ruhig bleibst. Munch war verrückt. Sei nett zu ihm, dann kannst du dich vielleicht irgendwie befreien. Er zwang sich zu einem Lächeln. »Kommen Sie, Munch, Sie lassen mich gehen, und wir sind quitt. Behalten Sie ruhig die Schwertkampfszene, die wir schon abgedreht haben. Ich will Ihr Geld nicht.«
Munch sah ihn noch immer ausdruckslos an. »Ich hätte dich sowieso nicht bezahlt.« Er verschwand wieder, kam jedoch kurz darauf mit einer weiteren Kamera zurück. Warren dachte unwillkürlich daran, wie Munch ihm den Kaffee in die Hand gedrückt und darauf bestanden hatte, dass er ihn trank.
Es ist nur Wasser. Diesmal ja. Plötzlich stieg Zorn in ihm auf und verdrängte vorübergehend die Furcht. »Sie haben mich betäubt«, zischte er und holte tief Luft. »Hilfe! Hilf mir doch jemand!«, brüllte er so laut er konnte, doch das heisere Krächzen, das aus seiner Kehle drang, war erbärmlich und sinnlos.
Munch schwieg, reagierte nicht, sondern installierte eine dritte Kamera, so dass sie von oben herab zeigte. Jede seiner Bewegungen war methodisch, präzise. Ohne Hast. Ohne Furcht.
Und Warren begriff, dass niemand ihn hören konnte. Sein heißer Zorn ebbte ab und machte eiskalter Angst Platz. Warren begann zu zittern. Er musste hier raus. Es musste eine Möglichkeit geben. Etwas, das er sagen konnte. Tun konnte. Anbieten konnte. Oder er würde flehen. Um sein Leben.
»Bitte, Munch, ich werde alles tun, was Sie wollen ... « Seine Stimme verebbte, als die Erkenntnis in seinen Verstand drang.
Schreien tun sie alle. Ed Munch. Alles zog sich in ihm zusammen, als ihn die Verzweiflung überkam. »Sie heißen gar nicht Munch. Edvard Munch, der Maler.« Das Gemälde einer makabren Gestalt, die gequält die Hände gegen die Wangen presste, schoss ihm durch den Sinn. Der Schrei.
»Es wird Munk, nicht Munch ausgesprochen, aber das scheint niemanden zu stören. Niemand begreift, wie wichtig die Einzelheiten sind«, fügte er verächtlich hinzu. Einzelheiten. Darüber hatten sie schon einmal gesprochen, als Warren gegen die kratzige Unterwäsche protestiert hatte. Auch das Schwert war echt gewesen. Ich hätte diesen Mistkerl damit erlegen sollen. »Authentizität«, murmelte Warren, als er sich an das erinnerte, was er für die Marotte eines verschrobenen alten Mannes gehalten hatte.
Munch nickte. »Aha. Jetzt hast du verstanden.«
»Was haben Sie vor?«, fragte Warren.
Munch zog einen Mundwinkel hoch. »Das merkst du noch früh genug.«
Warren hatte Mühe zu atmen. »Bitte. Bitte, ich tue alles, was Sie wollen. Aber lassen Sie mich gehen.«
Munch erwiderte nichts. Er schob einen Wagen mit einem Bildschirm hinter die erste Kamera und überprüfte konzentriert und gelassen den Fokus jeder einzelnen.
»Das können Sie nicht machen«, brach es verzweifelt aus Warren heraus. Wieder zerrte er an den Stricken, bis seine Handgelenke brannten und die Arme aus den Gelenken zu springen schienen. Die Stricke waren dick, die Knoten unnachgiebig. Er würde sich nicht befreien können.
»Das haben die anderen auch gesagt. Aber ich habe es gemacht, und ich werde weitermachen.«
Die anderen. Es hatte andere gegeben. Überall hing der Geruch des Todes in der Luft und verspottete ihn. Hier waren andere gestorben. Und auch er würde hier sterben. Nein! Bitte nicht. Er hatte noch so viel zu tun. Alles, was er nie getan hatte, alles, was er nie gesagt hatte, kam ihm in den Sinn. Und in ihm stieg plötzlich eine ungeahnte Kraft auf. Er hob das Kinn. »Meine Freunde werden mich vermissen. Und meine Verlobte weiß, dass ich bei Ihnen bin.« Munch, der mit den Kameras fertig war, drehte sich um. In seinen Augen stand reine Verachtung. »Nein, weiß sie nicht. Du hast deiner Verlobten gesagt, du wärst bei einem Freund, dem du bei der Vorbereitung zu einem Vorsprechen helfen wolltest. Das hast du mir selbst heute Nachmittag erzählt. Mit dem Geld von den Aufnahmen wolltest du ihr ein Geburtstagsgeschenk kaufen. Du wolltest, dass es ein Geheimnis bleibt. Und aus diesem Grund - und wegen der Tätowierung - habe ich dich ausgewählt.« Er hob die Schultern. »Außerdem passt du ins Kostüm. Nicht jeder kann ein Kettenhemd richtig tragen. Also - niemand wird dich suchen. Und selbst wenn, wird dich niemand finden. Sieh es ein - du gehörst mir.«
Alles in Warren erstarrte. Es war die Wahrheit. Er hatte Munch erzählt, dass er Sherry zum Geburtstag überraschen wollte. Niemand wusste, wo er war. Niemand würde ihn retten. Er dachte an Sherry, an seine Eltern, an jeden, den er liebte. Sie würden sich Sorgen machen. Ein Schluchzen stieg in seiner Kehle auf. »Du Mistkerl«, flüsterte er. »Ich hasse dich.«
Munchs Lippen zuckten, aber seine Augen leuchteten belustigt auf, und das war erschreckender als alles, was er zuvor gesagt hatte. »Das haben die anderen auch gesagt.« Er presste Warren erneut die Wasserflasche an die Lippen und kniff ihm die Nase zu, bis Warren nach Luft schnappte. Warren kämpfte, wehrte sich, aber Munch zwang ihn zu trinken.
»Und nun, Mr. Keyes, fangen wir an. Und vergessen Sie ja nicht zu schreien.« © Droemer Knaur Verlag Übersetzung: Kerstin Winter
Kaffee. Er erinnerte sich daran, Kaffee getrunken, seine Hände um einen heißen Becher gelegt zu haben. Er hatte gefroren. Er war draußen gewesen. Ich bin gerannt. Warum war er gerannt? Er bewegte die Handgelenke, spürte das Brennen seiner aufgescheuerten Haut, betastete mit den Fingerspitzen den Strick.
»Ah, du bist endlich wach.«
Die Stimme erklang hinter ihm, und er versuchte, den Kopf zu drehen, um etwas zu sehen. Und dann wusste er es, und der Druck in seiner Brust ließ etwas nach. Ein Film. Ich bin Schauspieler, und wir drehen einen Film. Eine historische Dokumentation. Er war gerannt und hatte etwas in der Hand gehabt - was? Er verzog das Gesicht, als er sich konzentrierte. Ein Schwert! Er hatte ein mittelalterliches Kostüm getragen, einen Helm, einen Schild ... ja, sogar ein Kettenhemd, Herrgottnochmal! Jetzt endlich sah er die komplette Szenerie wieder vor sich. Er hatte ein formloses, kratziges, tunikaartiges Etwas angezogen, das seine Haut reizte. Er hatte ein Schwert in der Hand gehalten und war aus vollem Hals brüllend auf dem Außengelände von Munchs Studio durch den Wald gelaufen. Er war sich wie ein Vollidiot vorgekommen, aber er hatte es getan, weil es eben in dem verdammten Drehbuch gestanden hatte. Aber dies hier, er zerrte ohne Erfolg erneut an den Stricken, stand nicht im Drehbuch.
»Munch.« Warrens Stimme war belegt und heiser und schmerzte in seiner wunden Kehle. »Was soll das?«
Ed Munch erschien zu seiner Linken. »Ich dachte schon, du wachst gar nicht mehr auf.«
Warren blinzelte, als das Licht der flackernden Kerze über das Gesicht des Mannes fi el. Sein Herz setzte einen Schlag aus. Munch hatte sich verändert. Er war doch alt gewesen, die Schultern gebeugt! Weißes Haar, gestutzter Schnurrbart. Warren schluckte. Aber jetzt stand Munch sehr aufrecht. Der Schnurrbart war fort. Und auch das Haar. Dieser Mann hier hatte einen glänzenden, kahlrasierten Schädel. Munch war gar nicht alt. Wieder drang Furcht durch seine Eingeweide. Ihm waren fünfhundert Dollar für die Dokumentation versprochen worden, bar auf die Hand. Warren war misstrauisch gewesen - das war viel Geld für eine Geschichtsdoku, die, wenn er Glück hatte, auf PBS lief. Aber er hatte eingewilligt. Ein einziger komischer Alter stellte schließlich keine Bedrohung dar.
Aber der komische Alte war nicht alt. Bittere Galle stieg in Warrens Kehle auf. Was habe ich getan? Und dieser Frage folgte direkt eine andere, die viel beängstigender war: Was hat er mit mir vor?
»Wer sind Sie?«, krächzte Warren, und Munch hielt ihm eine Flasche Wasser an die Lippen. Warren wollte den Kopf wegdrehen, doch Munch packte sein Kinn und hielt ihn mit erstaunlicher Kraft fest. Seine dunklen Augen verengten sich, und nackte Angst ließ Warren erstarren.
»Es ist nur Wasser«, knurrte Munch. »Diesmal ja. Also trink schon.«
Warren spuckte ihm das Wasser ins Gesicht und wappnete sich, als der Mann die Faust hob. Aber dann ließ Munch die Hand sinken und zuckte die Achseln. »Du trinkst schon irgendwann. Ich brauche eine feuchte Kehle.«
Warren leckte sich über die Lippen. »Und warum?« Munch verschwand hinter ihm, und Warren hörte etwas rollen. Kurz darauf wurde eine Videokamera an ihm vorbeigeschoben und in etwa zwei Meter Entfernung ausgerichtet. Und zwar direkt auf sein Gesicht. »Warum?«, fragte Warren noch einmal.
Munch blickte durch das Objektiv und trat zurück. »Weil du schreien sollst.« Er zog eine Braue hoch, doch seine Miene blieb völlig ausdruckslos. »Schreien tun sie alle. Und du wirst das auch.«
Entsetzen durchfuhr ihn, doch Warren kämpfte dagegen an. Bleib ruhig. Du wirst ihm nie entkommen, wenn du nicht ruhig bleibst. Munch war verrückt. Sei nett zu ihm, dann kannst du dich vielleicht irgendwie befreien. Er zwang sich zu einem Lächeln. »Kommen Sie, Munch, Sie lassen mich gehen, und wir sind quitt. Behalten Sie ruhig die Schwertkampfszene, die wir schon abgedreht haben. Ich will Ihr Geld nicht.«
Munch sah ihn noch immer ausdruckslos an. »Ich hätte dich sowieso nicht bezahlt.« Er verschwand wieder, kam jedoch kurz darauf mit einer weiteren Kamera zurück. Warren dachte unwillkürlich daran, wie Munch ihm den Kaffee in die Hand gedrückt und darauf bestanden hatte, dass er ihn trank.
Es ist nur Wasser. Diesmal ja. Plötzlich stieg Zorn in ihm auf und verdrängte vorübergehend die Furcht. »Sie haben mich betäubt«, zischte er und holte tief Luft. »Hilfe! Hilf mir doch jemand!«, brüllte er so laut er konnte, doch das heisere Krächzen, das aus seiner Kehle drang, war erbärmlich und sinnlos.
Munch schwieg, reagierte nicht, sondern installierte eine dritte Kamera, so dass sie von oben herab zeigte. Jede seiner Bewegungen war methodisch, präzise. Ohne Hast. Ohne Furcht.
Und Warren begriff, dass niemand ihn hören konnte. Sein heißer Zorn ebbte ab und machte eiskalter Angst Platz. Warren begann zu zittern. Er musste hier raus. Es musste eine Möglichkeit geben. Etwas, das er sagen konnte. Tun konnte. Anbieten konnte. Oder er würde flehen. Um sein Leben.
»Bitte, Munch, ich werde alles tun, was Sie wollen ... « Seine Stimme verebbte, als die Erkenntnis in seinen Verstand drang.
Schreien tun sie alle. Ed Munch. Alles zog sich in ihm zusammen, als ihn die Verzweiflung überkam. »Sie heißen gar nicht Munch. Edvard Munch, der Maler.« Das Gemälde einer makabren Gestalt, die gequält die Hände gegen die Wangen presste, schoss ihm durch den Sinn. Der Schrei.
»Es wird Munk, nicht Munch ausgesprochen, aber das scheint niemanden zu stören. Niemand begreift, wie wichtig die Einzelheiten sind«, fügte er verächtlich hinzu. Einzelheiten. Darüber hatten sie schon einmal gesprochen, als Warren gegen die kratzige Unterwäsche protestiert hatte. Auch das Schwert war echt gewesen. Ich hätte diesen Mistkerl damit erlegen sollen. »Authentizität«, murmelte Warren, als er sich an das erinnerte, was er für die Marotte eines verschrobenen alten Mannes gehalten hatte.
Munch nickte. »Aha. Jetzt hast du verstanden.«
»Was haben Sie vor?«, fragte Warren.
Munch zog einen Mundwinkel hoch. »Das merkst du noch früh genug.«
Warren hatte Mühe zu atmen. »Bitte. Bitte, ich tue alles, was Sie wollen. Aber lassen Sie mich gehen.«
Munch erwiderte nichts. Er schob einen Wagen mit einem Bildschirm hinter die erste Kamera und überprüfte konzentriert und gelassen den Fokus jeder einzelnen.
»Das können Sie nicht machen«, brach es verzweifelt aus Warren heraus. Wieder zerrte er an den Stricken, bis seine Handgelenke brannten und die Arme aus den Gelenken zu springen schienen. Die Stricke waren dick, die Knoten unnachgiebig. Er würde sich nicht befreien können.
»Das haben die anderen auch gesagt. Aber ich habe es gemacht, und ich werde weitermachen.«
Die anderen. Es hatte andere gegeben. Überall hing der Geruch des Todes in der Luft und verspottete ihn. Hier waren andere gestorben. Und auch er würde hier sterben. Nein! Bitte nicht. Er hatte noch so viel zu tun. Alles, was er nie getan hatte, alles, was er nie gesagt hatte, kam ihm in den Sinn. Und in ihm stieg plötzlich eine ungeahnte Kraft auf. Er hob das Kinn. »Meine Freunde werden mich vermissen. Und meine Verlobte weiß, dass ich bei Ihnen bin.« Munch, der mit den Kameras fertig war, drehte sich um. In seinen Augen stand reine Verachtung. »Nein, weiß sie nicht. Du hast deiner Verlobten gesagt, du wärst bei einem Freund, dem du bei der Vorbereitung zu einem Vorsprechen helfen wolltest. Das hast du mir selbst heute Nachmittag erzählt. Mit dem Geld von den Aufnahmen wolltest du ihr ein Geburtstagsgeschenk kaufen. Du wolltest, dass es ein Geheimnis bleibt. Und aus diesem Grund - und wegen der Tätowierung - habe ich dich ausgewählt.« Er hob die Schultern. »Außerdem passt du ins Kostüm. Nicht jeder kann ein Kettenhemd richtig tragen. Also - niemand wird dich suchen. Und selbst wenn, wird dich niemand finden. Sieh es ein - du gehörst mir.«
Alles in Warren erstarrte. Es war die Wahrheit. Er hatte Munch erzählt, dass er Sherry zum Geburtstag überraschen wollte. Niemand wusste, wo er war. Niemand würde ihn retten. Er dachte an Sherry, an seine Eltern, an jeden, den er liebte. Sie würden sich Sorgen machen. Ein Schluchzen stieg in seiner Kehle auf. »Du Mistkerl«, flüsterte er. »Ich hasse dich.«
Munchs Lippen zuckten, aber seine Augen leuchteten belustigt auf, und das war erschreckender als alles, was er zuvor gesagt hatte. »Das haben die anderen auch gesagt.« Er presste Warren erneut die Wasserflasche an die Lippen und kniff ihm die Nase zu, bis Warren nach Luft schnappte. Warren kämpfte, wehrte sich, aber Munch zwang ihn zu trinken.
»Und nun, Mr. Keyes, fangen wir an. Und vergessen Sie ja nicht zu schreien.« © Droemer Knaur Verlag Übersetzung: Kerstin Winter
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Autoren-Porträt von Karen Rose
Karen Rose, aufgewachsen in Washington, D. C., arbeitete viele Jahre als Lebensmittelingenieurin, bevor sie ihr Hobby Schreiben u erst erfolgreich zum Beruf machte. Ihre Romane sind preisgekrö nt. "Das Lä cheln deines M örders" wurde zum USA-Today-Bestseller. Karen Rose lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern im US-Bundesstaat Florida.
Bibliographische Angaben
- Autor: Karen Rose
- 2008, 1, 669 Seiten, Maße: 13,5 x 2,1 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: Winter, Kerstin
- Übersetzer: Kerstin Winter
- Verlag: Knaur
- ISBN-10:
- ISBN-13: 2000000015217
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