Über das Sterben
Was wir wissen, was wir tun können, wie wir uns darauf einstellen
"Hauptziel diese Buches ist es, den Menschen die Angst vor dem Sterben, vor allem die Angst vor einem qualvollen Sterben, ein Stück weit zu nehmen."
Gian Domenico Borasio
Behutsam, aber mit klaren Worten, macht...
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Produktinformationen zu „Über das Sterben “
"Hauptziel diese Buches ist es, den Menschen die Angst vor dem Sterben, vor allem die Angst vor einem qualvollen Sterben, ein Stück weit zu nehmen."
Gian Domenico Borasio
Behutsam, aber mit klaren Worten, macht Palliativmediziner Gian Domenico Borasio Schluss mit der Tabuisierung des Todes: "Geburt und Tod ... sind Ereignisse, für die die Natur bestimmte Programme vorgesehen hat. Sie laufen dann am besten ab, wenn sie möglichst wenig gestört werden." Borasio gibt verständliche Antworten auf die Fragen, die jeden von uns bewegen:
- Was wissen wir heute über das Sterben?
- Was brauchen die Menschen am Lebensende?
- Welche Art von Begleitung hilft?
- Wie können wir uns auf das nahende Lebensende einstellen?
- Welche Art von Medizin ist hier sinnvoll?
- u.v.m.
Klappentext zu „Über das Sterben “
Am Anfang des Buches steht ein ungewohnter Gedanke: Geburt und Tod haben viel gemeinsam, beides sind Ereignisse, für die die Natur bestimmte Programme vorgesehen hat. Sie laufen dann am besten ab, wenn sie möglichst wenig gestört werden. Palliativbetreuung und Sterbebegleitung, wie Borasio sie versteht, sind deshalb viel mehr als medizinische Symptomkontrolle. Vor allem leben sie von der Kommunikation, dem Gespräch zwischen allen Beteiligten, das die medizinische, psychosoziale und spirituelle Betreuung erst möglich macht. Sachlich informierend und argumentierend, setzt sich Borasio aber auch mit dem schwierigen Thema «Sterbehilfe» und mit Mythos und Realität der Palliativ- und Hospizarbeit auseinander. Ungeschminkt benennt er zudem die schlimmsten Fehler am Lebensende und sagt, wie man sich am besten davor schützt - einschließlich konkreter Hinweise zu Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung. Aus der Sicht des Arztes, der sich auch für die Seelennöte der Menschen zuständig weiß, leistet dieses Buch dringend notwendige Aufklärung über ein Lebensthema, das wir zu unserem eigenen Schaden mit zahlreichen Tabus belegen.
Am Anfang des Buches steht ein ungewohnter Gedanke: Geburt und Tod haben viel gemeinsam, beides sind Ereignisse, für die die Natur bestimmte Programme vorgesehen hat. Sie laufen dann am besten ab, wenn sie möglichst wenig gestört werden. Palliativbetreuung und Sterbebegleitung, wie Borasio sie versteht, sind deshalb viel mehr als medizinische Symptomkontrolle. Vor allem leben sie von der Kommunikation, dem Gespräch zwischen allen Beteiligten, das die medizinische, psychosoziale und spirituelle Betreuung erst möglich macht. Sachlich informierend und argumentierend, setzt sich Borasio aber auch mit dem schwierigen Thema "Sterbehilfe" und mit Mythos und Realität der Palliativ- und Hospizarbeit auseinander. Ungeschminkt benennt er zudem die schlimmsten Fehler am Lebensende und sagt, wie man sich am besten davor schützt - einschließlich konkreter Hinweise zu Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung. Aus der Sicht des Arztes, der sich auch für die Seelennöte der Menschen zuständig weiß, leistet dieses Buch dringend notwendige Aufklärung über ein Lebensthema, das wir zu unserem eigenen Schaden mit zahlreichen Tabus belegen.e, für die die Natur bestimmte Programme vorgesehen hat. Sie laufen dann am besten ab, wenn sie möglichst wenig gestört werden. Palliativbetreuung und Sterbebegleitung, wie Borasio sie versteht, sind deshalb viel mehr als medizinische Symptomkontrolle. Vor allem leben sie von der Kommunikation, dem Gespräch zwischen allen Beteiligten, das die medizinische, psychosoziale und spirituelle Betreuung erst möglich macht. Sachlich informierend und argumentierend, setzt sich Borasio aber auch mit dem schwierigen Thema "Sterbehilfe" und mit Mythos und Realität der Palliativ- und Hospizarbeit auseinander. Ungeschminkt benennt er zudem die schlimmsten Fehler am Lebensende und sagt, wie man sich am besten davor schützt - einschließlich konkreter Hinweise zu Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung. Aus der Sicht des Arztes, der sich auch für die Seelennöte der Menschen zuständig weiß, leistet dieses Buch dringend
Lese-Probe zu „Über das Sterben “
Über das Sterben von Gian Domenico Borasio1
Was wissen wir über das Sterben?
Es ist erstaunlich: Mit Ausnahme der Geburt betrifft kein medizinisches Ereignis so unweigerlich alle lebenden Menschen wie das Sterben. Und doch ist es ein weitgehend unerforschtes Gebiet. Über das Geborenwerden wissen wir sehr viel: Hunderttausende Publikationen und Tausende von Lehrbüchern beschäftigen sich mit den Vorgängen vor und während der Geburt eines Menschen. Die Embryologie hat die Schritte von der Befruchtung der Eizelle bis hin zur Entwicklung eines lebensfähigen Fötus in allen Einzelheiten studiert. Zum Teil ist sogar bekannt, welche Genabschnitte welche embryonalen Stadien wann und wie steuern. Aber was wissen wir über das Sterben? Hier sind die meisten Fragen noch of en, angefangen von der wichtigsten:
Warum sterben wir?
... mehr
Die Frage ist weniger banal, als sie scheint. Immerhin ist es Wissenschaftlern gelungen, durch genetische Manipulation die biologische Lebensspanne niederer Organismen (z. B. einer bestimmten Algenspezies) scheinbar unbegrenzt zu verlängern. Dies wurde möglich, seit bekannt ist, dass spezielle Abschnitte an den Enden unserer Chromosomen (sog. Telomere) die zu erwartende Lebensspanne der Einzelzellen bestimmen, aus denen jeder Organismus zusammengesetzt ist. Den biologischen Sinn einer begrenzten Lebenszeit sehen die Evolutionsforscher1 in der Optimierung der Weitergabe unseres genetischen Materials. Nach der sogenannten «Selfish-DNA-Hypothesis» (Hypothese der egoistischen Erbsubstanz) sind alle Lebewesen nur biologische Maschinen mit dem Ziel der maximalen Weitergabe, Vermehrung und Vermischung ihres genetischen Materials. Denkt man diese Hypothese weiter, so ist die evolutionär-biologische Funktion eines jeden Lebewesens spätestens dann erschöpft, wenn es möglichst viele Nachkommen gezeugt und für ihr Überleben bis ins fortpflanzungsfähige Alter gesorgt hat. Danach wird es bestenfalls zum Nahrungsmittelkonkurrenten für die eigenen Nachkommen ohne erkennbaren Vorteil für die Genverbreitung und sollte daher zum Vorteil der eigenen Gattung seine Existenz baldmöglichst beenden.
Dass der Mensch sich in seinem Fortpflanzungs- und Sozialverhalten nicht mehr evolutionskonform verhält, liegt auf der Hand. Einige der neueren Diskussionsbeiträge zur Sterbeproblematik, wie die Forderung nach dem «sozial verträglichen Frühableben», ließen sich allerdings problemlos evolutionstheoretisch unterfüttern. Darin liegt auch ihre Gefährlichkeit in einer Welt, in der die Ressourcenverteilung zunehmend nach dem (aus der Evolution hinlänglich bekannten) Gesetz des Stärkeren erfolgt.
Glücklicherweise hat die Menschheit in ihrer Kulturgeschichte auch andere kulturelle, moralische und religiöse Deutungen des Lebens und des Sterbens entwickelt, die den Strategien der Evolutionsbiologie und Ökonomie gegenüberstehen. Eine umfassende Darstellung würde den Rahmen dieses Buches sprengen, aber einige davon werden in den folgenden Kapiteln Erwähnung finden.
Der programmierte Zelltod
Wenn man in Physiologie-Lehrbüchern nach dem Stichwort «Sterben» sucht, wird man durchaus fündig - allerdings nur, was den Tod einzelner Zellen, Gewebeteile oder bestenfalls Organe betrifft. Der Zelltod ist besonders gut untersucht, weil ihm eine zentrale Rolle gerade in der Embryonalentwicklung zukommt. Hier kommt es zum sogenannten «programmierten Zelltod» (Apoptose): Neue Zellen werden während des Wachstums und der Differenzierung der Organe im Überschuss gebildet und konkurrieren dann miteinander um eine beschränkte Menge von Wachstumsfaktoren. Diejenigen Zellen, die keinen Zugang zum Wachstumsfaktor bekommen, sterben - aber nicht einfach so: Sie schalten regelrechte Selbsttötungsgene an und bringen sich selbst, zum Wohle des Ganzen, damit aktiv um. Das tun sie in einer Weise, die für den Organismus am wenigsten schädlich ist: durch eine Art Zellimplosion, welche die potentiell schädliche Freisetzung von Zellinhalt verhindert und das Abräumen der Zellreste durch spezielle Immunzellen (die Müllabfuhr des Körpers sozusagen) erleichtert. Diesem Prozess ist es wesentlich zu verdanken, dass die hochkomplizierten Vorgänge bei der Embryonalentwicklung in der Regel zufriedenstellend ablaufen. Deshalb, und nur deshalb, besitzen Kinder bei ihrer Geburt fast immer die vorgesehene Anzahl an Gliedmaßen, Organen und Nervenzellen - was jedes Mal einem kleinen Wunder gleichkommt.
Durch diese Erkenntnisse bekommt der alte Spruch «Media vita in morte sumus» (mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen) eine unerwartete Bedeutung. Der Tod begleitet uns nicht nur von Geburt an, sondern sogar schon vorher; er ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass wir überhaupt als lebensfähige Organismen auf die Welt kommen können. Auch während unseres Lebens spielt der Zelltod in der Physiologie des Organismus eine wichtige Rolle, vor allem im Immunsystem. Bestimmte weiße Blutkörperchen (sog. T- Lymphozyten) haben die Aufgabe, virusinfizierte oder bösartig entartete (krebsverursachende) Körperzellen zu erkennen und sie mittels Anschaltung ihres eigenen Zelltodprogramms zu vernichten. Ebenso werden bei der Reifung von weißen Blutkörperchen diejenigen Zellen, die sich gegen das eigene Gewebe richten würden, durch programmierten Zelltod beseitigt. Das ist nicht trivial, denn wenn dabei etwas schiefläuft, können schwere Autoimmunkrankheiten wie z. B. die Multiple Sklerose oder die rheumatoide Arthritis die Folge sein.
Der Organtod
Dass Teile von Organen oder sogar ganze Organe sterben können, ohne dass der gesamte Mensch deswegen sterben muss, ist hinreichend bekannt. Ursache dafür ist meistens eine Einschränkung der Blutversorgung, wie beim Hirn- oder Herzinfarkt, oder ein Trauma, etwa bei der Milzruptur. Auf die Milz können wir im Notfall verzichten, auf Herz oder Hirn allerdings nicht, daher sind bei diesen beiden nur Teilschädigungen erlaubt, wenn der Organismus insgesamt weiterleben soll.
Auch Gliedmaßen können absterben und durch Amputation entfernt werden, ohne dass dies zwingend den Tod zur Folge hätte. Viele Tierarten sind in der Lage, zerstörte Organe oder sogar ganze Gliedmaßen zu regenerieren, also neu zu bilden. Diese Fähigkeit ist mit zunehmender Spezialisierung und Komplexität der einzelnen Organe im Laufe der Evolution immer mehr eingeschränkt worden. Aber auch beim Menschen besitzt beispielsweise die Leber eine hohe Regenerationsfähigkeit, die Haut sowieso, und nach neuesten Befunden kann sich sogar das Gehirn mit Hilfe sogenannter neuronaler Stammzellen nach Schäden in begrenztem Maße selbst regenerieren. Dieses Wechselspiel zwischen Tod und Leben begleitet uns also von der Befruchtung bis zur Bahre (und sogar darüber hinaus, wie wir später sehen werden).
Gesamttod des Organismus
Hierzu wissen wir mit Abstand am wenigsten. Ein Beweis dafür findet sich auf den meisten Todesbescheinigungen, auf denen als unmittelbare Todesursache «Herz-Kreislauf-Versagen» eingetragen wird. Das Herz-Kreislauf-Versagen, also das Ende der Herzfunktion und des Blutkreislaufs, ist aber in den meisten Fällen nicht die Ursache des Todes, sondern lediglich ein sichtbares Zeichen hierfür. Was verursacht wirklich den Tod eines Gesamtorganismus? Und wann tritt dieser genau ein? Darüber gibt es kaum Untersuchungen. Diese wären jedoch sehr hilfreich, denn Ärzte werden immer wieder von den Sterbeverläufen ihrer Patienten überrascht, wie die folgenden Fallbeispiele zeigen.
Heinz F., 73 Jahre alt, hatte Lungenkrebs mit Tochtergeschwülsten in Leber, Knochen, Haut und Gehirn. Seine Nieren funktionierten so gut wie nicht mehr, sein Bauch und seine Lungen waren voller Wasser, und seine Blutwerte waren weit von dem entfernt, was in Lehrbüchern als mit dem Leben vereinbar betrachtet wird. Er war auf 40 kg abgemagert, woran auch die künstliche Ernährung nichts zu ändern vermocht hatte. Diese hatte er zuletzt abgelehnt, wie auch die Dialyse und alle lebensverlängernden Maßnahmen. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als zu sterben, und dieser Wunsch blieb auch bestehen, nachdem die Atemnot mit Morphin erfolgreich gelindert werden konnte. Aber sein Wunsch erfüllte sich nicht. Jeden Tag fragte er die Ärzte aufs Neue, wann es denn mit ihm «so weit» sei. Um Sterbehilfe bat er nicht, aber das Leiden an der eigenen Existenz war überdeutlich. Er hatte sich von seiner Familie verabschiedet, es gab aus seiner Sicht keine «unerledigten Geschäfte», und doch dauerte es weitere zwei Wochen, bis er schließlich sterben durfte - zwei Wochen, die nach Ansicht auch der erfahrensten Ärzte eigentlich jenseits des physiologisch Möglichen lagen.
Mathilde W., 85 Jahre, hatte Brustkrebs mit Knochenmetastasen und brauchte eine bessere Einstellung ihrer Schmerzmedikation. Sie kam auf die Palliativstation, und die allgemeine Einschätzung war, dass sie nach der Verbesserung ihrer Schmerzsituation nach Hause entlassen werden und dort noch einige Monate mit guter Lebensqualität verbringen könne. Am Abend des dritten Tages (die Schmerzen waren schon deutlich gebessert) sagte sie zur Nachtschwester: «Ich werde heute Nacht sterben.» Die Krankenschwester war erstaunt, denn nichts deutete darauf hin, und die Entlassung war für Ende der Woche schon geplant. Sie versuchte, die Patientin zu beruhigen, die aber gar nicht beunruhigt schien, sondern gelassen bei ihrer Meinung blieb. Und tatsächlich starb sie gegen 4 Uhr morgens im Schlaf.
Fast alle Ärzte wissen von Patienten zu berichten, die nach klinischer Einschätzung wegen des fortgeschrittenen, durch Laborwerte eindeutig dokumentierten Ausfalls mehrerer lebenswichtiger Funktionen ihres Körpers eigentlich schon längst hätten tot sein sollen - und dennoch viel länger weiterlebten. Auf der anderen Seite stehen Menschen, die zwar alt und/oder schwer krank sind, aber nach Meinung der sie versorgenden Ärzte und Pflegenden sich noch lange nicht im Sterbeprozess befinden - und doch «unerwartet» sterben, ohne dass sich dafür selbst bei der Obduktion eine plausible Ursache finden lässt. Wie sind diese Beobachtungen zu erklären?
Was wir sicher wissen, ist, dass der Mensch nicht «auf einmal» stirbt, sondern dass die einzelnen Organe mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihre Funktion einschränken und später ganz einstellen. In der Sterbephase ist meistens eine sogenannte Kreislaufzentralisation zu beobachten: Die herzfernen Körperteile werden weniger durchblutet, zugunsten der inneren Organe und des Gehirns. Dies geht einher mit einem Blutdruckabfall, worunter besonders die Funktionsfähigkeit der Nieren stark leidet. Der eigentliche Tod stellt einen Zusammenbruch der koordinierten Tätigkeit der lebenswichtigen Körperorgane dar, deren Hauptfunktion es ist, das Gehirn mit Zucker und Sauerstoff zu versorgen. Äußerer Ausdruck dieses Zusammenbruchs ist das Erlöschen der Herz- und Atemtätigkeit.
Grundsätzlich kann der Verlust der Funktionsfähigkeit jedes einzelnen lebenswichtigen Organs zum Tod führen. Dazu gehören Herz, Lunge, Leber, Niere und Gehirn. Alle Prozesse, die zum Tod führen, tun dies durch die direkte oder indirekte Schädigung eines oder mehrerer dieser Organe. Man könnte also sagen, dass es fünf physiologische Haupttodesarten gibt: den Herz-Kreislauf-, den Lungen-, den Leber-, den Nieren- und den Gehirntod.
Herz-Kreislauf-Tod: Fragt man Menschen, wie sie sterben möchten, sagen die meisten: schnell und schmerzlos, am liebsten den «Sekundentod» durch Herzstillstand. Ganz abgesehen davon, dass diese Art zu sterben durchaus auch ihre Nachteile hat (davon später mehr), ist nur ein Bruchteil der Herz-Kreislauf-Todesfälle unter der Rubrik «Sekundentod» einzuordnen. Die weitaus meisten Sterbevorgänge aufgrund von Herz-Kreislauf-Versagen haben ihre Ursache in einer chronischen Herzinsuffizienz, die unter anderem durch Rauchen und Zuckerkrankheit begünstigt wird.
Über diese Art zu sterben wissen wir erstaunlich wenig; neueste Untersuchungen zeigen allerdings, dass die Symptome sterbender Herzpatienten in vielem denen von Krebspatienten ähneln. Insbesondere spielen Schmerzen und vor allem Atemnot die größte Rolle, zusammen mit der durch die Herzschwäche bedingten extremen Abgeschlagenheit. Diese wird von den Patienten nicht selten als das am meisten belastende Symptom angegeben und ist nicht einfach zu lindern.
Lungentod: Hier steht das Symptom der Atemnot eindeutig im Vordergrund, und die Geschwindigkeit der Verschlechterung der Lungenfunktion ist für das Ausmaß der Symptombelastung entscheidend. Bei einer rasch auftretenden Atemnot sind hohe Dosen von Medikamenten notwendig, und die gleichzeitig entstehende Angst kann extrem belastend sein. Bei einer chronischen Atemschwäche kommt es meistens zu einem friedlichen Tod im Schlaf, da sich der Körper an hohe Kohlendioxid-(CO2-)Spiegel im Blut gewöhnt und irgendwann friedlich in eine sogenannte CO2-Narkose gleitet.
Lebertod: Wenn die Leber, zum Beispiel aufgrund von Tumormetastasen, ihre Funktion als Entgiftungszentrale des Körpers nicht mehr wahrnehmen kann, sammeln sich giftige Stoffwechselprodukte im Blut an, etwa Ammoniak und Bilirubin (das die charakteristische Gelbfärbung der Haut und Augen von Leberpatienten verursacht). Diese Stoffe haben eine dämpfende Wirkung auf das Gehirn, so dass die Patienten in einen Dämmerzustand und schließlich ins sogenannte Leberkoma fallen, in welchem sie in der Regel friedlich sterben. Allerdings kann es vor dem Leberkoma auch zu Phasen von Verwirrtheit und Unruhe kommen, die einer speziellen Therapie bedürfen (siehe Kapitel 4b).
Nierentod: Auch die Niere hat eine wichtige Entgiftungsfunktion für den Körper und ist außerdem für die lebensnotwendige Aufrechterhaltung der korrekten Ionenkonzentrationen (Natrium, Kalium, Kalzium usw.) im Organismus verantwortlich. Eine Störung des Ionengleichgewichts kann zu Verwirrtheit und Krampfanfällen, aber auch zu Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzstillstand führen. Ansonsten ist der Sterbeverlauf mit finalem Koma ähnlich wie beim Lebertod.
Gehirntod: Es wird hier bewusst nicht der Begriff «Hirntod» verwendet, da mit diesem Begriff in der Öffentlichkeit vor allem die Diskussion um die Organtransplantation verbunden wird (siehe nachfolgenden Abschnitt). Zunächst soll von dem Tod durch Gehirnschädigung die Rede sein. Hier gibt es wiederum zwei Gruppen: zum einen die Fälle, in denen es zu einer Steigerung des Drucks im Gehirn kommt (z. B. durch Blutung, Gewebeschwellung nach Schlaganfall, Metastasen), wodurch Teile des Gehirns im engen Raum des Schädels zusammengequetscht werden, was die Hirnfunktionen erlöschen lässt und damit zum Tod führt (sog. «Einklemmung»). Diese Todesart verläuft relativ schnell und führt rasch zur Bewusstlosigkeit, kann allerdings von Krampfanfällen und Schmerzen begleitet sein. Die zweite, zunehmend häufige Gruppe ist die der Patienten mit Demenzen und anderen neurodegenerativen Krankheiten, deren fortschreitender Hirnabbauprozess über einen Zeitraum von Jahren schließlich dazu führt, dass das Hirn nicht mehr in der Lage ist, lebenswichtige Funktionen wie zuletzt das Essen und Schlucken korrekt zu steuern. Das hat wegen der Langsamkeit des Prozesses in der Regel einen friedlichen Tod zur Folge, wenn der Sterbeprozess nicht durch unnötige ärztliche Eingriffe gestört wird (siehe Kapitel 6).
Viele Todesfälle sind eine Kombination zweier oder mehrerer der eben beschriebenen Todesformen, wie zum Beispiel der Tod durch Lungenentzündung bei weit fortgeschrittener Demenz. Es kann aber hilfreich sein, sich daran zu erinnern, dass alle Sterbeverläufe grundsätzlich auf der Schädigung eines oder mehrerer lebenswichtiger Organe beruhen müssen.
© Verlag C.H.Beck oHG, München
Die Frage ist weniger banal, als sie scheint. Immerhin ist es Wissenschaftlern gelungen, durch genetische Manipulation die biologische Lebensspanne niederer Organismen (z. B. einer bestimmten Algenspezies) scheinbar unbegrenzt zu verlängern. Dies wurde möglich, seit bekannt ist, dass spezielle Abschnitte an den Enden unserer Chromosomen (sog. Telomere) die zu erwartende Lebensspanne der Einzelzellen bestimmen, aus denen jeder Organismus zusammengesetzt ist. Den biologischen Sinn einer begrenzten Lebenszeit sehen die Evolutionsforscher1 in der Optimierung der Weitergabe unseres genetischen Materials. Nach der sogenannten «Selfish-DNA-Hypothesis» (Hypothese der egoistischen Erbsubstanz) sind alle Lebewesen nur biologische Maschinen mit dem Ziel der maximalen Weitergabe, Vermehrung und Vermischung ihres genetischen Materials. Denkt man diese Hypothese weiter, so ist die evolutionär-biologische Funktion eines jeden Lebewesens spätestens dann erschöpft, wenn es möglichst viele Nachkommen gezeugt und für ihr Überleben bis ins fortpflanzungsfähige Alter gesorgt hat. Danach wird es bestenfalls zum Nahrungsmittelkonkurrenten für die eigenen Nachkommen ohne erkennbaren Vorteil für die Genverbreitung und sollte daher zum Vorteil der eigenen Gattung seine Existenz baldmöglichst beenden.
Dass der Mensch sich in seinem Fortpflanzungs- und Sozialverhalten nicht mehr evolutionskonform verhält, liegt auf der Hand. Einige der neueren Diskussionsbeiträge zur Sterbeproblematik, wie die Forderung nach dem «sozial verträglichen Frühableben», ließen sich allerdings problemlos evolutionstheoretisch unterfüttern. Darin liegt auch ihre Gefährlichkeit in einer Welt, in der die Ressourcenverteilung zunehmend nach dem (aus der Evolution hinlänglich bekannten) Gesetz des Stärkeren erfolgt.
Glücklicherweise hat die Menschheit in ihrer Kulturgeschichte auch andere kulturelle, moralische und religiöse Deutungen des Lebens und des Sterbens entwickelt, die den Strategien der Evolutionsbiologie und Ökonomie gegenüberstehen. Eine umfassende Darstellung würde den Rahmen dieses Buches sprengen, aber einige davon werden in den folgenden Kapiteln Erwähnung finden.
Der programmierte Zelltod
Wenn man in Physiologie-Lehrbüchern nach dem Stichwort «Sterben» sucht, wird man durchaus fündig - allerdings nur, was den Tod einzelner Zellen, Gewebeteile oder bestenfalls Organe betrifft. Der Zelltod ist besonders gut untersucht, weil ihm eine zentrale Rolle gerade in der Embryonalentwicklung zukommt. Hier kommt es zum sogenannten «programmierten Zelltod» (Apoptose): Neue Zellen werden während des Wachstums und der Differenzierung der Organe im Überschuss gebildet und konkurrieren dann miteinander um eine beschränkte Menge von Wachstumsfaktoren. Diejenigen Zellen, die keinen Zugang zum Wachstumsfaktor bekommen, sterben - aber nicht einfach so: Sie schalten regelrechte Selbsttötungsgene an und bringen sich selbst, zum Wohle des Ganzen, damit aktiv um. Das tun sie in einer Weise, die für den Organismus am wenigsten schädlich ist: durch eine Art Zellimplosion, welche die potentiell schädliche Freisetzung von Zellinhalt verhindert und das Abräumen der Zellreste durch spezielle Immunzellen (die Müllabfuhr des Körpers sozusagen) erleichtert. Diesem Prozess ist es wesentlich zu verdanken, dass die hochkomplizierten Vorgänge bei der Embryonalentwicklung in der Regel zufriedenstellend ablaufen. Deshalb, und nur deshalb, besitzen Kinder bei ihrer Geburt fast immer die vorgesehene Anzahl an Gliedmaßen, Organen und Nervenzellen - was jedes Mal einem kleinen Wunder gleichkommt.
Durch diese Erkenntnisse bekommt der alte Spruch «Media vita in morte sumus» (mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen) eine unerwartete Bedeutung. Der Tod begleitet uns nicht nur von Geburt an, sondern sogar schon vorher; er ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass wir überhaupt als lebensfähige Organismen auf die Welt kommen können. Auch während unseres Lebens spielt der Zelltod in der Physiologie des Organismus eine wichtige Rolle, vor allem im Immunsystem. Bestimmte weiße Blutkörperchen (sog. T- Lymphozyten) haben die Aufgabe, virusinfizierte oder bösartig entartete (krebsverursachende) Körperzellen zu erkennen und sie mittels Anschaltung ihres eigenen Zelltodprogramms zu vernichten. Ebenso werden bei der Reifung von weißen Blutkörperchen diejenigen Zellen, die sich gegen das eigene Gewebe richten würden, durch programmierten Zelltod beseitigt. Das ist nicht trivial, denn wenn dabei etwas schiefläuft, können schwere Autoimmunkrankheiten wie z. B. die Multiple Sklerose oder die rheumatoide Arthritis die Folge sein.
Der Organtod
Dass Teile von Organen oder sogar ganze Organe sterben können, ohne dass der gesamte Mensch deswegen sterben muss, ist hinreichend bekannt. Ursache dafür ist meistens eine Einschränkung der Blutversorgung, wie beim Hirn- oder Herzinfarkt, oder ein Trauma, etwa bei der Milzruptur. Auf die Milz können wir im Notfall verzichten, auf Herz oder Hirn allerdings nicht, daher sind bei diesen beiden nur Teilschädigungen erlaubt, wenn der Organismus insgesamt weiterleben soll.
Auch Gliedmaßen können absterben und durch Amputation entfernt werden, ohne dass dies zwingend den Tod zur Folge hätte. Viele Tierarten sind in der Lage, zerstörte Organe oder sogar ganze Gliedmaßen zu regenerieren, also neu zu bilden. Diese Fähigkeit ist mit zunehmender Spezialisierung und Komplexität der einzelnen Organe im Laufe der Evolution immer mehr eingeschränkt worden. Aber auch beim Menschen besitzt beispielsweise die Leber eine hohe Regenerationsfähigkeit, die Haut sowieso, und nach neuesten Befunden kann sich sogar das Gehirn mit Hilfe sogenannter neuronaler Stammzellen nach Schäden in begrenztem Maße selbst regenerieren. Dieses Wechselspiel zwischen Tod und Leben begleitet uns also von der Befruchtung bis zur Bahre (und sogar darüber hinaus, wie wir später sehen werden).
Gesamttod des Organismus
Hierzu wissen wir mit Abstand am wenigsten. Ein Beweis dafür findet sich auf den meisten Todesbescheinigungen, auf denen als unmittelbare Todesursache «Herz-Kreislauf-Versagen» eingetragen wird. Das Herz-Kreislauf-Versagen, also das Ende der Herzfunktion und des Blutkreislaufs, ist aber in den meisten Fällen nicht die Ursache des Todes, sondern lediglich ein sichtbares Zeichen hierfür. Was verursacht wirklich den Tod eines Gesamtorganismus? Und wann tritt dieser genau ein? Darüber gibt es kaum Untersuchungen. Diese wären jedoch sehr hilfreich, denn Ärzte werden immer wieder von den Sterbeverläufen ihrer Patienten überrascht, wie die folgenden Fallbeispiele zeigen.
Heinz F., 73 Jahre alt, hatte Lungenkrebs mit Tochtergeschwülsten in Leber, Knochen, Haut und Gehirn. Seine Nieren funktionierten so gut wie nicht mehr, sein Bauch und seine Lungen waren voller Wasser, und seine Blutwerte waren weit von dem entfernt, was in Lehrbüchern als mit dem Leben vereinbar betrachtet wird. Er war auf 40 kg abgemagert, woran auch die künstliche Ernährung nichts zu ändern vermocht hatte. Diese hatte er zuletzt abgelehnt, wie auch die Dialyse und alle lebensverlängernden Maßnahmen. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als zu sterben, und dieser Wunsch blieb auch bestehen, nachdem die Atemnot mit Morphin erfolgreich gelindert werden konnte. Aber sein Wunsch erfüllte sich nicht. Jeden Tag fragte er die Ärzte aufs Neue, wann es denn mit ihm «so weit» sei. Um Sterbehilfe bat er nicht, aber das Leiden an der eigenen Existenz war überdeutlich. Er hatte sich von seiner Familie verabschiedet, es gab aus seiner Sicht keine «unerledigten Geschäfte», und doch dauerte es weitere zwei Wochen, bis er schließlich sterben durfte - zwei Wochen, die nach Ansicht auch der erfahrensten Ärzte eigentlich jenseits des physiologisch Möglichen lagen.
Mathilde W., 85 Jahre, hatte Brustkrebs mit Knochenmetastasen und brauchte eine bessere Einstellung ihrer Schmerzmedikation. Sie kam auf die Palliativstation, und die allgemeine Einschätzung war, dass sie nach der Verbesserung ihrer Schmerzsituation nach Hause entlassen werden und dort noch einige Monate mit guter Lebensqualität verbringen könne. Am Abend des dritten Tages (die Schmerzen waren schon deutlich gebessert) sagte sie zur Nachtschwester: «Ich werde heute Nacht sterben.» Die Krankenschwester war erstaunt, denn nichts deutete darauf hin, und die Entlassung war für Ende der Woche schon geplant. Sie versuchte, die Patientin zu beruhigen, die aber gar nicht beunruhigt schien, sondern gelassen bei ihrer Meinung blieb. Und tatsächlich starb sie gegen 4 Uhr morgens im Schlaf.
Fast alle Ärzte wissen von Patienten zu berichten, die nach klinischer Einschätzung wegen des fortgeschrittenen, durch Laborwerte eindeutig dokumentierten Ausfalls mehrerer lebenswichtiger Funktionen ihres Körpers eigentlich schon längst hätten tot sein sollen - und dennoch viel länger weiterlebten. Auf der anderen Seite stehen Menschen, die zwar alt und/oder schwer krank sind, aber nach Meinung der sie versorgenden Ärzte und Pflegenden sich noch lange nicht im Sterbeprozess befinden - und doch «unerwartet» sterben, ohne dass sich dafür selbst bei der Obduktion eine plausible Ursache finden lässt. Wie sind diese Beobachtungen zu erklären?
Was wir sicher wissen, ist, dass der Mensch nicht «auf einmal» stirbt, sondern dass die einzelnen Organe mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihre Funktion einschränken und später ganz einstellen. In der Sterbephase ist meistens eine sogenannte Kreislaufzentralisation zu beobachten: Die herzfernen Körperteile werden weniger durchblutet, zugunsten der inneren Organe und des Gehirns. Dies geht einher mit einem Blutdruckabfall, worunter besonders die Funktionsfähigkeit der Nieren stark leidet. Der eigentliche Tod stellt einen Zusammenbruch der koordinierten Tätigkeit der lebenswichtigen Körperorgane dar, deren Hauptfunktion es ist, das Gehirn mit Zucker und Sauerstoff zu versorgen. Äußerer Ausdruck dieses Zusammenbruchs ist das Erlöschen der Herz- und Atemtätigkeit.
Grundsätzlich kann der Verlust der Funktionsfähigkeit jedes einzelnen lebenswichtigen Organs zum Tod führen. Dazu gehören Herz, Lunge, Leber, Niere und Gehirn. Alle Prozesse, die zum Tod führen, tun dies durch die direkte oder indirekte Schädigung eines oder mehrerer dieser Organe. Man könnte also sagen, dass es fünf physiologische Haupttodesarten gibt: den Herz-Kreislauf-, den Lungen-, den Leber-, den Nieren- und den Gehirntod.
Herz-Kreislauf-Tod: Fragt man Menschen, wie sie sterben möchten, sagen die meisten: schnell und schmerzlos, am liebsten den «Sekundentod» durch Herzstillstand. Ganz abgesehen davon, dass diese Art zu sterben durchaus auch ihre Nachteile hat (davon später mehr), ist nur ein Bruchteil der Herz-Kreislauf-Todesfälle unter der Rubrik «Sekundentod» einzuordnen. Die weitaus meisten Sterbevorgänge aufgrund von Herz-Kreislauf-Versagen haben ihre Ursache in einer chronischen Herzinsuffizienz, die unter anderem durch Rauchen und Zuckerkrankheit begünstigt wird.
Über diese Art zu sterben wissen wir erstaunlich wenig; neueste Untersuchungen zeigen allerdings, dass die Symptome sterbender Herzpatienten in vielem denen von Krebspatienten ähneln. Insbesondere spielen Schmerzen und vor allem Atemnot die größte Rolle, zusammen mit der durch die Herzschwäche bedingten extremen Abgeschlagenheit. Diese wird von den Patienten nicht selten als das am meisten belastende Symptom angegeben und ist nicht einfach zu lindern.
Lungentod: Hier steht das Symptom der Atemnot eindeutig im Vordergrund, und die Geschwindigkeit der Verschlechterung der Lungenfunktion ist für das Ausmaß der Symptombelastung entscheidend. Bei einer rasch auftretenden Atemnot sind hohe Dosen von Medikamenten notwendig, und die gleichzeitig entstehende Angst kann extrem belastend sein. Bei einer chronischen Atemschwäche kommt es meistens zu einem friedlichen Tod im Schlaf, da sich der Körper an hohe Kohlendioxid-(CO2-)Spiegel im Blut gewöhnt und irgendwann friedlich in eine sogenannte CO2-Narkose gleitet.
Lebertod: Wenn die Leber, zum Beispiel aufgrund von Tumormetastasen, ihre Funktion als Entgiftungszentrale des Körpers nicht mehr wahrnehmen kann, sammeln sich giftige Stoffwechselprodukte im Blut an, etwa Ammoniak und Bilirubin (das die charakteristische Gelbfärbung der Haut und Augen von Leberpatienten verursacht). Diese Stoffe haben eine dämpfende Wirkung auf das Gehirn, so dass die Patienten in einen Dämmerzustand und schließlich ins sogenannte Leberkoma fallen, in welchem sie in der Regel friedlich sterben. Allerdings kann es vor dem Leberkoma auch zu Phasen von Verwirrtheit und Unruhe kommen, die einer speziellen Therapie bedürfen (siehe Kapitel 4b).
Nierentod: Auch die Niere hat eine wichtige Entgiftungsfunktion für den Körper und ist außerdem für die lebensnotwendige Aufrechterhaltung der korrekten Ionenkonzentrationen (Natrium, Kalium, Kalzium usw.) im Organismus verantwortlich. Eine Störung des Ionengleichgewichts kann zu Verwirrtheit und Krampfanfällen, aber auch zu Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzstillstand führen. Ansonsten ist der Sterbeverlauf mit finalem Koma ähnlich wie beim Lebertod.
Gehirntod: Es wird hier bewusst nicht der Begriff «Hirntod» verwendet, da mit diesem Begriff in der Öffentlichkeit vor allem die Diskussion um die Organtransplantation verbunden wird (siehe nachfolgenden Abschnitt). Zunächst soll von dem Tod durch Gehirnschädigung die Rede sein. Hier gibt es wiederum zwei Gruppen: zum einen die Fälle, in denen es zu einer Steigerung des Drucks im Gehirn kommt (z. B. durch Blutung, Gewebeschwellung nach Schlaganfall, Metastasen), wodurch Teile des Gehirns im engen Raum des Schädels zusammengequetscht werden, was die Hirnfunktionen erlöschen lässt und damit zum Tod führt (sog. «Einklemmung»). Diese Todesart verläuft relativ schnell und führt rasch zur Bewusstlosigkeit, kann allerdings von Krampfanfällen und Schmerzen begleitet sein. Die zweite, zunehmend häufige Gruppe ist die der Patienten mit Demenzen und anderen neurodegenerativen Krankheiten, deren fortschreitender Hirnabbauprozess über einen Zeitraum von Jahren schließlich dazu führt, dass das Hirn nicht mehr in der Lage ist, lebenswichtige Funktionen wie zuletzt das Essen und Schlucken korrekt zu steuern. Das hat wegen der Langsamkeit des Prozesses in der Regel einen friedlichen Tod zur Folge, wenn der Sterbeprozess nicht durch unnötige ärztliche Eingriffe gestört wird (siehe Kapitel 6).
Viele Todesfälle sind eine Kombination zweier oder mehrerer der eben beschriebenen Todesformen, wie zum Beispiel der Tod durch Lungenentzündung bei weit fortgeschrittener Demenz. Es kann aber hilfreich sein, sich daran zu erinnern, dass alle Sterbeverläufe grundsätzlich auf der Schädigung eines oder mehrerer lebenswichtiger Organe beruhen müssen.
© Verlag C.H.Beck oHG, München
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Autoren-Porträt von Gian D. Borasio
Prof. Dr. med. Gian D. Borasio, geb. 1962, ist Inhaber des Stiftungslehrstuhls für Palliativmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München und gilt als Deutschlands führender Palliativmediziner. In dem von ihm mitbegründeten Interdisziplinären Zentrum für Palliativmedizin werden alle Bereiche der physischen, psychosozialen und spirituellen Sterbebegleitung in die Lehre und Forschung integriert. Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde Borasio durch sein engagiertes Eintreten für ein Gesetz über Patientenverfügungen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Gian D. Borasio
- 2013, 11. Aufl., 208 Seiten, 11 Abbildungen, Maße: 12,9 x 20,7 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Beck
- ISBN-10: 3406617085
- ISBN-13: 9783406617089
- Erscheinungsdatum: 19.09.2011
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