"Wild Hearts" Doppelband
"Wo mein Herz wohnt" und "Ein Kuss zum Dessert"
2 Romane in einem Band: - Wo mein Herz wohnt Kann Jillian den Cowboy Aaron für sich gewinnen? - Ein Kuss zum Dessert.
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2 Romane in einem Band: - Wo mein Herz wohnt Kann Jillian den Cowboy Aaron für sich gewinnen? - Ein Kuss zum Dessert.
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Ein Kuss zum Dessert (aus Wild Hearts) von Nora Roberts... mehr
Ihr Name war June. Es war ein Name, bei dem man an Blumen dachte, an plötzliche Gewitter und lange, ruhelose Nächte im Sommer. Er weckte auch Erinnerungen an sonnenbeschienene Wiesen und an ein Plätzchen im Schatten. Ja, der Name passte zu ihr.
Während sie jetzt dort stand, die Hände in die Hüften gestützt, aufmerksam und angespannt, war in dem Raum kein einziges Geräusch zu hören. Niemand ließ sie aus den Augen, denn niemand wollte sich eine einzige Geste von ihr, eine Bewegung entgehen lassen. Die ganze Aufmerksamkeit war nur auf sie gerichtet. Musik von Chopin erfüllte den Raum, das Licht spielte auf ihrem adrett hochgesteckten Haar und ließ es aufleuchten, ein warmes Braun mit goldenen Lichtern. Smaragdohrringe blitzten an ihren Ohren.
Die hohen Wangenknochen gaben ihrem fein geschnittenen Gesicht ein aristokratisches Aussehen, ihre dunkelbraunen Augen mit den bernsteinfarbenen Flecken blickten konzentriert, die vollen, sinnlichen Lippen hatte sie ein wenig schmollend verzogen.
Sie war ganz in Weiß gekleidet, und sie zog alle Blicke auf sich wie ein Schmetterling im hellen Sonnenlicht. Obwohl sie kein Wort sprach, lauschten doch alle auf das kleinste Geräusch.
June hätte genauso gut allein sein können, so wenig Aufmerksamkeit schenkte sie den Menschen um sich herum. Für sie gab es nur ein Ziel: Perfektion. Mit weniger gab sie sich nie zufrieden.
Vorsichtig hob sie die letzte Blüte der Engelwurz und drückte sie auf den Savarin. Die Stunden, die sie gebraucht hatte, dieses Kunstwerk zu backen, waren vergessen, und auch die Hitze, ihre müden Beine sowie die schmerzenden Arme. Der Abschluss einer Kreation von June Lyndon war äußerst wichtig. Ja, es würde perfekt schmecken, perfekt riechen, sich sogar perfekt schneiden lassen. Aber wenn es nicht auch perfekt aussah, war all das andere nicht wichtig.
Mit der Vorsicht eines Künstlers, der ein Meisterwerk vollendet, hob sie den Pinsel und gab den Früchten und Mandeln einen leichten Überzug aus Apricot.
Noch immer sprach niemand.
Ohne die Hilfe eines der Umstehenden zu erbitten, füllte June jetzt das Innere des Savarins mit einer gehaltvollen Creme, deren Rezept sie wie ein Geheimnis hütete.
Dann trat sie mit hoch erhobenem Kopf einen Schritt zurück, um ihrer Schöpfung einen letzten, prüfenden Blick zuzuwerfen. Das war der letzte Test, denn ihr Auge war aufmerksamer und kritischer als das eines jeden anderen Menschen, wenn es um ihre eigene Arbeit ging. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, ihr Gesicht war ausdruckslos. In der großen Küche hätte man eine Stecknadel fallen hören können, so still war es.
Dann begannen ihre Augen zu glänzen, ihr Mund verzog sich zu einem Lächeln. Erfolg. June hob einen Arm. "Bringt ihn weg", befahl sie.
Während zwei ihrer Assistenten das glitzernde Gebilde aus dem Raum rollten, brach Applaus aus.
June akzeptierte den Applaus, weil sie davon überzeugt war, dass sie ihn verdiente. Ihr Savarin war prächtig, und das hatte der italienische Herzog für die Verlobung seiner Tochter so gewollt, dafür bezahlte er auch. June hatte lediglich ihre Arbeit getan.
"Mademoiselle." Foulfount, der Franzose, dessen Spezialität Schellfisch war, fasste June an den Schultern, seine Augen leuchteten voller Bewunderung. "Incroyable." Begeistert küsste er sie auf beide Wangen, und zum ersten Mal seit Stunden lachte June.
"Merci." Jemand hatte eine Flasche Wein geöffnet, June nahm zwei Gläser und reichte eines davon dem Franzosen. "Auf unsere nächste Zusammenarbeit, mon ami."
Sie trank das Glas leer, nahm ihre kecke Kochmütze ab und verließ dann die Küche. In dem riesigen Speisezimmer mit dem Marmorfußboden und den unzähligen Kerzen wurde gerade ihr Savarin serviert und bewundert. Der letzte Gedanke, ehe sie ging, war, dass Gott sei Dank jemand anders das Durcheinander aufräumen musste.
Zwei Stunden später hatte June die Schuhe ausgezogen und die Augen geschlossen. Ein gruseliger Kriminalroman lag auf ihrem Schoß, während ihr Flugzeug über den Atlantik flog. Sie war auf dem Weg nach Hause. Beinahe drei Tage war sie in Mailand gewesen, nur, um diesen einzigen Nachtisch zuzubereiten. Doch für June war das nicht ungewöhnlich. Sie hatte in Madrid "Charlotte Malakoff" gebacken, in Athen "Crêpes Fourées" flambiert und "Ile Flottante" in Istanbul zubereitet. Für ihre Spesen plus zusätzlich eines beachtlichen Lohns kreierte June Lyndon einen Nachtisch, der noch lange nach dem letzten Bissen in der Erinnerung derer bleiben würde, die ihn verspeist hatten.
Sie sah sich selbst als Spezialistin, ähnlich wie ein befähigter Chirurg. Und in der Tat hatte sie studiert, gelernt und praktiziert, beinahe genauso lang wie ein Mitglied einer medizinischen Fakultät. Fünf Jahre, nachdem sie in Paris, der Stadt, in der das Essen zur Kunst erhoben wurde, die hohen Anforderungen erfüllt hatte, die nötig waren, "Cordon-bleu-Chef" zu werden, hatte sie sich den Ruf erworben, so temperamentvoll zu sein wie ein Künstler, das Gedächtnis eines Computers zu haben, wenn es um Rezepte ging, und die Hände eines Engels bei deren Zubereitung.
June döste in ihrem Sitz in der ersten Klasse vor sich hin und sehnte sich nach einem simplen Stück Pizza. Sie wusste, der Flug würde viel schneller vergehen, wenn sie lesen oder schlafen würde. Sie entschied sich, beides zu tun, zuerst würde sie ein wenig schlafen, denn ihr Schlaf war ihr genauso heilig wie das Rezept für ihre "Mousse au Chocolat".
Wenn sie erst einmal wieder in Philadelphia war, so erwartete sie dort ein echt hektischer Terminplan. Sie musste eine "Bombe" zubereiten für den Wohltätigkeitsball des Gouverneurs, dann erwarteten sie das Treffen der Gourmet-Gesellschaft, die Demonstration ihrer Kunst in einer Fernsehsendung ... und dann noch diese Besprechung, dachte sie benommen.
Was hatte diese Frau am Telefon gesagt?, überlegte June. Drake - nein, Blake, Blake Cocharan der Dritte, von der Cocharan-Hotelkette. Großartige Hotels, dachte June. Sie hatte einige davon in unterschiedlichen Ländern besucht. Mr. Cocharan der Dritte hatte ihr einen geschäftlichen Vorschlag zu machen.
June nahm an, dass er von ihr einen besonderen Nachtisch zubereitet haben wollte, den er exklusiv in seinen Hotels anbieten wollte, etwas, das es nur in den Cocharan-Hotels gab. Sie war dem gar nicht abgeneigt - unter den entsprechenden Bedingungen. Und selbstverständlich gegen die entsprechende Bezahlung. Natürlich müsste sie sich zuerst das Cocharan-Unternehmen genauer ansehen, ehe sie sich einverstanden erklärte, ihren guten Namen mit dem Unternehmen in Verbindung zu bringen. Wenn auch nur eines der Hotels nicht ihrem Qualitätsstandard entsprach ...
Mit einem Gähnen entschied sich June, später darüber nachzudenken - nachdem sie sich mit "dem Dritten" persönlich getroffen hatte. Blake Cocharan der Dritte, dachte sie mit einem belustigten Lächeln. Rundlich, wahrscheinlich mit Glatze und auch mit Verdauungsschwierigkeiten. Sicher trug er italienische Schuhe, eine Schweizer Uhr, französische Hemden und fuhr einen deutschen Wagen - und ohne Zweifel betrachtete er sich als Amerikaner. Wieder gähnte June, dann seufzte sie, als sie erneut an die Pizza dachte. Sie lehnte den Kopf zurück, entschlossen zu schlafen.
Blake Cocharan der Dritte saß auf dem Rücksitz seiner metallicgrauen Limousine und ging noch einmal den Bericht des neuesten Cocharan-Hotels in Saint Croix durch. Er war ein Mann, der ein heilloses Durcheinander in kürzester Zeit in eine perfekte Ordnung bringen konnte, für ihn war Chaos nur eine Art von Ordnung, die mit Logik entwirrt werden musste. Und Blake war ein sehr logisch denkender Mensch. Für ihn leitete Punkt A unzweifelhaft zu Punkt B und dann zu Punkt C. Ganz egal, wie verwirrt etwas auch sein mochte, mit Logik und Geduld fand er immer einen Weg.
Nicht allein aufgrund dieses Talentes besaß Blake mit seinen fünfunddreißig Jahren absolute Kontrolle über das Cocharan-Imperium. Seinen Reichtum hatte er geerbt und dachte demzufolge auch kaum darüber nach. Seine Position in dem Imperium jedoch hatte er sich erarbeitet, und deshalb war sie für ihn von Bedeutung. Für die Cocharan-Hotels war nur das Beste gut genug, angefangen von der Bettwäsche bis hin zum Mörtel, mit dem die Häuser gebaut wurden.
Und der ihm vorliegende Bericht über June Lyndon sagte ihm, dass sie die Beste war.
Er legte die Papiere über das Hotel in Saint Croix zur Seite und zog eine andere Akte aus seinem Aktenkoffer.
June Lyndon, dachte er, als er die Akte öffnete, achtundzwanzig Jahre alt, studiert an der Sorbonne, Cordon-bleu-Chef. Ihr Vater war Rothschild Lyndon, Mitglied des Britischen Parlaments, ihre Mutter, Monique Dubois Lyndon, eine Französin, war früher Filmschauspielerin gewesen. Die Eltern hatten sich einvernehmlich getrennt und waren seit dreiundzwanzig Jahren geschieden. June Lyndon hatte in ihren frühen Lebensjahren zwischen London und Paris gelebt, bis ihre Mutter einen amerikanischen Geschäftsmann heiratete, der in Philadelphia lebte. Danach war June allerdings wieder nach Paris zurückgekehrt, hatte dort ihre Ausbildung abgeschlossen und lebte jetzt in Paris wie auch in Philadelphia. Ihre Mutter hatte seitdem noch ein drittes Mal geheiratet, einen Papierfabrikanten, ihr Vater hatte sich von seiner zweiten Frau, einer erfolgreichen Anwältin, getrennt.
Alle Nachforschungen Blakes hatten immer wieder zu dem gleichen Schluss geführt: June Lyndon war die beste Dessert-Köchin auf beiden Seiten des Atlantiks. Dazu war sie noch eine hervorragende Küchenchefin, die Wert auf Qualität legte, kreativ war und auch die Fähigkeit besaß, in einer Krise zu improvisieren. Auf der anderen Seite sagte man von ihr, dass sie diktatorisch herrschte, temperamentvoll und verletzend ehrlich war. Doch diese Eigenschaften hatten ihr keine Nachteile gebracht.
Sie mochte zwar darauf bestehen, während ihrer Arbeit der Musik von Chopin zu lauschen oder sich weigern zu arbeiten, weil das Licht nicht richtig war, aber ihre Mousse allein genügte, um einen Mann dazu zu bringen, ihr jeden Wunsch zu erfüllen.
Blake war ein Mann, der nicht gern bat ... aber er wollte June Lyndon für sein Hotel haben. Und er zweifelte nicht daran, dass es ihm gelingen würde, ihre Zustimmung für genau das zu bekommen, was er sich vorgestellt hatte.
Eine tolle Frau, dachte er. Nicht vielen Frauen war es gelungen, das zu erreichen, was June erreicht hatte. Es gab viele Frauen, die Köchinnen waren, aber die Küchenchefs waren meistens Männer.
Er versuchte, sie sich vorzustellen. Wahrscheinlich war sie rundlich vom vielen Probieren. Starke Hände hatte sie sicher, und ihre Haut war blass und ein wenig teigig von der Arbeit in der Küche. Eine Frau, die wusste, was sie wollte, dessen war er sicher, kompromisslos, organisiert, logisch und kultiviert - vielleicht ein wenig schlicht, weil sie sich mit dem Kochen befasste und nicht mit Mode. Blake dachte, dass sie sicher sehr gut miteinander auskommen würden. Mit einem Blick auf seine Uhr stellte er fest, dass er pünktlich zu ihrer Verabredung sein würde.
"Es wird nicht länger als eine Stunde dauern", erklärte er seinem Fahrer, als sie vor dem großen Haus anhielten.
Blake blickte zum vierten Stock des Hauses hinauf, die Fenster waren geöffnet, stellte er fest. Er hörte Musik aus den geöffneten Fenstern, konnte jedoch nicht erkennen, welche Musik es war. Als er das Haus betrat, sah er, dass der Aufzug gerade außer Betrieb war. Er musste also die vier Stockwerke zu Fuß hochgehen.
Nachdem er an der Tür geläutet hatte, wurde sie von einer zierlichen Frau in einer eng anliegenden schwarzen Jeans und einem T-Shirt geöffnet. Ob das das Hausmädchen ist, das heute seinen freien Tag hatte?, fragte Blake sich. Aber sie sah nicht einmal kräftig genug aus, um den Boden schrubben zu können. Und wenn sie ausgehen wollte, so würde sie das sicher nicht ohne Schuhe tun, dachte er.
Nachdem er sie mit einem Blick von Kopf bis Fuß gemustert hatte, sah er wieder in ihr Gesicht. Es war ein klassisches Gesicht, ohne Make-up und zweifellos sehr sinnlich. Der Mund allein kann das Blut eines Mannes in Wallung bringen, stellte Blake bei sich fest.
"Mein Name ist Blake Cocharan, ich bin mit Miss Lyndon verabredet."
Übersetzung: Elke Iheukumere
Copyright 1985 by Nora Roberts
Ihr Name war June. Es war ein Name, bei dem man an Blumen dachte, an plötzliche Gewitter und lange, ruhelose Nächte im Sommer. Er weckte auch Erinnerungen an sonnenbeschienene Wiesen und an ein Plätzchen im Schatten. Ja, der Name passte zu ihr.
Während sie jetzt dort stand, die Hände in die Hüften gestützt, aufmerksam und angespannt, war in dem Raum kein einziges Geräusch zu hören. Niemand ließ sie aus den Augen, denn niemand wollte sich eine einzige Geste von ihr, eine Bewegung entgehen lassen. Die ganze Aufmerksamkeit war nur auf sie gerichtet. Musik von Chopin erfüllte den Raum, das Licht spielte auf ihrem adrett hochgesteckten Haar und ließ es aufleuchten, ein warmes Braun mit goldenen Lichtern. Smaragdohrringe blitzten an ihren Ohren.
Die hohen Wangenknochen gaben ihrem fein geschnittenen Gesicht ein aristokratisches Aussehen, ihre dunkelbraunen Augen mit den bernsteinfarbenen Flecken blickten konzentriert, die vollen, sinnlichen Lippen hatte sie ein wenig schmollend verzogen.
Sie war ganz in Weiß gekleidet, und sie zog alle Blicke auf sich wie ein Schmetterling im hellen Sonnenlicht. Obwohl sie kein Wort sprach, lauschten doch alle auf das kleinste Geräusch.
June hätte genauso gut allein sein können, so wenig Aufmerksamkeit schenkte sie den Menschen um sich herum. Für sie gab es nur ein Ziel: Perfektion. Mit weniger gab sie sich nie zufrieden.
Vorsichtig hob sie die letzte Blüte der Engelwurz und drückte sie auf den Savarin. Die Stunden, die sie gebraucht hatte, dieses Kunstwerk zu backen, waren vergessen, und auch die Hitze, ihre müden Beine sowie die schmerzenden Arme. Der Abschluss einer Kreation von June Lyndon war äußerst wichtig. Ja, es würde perfekt schmecken, perfekt riechen, sich sogar perfekt schneiden lassen. Aber wenn es nicht auch perfekt aussah, war all das andere nicht wichtig.
Mit der Vorsicht eines Künstlers, der ein Meisterwerk vollendet, hob sie den Pinsel und gab den Früchten und Mandeln einen leichten Überzug aus Apricot.
Noch immer sprach niemand.
Ohne die Hilfe eines der Umstehenden zu erbitten, füllte June jetzt das Innere des Savarins mit einer gehaltvollen Creme, deren Rezept sie wie ein Geheimnis hütete.
Dann trat sie mit hoch erhobenem Kopf einen Schritt zurück, um ihrer Schöpfung einen letzten, prüfenden Blick zuzuwerfen. Das war der letzte Test, denn ihr Auge war aufmerksamer und kritischer als das eines jeden anderen Menschen, wenn es um ihre eigene Arbeit ging. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, ihr Gesicht war ausdruckslos. In der großen Küche hätte man eine Stecknadel fallen hören können, so still war es.
Dann begannen ihre Augen zu glänzen, ihr Mund verzog sich zu einem Lächeln. Erfolg. June hob einen Arm. "Bringt ihn weg", befahl sie.
Während zwei ihrer Assistenten das glitzernde Gebilde aus dem Raum rollten, brach Applaus aus.
June akzeptierte den Applaus, weil sie davon überzeugt war, dass sie ihn verdiente. Ihr Savarin war prächtig, und das hatte der italienische Herzog für die Verlobung seiner Tochter so gewollt, dafür bezahlte er auch. June hatte lediglich ihre Arbeit getan.
"Mademoiselle." Foulfount, der Franzose, dessen Spezialität Schellfisch war, fasste June an den Schultern, seine Augen leuchteten voller Bewunderung. "Incroyable." Begeistert küsste er sie auf beide Wangen, und zum ersten Mal seit Stunden lachte June.
"Merci." Jemand hatte eine Flasche Wein geöffnet, June nahm zwei Gläser und reichte eines davon dem Franzosen. "Auf unsere nächste Zusammenarbeit, mon ami."
Sie trank das Glas leer, nahm ihre kecke Kochmütze ab und verließ dann die Küche. In dem riesigen Speisezimmer mit dem Marmorfußboden und den unzähligen Kerzen wurde gerade ihr Savarin serviert und bewundert. Der letzte Gedanke, ehe sie ging, war, dass Gott sei Dank jemand anders das Durcheinander aufräumen musste.
Zwei Stunden später hatte June die Schuhe ausgezogen und die Augen geschlossen. Ein gruseliger Kriminalroman lag auf ihrem Schoß, während ihr Flugzeug über den Atlantik flog. Sie war auf dem Weg nach Hause. Beinahe drei Tage war sie in Mailand gewesen, nur, um diesen einzigen Nachtisch zuzubereiten. Doch für June war das nicht ungewöhnlich. Sie hatte in Madrid "Charlotte Malakoff" gebacken, in Athen "Crêpes Fourées" flambiert und "Ile Flottante" in Istanbul zubereitet. Für ihre Spesen plus zusätzlich eines beachtlichen Lohns kreierte June Lyndon einen Nachtisch, der noch lange nach dem letzten Bissen in der Erinnerung derer bleiben würde, die ihn verspeist hatten.
Sie sah sich selbst als Spezialistin, ähnlich wie ein befähigter Chirurg. Und in der Tat hatte sie studiert, gelernt und praktiziert, beinahe genauso lang wie ein Mitglied einer medizinischen Fakultät. Fünf Jahre, nachdem sie in Paris, der Stadt, in der das Essen zur Kunst erhoben wurde, die hohen Anforderungen erfüllt hatte, die nötig waren, "Cordon-bleu-Chef" zu werden, hatte sie sich den Ruf erworben, so temperamentvoll zu sein wie ein Künstler, das Gedächtnis eines Computers zu haben, wenn es um Rezepte ging, und die Hände eines Engels bei deren Zubereitung.
June döste in ihrem Sitz in der ersten Klasse vor sich hin und sehnte sich nach einem simplen Stück Pizza. Sie wusste, der Flug würde viel schneller vergehen, wenn sie lesen oder schlafen würde. Sie entschied sich, beides zu tun, zuerst würde sie ein wenig schlafen, denn ihr Schlaf war ihr genauso heilig wie das Rezept für ihre "Mousse au Chocolat".
Wenn sie erst einmal wieder in Philadelphia war, so erwartete sie dort ein echt hektischer Terminplan. Sie musste eine "Bombe" zubereiten für den Wohltätigkeitsball des Gouverneurs, dann erwarteten sie das Treffen der Gourmet-Gesellschaft, die Demonstration ihrer Kunst in einer Fernsehsendung ... und dann noch diese Besprechung, dachte sie benommen.
Was hatte diese Frau am Telefon gesagt?, überlegte June. Drake - nein, Blake, Blake Cocharan der Dritte, von der Cocharan-Hotelkette. Großartige Hotels, dachte June. Sie hatte einige davon in unterschiedlichen Ländern besucht. Mr. Cocharan der Dritte hatte ihr einen geschäftlichen Vorschlag zu machen.
June nahm an, dass er von ihr einen besonderen Nachtisch zubereitet haben wollte, den er exklusiv in seinen Hotels anbieten wollte, etwas, das es nur in den Cocharan-Hotels gab. Sie war dem gar nicht abgeneigt - unter den entsprechenden Bedingungen. Und selbstverständlich gegen die entsprechende Bezahlung. Natürlich müsste sie sich zuerst das Cocharan-Unternehmen genauer ansehen, ehe sie sich einverstanden erklärte, ihren guten Namen mit dem Unternehmen in Verbindung zu bringen. Wenn auch nur eines der Hotels nicht ihrem Qualitätsstandard entsprach ...
Mit einem Gähnen entschied sich June, später darüber nachzudenken - nachdem sie sich mit "dem Dritten" persönlich getroffen hatte. Blake Cocharan der Dritte, dachte sie mit einem belustigten Lächeln. Rundlich, wahrscheinlich mit Glatze und auch mit Verdauungsschwierigkeiten. Sicher trug er italienische Schuhe, eine Schweizer Uhr, französische Hemden und fuhr einen deutschen Wagen - und ohne Zweifel betrachtete er sich als Amerikaner. Wieder gähnte June, dann seufzte sie, als sie erneut an die Pizza dachte. Sie lehnte den Kopf zurück, entschlossen zu schlafen.
Blake Cocharan der Dritte saß auf dem Rücksitz seiner metallicgrauen Limousine und ging noch einmal den Bericht des neuesten Cocharan-Hotels in Saint Croix durch. Er war ein Mann, der ein heilloses Durcheinander in kürzester Zeit in eine perfekte Ordnung bringen konnte, für ihn war Chaos nur eine Art von Ordnung, die mit Logik entwirrt werden musste. Und Blake war ein sehr logisch denkender Mensch. Für ihn leitete Punkt A unzweifelhaft zu Punkt B und dann zu Punkt C. Ganz egal, wie verwirrt etwas auch sein mochte, mit Logik und Geduld fand er immer einen Weg.
Nicht allein aufgrund dieses Talentes besaß Blake mit seinen fünfunddreißig Jahren absolute Kontrolle über das Cocharan-Imperium. Seinen Reichtum hatte er geerbt und dachte demzufolge auch kaum darüber nach. Seine Position in dem Imperium jedoch hatte er sich erarbeitet, und deshalb war sie für ihn von Bedeutung. Für die Cocharan-Hotels war nur das Beste gut genug, angefangen von der Bettwäsche bis hin zum Mörtel, mit dem die Häuser gebaut wurden.
Und der ihm vorliegende Bericht über June Lyndon sagte ihm, dass sie die Beste war.
Er legte die Papiere über das Hotel in Saint Croix zur Seite und zog eine andere Akte aus seinem Aktenkoffer.
June Lyndon, dachte er, als er die Akte öffnete, achtundzwanzig Jahre alt, studiert an der Sorbonne, Cordon-bleu-Chef. Ihr Vater war Rothschild Lyndon, Mitglied des Britischen Parlaments, ihre Mutter, Monique Dubois Lyndon, eine Französin, war früher Filmschauspielerin gewesen. Die Eltern hatten sich einvernehmlich getrennt und waren seit dreiundzwanzig Jahren geschieden. June Lyndon hatte in ihren frühen Lebensjahren zwischen London und Paris gelebt, bis ihre Mutter einen amerikanischen Geschäftsmann heiratete, der in Philadelphia lebte. Danach war June allerdings wieder nach Paris zurückgekehrt, hatte dort ihre Ausbildung abgeschlossen und lebte jetzt in Paris wie auch in Philadelphia. Ihre Mutter hatte seitdem noch ein drittes Mal geheiratet, einen Papierfabrikanten, ihr Vater hatte sich von seiner zweiten Frau, einer erfolgreichen Anwältin, getrennt.
Alle Nachforschungen Blakes hatten immer wieder zu dem gleichen Schluss geführt: June Lyndon war die beste Dessert-Köchin auf beiden Seiten des Atlantiks. Dazu war sie noch eine hervorragende Küchenchefin, die Wert auf Qualität legte, kreativ war und auch die Fähigkeit besaß, in einer Krise zu improvisieren. Auf der anderen Seite sagte man von ihr, dass sie diktatorisch herrschte, temperamentvoll und verletzend ehrlich war. Doch diese Eigenschaften hatten ihr keine Nachteile gebracht.
Sie mochte zwar darauf bestehen, während ihrer Arbeit der Musik von Chopin zu lauschen oder sich weigern zu arbeiten, weil das Licht nicht richtig war, aber ihre Mousse allein genügte, um einen Mann dazu zu bringen, ihr jeden Wunsch zu erfüllen.
Blake war ein Mann, der nicht gern bat ... aber er wollte June Lyndon für sein Hotel haben. Und er zweifelte nicht daran, dass es ihm gelingen würde, ihre Zustimmung für genau das zu bekommen, was er sich vorgestellt hatte.
Eine tolle Frau, dachte er. Nicht vielen Frauen war es gelungen, das zu erreichen, was June erreicht hatte. Es gab viele Frauen, die Köchinnen waren, aber die Küchenchefs waren meistens Männer.
Er versuchte, sie sich vorzustellen. Wahrscheinlich war sie rundlich vom vielen Probieren. Starke Hände hatte sie sicher, und ihre Haut war blass und ein wenig teigig von der Arbeit in der Küche. Eine Frau, die wusste, was sie wollte, dessen war er sicher, kompromisslos, organisiert, logisch und kultiviert - vielleicht ein wenig schlicht, weil sie sich mit dem Kochen befasste und nicht mit Mode. Blake dachte, dass sie sicher sehr gut miteinander auskommen würden. Mit einem Blick auf seine Uhr stellte er fest, dass er pünktlich zu ihrer Verabredung sein würde.
"Es wird nicht länger als eine Stunde dauern", erklärte er seinem Fahrer, als sie vor dem großen Haus anhielten.
Blake blickte zum vierten Stock des Hauses hinauf, die Fenster waren geöffnet, stellte er fest. Er hörte Musik aus den geöffneten Fenstern, konnte jedoch nicht erkennen, welche Musik es war. Als er das Haus betrat, sah er, dass der Aufzug gerade außer Betrieb war. Er musste also die vier Stockwerke zu Fuß hochgehen.
Nachdem er an der Tür geläutet hatte, wurde sie von einer zierlichen Frau in einer eng anliegenden schwarzen Jeans und einem T-Shirt geöffnet. Ob das das Hausmädchen ist, das heute seinen freien Tag hatte?, fragte Blake sich. Aber sie sah nicht einmal kräftig genug aus, um den Boden schrubben zu können. Und wenn sie ausgehen wollte, so würde sie das sicher nicht ohne Schuhe tun, dachte er.
Nachdem er sie mit einem Blick von Kopf bis Fuß gemustert hatte, sah er wieder in ihr Gesicht. Es war ein klassisches Gesicht, ohne Make-up und zweifellos sehr sinnlich. Der Mund allein kann das Blut eines Mannes in Wallung bringen, stellte Blake bei sich fest.
"Mein Name ist Blake Cocharan, ich bin mit Miss Lyndon verabredet."
Übersetzung: Elke Iheukumere
Copyright 1985 by Nora Roberts
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Autoren-Porträt von Nora Roberts
Kaum war Nora Roberts nach Maryland gezogen, wurde sie von einem Blizzard überrascht und eingeschneit. Sie nutzte die Zeit, indem sie ihr erstes Manuskript verfasste. Doch keiner der Verlage, an die sie es schickte, wollte es haben. Zum Glück ließ Nora sich nicht entmutigen und schrieb weiter. Zwei Jahre später war es schließlich so weit: Ihr erstes Buch wurde veröffentlicht und verkaufte sich auf Anhieb 750.000 mal!Das war im Jahre 1981, und seit dieser Zeit ist die Liste ihrer Werke sehr lang geworden. Um einen Verlag muss sie sich keine Sorgen mehr machen - es gibt viele, die ihre Romane nur allzu gern haben wollen! Besonders mit ihren hinreißenden Miniserien, in deren Mittelpunkt die Familien MacGregor und MacKade stehen, hat sie sich als Romance-Autorin einen großen Namen gemacht.
Inzwischen hat Nora Roberts über 100 Bücher geschrieben, dazu noch Kurzgeschichten und Erzählungen, die häufig in Sammelbänden erscheinen.
Nora ist überzeugt, dass ihr Erzähltalent direkt etwas mit ihrer Abstammung zu tun hat: Ihre Mutter ist Irin, ihr Vater Schotte, und beide Völker sind für ihre Liebe zum Fabulieren bekannt.
Sie hat zahlreiche Auszeichnungen für ihre Bücher erhalten, die regelmäßig auf den großen amerikanischen Bestsellerlisten erscheinen.
Nora ist mit einem Zimmermann verheiratet. Sie behauptet, dass sie ihn damit beschäftigt, dass er ständig an ihr Haus anbauen muss. Obwohl sie sich um den Haushalt selbst kümmert, sitzt sie jeden Morgen Punkt 8:00 am Schreibtisch und arbeitet bis 16:30. „Ich muss meine Arbeit im Fluss halten, sonst versiegt die Quelle", meint sie.
Mit einer Gesamtauflage ihrer Romane von über 100 Millionen Exemplaren weltweit ist Nora Roberts wahrscheinlich die erfolgreichste Romance-Autorin überhaupt - ein echtes Phänomen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Nora Roberts
- 416 Seiten, Maße: 12,5 x 18,6 cm, Taschenbuch
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 386278679X
- ISBN-13: 9783862786794
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